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Kitabı oku: «Herz und Wissen», sayfa 16

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Capitel XXXIV

Ein ungewöhnlich langes« Arbeiten im Bureau hatte den guten Mr. Mool ermüdet; er legte seine Papiere beiseite und ließ die müden Augen auf einer auf dem Tische stehenden gefüllten Blumenvase ruhen, die ihm von einem dankbaren Clienten gesandt war. Wenn er sich auch als Mensch über die lieblichen Farben der Blumen freute, so beklagte er doch als Botaniker, daß dieselben von ihren elterlichen Stämmen getrennt und einem vorzeitigen Tode geweiht worden. »Ich selbst hätte es nicht fertig gebracht, sie abzuschneiden«, dachte er; »aber der Geschmack ist verschieden.«

Der Bureaubursche trat mit einer Visitenkarte in der Hand in’s Zimmer.

»Ich gehe jetzt nach Hause zum Essen«, sagte Mr. Mool. »Der Betreffende muß morgen wiederkommen.«

Als er aber einen Blick auf die von dem Burschen auf den Tisch gelegte Karte warf, sah er, daß der Besuch Mrs. Gallilee war. Was mochte die um sieben Uhr Abends, ohne daß er vorher davon benachrichtigt war, zu ihm führen? Mr. Mool zitterte bei der unheimlichen Ahnung eines ernsten Familienunfalls, der der gesetzlichen Einmischung bedürfte, und sagte natürlich: »Laß die Dame eintreten.«

Ehe sie aber noch ein Wort gewechselt hatten, war der Rechtsanwalt wieder beruhigt. Mrs. Gallilee strahlte ihn mit ihrem holdesten Lächeln an, drückte ihm mit freundlichster Wärme die Hand und bewunderte das Bouquet mit ihrem rückhaltslosesten Enthusiasmus. »Wundervoll, ganz vollkommen«, sagte sie – »besonders das Stiefmütterchen. Sehen Sie den runden flachen Saum, M. Mool; diese vollkommen gleichförmigen oberen Kronenblätter – das ist eine Blume, die es mit der Kritik aufnimmt! Die möchte ich seciren.«

Mr. Mool trat ihr das Stiefmütterchen zuvorkommend zum Seciren – oder zum schändlichen Verstümmeln, wie er es bei einer von seinen eigenen Blumen genannt haben würde – ab und wartete mit Spannung, was seine gelehrte Clientin ihm zu sagen hätte.

»Ich werde Sie überraschen – nein, erschrecken, ja ich kann sagen, mit Entsetzen erfüllen«, kündete Mrs. Gallilee an, und rief dadurch Mr. Mool’s Besorgnisse plötzlich wieder zurück. Sie selbst aber zeigte keine Spur von heftiger Bewegung und fuhr mit einer durchsichtigen Affectirung von Verlegenheit fort: »Wie soll ich es vorbringen? Soll ich es eine Schande für unsere Familie nennen?« Mr. Mool fuhr auf, sie aber bat ihn, ruhig zu bleiben; stufenweise näherte sie sich der unvermeidlichen Enthüllung. »Sie haben jawohl Herrn Doctor Benjulia in meinem Hause kennen gelernt?«

»Jawohl, ich habe die Ehre gehabt. Nicht eben ein geselliger Herr – wenn ich es wagen darf, so zu sagen.«

»Gelegentlich geradezu grob, Mr. Mool; aber darauf kommt hier nichts an. Ich komme soeben von ihm.«

Hing der Besuch bei dem Doctor etwa mit der »Schande für die Familie« zusammen? »Doctor Benjulia ist doch nicht verwandt mit Ihnen, gnädige Frau – wie?« wagte Mr. Mool zu fragen.

»Nein, durchaus nicht. Aber, bitte, Unterbrechen Sie mich nicht wieder. Ich breite, um mich so auszudrücken, eine Kette von Umständen vor Ihnen aus, und möchte sonst ein Glied auslassen. Als junger Mann hielt sich Doctor Benjulia – ich komme wieder auf meine Kette von Umständen, Mr. Mool – als junger Mann hielt er sich seiner Studien wegen in Rom auf – ich habe dies, bitte zu bemerken, von ihm selbst – und dort wurde er mit meinem seligen Bruder bekannt, gerade in der Periode nach dessen unglücklicher Heirath. Doch halt! ich habe mich wieder nicht stark genug ausgedrückt – nach dessen entehrender Heirath hätte ich sagen sollen.«

»Aber Mrs. Gallilee —«

»Mr. Mool!«

»Verzeihen Sie, gnädige Frau.«

»Keine Ursache! Ich komme auf den nächsten Umstand. Einer von des Doctors Studiencollegen, der als ein ganz unwiderstehlicher Mann beschrieben wird, besaß dabei Fähigkeiten, die selbst unseren ungeselligen Benjulia anzogen, so daß sie Freunde wurden. Zu der Zeit, von welcher ich jetzt spreche, wurde die abscheuliche Frau meines Bruders – ja, Mr. Mool, ich wiederhole es nochmals – wurde sein abscheuliches Weib Mutter von einem Mädchen.«

»Ihrer Nichte, Mrs. Gallilee.«

»Nein!«

»Nicht Miß Carmina?«

»Miß Carmina ist ebenso wenig meine Nichte, als sie die Ihrige ist. Erinnern Sie sich dessen, was ich eben gesagt habe. Ich erwähnte eines Studenten der Medicin, der ein unwiderstehlicher Mann gewesen sei – das war Miß Carmina’s Vater.«

Mr. Mool schnellte in die Höhe und würde seinem Staunen und seiner Entrüstung auf der Stelle Ausdruck gegeben haben, wenn ihn nicht seine Erfahrung als Advokat vor der Unklugheit des vorschnellen Aussprechen gewarnt hätte. So that er sich Gewalt an – und setzte sich wieder.

Ohne diesen kleinen Zwischenfall zu beachten, ließ Mrs. Gallilee ihren Triumph durchbrechen, ihre Augen glänzten, ihre Stimme hob sich. »Und das Gesetz, Mr. Mool! was sagt das Gesetzt?« rief sie. »Ist das Testament meines Bruders mehr als Makulatur? Wird das Geld unter den einzigen nahen Verwandten getheilt? Sagen Sie! Sprechen Sie!«

Da der Rechtsanwalt – sei es nun, daß er fühlte, daß die Luft im Zimmer einer Reinigung bedürfe, oder daß ihn sein Gesicht sonst verrathen würde – plötzlich das Gesicht in das Bouquet tauchte, fuhr Mrs. Gallilee, die um eine geschickte Auslegung dieses außerordentlichen Vorganges nicht verlegen war, mit patronisirendem Wohlwollen fort:

»Nehmen Sie sich Zeit, Mr. Mool. Ich kenne Ihre sensitive Natur und weiß, was ich selbst empfand, als diese entsetzliche Entdeckung über mich hereinbrach. Wenn Sie sich erinnern, sagte ich, daß Sie starr vor Entsetzen sein würden. Nehmen Sie sich Zeit, Verehrtester – bitte, nehmen Sie sich Zeit.«

Daß ihm so Muth zugesprochen wurde, als ob er der seiner Bewegung unterliegende Client und sie der leidenschaftslose Advokat wäre, brachte Mr. Mool auf. Schüchterne Menschen sind in den innersten Tiefen ihrer Natur stolz, und auch der Advokat hatte seinen Berufsstolz. Sein Gesicht war gefaßt, als er es von den Blumen erhob, und zum ersten Male im Leben fürchtete er sich nicht vor Mrs. Gallilee.

»Ehe wir«, begann er, »von der gesetzlichen Seite des Falles sprechen —«

»Des abscheulichen Falles«, warf Mrs. Gallilee im Interesse der Tugend ein; aber Mr. Mool, der unter anderen Umständen die Correctur angenommen haben würde, nahm diesmal durchaus keine Notiz davon, sondern fuhr fort: – »muß ich Sie bitten, mich über einen Punkt aufzuklären.«

»Gewiß! Ich bin bereit, auf alle Details einzugehen, so widerwärtig dieselben auch sein mögen.«

Mr. Mool konnte sich nicht enthalten, an gewisse »Damen« zu denken, die, wenn sie vom Vorsitzenden aufgefordert werden, bei gewissen Verhören den Saal zu verlassen, ruhig auf ihren Plätzen bleiben. Stark in seinem neuen Entschlusse, nahm er sich vor, Mrs. Gallilee aus ihrer Täuschung zu reißen.

»Habe ich Recht, wenn ich annehme, daß Sie glauben, was Sie mir gesagt haben?«

»Ganz gewiß!«

»Ist Herr Doctor Benjulia der Einzige, der mit Ihnen über die Sache gesprochen hat?«

»Jawohl.«

»Und dessen Gewährsmann ist sein Freund – der eben von Ihnen erwähnte Studiengenosse?«

»Mit anderen Worten, der Vater des unseligen Mädchens, das» meiner Pflege unterschoben worden ist«, war die Antwort, die dem Rechtsanwalt seinen Muth wiedergegeben haben würde, falls überhaupt Gefahr gewesen wäre, daß er denselben verlöre. Als ob er einen Zeugen vor dem Polizeigerichte verhörte, fuhr er fort:

»Der Herr Doctor hat vermuthlich irgend welchen Grund, das, was ihm sein Freund gesagt, zu glauben?«

»Grund in Menge! Laster und Armuth gehen in der Regel Hand in Hand – und dieser Mann war arm. Er hat Doctor Benjulia Geld gezeigt, welches er von seiner Geliebten erhalten – natürlich das Geld ihres Mannes, wie ich wohl nicht mehr zu sagen brauche.«

»Das möchte aus unschuldigen Motiven geschehen sein, Mrs. Gallilee. Hatte der Mann irgend welche Briefe von ihr vorzuzeigen?«

»Nein. Sie war zu schlau – oder höchst wahrscheinlich zu unwissend – um Briefe zu schreiben.«

»Darf ich fragen, ob sonstige Beweise vorliegen?«

»Sie haben Beweise genug gehabt«

»Mit aller Achtung, gnädige Frau, das bestreite ich.«

Mrs. Gallilee hielt es für hohe Zeit, dem Examen ein Ende zu machen. Sie war nicht aufgefordert worden, in widerwärtige Details einzugehen; ihr war vielmehr von ihrem früher so gehorsamen und demüthigen Diener widersprochen worden; so sagte sie denn:

»Wenn Sie sich vorgenommen haben, die Frau für unschuldig zu halten, ohne etwas Näheres von den Verhältnissen zu wissen —«

»Entschuldigen Sie, Mrs. Gallilee«, unterbrach sie der Advo1at, es noch schlimmer machend, »Sie vergessen, glaube ich, daß ich vor vielen Jahren meine Herbstferien einmal in Italien verbrachte, wo ich mich wie der Herr Doctor Benjulia nach der Heirath Ihres seligen Bruders in Rom aushielt. Die Gattin desselben, das weiß ich ganz bestimmt, wurde in der Gesellschaft aufgenommen; ihr Ruf war unbefleckt und Ihr Bruder verehrte sie.«

»Gerade herausgesagt«, entgegnete Mrs. Gallilee, »mein Bruder war ein armes schwaches Geschöpf, und man war damals noch nicht hinter das Thun seiner Frau gekommen.«

»Das ist eben die Schwierigkeit«, gab der Advokat zurück. »Wie kommt es, daß man jetzt erst dahinter kommt? Jahre sind seit ihrem Tode verflossen, und es muß noch länger her sein, daß Herr Doctor Benjulia von diesem Angriff auf ihren Charakter Kenntniß bekam. Warum hat er, da er doch ein alter Freund von Ihnen ist, Ihnen erst heute davon erzählt? Ich hoffe, daß ich Sie mit diesen Fragen nicht beleidige.«

»O, gewiß nicht! Dieselben sind so leicht beantwortet. Ich habe dem Doktor nie Anlaß gegeben, von meinem Bruder und dessen Frau zu sprechen, denn das Thema war mir zu widerwärtig; und ihm ging es, wie ich nicht zweifele, ebenso.«

»Bis heute«, bemerkte der Anwalt ruhig. »Heute aber scheint der Herr Doctor das Thema bereitwilligst berührt zu haben.«

»Unter besonderen Umständen, Mr. Mool. Oder geben Sie nicht zu, daß besondere Umstände einen Unterschied machen?«

Das gab Mr. Mool indessen zu und wartete dann, um zu hören, was das für Umstände gewesen seien.

Aber Mrs. Gallilee hatte ihre Gründe, darüber Stillschweigen zu beobachten. Konnte sie doch unmöglich des ihr von Benjulia gewordenen Empfanges erwähnen, ohne ihrer Selbstachtung eine Wunde zu schlagen; denn derselbe hatte, um damit zu beginnen die Thür des Zimmers offen gelassen und war stehen geblieben. »«Haben Sie Ovid’s Briefe mitgebracht? Lassen Sie dieselben hier, denn ich bin jetzt nicht danach aufgelegt, sie zu lesen.« Das waren seine ersten Worte gewesen; und da die Briefe nichts enthielten, was ein Freund nicht lesen konnte, so hatte sie ihm erlaubt, dieselben zu behalten. Darauf hatte ihr der Doctor seine Verbindlichkeit dadurch ausgedrückt, daß er sie gebeten, wieder einzusteigen und sich zu entfernen. »Ich bin in Leidenschaft versetzt worden, habe mich zum Narren gemacht; es ist kein Nerv an mir, der nicht vor Wuth bebte. Gehen Sie! Gehen! Gehen Sie!« Das war seine Erklärung gewesen; aber Mrs. Gallilee’s unerschütterliche Hartnäckigkeit hatte ihm ohne Bangen Trotz geboten. Sollte sie etwa diese ganze Fahrt unternommen haben, um sich wieder fortschicken zu lassen, ohne ihren Zweck erreicht zu haben? Nein, sie war gekommen, um ihn nach etwas zu fragen, und bestand nun auf Antwort, wie es eben nur eine Frau fertig bringt, so daß ihm nichts übrig blieb, als sie entweder mit Gewalt hinauszuwerfen, oder ihr als Mann von Erziehung den Willen zu thun und sie so auf anständige Weise los zu werden. Neigung zu boshaften Klatschereien gehörte nicht zu Benjulia’s Schwächen, der jene Anspielung, die er damals im zoologischen Garten zufällig gegen Ovid hatte fallen lassen, schon bereut hatte – d. h. nicht Carmina’s wegen, sondern seiner selbst wegen. Zu jeder anderen Zeit würde er es direct zurückgewiesen haben, sich auf diesen Gegenstand einzulassen und sich dadurch mit den scandalösen Klatschschwestern auf eine Stufe zu stellen. In seiner jetzigen Gemüthsverfassung gab er Mrs. Gallilee nach, um sie nur los zu werden. So hatte sie es Lemuel Benjulia’s Besuche und Mr. Morphew’s beabsichtigtem Angriffe gegen die Vivisection zu verdanken, daß sie die schändliche Geschichte zu hören bekam, die sie ihrem Sachwalter wiederholt hatte.

Mr. Mool wartete und wartete – aber vergeblich, so daß er sich genöthigt sah, seine Clientin an das, was sie eben gesagt hatte, zu erinnern.

»Sie erwähnten gewisser Umstände. Darf ich wissen, was das für Umstände sind?« fragte er.

Die Gefragte erhob sich und antwortete dann erst: »Ihre Zeit ist kostbar und die meinige gleichfalls. Wir würden uns durch eine Verlängerung der Unterhaltung gegenseitig doch nicht überzeugen. Ich kam hierher, Mr. Mool, um in Betreff des Gesetzes eine Frage an Sie zu richten, und erlaube mir, Sie zu erinnern, daß ich bis jetzt meine Antwort noch nicht bekommen habe. Meiner Ansicht nach hat das Mädchen, welches ich jetzt im Hause habe, da sie nicht das Kind meines Bruders ist, keinen Anspruch an dessen Vermögen. Sagen Sie mir gefälligst in zwei Worten – habe ich Recht oder Unrecht?«

»Das kann ich Ihnen in einem Worte sagen, Mrs. Gallilee – Unrecht.«

»Wie!«

»So lange Mann und Frau zusammen leben«, erklärte Mr. Mool, über die – wie er sich sagte – famoseste Antwort, die er je gegeben, triumphierend, »sind alle in der Ehe gebotenen Kinder Kinder der Gatten. Selbst wenn Miß Carmina’s Mutter nicht eine so gute und unschuldige Frau gewesen wäre, wie nur je existierte – —«

»Das genügt, Mr. Mool. Sie wollen also wirklich sagen, daß das Interesse dieses Mädchens an dem Testamente meines Bruders – —«

»Durch Alles das, was Sie mir gesagt haben, gnädige Frau, unberührt bleibt.«

»Und ich bin also noch verpflichtet, sie in Pflege zu behalten?«

»Oder zu Gunsten Lady Northlakes auf das Pflegeamt zu verzichten«, antwortete der Rechtsanwalt.

»Weiter will ich Sie nicht stören, Mr. Mool. Guten Abend.«

Damit wollte sie das Bureau verlassen, aber der Advokat wagte es wirklich, sie zurückzuhalten.

»Noch ein Wort, Mrs. Gallilee.«

»Nein, wir haben bereits genug gesagt.«

Jetzt aber erreichte die Kühnheit des Advokaten ihren Höhenpunkt, denn er legte die Hand auf den Drücker und hielt die Thür zu.

»Wegen der jungen Dame, Mrs. Gallilee! Sie werden, selbst wenn es wahr wäre, sich jedenfalls mit keinem Worte darüber gegen die liebliche junge Dame auslassen, nicht wahr? Und Gott ist mein Zeuge, daß ich fest glaube, es ist Unwahrheit – —«

»Guten Abend, Mr. Mool.«

Blick und Ton sagten ihm, daß jede Vorstellung schlimmer als nutzlos sein würde, so öffnete er die Thür und ließ sie gehen. Und als er allein war, brach der bescheidene und liebenswürdige Mann, von dem man nie eine Verwünschung gehört hatte, in die Worte aus: »Dieser verd . . . . . Doctor Benjulia!« Obgleich sein Essen auf ihn wartete, ging er, anstatt seinen Hut aufzusetzen, an seinen Arbeitstisch ließ seine Gedanken in die Zukunft wandern und entdeckte Möglichkeiten vor welchen dieselben zurückschraken. Dann nahm er die Feder und begann einen Brief.

»An Herrn John Gallilee, Esquire – Werther Herr! Es sind Verhältnisse eingetreten, die ich nicht die Freiheit habe, zu erwähnen, die mich aber meinen Ansichten und Gefühlen gemäß zwingen, die Stellung eines gesetzlichen Rathgebers bei Ihnen und Ihrer Familie aufzugeben.« Hier hielt er inne und überlegte. »Nein«, entschied er sich dann, »ich kann als Sachwalter der Familie dem armen Kinde von Nutzen sein.« Und damit zerriß er den angefangenen Brief.

Zu Hause hatte Mr. Mool heute Abend wenig Appetit zum Essen, sprach aber dem Weine mehr als gewöhnlich zu.

Capitel XXXV

Ich weiß gar nicht, was mit mir ist, und es ist mir manchmal, als ob ich wirklich krank würde.«

Es war am Tage nach Mrs. Gallilee’s Vesuche bei dem Rechtsanwalt – und Obiges war die Antwort Carmina’s, als die Gouvernante nach Beendigung des Morgenunterrichts bei ihr eintrat und sie fragte, ob sie sich besser fühle.

»Nehmen Sie noch Arznei ein?« fragte Miß Minerva weiter.

»Ja. Mr. Null sagt, es sei ein Stärkungsmittel und würde mir jedenfalls gut thun. Ich merke aber noch nichts davon, fühle mich vielmehr so entsetzlich schwach, Frances. Die geringste Kleinigkeit bringt mich zum Weinen, und dabei schiebe ich auf, was ich thun sollte und thun möchte, ohne zu wissen warum. Sie erinnern sich dessen, was ich Ihnen über Teresa gesagt habe? Dieselbe kann meines Wissens in einigen Tagen hier sein, und ich muß eine hübsche Wohnung für sie suchen – und ich sitze hier und denke wohl daran, handele aber nicht.«

»Ueberlassen Sie mir die Sache«, meinte Miß Minerva.

»Das ist zu freundlich von Ihnen«, sagte Carmina, während ihr trauriges Gesicht sich erhellte.

»Unsinn! Ich werde heute nach dem Essen mit den Kindern ausgehen, und es wird mir und den Mädchen ein Vergnügen sein, Wohnungen zu besehen.«

»Wo ist Zo? Warum haben Sie dieselbe nicht mitgebracht?«

»Sie hat jetzt Musikstunde, und ich muß wieder hin, um sie in Ordnung zu halten. Ein Wohn- und ein Schlafzimmer werden jawohl genug sein? Aber hier in der Nachbarschaft werden die Miethen ziemlich hoch sein, fürchte ich.«

»O, das macht nichts! Wenn es nur reine luftige Zimmer sind – und die Wirthin freundlich ist. Teresa braucht es nicht zu wissen, wenn sie theuer sind.«

»Wird sie zugeben, daß Sie ihre Ausgaben bestreiten?«

»Sehen Sie, Sie sprechen zartfühlend! Meine Tante schien daran zu zweifeln, daß Teresa überhaupt Geld habe, und ich dachte in dem Augenblicke nicht daran» daß mein Vater ihr ein kleines Einkommen ausgesetzt hat. Sie hat es mir selbst gesagt und wunderte sich, wie sie das aufbrauchen sollte. Das darf sie aber nicht, und wir werden ihr sagen, daß der Miethspreis nur die Hälfte des wirklichen betrüge – die andere Hälfte werde ich bezahlen. Ist es nicht hartherzig von meiner Tante, daß sie meine alte Amme nicht bei uns wohnen lassen will?«

In diesem Augenblicke ließ Mrs. Gallilee sagen, daß sie Miß Carmina sofort zu sprechen wünsche.

»Warum zittern Sie so, Liebe?« fragte Miß Minerva, als der Bediente wieder fort war.

»Es ist etwas in mir, Frances, das vor meiner Tante zurückschaudert, seitdem – —«

Sie hielt inne.

Miß Minerva verstand diese plötzliche Pause – die unabsichtliche Anspielung auf Carmina’s unverschuldetes Wissen um ihre Gefühle für Ovid. Nach stillschweigender Uebereinkunft behielten sie noch ihre früheren Beziehungen bei, als ob Mrs. Gallilee nichts gesagt hätte. Carmina traurig, aber freundlich ansehend, sagte sie derselben »Adieu für jetzt« und ging nach oben zu dem Schulzimmer.

Der Bediente wartete auf Carmina in der Halle und öffnete die Thür der Bibliothek, in welcher die Gelehrte bei ihren Studien war.

Da Carmina am vorigen Abend auf ihrem Zimmer geblieben war und heute Morgen im Bette gefrühstückt hatte, sah sie ihre Tante jetzt zum ersten Mal, seitdem dieselbe Benjulia ihren Besuch gemacht hatte, und wurde sich sofort einer Veränderung bewußt, die sie allerdings mehr fühlte, als daß sie sich darüber Rechenschaft geben konnte – einer subtilen Veränderung in der Weise, wie dieselbe sie ansah und anredete, als sie sagte: »Ich habe mit Mr. Null über Dich gesprochen.« Das Herz schlug Carmina heftig, während sie schweigend den nächsten Stuhl nahm.

»Der Doctor«, fuhr Mrs. Gallilee fort, »hält es für wichtig, daß Du soviel als möglich in die Luft kommst, und er wünscht, daß Du während des schönen Wetters jeden Tag ausfährst. Ich habe den offenen Wagen nach dem Lunch bestellt. Da ich selbst verhindert bin, Dich zu begleiten, wirst Du unter der Obhut meiner Jungfer sein und zwei Stunden draußen bleiben. Mr. Null hofft, daß es Dich kräftigen wird. Wünschst Du sonst irgend etwas?«

»Nein – ich danke.«

»Vielleicht ein neues» Kleid?«

»O, nein!«

»Hast Du Dich über die Dienerschaft zu beklagen?«

»Nein, dieselben sind stets freundlich gegen mich.«

»Dann wir! ich Dich nicht weiter aufhalten – ich erwarte gleich Besuch.«

In Zweifel und Furcht hatte Carmina das Zimmer betreten und verließ es wieder mit einem seltsamen Gemisch von Unruhe und Erleichterung. Mit jedem Worte, welches ihre Tante zu ihr gesagt, hatte sich das Gefühl von einer mysteriösen Veränderung, die mit derselben vorgegangen, vermehrt. In ihrem Ton und Benehmen entsprach dieselbe ganz der Vorstellung, die sich Carmina von den Vorsteherinnen jener Besserungs-Institute, von denen sie gehört, gemacht hatte, und das junge Mädchen war sich ungefähr wie eine von einer solchen Gemaßregelte vorgekommen.

Beim Durchschreiten der Halle nahmen ihre Gedanken eine neue Richtung an, eine unbestimmte Unruhe in Bezug auf die Zukunft ergriff sie, und, indem ihr Auge abwechselnd auf ein auf dem Tische in der Halle stehendes häßliches Korkmodell des Colosseums fiel, dachte sie bei sich: »Hoffentlich kommt Teresa bald« – dann wandte sie sich der Treppe zu.

Den Kopf gesenkt, in sich versunken, erreichte sie den Flur der ersten Enge, als sie plötzlich den Schall von Fußtritten vernahm und aufsehend sich Mr. Le Frank gegenüber sah, der nach Beendigung seiner Musikstunde aus dem Schulzimmer kam. Bei dem Plötzlichen dieser Begegnung entfuhr ihr ein leichter Ausruf des Erschreckens, worauf der Musiklehrer eine ausgesucht förmliche Verbeugung machte und mit albern steifer Euiphase sagte: »Ich bitte um Verzeihung, gnädiges Fräulein.«

Mit einem Gefühl der Reue jener paar thörichten Worte gedenkend, die er unglücklicherweise gehört hatte, machte das Mädchen, einem natürlichen Impulse folgend, den Versuch, ihn zu versöhnen, indem sie schüchtern sagte: »Ich habe so wenig Freunde, Mr. Le Frank – darf ich Sie als einen derselben betrachten? Wollen Sie vergeben und vergessen? Wollen Sie mir die Hand geben?«

Der Musiklehrer machte nochmals eine prächtige Verbeugung, sagte in seinen schönsten widerhallenden Tönen – er war ja stolz auf seine Stimme – »Sie beehren mich —« nahm die ihm dargebotene Hand und führte dieselbe mit Grandezza an die Lippen.

Mit der freien Hand sich an der Ballustrade haltend, drängte sie das Gefühl des Ekels, welches diese momentane Berührung ihr verursachte, zurück; aber er hätte vielleicht dennoch die äußeren Zeichen des in ihr vorgehenden Kampfes entdeckt, wenn nicht plötzlich die Stimme Mrs. Gallilee’s, die in der geöffneten Thür der Bibliothek stand, erklungen wäre.

»Ich warte auf Sie, Mr. Le Frank.«

Carmina eilte nach oben und hatte in ihrer ersten Verwirrung und Muthlosigkeit nur den einen klaren Gedanken, daß sie wieder eine Unklugheit begangen habe.

Mittlerweile hatte Mrs. Gallilee ihren Musiklehrer mit dem ihr eben möglichen nachsichtigen Willkommen empfangen.

»Nehmen Sie Platz im Lehnstuhle Mr. Le Frank. Sie sind doch nicht ängstlich wegen des geöffneten Fensters?«

»O bewahre! Das habe ich gern!« Dann rollte er hastig einige Notenblätter auseinander, die er mit heruntergebracht hatte, und sagte: »Wegen des Liedes, das zu erwähnen ich die Ehre hatte – —«

»Legen Sie dasselbe vorläufig dahin«, unterbrach ihn die Hausherrin, auf den Tisch deutend. Ich habe erst etwas mit Ihnen zu sprechen. Wie kamen Sie dazu, meine Nichte zu erschrecken? Ich hörte etwas wie einen Schrei und sah deshalb hinaus. Sie entschuldigte sich und bat Sie, zu vergeben und zu vergessen. Was bedeutet dies Alles?«

Mr. Le Frank strengte seinen Scharfsinn an, um höflich ausweichen zu können, hatte aber nicht den mindesten Erfolg. Mrs. Gallilee ließ ihn nicht entschlüpfen; er mußte ihr wörtlich Carmina’s Ansicht über ihn als Mensch und Musiker und die Umstände, unter denen er dieselbe erfahren hatte, berichten. Sie hörte ihm dabei mit einem Interesse zu, welches unter weniger mißlichen Verhältnissen selbst seiner Eitelkeit geschmeichelt hätte.

Nicht einen Augenblick ließ sie sich durch den plump affektierten Humor, mit dem er die Geschichte erzählte, täuschen, ihr Scharfsinn entdeckte vielmehr das Gefühl der Rachsucht gegen Carmina, das ihn im Nothfalle zu einem brauchbaren Werkzeuge in ihrer Hand machen konnte. Allmählich zeigte sie sich in dem neuen Charakter einer sympathisierenden Freundin.

»Jetzt weiß ich, weshalb Sie es ablehnten, meiner Nichte Musikunterricht zu geben, und kann nicht umhin, mich zu entschuldigen, daß ich Sie unwissentlich in eine falsche Stellung gebracht habe. Ich weiß das Zartgefühl, welches Ihr Benehmen bekundet, zu würdigen – ich verstehe und bewundere Sie.«

Die blühenden Wangen des Musiklehrers wurden noch röther; sein kaltes Blut erhitzte sich durch die Gluth geschmeichelter Selbstachtung.

»Meiner Nichte Motive, dies zu verschweigen, sind klar genug«, fuhr Mrs. Gallilee fort. »Ich will hoffen, daß sie sich schämte, den vollständigen Mangel an Geschmack, Delicatesse und Lebensart, der Sie mit Recht beleidigt hat, einzugestehen. Miß Minerva aber hat keine Entschuldigung, daß sie mich im Dunkeln gelassen, und ihr Benehmen in dieser Sache bietet, wie ich leider sagen muß, wieder ein Beispiel ihrer gewohnten Vernachlässigung der Pflichten, die mit ihrer Stellung in meinem Hause verbunden sind. Es scheint ein privates Einverständniß zwischen meiner Gouvernante und meiner Nichte zu existieren, das ich des Höchsten mißbillige. Doch das Thema ist zu widerwärtig, um bei demselben zu verweilen. Sie sprachen von Ihrem Liede – jawohl das neueste Product Ihres Genius?«

Seines »Genius!« Die innere Gluth Mr. Le Franks wurde wärmer und wärmer. »Ich habe um die Ehre einer Unterredung gebeten, um eine Bitte auszusprechen«, erklärte er, die Notenblätter vom Tische nehmend. »Dies ist mein neuestes und, so hoffe ich, bestes Compositionsproduct. Darf ich es Ihnen —?«

»Dediciren!« rief Mrs. Gallilee enthusiastisch worauf der Musiklehren der das Compliment fühlte, sich dankbar verbeugte.

»Brauche ich zu sagen, mit welcher Freude ich die Ehre annehme?« Mit dieser anmuthigen Antwort erhob sich Mrs. Gallilee.

Sollte das eine Andeutung sein, daß er sie nun, da er seinen Zweck erreicht, ihren Studien überlassen möge, oder war es ein Akt der Huldigung, den die Wissenschaft der Kunst darbrachte? Mr. Le Frank war nicht im Stande, irgend einer Handlung einer Dame – und erst solch einer Dame – in seiner Gegenwart eine ungünstige Deutung zu geben und er fühlte wieder das Compliment. »Das erste Exemplar soll Ihnen, gnädige Frau, übersandt werden«, sagte er und griff nach seinem Hüte, um so schnell wie möglich die Setzer in Thätigkeit zu setzen.

»Und weitere fünfundzwanzig Exemplare auf welche ich subscribire«, rief seine freigebige Patronin, ihm herzlich die Hand schüttelnd.

Mr. Le Frank versuchte seiner Verbindlichkeit Ausdruck zu geben, aber die Großmüthige wollte Nichts davon hören.

Ehe er aber aus der Halle war, wurde er noch einmal weich und vertraulich in die Bibliothek zurückgerufen.

»Noch ein Wort«, sagte Mrs. Gallilee. »Bitte schließen Sie für einen Augenblick die Thür, Miß Carmina möchte wieder auf der Treppe sein. Haben Sie eine Idee, welchen Zweck sie mit dieser außerordentlichen Abbitte verfolgte?«

»Nicht die mindeste«, antwortete der Musiklehrer, dessen Argwohn sofort erwachte. »Können Sie es mir sagen?«

»Ich bin darüber ebenso in Verlegenheit wie Sie«, entgegnete Mrs. Gallilee. »Vielleicht wird die Zeit es lehren. Adieu noch einmal – und meine besten Wünsche für den Erfolg des Liedes.«

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06 aralık 2019
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