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Kitabı oku: «Hamlet, Prinz von Dännemark», sayfa 4

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Sechste Scene

(Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)

Polonius.

Ihr sucht vermuthlich den Prinzen Hamlet; hier ist er.

(Er geht ab.)

Rosenkranz.

Gott erhalte euch, Gnädiger Herr.

Güldenstern.

Mein theurester Prinz!

Hamlet.

Ah, meine werthen guten Freunde! Wie lebst du, Güldenstern? Ha, Rosenkranz, ihr ehrlichen Jungens, wie geht's euch beyden?

Rosenkranz.

Wie es so unbedeutenden Erden-Söhnen zu gehen pflegt.

Güldenstern. Eben darinn glüklich, daß wir nicht gar zu glüklich sind – Wir sind eben nicht der Knopf auf Fortunens Kappe.

Hamlet.

Doch nicht die Solen an ihren Schuhen?

Rosenkranz.

Das auch nicht, Gnädiger Herr.

Hamlet.

Ihr hangt also an ihrem Gürtel – Gut; was bringt ihr denn neues?

Rosenkranz.

Nichts, Gnädiger Herr, als daß die Welt ehrlich worden ist.

Hamlet. So ist der jüngste Tag im Anzug; aber eure Zeitung ist falsch. Verstattet mir einmal eine vertrauliche Frage: Womit habt ihr euch an der Göttin Fortuna versündiget, meine guten Freunde, daß sie euch hieher in den Kerker geschikt hat?

Güldenstern.

In den Kerker, Gnädiger Herr?

Hamlet.

Dännemark ist ein Kerker.

Rosenkranz.

So ist die ganze Welt einer.

Hamlet. Ein recht stattlicher, worinn viele Thürme, Gefängnisse und Löcher sind, unter denen Dännemark eines der ärgsten ist.

Rosenkranz.

Wir denken nicht so, Gnädiger Herr.

Hamlet.

Nicht? Nun so ist es auch nicht so für euch: Es ist nichts so gut oder so schlimm, das nicht durch unsre Meynung dazu gemacht wird:

Für mich ist es ein Gefängniß.

Rosenkranz. Wenn das ist, so macht es euer Ehrgeiz dazu; es ist zu enge für euern Geist.

Hamlet. O Gott, ich wollte mich in eine Nußschale einsperren lassen, und mir einbilden, daß ich König über einen unendlichen Raum sey; wenn ich nur nicht so schlimme Träume hätte.

Güldenstern.

Welche Träume im Grunde nichts anders als Ehrgeiz sind; denn was ist das ganze Wesen des Ehrsüchtigen, als ein Schatten von einem Traum?

Hamlet.

Ein Traum ist selbst nur ein Schatten.

Rosenkranz. Allerdings, und ich halte den Ehrgeiz für etwas so leichtes und unwesentliches, daß er nur der Schatten eines Schattens genennt zu werden verdient.

Hamlet. Nach dieser Art zu urtheilen, sind unsre Bettler, Körper; und unsre Monarchen und aufgespreißten Helden, der Bettler Schatten. Wollen wir nach Hofe? Denn, auf meine Ehre, raisonnieren ist meine Sache nicht.

Beyde.

Wir sind zu Euer Gnaden Aufwartung.

Hamlet.

Keine solche Complimente: Ich möchte euch nicht zu meinen übrigen Bedienten rechnen: Denn wenn ichs euch als ein ehrlicher Mann sagen soll, ich habe ein sehr fürchterliches Gefolge; aber in vollem Vertrauen, was thut ihr hier in Elsinoor?

Rosenkranz.

Wir sind blos hieher gekommen, euch unsern Besuch abzustatten.

Hamlet. Ich bin so bettelarm, daß ich so gar an Dank arm bin; doch dank ich euch, und versichert euch, meine theuren Freunde, mein Dank ist zu theuer um einen Halb-Pfenning. Seyd ihr nicht beruffen worden? war es euer eigner Gedanke? Ist es ein Besuch aus freyem gutem Willen? Kommt, geht mit der Sprache heraus – Kommt, kommt; nun so sagt dann —

Güldenstern.

Was sollen wir sagen, Gnädiger Herr?

Hamlet. Das gilt mir gleich, wenn es nur zur Sache taugt. Man hat euch holen lassen; ich sehe eine Art von Geständniß in euern Augen, welches eure Bescheidenheit nicht Kunst genug hat zu maskieren. Ich bin gewiß, der gute König und die Königin haben euch holen lassen.

Rosenkranz.

Zu was Ende, Gnädiger Herr?

Hamlet. Daß ihr mich ausforschen sollt; aber laßt mich euch bey den Rechten unsrer Cameradschaft, bey der Übereinstimmung unsrer Jugend, bey den Banden unsrer niemals unterbrochnen Liebe, und bey allem was ein beßrer Redner als ich bin, euch noch theurers vorhalten könnte, beschwören, mir aufrichtig und gerade heraus zu sagen, ob man euch nicht habe holen lassen?

Rosenkranz (zu Güldenstern.)

Was sagt ihr hiezu?

Hamlet. Nicht so, denn ich hab' ein Aug auf euch; wenn ihr mich liebet so haltet nicht zurük.

Güldenstern.

Man hat uns ruffen lassen, Gnädiger Herr.

Hamlet. Ich will euch sagen wofür; so habt ihr euch doch keine Verrätherey vorzuwerfen, und eure Treue gegen den König und die Königin wird um keine Feder leichter. Ich habe, seit einiger Zeit, warum weiß ich selbst nicht, alle meine Munterkeit verlohren, alle meine gewohnten Übungen aufgegeben; und in der That es ist mit meiner Schwermuth so weit gekommen, daß diese anmuthige Erde mir nur ein kahles Vorgebürge; dieses prächtige Baldachin die Luft, seht ihr, dieses stolze über uns hangende Firmament, diese majestätische Deke mit goldnen Sphären eingelegt, mir nicht anders vorkommt, als wie ein stinkender Sammelplaz pestilenzischer Ausdünstungen. Was für ein Meisterstük ist der Mensch! Wie edel durch die Vernunft! Wie unbegrenzt in seinen Fähigkeiten! An Gestalt und Bewegungs-Kraft wie vollendet und bewundernswürdig! Im Würken wie ähnlich einem Engel! Im Denken wie ähnlich einem Gott! Die schönste Zier der Schöpfung! Das vollkommenste aller sichtbaren Wesen! Und doch, was ist in meinen Augen diese Quintessenz von Staub? Der Mensch gefällt mir nicht, und das Weib eben so wenig; ohngeachtet ihr es durch euer Lächeln zu verstehen zu geben scheint.

Rosenkranz.

Gnädiger Herr, ich hatte keinen Gedanken an das.

Hamlet.

Warum lachtet ihr dann, wie ich sagte, der Mensch gefalle mir nicht?

Rosenkranz. Ich lachte, weil mir dabey einfiel, was für einen magern Unterhalt, bey solchen Umständen, die Comödianten, bey Euer Gnaden finden werden; wir stiessen unterwegs auf sie, und sie sind im Begriff hieher zu kommen, um euch ihre Dienste anzubieten.

Hamlet. Derjenige, der den König macht, soll mir willkommen seyn; seine Majestät soll Tribut von mir empfangen; der irrende Ritter soll sein Rappier und seine Tarsche brauchen; der Liebhaber soll nicht gratis seufzen; die lustige Person soll ihre Rolle ruhig bis zu Ende spielen; der Hans Wurst soll alle lachen machen, deren Lunge ohnehin von scharfen Feuchtigkeiten gekizelt wird, und die Damen sollen sagen was sie denken, oder die reimlosen Verse sollen es entgelten. Was für Comödianten sind es?

Rosenkranz. Die nemlichen, welche sonst euern Beyfall hatten, die Schauspieler von der Stadt.

Hamlet. Wie kommt es, daß sie reisen? Ihre Residenz war für ihren Ruhm und ihren Beutel vorteilhafter.

Rosenkranz. Ich denke, ihre Abdankung ist die Folge einiger Veränderungen, welche neuerlich gemacht worden sind.

Hamlet.

Stehen sie noch in dem nemlichen Credit wie vormals, als ich in der Stadt war? Haben sie noch so viel Zulauf?

Rosenkranz.

Nein in der That, den haben sie nicht.

Hamlet.

Wie kommt das, fangen sie an rostig zu werden?

Rosenkranz. Nein, sie geben sich noch immer so viele Mühe als zuvor; aber es ist ein Nest voll Kinder zum Vorschein gekommen, kleine Kichelchen, die beym Haupt-Wort eines Sazes aus allen Kräften ausgrillen, und auch jämmerlich genug geschlagen werden, bis sie es so gut gelernt haben; die sind izt Mode, und überplappern die gemeinen Schauspieler (so nennen sie's) dermassen, daß manche, die einen Degen an der Seite tragen, vor Gänsespulen erschraken, und das Herz nicht haben, sie zu besuchen.2

Hamlet. Kinder, sagt ihr, seyen es? Und wer unterhält sie? Wie werden sie salariert? Werden sie das Handwerk nur so lange treiben, als sie singen können? Und wenn sie sich endlich zu gemeinen Comödianten ausgewachsen haben, (wie sie doch zulezt werden müssen, wenn sie keine Mittel haben,) werden sie sich alsdann nicht beschweren, daß ihre Autoren ihnen vormals so schöne Exclamationen gegen ihre eigne künftige Profession in den Mund gelegt haben?

Rosenkranz. Bey meiner Ehre, es wurde auf beyden Seiten grosser Lerm gemacht, und die Nation hält es für keine Sünde, sie noch mehr zum Streit aufzureizen. Es war eine geraume Zeit lang mit dem schönsten Stük von der Welt kein Geld zu verdienen, wenn der Poet und der Schauspieler diese wichtige Streitfrage nicht mit hineinbrachten, und ihren Gegnern links und rechts Ohrfeigen austheilten.

Hamlet.

Ist's möglich?

Güldenstern.

O, ich kan Euer Gnaden versichern, es ist hizig hergegangen.

Hamlet.

Und tragen die Jungens es davon?3

Güldenstern.

Das thun sie, Gnädiger Herr; den Hercules mit samt seiner Ladung.

Hamlet. Mich wundert es nicht; denn mein Oheim ist König in Dännemark, und die Nemlichen, welche bey meines Vaters Leben Frazen-Gesichter gegen ihn geschnitten hätten, geben izt zwanzig, vierzig, fünfzig, ja hundert Ducaten, um sein Bildniß in Miniatur zu haben.4 Es ist etwas mehr als natürliches hierinn, das wol werth wäre, daß die Philosophen sich Mühe gäben, es zu erforschen.

(Man hört ein Getöse.)

Güldenstern.

Da kommen die Comödianten.

Hamlet (zu Güldenstern und Rosenkranz.) Meine Herren, ihr seyd willkommen in Elsinoor, gebt mir eure Hände; kommt, kommt; wir wollen die Ceremonien bey Seite legen. Das muß unter uns ausgemacht seyn, sonst würde mein Betragen gegen diese Comödianten (gegen welche ich, gewisser Ursachen wegen, höflich seyn werde,) mehr Verbindliches zu haben scheinen, als mein Bezeugen gegen euch. Ihr seyd willkommen; aber mein Oheim-Vater, und meine Tante-Mutter haben sich betrogen.

Güldenstern.

Wie so, Gnädiger Herr?

Hamlet. Ich bin nur toll bey Nord oder Nord-West; wenn der Wind von Suden bläßt, kan ich einen Falken sehr wol von einer Hand-Säge unterscheiden5

Siebende Scene

(Polonius zu den Vorigen.)

Polonius.

Ich wünsche euch viel Gutes, meine Herren.

Hamlet. Hört ihr, Güldenstern, und ihr auch; diß grosse Wiegen-Kind, das ihr hier vor euch seht, ist noch nie aus seinen Windeln gekommen.

Rosenkranz. Vielleicht ist er zum andern mal drein gekommen, denn man sagt, alte Leute zweymal Kinder.

Hamlet.

Ich seh es ihm an, daß er kommt, mir von den Comödianten zu sprechen – Gebt Acht darauf – Ihr habt recht, mein Herr; lezten Montag früh war es so, in der That.

Polonius.

Gnädiger Herr, ich habe euch was neues zu sagen.

Hamlet.

Gnädiger Herr, ich habe (euch) was neues zu sagen; als Roscius ein Comödiant zu Rom war —

Polonius.

Die Comödianten sind hier angekommen, Gnädiger Herr.

Hamlet.

Was?

Polonius.

Auf meine Ehre —

Hamlet.

Jeder Comödiant kam also auf seinem Esel —

Polonius. Die besten Schauspieler in der Welt, es sey nun für Tragödie, Comödie, Historie, Pastoral, Tragi-Comödie, Comical-Pastoral, oder was ihr immer wollt; für sie ist Seneca nicht zu schwer, und Plautus nicht zu leicht. Wenn Wiz und Freyheit das einzige Gesez sind, so findet man ihres gleichen nicht in der Welt.

Hamlet.

(O Jephta, Richter in Israel)6, was für einen Schaz hast du!

Polonius.

Was hatte er für einen Schaz, Gnädiger Herr?

Hamlet.

(Ein' Tochter hatt' er, und nicht mehr, Ein hübsches Mädchen, das liebt er sehr.)

Polonius (vor sich.)

Immer stekt ihm meine Tochter im Kopf Hamlet.

Hab' ich nicht recht, alter Jephta?

Polonius. Wenn ich der Jephta bin, den ihr meynt, Gnädiger Herr, so hab ich eine Tochter, die ich sehr liebe.

Hamlet.

Nein, das folgt nicht.

Polonius.

Was folgt denn, Gnädiger Herr?

Hamlet.

Was? Zum Exempel, (Da trug sich zu, wie ich sagen thu – ) ihr kennt ja das Liedchen? Aber da kommen die ehrlichen Leute, die mir heraushelfen – (Vier oder fünf Schauspieler treten auf.) Willkommen, ihr Herren, willkommen allerseits – Es freut mich, dich wohl zu sehen – Willkommen meine guten Freunde – Ha! Alter Freund! Du hast ja einen hübschen Bart bekommen, seit dem wir uns gesehen haben – wie, meine hübsche Jungfer, ihr seyd ja um eine Pantoffel-Höhe gewachsen? Ich will hoffen, daß es eurer schönen Stimme nichts geschadet haben werde – Ihr Herren, ihr seyd alle willkommen; wir wollen nur gleich zur Sache – eine hübsche Scene, wenn ich bitten darf; kommt, kommt; eine kleine Probe von eurer Kunst, eine Rede, worinn recht viel Affect ist —

1. Schauspieler. Was für eine Rede, Gnädiger Herr?

Hamlet. Ich hörte dich einmal eine declamieren, aber auf die Schaubühne kam sie nicht; wenigstens nicht mehr als einmal; denn das Stük, so viel ich mich erinnere, gefiel dem grossen Hauffen nicht; es war Stör- Rogen (Caviar) für den Pöbel; aber, wie ich und andre, deren Urtheil ich in solchen Sachen traue, es ansahen, war es ein vortreffliches Stük; viel Einfalt und doch viel Kunst in der Anlage des Plans, und die Scenen wol disponiert; nichts affectiertes in der Schreibart; kein Salz, (sagte jemand) in den Worten, um der Mattigkeit der Gedanken nachzuhelfen; keine Redensarten noch Schwünge, worinn man statt der redenden Person den sich selbst gefallenden Autor hört; kurz, ein natürlicher, ungeschminkter Styl, wie der Kenner sagte. Ich erinnre mich sonderheitlich einer Rede, die mir vorzüglich gefiel; es war in einem Dialoge des Äneas mit der Dido, die Stelle, wo er von Priams Tochter sprach. Wenn ihr's noch im Gedächtniß habt, so fangt bey der Zeile an – Laßt sehen, laßt sehen – "Der rauhe Pyrrhus, gleich dem Hyrcanischen Tyger" – Nein, so heißt es nicht – es fangt mit dem Pyrrhus an – "Der rauhe Pyrrhus, dessen Rüstung, schwarz wie sein unmenschliches Herz, jener Nacht glich, da er auf Verderben laurend, im Bauch des fatalen Pferdes verborgen lag, hatte nun die furchtbare Schwärze seiner Waffen mit einer noch gräßlichern Farbe beflekt; nun ist er von Kopf zu Fuß ganz blutroth; entsezlich besprizt mit Blut von Vätern, Müttern, Söhnen, Töchtern, in die düstre Flamme gehüllt, deren verdammter Schein den Weg schnöder Mörder beleuchtet – So von Wuth und Hize lechzend, so mit gestoktem Blut überzogen, sucht mit funkelnden Augen der höllische Pyrrhus den alten Anherrn Priam auf."

Polonius.

Bey Gott, Gnädiger Herr, das war gut declamirt; mit einem guten Accent, und mit einer geschikten Action.

1. Schauspieler. Er findet ihn, von Griechen umringt, die er aber mit zu kurzgeführten Streichen, zurükzutreiben sucht. Sein altes Schwerd, ungehorsam dem kraftlosen Arm, führt lauter unschädliche Hiebe und bleibt liegen, wohin es fällt – welch ein Gegner, die Wuth des daherstürzenden Pyrrhus aufzuhalten, der Wütrich hohlt zu einem tödtlichen Streich weit aus; aber von dem blossen Zischen seines blutigen Schwerds fällt der nervenlose Vater zu Boden. Das gefühllose Ilion selbst schien diesen Streich zu fühlen, seine flammenden Thürme stürzten ein, und der entsezliche Ruin macht sogar den Pyrrhus stuzen; denn, seht, sein Schwerd, im Begriff, auf das milchweisse Haupt des ehrwürdigen Priams herab zu fallen, blieb, so schien es, in der Luft steken; Pyrrhus stuhnd, wie ein gemahlter Tyrann, unthätig, dem Unentschloßnen gleich, der zwischen seinem Willen und dem Gegenstand im Gleichgewicht schwebt; aber, so, wie wir oft wenn ein Sturm bevorsteht, ein tiefes Schweigen durch die Himmel wahrnehmen das Rad der Natur scheint zu stehen, die trozigen Winde schweigen, und unter ihnen liegt der Erdkreis in banger Todes-Stille; auf einmal stürzt der krachende Donner, Verderben auf die Gegend herab: So feurt den unmenschlichen Pyrrhus, nach dieser kleinen Pause, ein plözlicher Sturm von Rachsucht wieder zur blutigen Arbeit an: Gefühlloser fielen nie die Hämmer der Cyclopen auf die glühende Masse herab, woraus sie des Kriegs- Gottes undurchdringliche Waffen schmieden; als nun des Pyrrhus Schwerdt auf den hülflosen Greisen fällt – Hinaus, hinaus, du Meze, Fortuna! O ihr Götter alle, vereiniget euch, stehet alle zusammen, sie ihrer Gewalt zu berauben: Zerbrechet alle Speichen und Felgen ihres Rades, und rollet die zirkelnde Nabe von dem Hügel des Himmels bis in den Abgrund der Hölle hinab!

Polonius.

Das ist zu lang.

Hamlet.

Es soll mit euerm Bart zum Barbier – Ich bitte dich, fahre fort; er muß Wortspiele oder schmuzige Mährchen haben, oder er schläft ein —

Weiter fort, zur Hecuba —

1. Schauspieler. Aber wer, o wer izt die vermummte Königin gesehn hätte —

Hamlet.

Die vermummte Königin?

Polonius.

Das ist gut, vermummte Königin, ist gut.

Schauspieler. Wie sie, in Verzweiflung, mit nakten Füssen auf- und nieder rannte, und weinte, daß die Flammen von ihren Thränen hätten verlöschen mögen; ein besudelter Lumpe auf diesem Haupt, wo kürzlich noch das Diadem funkelte; und statt des Königlichen Purpurs ein Bettlaken, das erste was sie im betäubenden Schreken ergriff, um ihre schlappen, von häufigem Gebähren ganz ausgemergelte Lenden hergeworffen; wer das gesehen hätte, würde mit in Gift getauchter Zunge Verwünschungen gegen das Glük ausgestossen haben – Doch, wenn die Götter selbst sie gesehen hätten, in dem Augenblik sie gesehen hätten, da Pyrrhus, mit unmenschlichem Muthwillen, die Glieder ihres Gemahls vor ihren Augen in kleine Stüke zerhakte, das ausberstende Geschrey, das sie da machte, würde sie, (es wäre dann, daß sie von sterblichen Dingen gar nicht gerührt werden,) würde die brennenden Augen des Himmels in Thränen aufgelöst, und die Götter in Leidenschaft gesezt haben.

Polonius.

Seht nur, ob er nicht seine Farbe verändert, und ob er nicht Thränen in den Augen hat? Ich bitte dich, laß es genug seyn.

Hamlet. Gut, wir wollen den Rest dieser Rede auf ein andermal sparen – Mein guter Herr,

(zu Polonius)

wollt ihr dafür sorgen, daß diese Schauspieler wohl besorgt werden? Hört ihr's, laßt ihnen nichts abgehen; es sind Leute, die man in Acht nehmen muß; sie sind lebendige Chroniken ihrer Zeit; es wäre euch besser, eine schlechte Grabschrift nach euerm Tod zu haben, als ihre üble Nachrede, weil ihr lebt.

Polonius.

Gnädiger Herr, ich will ihnen begegnen, wie sie es verdienen.

Hamlet. Behüt uns Gott, Mann, weit besser! Wenn ihr einem jeden begegnen wolltet, wie er's verdient, wer würde dem Staup-Besen entgehen? Begegnet ihnen, wie es eurer eignen Ehre und Würde gemäß ist. Je weniger sie verdienen, je mehr Verdienst ist in eurer Gütigkeit. Nehmt sie mit euch hinein.

Polonius.

Kommt, ihr Herren.

(Polonius geht ab.)

Hamlet.

Folget ihm, meine guten Freunde: Morgen wollen wir ein Stük hören —

Hörst du mich, alter Freund, kanst du die Ermordung des Gonzago aufführen?

Schauspieler.

Ja, Gnädigster Herr.

Hamlet.

So wollen wir's Morgen auf die Nacht haben. Ihr könnt doch, im Nothfall eine Rede von einem Duzend oder sechszehn Zeilen studieren, die ich noch aufsezen, und hinein bringen möchte? Könnt ihr nicht?

Schauspieler.

Ja wohl, Gnädigster Herr.

Hamlet. Das ist mir lieb. Geht diesem Herrn nach, aber nehmt euch in Acht, daß ihr ihn nicht zum besten habt.

(Zu Rosenkranz und Güldenstern.)

Meine guten Freunde, ich verlasse euch bis diese Nacht; ihr seyd willkommen in Elsinoor.

Rosenkranz.

Wir empfehlen uns zu Gnaden —

(Sie gehen ab.)

Achte Scene

Hamlet (allein). Ja, so behüt euch Gott: endlich bin ich allein – O, was für ein Schurke, für ein nichtswürdiger Sclave bin ich! Ist es nicht was ungeheures, daß dieser Comödiant hier, in einer blossen Fabel, im blossen Traum einer Leidenschaft, soviel Gewalt über seine Seele haben soll, daß durch ihre Würkung sein ganzes Gesicht sich entfärbt, Thränen seine Augen füllen, seine Stimme bricht, jeder Gesichtszug, jedes Gliedmaß, jede Muskel die Heftigkeit der Leidenschaft, die doch bloß in seinem Hirn ist, mit solcher Wahrheit ausdrükt – und das alles um nichts? Um Hecuba – Was ist Hecuba für ihn, oder er für Hecuba, daß er um sie weinen soll? Was würd er thun, wenn er die Ursache zur Leidenschaft hätte, die ich habe? Er würde den Schauplaz in Thränen ersäuffen, und mit entsezlichen Reden jedes Ohr durchbohren; die Schuldigen würden von Sinnen kommen, und die Schuldlosen selbst wie Verbrecher erblassen – und ich, träger schwermüthiger Tropf, härme mich wie ein milzsüchtiger Grillenfänger ab, fühle die Grösse meiner Sache nicht, und kan nichts sagen – nein, nichts, nichts für einen König, der auf eine so verruchte Art seiner Crone und seines Lebens beraubt worden ist! – Bin ich vielleicht eine Memme? Wer darf mich einen Schurken nennen, mir ein Loch in den Kopf schlagen, mir den Bart ausrauffen, und ins Gesicht werfen? Wer zwikt mich bey der Nase, oder wirft mir eine Lüge in den Hals, so tief bis in die Lunge hinab? Wer thut mir das? Und doch sollt' ich es leiden – Denn es kan nicht anders seyn, ich bin ein Daubenherziger Mensch, der keine Galle hat, die ihm seine Unterdrükung bitter mache; wenn es nicht so wäre, hätte ich nicht bereits alle Geyer der Gegend mit dem vorgeworfnen Aas dieses Sclaven gemästet? Der blutige kupplerische Bube! Der gewissenlose, verräthrische, unzüchtige, unbarmherzige Bösewicht! – Wie, was für eine niederträchtige Geduld hält mich zurük? Ich, der Sohn eines theuren ermordeten Vaters, von Himmel und Hölle zur Rache aufgefodert, ich soll wie eine feige Meze, mein Herz durch Worte erleichtern, wie eine wahre Gassen-Hure in Schimpf- Worte und Flüche ausbrechen – und es ist Hirn in diesem Schedel! Fy, der Niederträchtigkeit! Es muß anders werden! – Ich habe gehört, daß Verbrecher unter einem Schauspiel durch die blosse Kunst des Poeten und des Schauspielers so in die Seele getroffen worden, daß sie auf der Stelle ihre Übelthaten bekennt haben. Wenn ein Mord gleich keine Zunge hat, so muß doch ehe das lebloseste Ding Sprache bekommen, als daß er unentdekt bleiben sollte. Ich will diese Comödianten etwas der Ermordung meines Vaters ähnliches vor meinem Oheim aufführen lassen. Ich will sein Gesicht dabey beobachten; ich will ihm die Wike bis aufs Fleisch in die Wunde bohren; wenn er nur erblaßt, so weiß ich was ich zu thun habe. Der Geist, den ich gesehen habe, kan der Teufel seyn; denn der Teufel hat die Macht eine gefällige Gestalt anzunehmen; vielleicht mißbraucht er meine Schwermuth und Trübsinnigkeit (Geister, durch die er eine besondere Gewalt hat) mich zu einer verdammlichen That zu verleiten. Ich will einen überzeugendern Grund haben als diese Erscheinung; und im Schauspiel soll die Falle seyn, worinn ich das Gewissen des Königs fangen will.

2.Diese ganze Stelle bezieht sich auf einen damaligen theatralischen Streit, durch gewisse Schauspiele veranlaßt, welche von den Chor-Knaben von des Königs Jacob I. Capelle aufgeführt wurden.
3.Man hat diese Redensart, welche auch im Französischen gewöhnlich ist, (est-ce que les Enfans l'emportent?) um der Antwort willen beybehalten müssen.
4.Ein Stich über den Beyfall den die Chor-Knaben bey dem König und dem Hofe fanden.
5.Ein damals gewöhnliches Sprüchwort. Eigentlich soll es heissen, einen Falken von einem Reyger-Nest; allein das gemeine Volk machte aus (Hern-shaw, (I know a hawk from a hern-shaw) hand-saw) eine Hand-Säge, vermuthlich, damit die Redensart possierlicher klinge, wie es vielen Sprüchwörtern zu gehen pflegt.
6.Dieses und was Hamlet dem Polonius antwortet, scheinen Bruchstüke aus alten Balladen zu seyn.