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Kitabı oku: «Verbergen und Suchen», sayfa 16

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Zweites Kapitel – Ein Kampf in dem Tempel der Harmonie

Der römische Dichter welcher bei der Beschreibung des Lasters den Einfluss desselben gänzlich der Anlockung und den schönen Verhüllungen, welche es verbargen, zuschrieb, und zugleich behauptete, es wäre seiner Natur nach ein so abscheuliches Ungeheuer, so dass man es nur in seiner wahren Gestalt zu sehen brauchte, um den Abscheu der ganzen Menschheit zu erregen, stellte einen sehr wahrscheinlichen, moralischen Grundsatz auf, dem es an nichts weiter fehlte, um ihn der unberechtigten Bewunderung der Nachwelt zu empfehlen, als an einem kleinen Zusatz von praktischer Wahrheit. Sogar in den üppigsten Tagen des alten Roms kann man mit guter Sicherheit die Frage aufwerfen, ob sich das Laster immer so verhüllen konnte; um neue Anhänger zu gewinnen, ausgenommen unter den wohlhabenden Klassen der Bevölkerung. Aber in diesen neueren Zeiten kann man es entschieden als ein Faktum aufstellen, dass das Laster zu seinen meisten Verführungen durchaus keiner Verhüllung bedarf, schamlos in seiner nackten Hässlichkeit erscheint, und anstatt alle Zuschauer zurückzuschrecken, in Übereinstimmung mit der Voraussage des klassischen Satyriker’s, unbedingt eine weit größere Menge von Anhängern herbeizieht, als jemals durch die göttlichsten Schönheiten zusammengebracht wurden, welche die Tugend als Reiz für die Menschheit entfalten kann.

Jener berüchtigte Platz des öffentlichen Vergnügens, welcher der locker lebenden und nachtschwärmenden Jugend Londons unter dem Namen des »Tempels der Harmonie« bekannt war, gewährt unter der Masse von andern Beispielen, welche man zitieren könnte, einen merkwürdigen Beweis, um die Behauptung des alten Dichters zu widerlegen. In dieses Tempels Hallen konnte man sich schlagend überzeugen, dass das Laster sogar auch dann nicht in Gefahr kommt, Ekel zu erregen, wenn es sich dem Zuschauer, unbedeckt und nicht verhüllt von den bloßen Lappen und Lumpen der dünnsten Verhüllung zeigt.

Der Tempel der Harmonie war, wie schon sein Name andeutet, vorzüglich der Ausübung des musikalischen Talents gewidmet und fing zu jener Zeit der Nacht an, wo die Ausführungen in den Theatern vorüber waren. Das gewöhnliche Orchester dieses Platzes bestand aus einem einzigen Klavier, welchem gelegentlich, um die Anziehung zu vermehren, Vorträge auf dem Banjo und der Gitarre hinzugefügt wurden. Die Sänger wurden »Damen und Herren« genannt. Der Tempel selbst bestand aus einem langen Zimmer mit einer doppelten Reihe von Bänken, welche an ihren Lehnen mit einem Aufsatz zur Aufbewahrung der mit geistigen Getränken gefüllten Gläser versehen waren. An dem einen Ende hatte es eine wenig hervorragende Bühne für die Darsteller, und ihre aschfarbenen Wände waren so wenig bemalt, dass sie kaum den Anspruch machen konnten, als solche betrachtet zu werden.

Die Unschuld selbst musste auf den ersten Blick erkennen, dass der Tempel der Harmonie ein äußerst lasterhafter Vergnügungsaufenthalt war. Das Laster dachte nirgends so wenig, als hier daran, sich irgendeiner Verhüllung zu bedienen. Kein Funken des Witzes sprühte aus dem gemeinen Inhalte der Lieder hervor, die hier gesungen wurden, und suchte ihn nicht einmal unter einer geschickten Zweideutigkeit zu verbergen. Kein Überbleibsel von jugendlicher Frische, keine künstlich affektierte Unschuld und Lebhaftigkeit verbargen die schmutzige physische Verdorbenheit der erschöpften menschlichen Gestalten, welche sich hier zum Singen erhoben. Sie waren auf gemeine Weise geschminkt und auswattiert, um wie schöne Frauen auszusehen. Ihre männlichen Gefährten waren solche aufgedunsene Vagabunden, dass es kein Ladenjunge, der sie in der vorigen Nacht beklatscht hatte, gewagt haben würde, mit ihnen am andern Morgen spazieren zu gehen. Der Ort selbst hatte so wenig Reiz, Eleganz und Schönheit an sich, wie die Leute selbst darin. Hier sah man keine glänzende Vergoldung der Decke, keine prächtigen, ja nicht einmal bequeme Möbel. Hier waren keine lasterhaft anziehenden Gemälde an den Wänden, keine betäubenden, lieblichen Ausdünstungen in der Atmosphäre, keine Anstalten zur Ventilation, um den Gestank des schlechten Tabaks und des nach Branntwein riechenden menschlichen Atems, womit das Zimmer die ganze Nacht angefüllt war, zu vertreiben. Hier, um es auf einmal zu sagen, erschien das Laster gänzlich unverstellt, sich rücksichtslos jedem Auge zeigend, ohne den Firnis der Schönheit, ohne den Flitterstaat des Witzes, ja es war nicht einmal der Geruch der Reinlichkeit vorhanden, der ihm zur Empfehlung dienen konnte. Wurden alle Zuschauer bei diesem Anblick von Abscheu ergriffen? Weit entfernt davon. Der Tempel der Harmonie war jede Nacht bis zur letzten Bank gestopft voll, und der Wirt füllte seine Taschen aus den Börsen des Beifall klatschenden Publikums. Denn, mögen die klassischen Moralisten sagen, was sie wollen, das Laster mit der abgenommenen Maske wirbt in den neueren Zeiten ebenso leicht Anhänger, als dies in alten Zeiten mit vorgehaltener Larve geschehen war. Es war zwei Uhr am Morgen, und die Unterhaltungen im Tempel standen im Begriff, den Gipfel der harmonischen Jovialität zu erreichen. Ein komisches Lieblingslied war eben von einem alten aufgedunsenen kahlköpfigen Manne gesungen worden. Es entstand eine kurze Pause, ehe die Vergnügungen ihren geräuschvollen Fortgang wieder anfingen. Grog und Zigarren wurden in allen Richtungen bestellt. Freunde sprachen sehr laut miteinander und Fremde starrten sich gegenseitig an – ausgenommen an dem unteren Ende des Jammers, wo die ganze Aufmerksamkeit der Gesellschaft sonderbarer Weise auf einen einzigen Mann konzentriert war.

Die Person, welche auf diese Weise die Neugierde aller seiner Nachbarn auf sich zog, war spät hereingekommen, hatte den ersten leeren Platz, welchen er neben der Tür finden konnte, eingenommen und dann sehr ruhig zuhörend und um sich schauend dagesessen. Er trank und rauchte wie die Übrigen der Gesellschaft, aber lachte und applaudierte niemals, noch zeigte er überhaupt das geringste Merkmal des Erstaunens, des Vergnügens, der Ungeduld oder des Abscheus, obgleich aus der Art und Weise, wie er auftrat und wie er dem Kellner seine Befehle erteilte, sehr leicht zu ersehen war, dass er in dieser Nacht den Tempel der Harmonie zum ersten Male besuchte.

Er war nicht in Trauer, denn es war kein Flor um seinen Hut, aber dessen ungeachtet trug er doch einen schwarzen Frack, Weste und Beinkleider und schwarze Glaceehandschuhe. Er schien sich in diesem Anzug durchaus nicht wohl zu befinden, da er seine Glieder, so oft er seine Stellung wechseln, so vorsichtig und zurückhaltend bewegte, als wenn er statt eines Anzugs von starkem, breiten, schwarzen Tuche zu haben, das noch in seinem ersten Glanz prangte, einen fadenscheinigen Anzug an hätte. Wenn man ihn in seiner sitzenden Stellung beurteilte, schien er kein großer Mann zu sein, aber seine Schultern waren außerordentlich breit und seine Arme so lang, dass sie mit seinen übrigen Körperteilen in keinem Verhältnis standen. Sein Gesicht hatte die braune Farbe eines Negers, zeigte an zwei Stellen sichtbare Narben von alten Wunden und war von einem gewöhnlichen, eisgrauen Backenbart, der unter dem Kinn zusammenlief, überwachsen. Seine Augen waren hell und fast groß und schienen immer ruhig, aber wachsam zu lauern. In der Tat, der ganze Ausdruck seines Gesichtes, grob und schwer nach der Form, war wegen seiner Schärfe, seiner kalten gesammelten Einsicht, wegen seines immerwährend beobachtenden, ruhig wachenden Blicks ein merkwürdiger. Wenn irgendjemand aus seiner Manier und aus seiner persönlichen Erscheinung seinen Beruf hätte erraten wollen, der würde ihn sogleich für den Kapitän eines Kauffahrtenfahrers gehalten haben und würde auch die höchste Wette eingegangen sein, dass er schon mehrmals die Reise um die Welt gemacht hätte. Aber es war weder sein Gesicht, noch sein Anzug, noch seine Manier, welche die Aufmerksamkeit aller seiner Nachbarn auf sich zog, es war vielmehr sein Kopf. Unter seinem Hut, der wie seine übrigen Kleidungsstücke funkelnagelneu war, zeigte sich dicht um seine Schläfe und bis hinter die Ohren ein schwarzes Sammetkäppchen. Keine Spur von Haar sah darunter hervor, denn rings um seinen Kopf, soweit man unter seinem, bis über den Rockkragen reichenden Hut sehen konnte, erblickte man nichts als bloßes Fleisch, das von einem Rande von schwarzem Sammet umgeben war.

Von einem großen Vorschlage in der Reform bis zu einer kleinen Sonderbarkeit herab, sind die Engländer das unduldsamste Volk auf der Welt, sobald sie irgendetwas aufnehmen sollen, was sich ihnen unter der Form einer vollkommenen Neuheit darbietet. Mag irgendjemand ein neues Projekt vor das englische Parlament bringen oder den Einwohnern Londons ein neues Paar hellgrüner Beinkleider zeigen, und mag das Projekt sich allen zuhörenden Ohren als nützlich ankünden und die Beinkleider sich jedem beschauenden Auge gegenüber beredsam sehr schön aussehen: Die Nation wird nichts desto weniger argwöhnisch sowohl vor dem einen, als vor dem andern zurückweichen und befehlen, dass man das Projekt auf den Tisch des Hauses niederlege, dabei zischen und lachen und die Beinkleider anstarren. Es wird mit einem Worte, die Neuheit aus keinem andern Grunde, als einen unverbürgten Eindringling betrachten, als dass man im Allgemeinen nicht daran gewöhnt ist.

Ruhig wie der fremde Mann im schwarzen Anzug seinen Sitz in dem Tempel der Harmonie eingenommen hatte, so zogen er und sein Sammetkäppchen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, und unsere Nationalschwäche zeigte sich sogleich.

Niemand nahm sich Zeit dazu, um auf den Gedanken zu kommen dass er sein schwarzes Sammetkäppchen wahrscheinlich notwendig tragen musste; Niemand konnte es begreifen, warum er nicht eine Perücke trüge, welche ganz an ihrem Orte und wohl begründet gewesen wäre; und Niemand sogar in diesem freien Lande dachte freisinnig genug, dass er mit demselben Rechte nach seinem Wohlgefallen ein Sammetkäppchen unter seinen Hut setzen konnte, wie irgendein Anderer vom Publikum das Recht hatte, ein Hemd unter seine Weste zu ziehen. Das Publikum sah nichts als eine Neuheit in der Art und Weise, wie der Fremde sein Käppchen trug, und man nahm es einstimmig übel auf, weil es eine Neuheit war. Zuerst drückten die Anwesenden ihren Unmut darüber dadurch aus, dass sie ihn zornig anblickten, ihn darauf auslachten und endlich sarkastische Bemerkungen über ihn machten. Er ertrug ihren Spott mit der vollkommensten und herausforderndsten Kaltblütigkeit. Er erwiderte kein Wort, sah weder zornig aus, noch wurde er rot im Gesicht oder unruhig auf seinem Sitze, noch schickte er sich zum fortgehen an. Er saß ebenso ruhig da und rauchte und trank, wie vorher, und nahm nicht die geringste Notiz von Allen denen, die sich so augenscheinlich mit ihm beschäftigten.

Seine Gleichgültigkeit diente nur dazu, die Danebenstehenden zu größeren Freiheiten gegen ihn zu ermutigen. Ein schwacher kleiner Gentleman mit roter Nase und wässrigen Augen trat, von einigen neben ihm sitzenden Frauen dazu aufgefordert, an die Bank des Fremden heran, drückte seine Bewunderung vor seinem Käppchen als eine für seinen Hut passend beigegebene Zierde aus und gab mit einem spöttischen Komplimente seinen sehnlichen Wunsch zu erkennen, die Qualität des Samtes befühlen zu dürfen. Indem er bei diesen Worten seine Hand darnach ausstreckte, wurde kein Wort der Warnung oder des Zankens von demjenigen geäußert, für den die Beleidigung beabsichtigt worden war, aber in dem Augenblicke, wo seine Finger das Käppchen berührten, warf der fremde Mann, immer noch ohne zu sprechen, ja sogar, ohne seine Zigarre aus dem Munde zu nehmen, alles, was noch von dem vor ihm stehenden Glas heißen Grogs übrig war, dem schwachen Gentleman sehr bedachtsam ins Gesicht.

Als dem elenden, kleinen Manne die heiße Flüssigkeit in die Augen floss, schlug er mit einem Schmerzensschrei hilflos mit beiden Fäusten aus und fiel zwischen die Bänke. Einer seiner Freunde, der in seiner Nähe stand, kam heran, um diese Beleidigung zu rächen, wurde aber von dem Fremdlinge zappelnd auf den Boden geworfen. Gellende Schreie »werft ihn hinaus« und »Polizei! Polizei« erfolgten; die Leute an dem andern Ende des Zimmers fuhren aufgeregt von ihren Sitzen in die Höhe. Die Weiber kreischten, die Männer lärmten und fluchten, Gläser wurden zerbrochen, Stöcke hin und her geschwungen, Bänke zerbrochen und in einem Nu war der Fremde von Jedem der Nebenstehenden, der nur an ihn kommen konnte, unter dem Vorwand, ihn hinauszuwerfen angegriffen.

Gerade in dem Augenblicke, wo man als ausgemacht annehmen konnte, dass er trotz seines tapferen Widerstandes der Menge würde weichen müssen und schimpflicher Weise aus der Tür die Treppe hinunter geworfen werden würde, sprang ein großer junger Gentleman mit blond gelocktem Haar auf seinem unbedeckten Kopfe auf eine der Bänke an der entgegengesetzten Seite des Durchgangs, welcher bis zur Mitte des Zimmers herabführte, und forderte die Gesellschaft um sich mit heftigen Faustgestikulationen heraus. Wehe der Ehrenhaftigkeit der Eltern, welche vergnügungssüchtige Söhne haben, wehe der Idee des Herrn Valentin Blyth, seinen Schüler durch den Zeichenunterricht zu einem soliden jungen Manne zu machen! Dieser wütende junge Gentleman war kein anderer, als Herr Zacharias Thorpe junior von Baregrove-Square.

»Gott verdamme euch Alle, ihr feigen, nichtsnutzigen Schurken!« brüllte Zack mit von Tapferkeit, Großmut und Grog entzündeten Augen. »Wie könnt ihr euch unterstehen, einen einzigen Mann anzugreifen? Schlagen Sie aus, mein Herr schlagen Sie aus rechts und links! Ich sah, wie Sie beleidigt wurden, und bin zu Ihrem Beistande bereit.«

Bei diesen Worten schlug Zack seine Manschetten zurück und stürzte sich in die ihn umgebende Menge. Seine Größe, Stärke und seine Erfahrung im Boxen ließen ihn triumphierend zu der entgegengesetzten Bank gelangen. Zwei oder drei Schläge in die Rippen und einer auf die Nase, dem ein starker Blutverlust folgte, dienten nur dazu, seinen Eifer anzufeuern und die faustkämpferische Wut seines Ausdrucks zu vermehren. In einer Minute stand er neben dem Manne mit dem Käppchen und kämpfte Rücken an Rücken mit ihm unter dem Beifallsbrüllen desjenigen Teiles des Publikums, das an dem oberen Ende des Zimmers nur Zuschauer des Tumults war.

In der Zwischenzeit war die Polizei herbeigerufen worden. Aber die Kellner hatten in ihrer Angst wegen eines Kampfes von zwei Leuten gegen ungefähr zwei Dutzend die Tür, welche nach der Straße führte, zu verriegeln vergessen. In Folge dessen stürzten alle Droschkenkutscher draußen von ihrem Haltepunkte und alle sich herumtreibenden Nachtbummler aus der berüchtigten Gegend des Tempels der Harmonie in den engen Durchgang und fingen ganz von freien Stücken mit den Kellnern, welche zu spät versuchten, sie herauszuwerfen, einen Streit aus dem Stegreif an. Gerade als die Polizei sich unten durch die Menge einen Weg gebahnt hatte; hatten sich Zack und der Fremde ihren Weg durch die Menge oben erkämpft und es war ihnen gelungen, ungehindert aus dem Zimmer zu gelangen.

Rechts von den Treppenabsatz, dem sie sich jetzt näherten, befand sich eine Tür, durch welche der Mann mit dem Käppchen stürzte und Zack mit sich fortzog. Seine Fassung war so kaltblütig, sein schnelles Auge so wachsam wie immer. Der Türschlüssel steckte von innen. Er verschloss sie unter einem gellenden Beifallsgelächter der Leute auf der Treppe und unter dem Geschrei der Kellner. »Haltet sie im Hofe fest!« Die Flüchtenden stiegen dann eine steile Treppe mit der größten Geschwindigkeit hinab und befanden sich sogleich in einer Küche, wo sie einem verwunderten Koche und zwei Mägden gegenüber standen. Zack schlug den Mann nieder, ehe er sich des Rollholzes bedienen konnte, welches er bei ihrem Erscheinen ergriffen hatte, während der Fremde ruhig einen, auf dem Anrichtetisch stehenden Hut nahm und ihn mit einem Schlage seiner großen Hand auf Zacks bloßen Kopf niederdrückte. Im nächsten Augenblick kamen sie aus der Küche in einen Hof und liefen nun, was sie laufen konnten.

Die Polizei ihrerseits verlor keine Zeit, aber sie musste erst aus dem Gedränge im Durchgang heraus, vorn um das Haus herumgehen, ehe sie zu dem Eingange gelangen konnte, welcher von der Straße nach dem Hofe führte. Dies gab den Flüchtlingen einen Vorsprung, und die Nähe von Gässchen, freien Plätzen und Nebenstraßen, in die sie ihre Flucht augenblicklich führte, war besonders geeignet, um ihr Entrinnen zu begünstigen. Während der Lärm der Tobenden und das Geschrei »haltet den Dieb auf!« die frostige Nachtluft in der einen Richtung durch schallte, gingen Zack und der Fremde Arm in Arm ruhig in der andern von dannen, während der junge Thorpe jeden verirrten Polizeidiener, welcher bei ihnen vorbeilief, beschwor, sich um des Himmels willen zu beeilen und einem fürchterlichen Tumult, welcher außerhalb des Tempels der Harmonie stattfand, Einhalt zu tun.

Der Mann mit dem Käppchen war bis jetzt vorangegangen und tat es auch noch, obgleich es sich aus der Art und Weise, wie er die Straßenecken anstarrte und sich mit seinem Gefährten dann und wann im Gässchen ohne Ausgang stürzte, ganz deutlich ergab, dass er in diesem Teile der Stadt, den sie jetzt durchwanderten, gänzlich unbekannt war. Zack, welcher in jener Nacht bereits zu dem dritten verhängnisvollen Glas Grog gelangt war und das letztere schon vor Beginn des Kampfes bereits zur Hälfte ausgetrunken hatte, befand sich zu dieser Zeit nicht in einem solchen Zustande, um sich sehr um eine besondere Richtung in dem großen Straßenlabyrinthe Londons zu kümmern. Er ging berauscht und unaufhörlich mit dem Fremden sprechend weiter, welcher ihm niemals eine Antwort gab. Es half ihm nichts, dass er seine Tapferkeit lobte und seine Art des Boxens, welche wie immer und wollte nach demselben ebenfalls durchaus nicht kunstgerecht war, tadelte; oder dass er sein Erstaunen darüber ausdrückte, dass jener während des ganzen Kampfes seinen Hut wieder aufstülpte, so oft er ihm vom Kopfe geschlagen wurde, oder auch seine Schnelligkeit bewunderte, womit er des Kochs Hut nahm, um seinen eigenen bloßen Kopf zu bedecken, was ihn sonst dem Verdachte und der Verhaftung hätte aussetzen können, als er die Straßen durchschritt; es half ihm nichts, über diese oder andere Gegenstände zu sprechen, denn der unerschütterliche Held, welcher während des ganzen Kampfes kein Wort geäußert hatte, war noch ebenso unerschütterlich wie immer und wollte nach demselben ebenfalls kein Wort äußern.

Sie schlenderten endlich nach Fleet-Street und gingen bis Ludgate Hill herunter. Hier stand der Fremde still, sah nach dem offenen Raume zur Rechten, wo der Fluss strömte, atmete erleichtert und befriedigt auf und schlug sogleich den Weg nach Blackfriars-Bridge ein. Er führte Zack, welcher noch eine ziemliche Betrunkenheit in seiner Redeweise kund gab und unstet auf seinen Füßen stand, zu der Mauer der Brustwehr, ließ seinen Arm dort los und indem er ihn bei dem Scheine des Gaslichtes fest in das Gesicht schaute, redete er ihn zum ersten Male mit einer merkwürdigen, ernsten und bedächtigen Stimme mit folgenden Worten an:

»Nun denn, mein junger Mann, ich dächte Sie holten einmal Atem und wischten Ihre blutige Nase ab.«

Zack, anstatt diese etwas unhöfliche Anrede übel zu nehmen – was er sicher getan haben würde, wenn er nüchtern gewesen wäre, – brach in ein tolles Gelächter aus. Der merkwürdige Ernst und das gesetzte Wesen in dem Tone und dem Benehmen des Fremden, welcher mit einem so sonderbaren Vorschlage die Unterhaltung eröffnete, würden sogar für einen Mann unwiderstehlich possierlich gewesen sein, der durchaus nicht im trunken Zustande zu sein brauchte.

Während Zack laut auflachte, dass ihm die Tränen über die Wangen rollten, lehnte sich sein sonderbarer Begleiter über die Brustwehr der Brücke, zog seine schwarzen Glaceehandschuhe ab, welche während des Kampfes bedeutend gelitten hatten. Nachdem er sie zusammengelegt hatte, schleuderte er sie verächtlich in den Fluss.

»Fort mit dem ersten Paar Haar Handschuhe, welches ich jemals angezogen habe, und mit den letzten, welche ich jemals anzuziehen hoffe«, sagte er in verächtlichem Tone und hielt seine fleischigen Hände in die scharfe Nachtluft empor.

Der junge Thorpe lachte sich vollends aus; dann wurde er vor lauter Erschöpfung ruhig und ernst.

»Fangen Sie nur wieder an!« sagte der Mann mit dem Käppchen, so ernst wie immer nach ihm hin blickend, »ich höre Sie so gern.«

»Ich kann nicht wieder anfangen«, antwortete Zack mit schwacher Stimme, »ich bin außer Atem. O, Sie sonderbarer alter Kauz! Wer zum Teufel sind Sie?«

»Ich bin eigentlich Niemand und glaube nicht, dass ich einen einzigen Freund in ganz England habe, der sich darum kümmert, wer ich bin«, erwiderte der Andere. »Geben Sie mir Ihre Hand, junger Mann! Wenn in den fremden Weltteilen, aus denen ich komme, ein Mann dem andern so beigestanden wie Sie mir heute Nacht, so werden Sie nachher Brüder miteinander. Sie brauchen mein Bruder nicht zu sein, wenn Sie nicht wollen; ich aber will Ihnen Bruder sein, Sie mögen es nun wollen oder nicht. Mein Name ist Mat. Wie heißen Sie?«

»Zack«, erwiderte der junge Thorpe, seinen neuen Bekannten schon mit brüderlicher Vertraulichkeit auf den Rücken schlagend. »Sie sind ein lustiger alter Knabe, und ich liebe Ihre Art und Weise zu sprechen. Woher kommen Sie, Mat? Und warum tragen Sie dieses sonderbare Käppchen unter Ihrem Hut?«

»Ich kam zuletzt aus Amerika«, sagte Mat so ernst und bedächtig wie immer, »und trage dieses Käppchen, weil ich keine Kopfhaut auf meinem Kopfe habe.«

»Zum Teufel auch! Was meinen Sie damit?« schrie Zack, für den Augenblick ganz nüchtern werdend und seine Hand so schnell von seines neuen Freundes Schulter entfernend, wie wenn er sie auf ein glühendes Eisen gelegt hätte.

»Ich meine immer, was ich sage«, fuhr Mat fort, »das Gute habe ich an mir, wenn ich auch sonst weiter nichts habe. Ich und meine Kopfhaut haben uns schon vor Jahren getrennt. Ich stehe hier auf einer Londoner Brücke und spreche hier mit einem jungen Burschen, welcher Zack heißt. Meine Kopfhaut befindet sich auf der Spitze eines hohen Pfahles in irgendeinem indianischen Dorfe des Amazonen-Landes. Wenn dort solche Windstöße sind, wie gerade heute hier, so wird sie wahrscheinlich wie ein Stückchen trockenes Pergament rascheln, und das ganze Haar, welches sich noch daran befindet, wird sich unruhig bewegen, wie ein Rossschweif, der von vielen Fliegen belästigt wird. Weiter weiß ich von meiner Kopfhaut nichts. Wenn Sie mir nicht glauben wollen, so ergreifen Sie meinen Hut, und ich will es Ihnen zeigen —«

»O, nicht doch!« rief Zack, vor dem ihm angebotenen Hut zurückweichend aus. »Ich glaube Ihnen alter Bursche. Aber, wie zum Teufel, werden Sie ohne Kopfhaut fertig? – So etwas habe ich noch niemals gehört! Wie ist es möglich, dass Sie noch leben, he?«

»Es gehört weit mehr Geschicklichkeit dazu, einen starken Mann zu töten, als Ihr Londoner Burschen Euch einbildet«, sagte Mat.

»Ich wurde gefunden, ehe mein Kopf kalt geworden war, und darauf wurde er mit Blättern und Salbe bedeckt. Man hatte hinten ein wenig von der Kopfhaut daran gelassen, da sie in zu großer Eile waren, um ihre Arbeit so vollständig, wie gewöhnlich, zu verrichten; und nach einiger Zeit wuchs eine neue Haut darüber, eine Art Haut, die der eines kleinen Kindes ähnlich und dabei ziemlich empfindlich war. Ich musste also nachhelfen und bedeckte meinen Kopf ungeniert mit einem alten gelben Taschentuche, welches ich so lange trug, bis ich auf meiner Rückreise nach St. Francisco kam. Hier traf ich einen Priester, welcher mir gesprächsweise mitteilte, dass ich so bedeckt fast wie ein Wilder aussähe. Ich würde bei meiner Rückkehr nach der zivilisierten Welt viel anständiger erscheinen, wenn ich statt des Taschentuches ein Käppchen wie das seinige tragen würde. Ich befolgte seinen Rat und kaufte dieses Käppchen. Ich vermute, dass es besser aussieht, als mein altes Taschentuch, aber es ist nicht halb so bequem.«

»Aber auf welche Weise verloren Sie Ihre Kopfhaut?« fragte Zack »erzählen Sie mir alles darüber. Bei meiner Seele, Mat, Sie scheinen der interessanteste Kerl zu sein, mit dem ich jemals zusammentraf! Und ich sage, lassen Sie uns ein wenig umhergehen, während wir sprechen. Ich stehe jetzt wieder fester auf meinen Füßen, und es ist hier so höllisch kalt, wenn man sich nicht von der Stelle rührt.«

»Auf welche Weise können wir am leichtesten aus diesen schmutzigen Häusern und Straßen wegkommen?« fragte Mat, London mit einem Ausdrucke des grimmigsten Ekels übersehend. »Sogar auf dieser Brücke ist für den Wind nicht einmal Raum genug, um einen Menschen ordentlich anzuwehen. Ich möchte ebenso ungern im Bett ersticken, als hier im Rauche.«

»Was für ein sonderbarer Kerl Sie sind! – ein gehöriger Charakter. Lassen Sie uns nach dieser Richtung hingehen. Fest alter Knabe! Der Grog ist noch nicht ganz aus meinem Kopfe heraus, und ich habe den Schlucken bekommen. Hier ist mein Weg nach Hause und Ihr Weg in die frische Luft, wenn Sie deren wirklich bedürfen. Nun kommen Sie und sagen Sie mir, auf welche Weise Sie Ihre Kopfhaut verloren haben.«

»Darüber gibt es gerade nicht besonders viel zu erzählen. Wie heißen Sie doch gleich?«

»Zack.«

2Nun, Zack, ich lauerte auf einer meiner Wanderfahrten auf Wild, das an den Ufern des Amazon auftauchte —«

»Amazon? was zum Teufel ist das? Eine Frau oder ein Ort? – fest gestanden, oder jene Droschke wird uns überfahren.«

»Hörten Sie jemals von Süd-Amerika?«

»Ich kann das gerade nicht positiv beschwören, aber nach meinem besten Wissen, denke ich, dass ich doch etwas davon gehört habe.«

»Wohl an! der Amazon ist ein großer Fluss in jenen Gegenden. Ich war, wie ich Ihnen sagte; auf einem Streifzuge begriffen. —«

»Beim Jupiter! Sie sehen gerade wie ein Mann aus, der überall Streifzüge unternommen hat.«

»Wirklich?«

»Und alles getan hat, möchte ich sagen.«

»Größtenteils alles. Ich habe das Vieh in Mexiko getrieben, ich habe eine Truppe begleitet, die einen Landweg nach dem Nordpol auffinden wollte, ich habe mich während einer oder zwei Jahreszeiten mit dem Einfangen von wilden Pferden in den Pampas abgegeben und zwei Jahreszeiten darauf habe ich in Kalifornien nach Gold gegraben, Ich ging aus England weg als ein rüstiger Bursche an Bord eines Schiffes und jetzt bin ich nun wieder hier zurück als ein alter Vagabund, der keinen Freund hat, den er den seinigen nennen könnte. Wenn Sie gerade genau wissen wollen, wer ich bin und was ich mein ganzes Leben lang getan habe, so ist das gerade alles, was ich Ihnen darüber sagen kann.«

»Und das ist auch verteufelt interessant! Aber ich sage, – o dieser höllische Husten! Ich werde immer des Nachts nach dem Abendbrote davon gequält, ich bin von meiner Kindheit an ein Märtyrer des Hustens gewesen – aber ich sage, es gibt noch eine Sache, von der Sie mir noch nichts gesagt haben; Sie haben mir noch nicht gesagt, welchen andern Namen Sie außer Mat haben. Der meinige ist Thorpe.«

»Ich habe den Widerhall des andern Namens, nach dem Sie fragen, seit mehr als zwanzig Jahren nicht gehört, und es soll mich auch nicht kümmern, wenn ich ihn niemals wieder höre.«

Als er diese Worte sprach, klang seine Stimme rau und er wandte seinen Kopf ein wenig von Zack ab.

»Man gab mir den Beinamen »Marksman (Scharfschütz)«, als ich die Fahrten mit den Entdeckungstruppen mitmachte, weil ich der beste Schütze auf dem Schiffe war. Nennen Sie mich auch Marksman, wenn Sie den Namen Mat nicht lieben. Herr Mathias Marksman also, wenn es Ihnen beliebt. Jedermann scheint hier ein Herr zu sein. Sie sind natürlich auch einer, aber trotzdem gedenke ich Sie nicht Herr zu nennen. Ich werde bei Zack bleiben; das ist kurz und man braucht sich nicht lange damit zu quälen.«

»Ganz recht, alter Bursche! Und ich will es bei Mat lassen, welches noch um einen ganzen Buchstaben kürzer ist. Aber Sie haben mir ja noch immer nicht die Geschichte erzählt, auf welche Weise Sie Ihre Kopfhaut verloren haben.«

»Da kann ich keine lange Geschichte davon erzählen. Wissen Sie, was es heißt, wenn Sie durch alle diese krummen und langen Straßen hier von einem Manne verfolgt werden? Ich glaube, das wissen Sie! Wohl an, drei hinterlistige, indianische Diebe verfolgten mich über mehr als vierhundert Meilen in einem einsamen Lande, wo ich eine ganze Woche lang laut hätte um Hilfe heulen können und mich doch Niemand gehört hätte. Sie verlangten meine Kopfhaut, sie verlangten meine Büchse und am Ende ihrer Menschenjagd bekamen sie zuletzt Beides, weil ich keinen Schlaf finden konnte.«

»Keinen Schlaf finden können! Warum nicht?«

»Weil sie drei waren und ich nur einer! Einer von ihnen hielt Wache, während die beiden andern schliefen. Ich hatte Niemanden, der für mich Wache hielt, und mein Leben hing davon ab, dass ich meine Augen Tag und Nacht offen hielt. Ich schlief einst leise wie ein Hund ein und wurde durch einen Pfeilschuss in mein Gesicht erweckt. Ich hielt noch eine lange Zeit aus, ehe ich nachgab, aber zuletzt ergriff mich Entsetzen, ich dachte, die Prärie stünde ganz in Feuer und lief davon. Ich weiß nicht, wie lange ich in diesem tollen Zustande weitergelaufen bin, aber ich weiß nur, dass dieses Entsetzen mein Lebensretter wurde. Ich verlor meine eigene Spur und geriet in die Spuren der mir befreundeten Indianer, Leute, mit denen ich Handel getrieben hatte. Ich kam so nah an sie heran, dass die Nachzügler ihrer Jagdpartie mein lautes Schreien über meine verlorene Kopfhaut hören konnten. Nun wissen Sie gerade so viel davon, als ich selbst davon weiß; denn ich kann Ihnen weiter nichts sagen, außer, dass ich in einem indianischen Wigwam mit kühlenden Blättern statt der Haare auf meinem Kopfe erwachte.«

»Beim heiligen Georg, wie schrecklich! Es ist fürchterlich ergreifend! Welche von diesen Narben auf Ihrem Gesicht rührt von der Pfeilwunde her, he? O, das ist sie, nicht wahr? Hallo, alter Bursche, Sie haben ein blaues Auge davongetragen. Hat einer von jenen Halunken so hart zugeschlagen, um Sie so nach unserer Art zu verletzen?«

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06 aralık 2019
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