Kitabı oku: «Verbergen und Suchen», sayfa 27
Der junge Thorpe hatte, trotz der leichten Wandelbarkeit seines Gehirns, welche ihm von Natur eigen war, den ganzen Abend hindurch wacker mit getrunken, mit gestritten und an allem Teil genommen. Jetzt aber veränderte sich seine Gemütsstimmung fortwährend, – in einem Moment war er unerträglich geräuschvoll und lärmend, im andern schien er wieder in die tiefsten Tiefen der Träumerei versunken zu sein. Mr. Marksman allein blieb beständig unverändert. Da saß er – unbekümmert um das hinter ihm flammende Feuer – noch dann und wann mit der linken Hand in die Tasche greifend – rauchend, trinkend und starrte mit seinem mürrischen Selbstbewusstsein seine beiden Gesellschafter an.
»Da schlägts zehn«, murmelte Mat, als die Glocke schlug. »Ich sagte, wir wollen bis zehn Uhr fröhlich sein. Wir sind es.«
Zack nickte feierlich und starrte eine hervor rollende leere Flasche an. Er war wieder in einen andern unergründlich tiefen Gedanken versunken – Der sechste binnen einer halben Stunde.
»Haltet beide Euer Maul!« schrie Mr. Blyth. »Ich bestehe auf Erklärung, des disputierten Punktes, ob wir Maler nicht ganz ebenso abgehärtet und stark wie andere Menschen sind. Ich bin selbst Maler und sage, es verhält sich so. Wenn ich auch in allen andern Dingen mit Euch übereinstimme, – denn Ihr seid die zwei besten Kerls von der Welt – hierin aber nicht; und wenn Ihr sagt, ist nicht – so sage ich doch – ist. – Seit ruhig und blickt mich an!! Wir Maler sind die Götter der Erde! – Ihr mögt lachen oder nicht, – wir sinds!! Ihr mögt stundenlang von großen Generälen und Ministern sprechen – die beiden glorreichen Namen Michelangelo und Raphael stellen sie alle in Schatten, und Eure Argumente sind direkt widerlegt. Als Michelangelos Nase zerbrochen war, glaubt Ihr, er beachtete es? Blickt auf sein Leben und seht, ob ers tat! Das ist alles! Mein Gemäldesaal ist vierzig Fuß lang, und das ist jetzt ein wichtiger Beweis. Als ich den Columbus und das Goldene Zeitalter malte, stand eins an diesem Ende – Nord, und das andere an jenem – Süd. Sehr gut. ich ging unaufhörlich zwischen den beiden Gemälden vorwärts und rückwärts, von einem zum andern, und ruhte keinen Tag lang. Dies ist eine Tatsache, und der Beweis ist, dass ich an beiden gleichzeitig arbeitete. Einen Pinselstrich an Columbus. – einen Gang in die Mitte des Zimmers, um den Effekt zu sehen – umgedreht – einen Gang nach dem Goldnen Zeitalter – einen Pinselstrich an dem Goldnen Zeitalter – einen andern Gang wieder in die Mitte des Zimmers, um den Effekt zu sehen – wieder umgedreht – und zurück zum Columbus. Fünfzehn Stunden täglicher Studien, übereinstimmend mit der Berechnung eines meiner Freunde und einschließlich der zahlreichen Gänge, welche ich auf meiner tragbaren Treppe auf und ab machen musste, um an den obersten Teil des Columbus zu gelangen – ist nicht ein solcher Mann, der dies vermag, stark und abgehärtet? – Stark? Ha! ha! ha! O, ich fühle meine Beine, Zack. Sind sie stark und muskulös, oder nicht? —«
Bei diesen Worten schlug er mit seinem Löffel den jungen Thorpe recht hart an den Kopf und versuchte hurtig aus dem Sessel zu springen, taumelte aber so ungeschickt, dass er seinen Teller mit den schmierigen Resten Leber und Speck herunter warf. Zack erwachte aus seinem Dusel, setzte und kniff Valentin mit solch kräftiger Malice in die Beine, dass er laut aufschrie vor Schmerzen. In dieser ganzen Zeit saß Mr. Marksman ganz unbeweglich ernsthaft auf seinem Platze nächst dem Feuer. Jetzt stieß er ruhig Mr. Blyths zerbrochenem mit Speck und Leber, Messer und Gabel herunter gefallenen Teller in die zeitweilige Vorratskammer unter dem Tische – und schmauchte ruhig und ernsthaft weiter wie immer.
»Eure Beine, in der Tat«, rief Zack und stieß Valentin wieder in den Stuhl zurück, »steckt sie gleich wieder unter den Tisch, oder ich werde ernsthaft mit Euch zusammenkommen. Ich frage Euch, Mat, wisst Ihr, weshalb Mr. Blyth stets solch infernalisch enge und dicke Pluderhosen trägt? – Ich kann Euch sagen – er ist außerordentlich stolz auf seine Beine!«
»Nein!« schrie Valentin und schlug mit der Faust heftig auf die Tafel. »Es ist meine Idee des Kostüms, auf das ich stolz bin, weil es mit dem Fortschritt des Zeitalters harmoniert. Als ein Künstler verharre ich bei den ewigen Prinzipien des Geschmacks, welche darin bestehen, dass die Kleidung den Linien der menschlichen Form folgen muss. Ich sagte meinem Schneider Trimbry gleich anfangs, dass ich niemals meine Beine in ein paar Säcke stecken würde. Ich sagte ihm, dass ich mich nicht um die wechselnden Moden stimmte, machte Zeichnungen und lehrte ihn die Anatomie der menschlichen Beine, brachte ihn zum Nachdenken, und was ist die Folge? Trimbry ist einer der außerordentlichsten Charaktere, die ich kenne. Er ist der einzige Mann in England, welcher mich mit einer gut sitzenden Hose versehen kann; und wie merkwürdig – er kann sie nur dann machen, wenn er betrunken ist.«
»Oh-h-h! Welch eine unglaublich interessante Anekdote!« rief Zack spottend und lachend.
»Es ist wahr!« schrie Mr. Blyth. »Seid ruhig und ich werde es beweisen. Trimbry diniert um die Mittagszeit. Vor derselben ist er stets nüchtern und stupid, nach dem Mittagsessen aber stets betrunken und intelligent. Hört, jetzt komme ich auf den Hauptpunkt. Als er mir einstmals eine Hose brachte, baumelte sie an den Knien und schlug an der Hüfte eine Fuß lange Falte. Mr. Trimbry, sagte ich, was meint Ihr dazu? Sir, erwiderte er, ich kann Sie nicht auf gemeine Art betrügen. Das ist die erste Hose, welche ich vor meinem Mittagsmahl für Sie zuzuschneiden versuchte, und kurz gesagt, ich habe mich vermessen. Wenn Sie mir diesen Irrtum gütigst verzeihen wollen, so verspreche ich, treu und wahr, dass es niemals wieder vorkommen soll. Versteht sich, ich entschuldigte ihn, und der Irrtum hat sich nie wieder ereignet. Nun möchte ich gern wissen, ob irgendjemand etwas darüber zu sagen hat?«
Als Valentin schwieg, schob ihm Mr. Marksman höflich ein anderes Glas der Indianischen Mixtur hin, das er während Valentins Rede bereitet hatte. Die Wirkung dieser Handlung der Gastfreundschaft war sehr wohltuend und schmeichelnd. Er hatte in den letzten zehn Minuten sich immer mehr an Zack gewandt und nur mit ihm disputiert. Als er aber jetzt niederblickte, und der duftende Wohlgeruch der Mixtur in seine Nase strömte, entfaltete sich sein Antlitz zu einem sehr genialen und wohlwollenden Lächeln. Während seine linke Hand den Becher zitternd zu den Lippen führte, reichte er mit der rechten über den Tisch, streckte sie Mr. Marksman brüderlich entgegen und sagte zärtlich:
»Mein teurer Freund! Wie gütig sind Sie!« Er setzte das Glas wieder nieder und wandte sich jetzt von Zack ganz weg, schien überhaupt vergessen zu haben, dass noch solch eine Person wie der junge Thorpe im Zimmer anwesend sei »– Mein teurer Freund! Bitte, wie bereiten Sie die Indianische Mixtur?«
»Er hat’s Euch schon gesagt!« rief Zack und warf ein Stück Zitronenschale in Valentins Gesicht.
»Er hat‘s mir schon gesagt«, echote Mr. Blyth mit honigsüßer Stimme und nahm gar keine Notiz von Zacks geworfener Zitronenschale.
»Ich sage Euch, Mat, lasst das Schmauchen sein, zum Henker damit! Erzählt uns etwas!!« rief der junge Thorpe. »Erzählt uns eine von Euren schreckenerregenden Geschichten, oder Blyth wird wieder mit seinen verkrüppelten Beinen prahlen und, ehe wir ihm das Maul stopfen können, wieder von Trimbry, dem Schneider schwatzen. Redet, Mat! Erzählt uns die schauerliche Geschichte, wie Ihr Euren Skalp verlort.«
»Wie Ihr Euren Skalp verlort – oh?« wiederholte Valentin in sanftem melodiösen Tone, schlürfte behaglich seine Mixtur, lehnte seinen Kopf still an die Wand zurück und nahm nicht die geringste Notiz mehr von Zack.
Mat legte seine Pfeife nieder , blickte Mr. Blyth sehr aufmerksam an – und begann dann mit beispielloser Bereitwilligkeit und Gelehrigkeit seine Geschichte, ohne noch eine andre Nötigung zu erwarten. Zack bereitete sich vor, alles in vollkommener Bequemlichkeit mit anhören zu können; er drehte sich seitwärts an der Tafel, den Rücken nach Valentin gewandt und streckte seine großen Beine recht behaglich nach ihrer vollen Länge auf dem Fußboden aus.
Mr. Marksman war sehr interessant und unterhaltend, wenn er seine eignen Erlebnisse berichten. Aber in diesem besonderen Falle dehnte er sonderbarerweise seine Erzählung zu langweiliger, ermüdender Breite aus. Anstatt in gedrängter Kürze das furchtbar schreckliche Abenteuer zu berichten, verweilte er jetzt bei den unbedeutendsten und kleinsten Einzelheiten der mörderischen Jagd, welche ihm beinahe das Leben gekostet hatte. Dabei erzählte er eins nach dem andern in schwerem summenden Tone her, ohne die Stimme auch nur im geringsten zu ändern. Nach etwa zehn Minuten langer schläfriger Ausdauer der Geschichtsstrafe, welche Zack sich selbst auferlegt hatte, begann auch er in das Reich der Träume zu versinken, aber ein ziemlich starkes Schnarchen dicht hinter ihm brachte ihn plötzlich wieder zur Besinnung. Er blickte um sich und fand Mr. Blyth mit weit geöffnetem Munde und den Kopf an die Wand gelegt – tief und sanft schlafend.
»Halt!« flüsterte Mat, als Zack eben eine ausgepresste halbe Zitrone in Mr. Blyths Mund stecken wollte. »Weck ihn nicht auf. Willst Du um Austern mitspielen?«
»Spielen? Ich dachte, ich wäre bereit«, erwiderte Zack. »Gebt uns ein Gericht – Sally liegt um diese Zeit schon im Bett – Ich werde gehen und ihn herausholen. Aber, ich sage, ich scheue mich doch.«
»Hol die Austern erst«, sagte Mat und brachte vom Kredenztische eine gelbe Schüssel. »Lassen wir ihn erwachen mit einer kalten Auster im Munde. Komm! Ich will Dich zur Treppe hinabbegleiten, das Licht unten stehen und die Tür halb geöffnet lassen, dass Du wieder ruhig hereinkommen kannst. Standhaft, Junge! und wenn Du über den Weg gehst, denk an die Schüssel.« Mit diesen Worten verließ Mr. Marksman unten an der Haustür Zack und eilte sogleich wieder zu seinem Gast herauf.
Valentin schlief noch fest und schnarchte sehr stark. Mat griff sogleich in die Tasche und holte sein am Morgen gekauftes Stückchen Wachs heraus. Dann ergriff er Mr. Blyths Uhrkette und drückte mit dem daran befindlichen Bureauschlüssel ein Modell in das weiche Wachs; dieses erhaltene Modell steckte er in eine zinnerne Tabaksschachtel und die Schachtel in die Tasche, dann nahm er ruhig seinen alten Platz wieder ein.
»Nun«, sagte Mat, indem er den schlafenden Mr. Blyth betrachtete und seine Pfeife wieder anzündete, »nun, Maler! Erwacht, sobald es Euch beliebt.«
Es dauerte nicht lange, so kehrte Zack zurück. Ein heftiger Stoß an die Haustür zeigte seinen Eintritt an – ein starkes Stolpern und konfuses Gerassel markierte seine Anwesenheit auf der Treppe – ein schrillender Krach, ein schwerer Fall und ein brüllendes Gelächter verkündete seine Nähe unweit der Tür. Mat rann sogleich hinaus und fand ihn auf dem Flur liegend, die schöne gelbe Schüssel in Scherben und ein Dutzend Austernschalen nach allen Richtungen zerstreut.
»Verletzt?« fragte Mat, packte ihn beim Kragen und schleppte ihn ins Zimmer.
»Nicht im geringsten«, antwortete Zack so herzlich lachend, als wäre sein Fall ein ergötzlicher Scherz gewesen. »Ich habe Mr. Blyth aufgeweckt (welch schlechtes Missgeschick) und unsern Spaß mit der kalten Auster verdorben; habe ich’s nicht! Oh Gott! wie er starrt!«
Valentin war wirklich starr. Er hatte sich aufgemacht, an der Wand angelegt und blickte jammervoll umher. Entweder sein Schlummer oder die plötzlich lärmende Manier, durch die er erweckt wurde, hatte diese traurige Veränderung erzeugt. Als er inneward, durch was für eine Schwäche er sich hatte überwältigen lassen, verließ ihn alle Kordialität und Gesprächigkeit. Er schüttelte sein Haupt traurig, sagte, dass seine Verdauung in Folge des Trinken ganz gestört sei, und bestand darauf, direkt nach Hause zu geben, mochte Zack auch sagen, was er immer wollte. Der Hausherr, welchen das große Geräusch aus dem Laden heraufgetrieben hatte, wünschte, dass die Gesellschaft bald geschlossen würde, bevor noch mehr Grog getrunken werden möchte; er lief diensteifrig wieder zur Treppe hinab und rief einen Droschkenkutscher. Dies Manöver glückte. Als Mr. Blyth das Rollen des Wagens vor der Tür hörte, schrie er peremtorisch nach Hut und Rock und, nach einigen freundschaftlichen Einwendungen half ihm Mr. Marksman selbst mit der aufmerksamsten höflichsten Manier in den Wagen.
»Seht, ob oben die Lichter aus sind und der Junge im Bette liegt, wollt Ihr?« sagte Mat zu seinem Mietsherrn, als sie zusammen vor der Haustür standen. »Ich will meinen Dampf ins Freie blasen und noch einen Spaziergang in frischer Luft machen.«
Mit diesen Worten wanderte er eilig weiter, als er aber ans Ende der Straße kam, ging er nicht nördlich nach dem Felde und von woher die kalte erfrischende Luft wehte, sondern wandte sich südlich nach dem schmutzigsten kleinen Gässchen in der Nachbarschaft, in welche die barmherzige frische Luft schon seit vielen Jahren hineinzuwehen versucht hatte, aber stets von dem furchtbaren Schmutze und den beinahe mephitischen Dünsten dieses Distrikts stets gehörig zurückgewiesen wurde.
Mit noch schnelleren Schritten richtete jetzt Mr. Marksman seinen Gang nach jener Reihe kleiner schmutziger Häuser, welche er schon am Morgen besucht hatte, und stand dann zum zweiten Mal vor dem Eisenwarenladen. Er war verschlossen, aber ein düsteres Licht glimmte durch das Schlüsselloch. Und als Mat mit seinen Knöcheln an die Türe klopfte, ward sie sogleich von demselben schmutzigen Buckeligen geöffnet, mit dem er am Morgen einige Zeit konferiert hatte.
»Bekommen es?« fragte der Buckelige in sonderbar klagender Weise, als die Tür geöffnet ward.
»Jawohl, jawohl«, antwortete Mat in seinem rauen tiefen Basston und reichte dem buckeligen Manne die zinnerne Tabakschachtel.
»Wir sagten zu morgen Abend, sagten wir nicht?« sprach der Buckelige.
»Nicht später als sechs!« fügte Mat hinzu.
»Nicht später als sechs«, wiederholte der andere und schloss die Tür sanft zu, als Mr. Marksman auf die Straße trat und nun wirklich nordwärts die frische kühlende Luft aufsuchte.
Drittes Kapitel – Die Gartentür
»Gut oder übel, ich versuchs diese Nacht.« Dies waren die ersten Worte, welche am Morgen nach Blyths Visite aus Mr. Marksmans Lippen kamen, als er allein mitten unter den festlichen Überbleibseln des vergangenen Abends in seinem Zimmer zu Kirk Street stand. »Diese Nacht«, wiederholte er, zog seinen Rock aus und präparierte ihn zu seiner heutigen Toilette in einen Eimer kalten Wassers mit Hilfe einer kurzen Stange gelber Seife.
Obgleich noch frühe, war sein Geist doch schon einige Stunden mit Betrachtungen über die zweite Schwierigkeit, welche zwischen ihm und dem Besitz des Haarbracelets stand, beschäftigt gewesen, auf welche Art diese Schwierigkeit am besten zu überwinden sei. Das erste Haupterfordernis zu Ausführung des Planes hatte er bereits erlangt, wie war es aber am leichtesten zu benutzen? Er wusste, dass der falsche Schlüssel diesen Abend in seine Hand gelangen werde, wie aber sollte er ihn benutzen, ohne vom Eigentümer oder andern Personen des Hauses entdeckt zu werden?
Für diese soeben aufgetauchte wichtige Frage konnte er keine bessere Antwort finden, als die in den vorhin gewisperten Worten lag. Entweder Erfolg oder Missgeschick, – er war entschlossen, den Versuch zu machen. Auf einen definitiven Plan hatte er verzichtet, er wollte dem ersten besten glücklichen Zufall vertrauen, welchen der Abend bringen möchte. »Ich habe doch bei hellem Tageslicht die Lokalitäten des Zimmers, das sie Gemäldesaal nennen, hinreichend beschaut«, dachte Mat, welcher noch hartnäckig die ihm bevorstehende Schwierigkeit hin und her erwog, während er sein Gesicht eben in zwei Hände voll zischenden Seifenschaums tauchte. —
Er war noch eifrig mit Waschen in kaltem Wasser beschäftigt, als ein lautes Gähnen im nächsten Zimmer, welches nach und nach in ein schreckliches Geheul überging, Zacks Erwachen ankündigte. Einige Minuten später erschien der junge Gentleman in seinen Schlafrock gehüllt an der Tür, aber in düsterer Gemütsverfassung. Seine Augen waren rot unterlaufen und blinzelten, seine Wangen scheckig und aufgedunsen, die Haare verwirrt und schmutzig. Mit der einen Hand hielt er die Stirn, jammerte fortwährend und stellte so ein abschreckendes Bild der Trunkenheit dar.
»Oh Gott, Mat!« wimmerte er, »mein Kopf will bersten.«
»Tauch ihn in einen Eimer voll kalten Wassers und geh dann mit mir spazieren,« sagte sein Freund.
Zack befolgte diesen Rat wohlweislich. Als sie Kirk Street verließen, lenkte Mat den Gang so, dass sie bei Blyths Hause vorbei mussten, um ins Feld zu kommen. Wie er vermutete, machte der junge Thorpe den Vorschlag, eine Minute einzukehren, um zu sehen, wie sich Mr. Blyth nach den Festivitäten dies vergangenen Abends befinde und sich zu vergewissern, ob er noch geneigt sei, Mr. Marksmans Arme diesen Abend zu malen.
»Ich argwöhne, Ihr brautet die Indianische Mixtur nicht so schwach, als Ihr sagtet«, bemerkte Zack schlau, indem er an der Türklingel zog. »Es war ein schlechter Spaß. Aber wirklich, Blyth ist ein solch gutherziger Kerl, dass es zu schlecht scheint – kurz, tut es nicht wieder, Mat, das ist alles, was ich wünsche.«
Mr. Marksman leugnete mürrisch jede Absicht ab, als habe er den Gast betrügen und ihn zu starkem Liqueur verführen wollen. Sie gingen in den Gemäldesaal und fanden Mr. Blyth dort, aber blass und zerknirscht, jedoch sich männlich vorbereitend, das Goldne Zeitalter zu lackieren, obgleich seine Hände zitterten und seine zusammengezogenen Augenbrauen Kopfschmerz verrieten.
»Ah Zack, Zack! ich müsste Dich hofmeistern über gestern Abend«, rief Valentin, »aber ich habe nicht das, Recht dazu, denn ich bin ja der schlechteste von uns beiden. Mir ist abscheulich übel diesen Morgen; das ist’s, was ich verdiene. Ich schäme mich vor mir selbst, und das verdiene ich ebenfalls. Nicht ein Fingerhut voll Spiritus soll jemals wieder über meine Lippen kommen. Ich werde für meine ganze Lebenszeit bei meiner Limonade und meinem Tee bleiben. Nie wieder Indianische Mixtur! Nicht, mein teurer Herr —« fuhr Valentin fort, sich an Mr. Marksman wendend, welcher eben einige verstohlene Blicke nach dem Bureau geworfen hatte, »– nicht, mein teurer Sir, als wollte ich Sie blamieren, oder als zweifelte ich daran, dass Sie das Getränk, welches Sie so gütig waren für mich zu mischen, nicht schwach gering gemacht hätten, aber für Leute mit stärkeren Köpfen als der meinige; – Nein! es war nur mein eigener Fehler, mein Mangel an Vorsicht. Und wenn ich nicht vergangene Nacht schlecht aufgeführt habe, was ich überzeugt bin getan zu haben, so bitte ich Sie um Verzeihung —«
»Unsinn!« schrie Zack, welcher sah, dass Mat sich wegbewegen wollte, statt eine Antwort zu geben. »Unsinn! Ihr wart ein vortrefflicher Gesellschafter. Wir waren drei ausgezeichnete Geister, und Ihr wart Numero Eins von dem geselligen Trio. Weg mit Melancholie! Lasst uns diese Nacht eine mäßige Orgie halten, um Buße zu tun für die vergangene Nacht. Seid Ihr noch geneigt, Mats Arme zu malen? Es wird ihm Vergnügen bereiten, zu kommen, und mir ebenfalls. Wir werden uns vortrefflich aufheitern, aber nur mit Weißbrot, Tee und Wasser.«
»Versteht sich, ich habe noch dieselbe Absicht«, erwiderte Mr. Blyth. »Ich hatte noch meine volle Besinnung, als ich Dich und Deinen Freund zum Abend einlud. Ich werde nicht fähig sein, viel zu tun an der Zeichnung, fürchte ich, denn ein dieser Morgen angekommener Brief ruft mich eilig aufs Land. Eine andre Porträtarbeit erwartet mich morgen. Es ist mir sehr unpässlich und niemals in meinem Leben fühlte ich mich so unwillig, mein Haus zu verlassen als eben jetzt. Ich bin höchst unruhig darüber – und kann doch nicht sagen, warum ich’s bin. Dessen ungeachtet, es gibt Geld zu verdienen, ich muss annehmen und gehen.«
»Warum?« fragte Zack, »warum wollt Ihr gehen, wenn Ihr’s nicht gern tut? Ihr braucht das Geld so nötig nicht.«
»Ah, ich muss«, sagte Valentin. »Still! Sag kein Wort zu Lavinia (hier ging seine Stimme in ein bloßes Gewisper über). Ich habe die silberne Jagdvase bestellt, von der ich neulich zu Dir sprach. Es ist just so ein Stück, wie sie es liebt, und es wird eine schöne Zierde ihres Zimmers werden.«
»Wie teuer?« fragte Zack in vertraulichem Geflüster. »Schrecklich, Zack, dreißig Guineen!« erwiderte Mr. Blyth schwer atmend. »Zwei oder drei Porträts werdens decken – das ist mein Trost. Vier davon habe ich in Aussicht, wenn ich diese Lohnarbeit verrichte. Du siehst also, ich muss gehen, ob gern oder nicht, oder renne in Schulden, wozu ich nicht den Mut habe; beileibe nicht. Ich kann diesen Abend nur die Außenlinien der Arme Deines Freundes zeichnen und muss mir die übrige Arbeit bis nach meiner Rückkehr vorbehalten. – Soll ich die Skizze für Sie herunternehmen mein teurer Sir, dass Sie dieselbe näher, betrachten können?« fragte Valentin Mr. Marksman mit lauter Stimme. »Ich wage zu denken, dass es eine meiner gewissenhaftesten Studien der wirklichen Natur ist.«
Während Mr. Blyth und Zack vorhin zusammen leise sprachen, war Mr. Marksman von ihnen weg bis zum Ende des Zimmers gegangen und vor einer Tür stehen geblieben, welche an der Innenseite mit Eisenplatten, oben und unten mit Riegeln versehen war und aus dem Studierzimmer in den hinteren Garten führte. Über dieser Tür hing eine große Kreidezeichnung, – die gewissenhafteste Studie der wirklichen Natur, welche Valentin meinte und von der er glaubte, sie sei das spezielle Objekt von Mats Betrachtung.
»Nein, Nein! bemüht Euch nicht, jetzt die Skizze zu holen«, antwortete Zack wieder für seinen Freund.
»Wir gehen aus, um uns durch eine lange Promenade zu erfrischen und können hier nicht länger verweilen. Beliebt’s Euch, so kommt mit uns.«
»Nein! —« Valentin wollte in den ersten zwei Stunden das Zimmer noch nicht verlassen.
»Ihr tätet besser«, drängte Zack. »Ihr braucht keineswegs immer zu studieren, wenn man ein so fruchtbarer Mann ist, wie Ihr seid. Oder halt! Wenn Ihr durchaus nicht mit spazieren wollt, was sagt Ihr zu einem Hockspringen im Garten, um die Spinnwebe aus Eurem Gehirn zu fegen? Ich habe Eure Praxis seit wer weiß wie lange nicht gesehen. Kommt mit! Mat ist steif im Springen, aber er hat einen famosen Rücken.« Bei diesen Worten rann Zack an die Gartentür, nur sie aufzuschließen.
»Nein, nein!« rief Mr. Blyth. »Kein Hockspringen heute. Ich kann auch nicht angestrengt exerzieren, wenn ich Kopfweh habe. Geht, macht Euren Spaziergang und kommt gegen sieben Uhr wieder, aber keiner weiter als Ihr beiden. Ich werde bis dahin wieder wohl sein, ich hoffe es, und werde mich freuen, Euch wieder zu sehen.«
»Nun, Mat«, rief Zack, »was in aller Welt starrt Ihr an? Die Gartentür oder die Skizze?«
»Das Gemälde, versteht sich«, antwortete Mr. Marksman mit ungewöhnlicher Schärfe und Reizbarkeit.
»Es soll für Sie heruntergenommen werden, damit Sie es diesen Abend näher betrachten können«, sagte Mr. Blyth, vergnügt über den Eindruck, den seine Skizze auf Mat gemacht hatte.
»Wie befinden sich die Ladies?« fragte Zack, als er mit seinem Freunde das Studienzimmer verließ. Dann flüsterte er leise zu Valentin: »Vermutet Mrs. Blyth etwas über die Indianische Mixtur?«
»Vermuten?« erwiderte Valentin erstaunt. »Ich habe ihr diesen Morgen alles haarklein erzählt.«
»Ich werde es sehen, wenn ich diesen Abend hinaufkomme«, dachte Zack und war doch etwas erschrocken über den neuen Beweis vollkommener Offenheit, welche zwischen dem Maler und seiner Gattin stattfand.
Nachdem sie Mr. Blyths Atelier verlassen hatten, durchwanderten der junge Thorpe und sein Kompagnon einen teilweise überbauten Gang, welcher aus Valentins hinteren Garten heraus auf die Straße und ins Feld führte. Kaum hatten sie sechs Schritte getan, so wurde Mat, welcher im Hause so unbegreiflich schweigsam und stupid gewesen war, jetzt ebenso unbegreiflich redselig und spaßhaft.
Zuerst bestand er darauf, die an Valentins Mauer liegenden Holzstücke, welche zum Bau eines Hauses verwendet werden sollten, zu besteigen, dann über die Mauer zu blicken, um zu sehen, was für eine Art Garten der Maler habe. Zack zerrte ihn bei den Rockschlippen herunter, aber Mats scharfes Auge hatte schon den ganzen Garten überblickt, den Gang, welcher nach des Malers Studienzimmer führte, und ja sogar die messingenen Handgriffe nicht außer Acht gelassen.
Als er nun endlich zum Weitergehen gleichsam gezwungen ward, begann er wieder recht hartnäckig und inquisitorisch allerlei zu fragen, ganz so wie am Tage der Gemäldeschau. Zuerst wünschte er zu wissen, ob etwa fremde Gäste heute Abend bei Mr. Blyth erscheinen würden. Dann erinnerte er daran, dass Valentin beim Abschied gesagt: Niemand anders als wir selbst, und ob etwa des Malers Frau im Saale erscheinen würden. Nachdem Zack diese Fragen verneint hatte, ging Mat zur dritten über und wünschte zu wissen, ob vielleicht das junge Frauenzimmer, so nannte er Madonna, beständig mit Mrs. Blyth oder allein in der Gesellschaft erscheinen würde?
Über die letzte Frage peinigte Zack seinen Kompagnon wieder mit jenen vielen schlechten Witzen, welche er schon vorher über Mats verzehrende Leidenschaft für Madonna gemacht hatte. Mr. Marksman ließ ihn wie gewöhnlich gehen und ganz nach seines Herzens Befriedigung Unsinn treiben, führte aber zuletzt durch seine Geduld doch die gewünschte Antwort herbei. Der junge Thorpe ward wieder auf kurze Zeit vom gesunden Menschenverstand erleuchtet und informierte ihn nun, dass Madonna, ausgenommen nur unter ganz außerordentlichen Umständen, niemals den Gemäldesaal abends besuche, wenn Mr. Blyth Gesellschaft halte. »Aber, freut Euch, Cupido«, fügte Zack, wieder in seinen Unsinn fallend, hinzu; »Ihr sollt Euch nicht unbemitleidet über sie härmen, wenn ich helfen kann. Ich werde hinauf zu Mrs. Blyth gehen und Madonna auf irgendeine Art herunter in den Saal führen. Sie wird dann Eure Augen blenden und Euer altes ledernes Herz soll durch und durch gefesselt werden. Dann werdet Ihr hinreichend befähigt sein, die lange und ehrenvolle Liste von Madonnas Verehrern zu vermehren.«
Mat nahm von dem letzten absurden Geschwätz gar keine Notiz, sondern ging sogleich zu neuen Fragen über.
Jetzt wünschte er zu wissen, um welche Zeit Mr. Blyth und seine Familie gewöhnlich zu Bette gingen. Und als Zack sein größtes Erstaunen über diese Frage äußerte, bemerkte er, dass er nur deshalb gefragt habe, um die richtige Stunde zur Verabschiedung zu wählen. Als der junge Thorpe diese Antwort hörte, erzählte er bereitwillig und sorglos wie gewöhnlich, dass des Malers Familie regelmäßig noch vor elf Uhr zu Bett ginge; fügte auch noch hinzu, dass es wohl ganz besonders notwendig sei, den Studiensaal frühzeitig zu verlassen, weil Valentin wahrscheinlich morgen aufs Land reisen und den ersten Morgenzug benutzen werde.
Mats nächste Frage erfolgte erst nach einigen Minuten Stillschweigens. Möglicherweise dachte er darüber nach, in welch beste Form er sie wohl kleiden möchte. Wenn dies der Fall war, so entschied er sich endlich für die möglichst kürzeste Form des Ausdrucks, denn er fragte nur mit den Worten, was für eine Art Frauenzimmer des Malers Weib sei.
Zack antwortete charakteristisch mit der höchsten Lobrede auf Mrs. Blyth, ging dann von der Lady zur Beschreibung ihres Wohnzimmers über und schilderte es als außerordentlich glänzend und schön.
Mat horchte aufmerksam, dann sagte er, er vermute, Mrs. Blyth sei den Kuriositäten zugetan und liebe allerlei fremde Nippsachen. Zack beantwortete diese Frage nicht bejahend, sondern fügte nur hinzu, er glaube, dass diese erwähnten Kuriositäten und Nippsachen sie am Leben erhielten und amüsierten. Dann schweifte er zu einer langen Erzählung ab über der armen Mrs. Blyth erste Krankheit, und nachdem er diesen traurigen Gegenstand erschöpft hatte, endete er mit der Ansprache an Mr. Marksman, die Konversation auf einen weniger trauervollen Gegenstande zu führen.
Auch Mat schien dieses Thema fallen lassen zu wollen, denn er versank abermals in Stillschweigen. Er machte weder einen Versuch, die Konversation zu wechseln, noch stellte er eine weitere Frage, ja, er äußerte kein Wort, keinen Laut mehr.
Nachdem Zack es vergeblich versucht hatte, ihn wieder ins Plaudern zu bringen, zündete er sich aus Verzweiflung eine Zigarre an, und so wanderten sie stillschweigend weiter. – Mr. Marksman die Hände in den Taschen, blickte beständig zur Erde und schien so ganz von der Außenwelt abgezogen und in sein tiefstes Innere versenkt zu sein, als machte er die tiefsten Studien. Als sie in die Nähe von Kirk Street kamen, begann Mat allmählich wieder über verschiedene gleichgültige Gegenstände zu reden, ohne sich weder über Mr. Blyth, noch über dessen Familie zu befragen. Sie erreichten ihr Logis erst gegen halb fünf Uhr. Zack ging in das Schlafzimmer, um seine Hände zu waschen. Währenddessen nahm Mr. Marksman die schon bekannte Ledertasche aus der Ecke, holte den Federfächer und den indianischen Tabaksbeutel heraus und wickelte beide in ein Papier. Dann rief er Zack und sagte ihm, dass er in eine Barbierstube gehen und sein Gesicht rein rasieren lassen wolle, bevor sie zu Mr. Blyth gingen. Nach diesen Worten verließ er mit seinen zwei Paketen in der Hand das Haus.
»Wenn alles fehlschlägt, so versuche ich’s diese Nacht mit der Gartentür«, sagte Mat zu sich selbst, und verfolgte die Richtung nach dem bekannten Eisenwarenladen. »Dies wird mir den Maler gewinnen und das wird ihm Zack später senden«; dabei steckte er Fächer und Tabaksbeutel in seine Rocktaschen. Ein schlaues Lächeln überflog seine Lippen, als er beide Gegenstände auf diese Art verbarg, aber es verschwand bald wieder und ging in ein kurioses Zusammenziehen des oberen Gesichtsteiles über. Er murmelte noch einmal den Namen Marie, welcher so oft über seine Lippen gekommen war, und beschleunigte dann rein mechanisch seine Schritte, wie es seine Gewohnheit war, wenn ihn etwas beunruhigte.
Als er den Eisenladen erreichte, fand er den Buckeligen mit der zinnernen Tabakschachtel in der Hand an der Tür. Bei dieser Gelegenheit wechselten beide nicht ein Wort zusammen. Der schmutzige Ladendiener rasselte triumphierend mit der Schachtel und händigte sie dann seinem Kunden ein; Mat griff in seine Westentasche, winkte und überreichte ihm ein Goldstück. Nach dieser kurzen Zeremonie des Gebens und Nehmens schieden Beide, ohne sich ein einziges Abschiedswort zu sagen; der Buckelige ging an seinen Ladentisch und Mr. Marksman nach einer Barbierstube.