Kitabı oku: «Maaß für Maaß», sayfa 3
Achte Scene
Angelo (allein.) Von dir? Von deiner Tugend selbst? Was ist das? Was ist das? Ist es deine Schuld oder meine? Wer sündiget am meisten, der Versucher, oder der Versuchte? Nicht sie, denn sie denkt nur nicht daran mich versuchen zu wollen; ich bin es, der neben dem Veilchen in der Sonne ligend, gleich einem Aaß, nicht wie die Blume, von der holden Frühlings-Wärme faule. Ists möglich, daß die Sittsamkeit eines Weibes unsern Sinnen gefährlicher seyn soll, als ihre Schlüpfrigkeit? Sollen wir, da wir genug unnüzen Boden haben, einen Tempel niederreissen, um unsre Laster hinein zu steken? – O pfui, pfui, pfui! Was thust du, oder was bist du, Angelo? O laß ihren Bruder leben: Diebe haben Entschuldigung für ihre Räubereyen, wenn die Richter selbst stehlen. Wie? lieb ich sie, daß ich so begierig bin, sie wieder zu hören, und mich an ihren Augen zu weiden? Was war diß was ich träumte? O! listiger Teufel, der, um Heilige zu fangen, eine Heilige an deinen Angel stekst! Die gefährlichste Versuchung ist, die uns durch die Liebe zur Tugend zur Sünde reizt. Nimmermehr könnt ein feiles Weibsbild, mit aller ihrer verdoppelten Stärke, mit allen Reizungen der Natur und Kunst, meine Sinnen nur einen Augenblik aufrührisch machen; aber dieses tugendhafte Mädchen überwältiget mich ganz, mich, der bis auf diesen Augenblik, wenn ich von verliebten Mannsleuten hörte, lächelte, und nicht begreiffen konnte, wie sie es seyn könnten.
(Geht ab.)
Neunte Scene
(Verwandelt sich in ein Gefängniß.)
(Der Herzog in einem Mönchshabit, und der Kerkermeister, treten
auf.)
Herzog.
Gott grüsse euch, Kerkermeister; denn das seyd ihr, denke ich.
Kerkermeister.
Ich bin's; was ist euer Wille, mein guter Pater?
Herzog. Von Christlicher Liebe getrieben, und nach den Pflichten meines Ordens komm' ich, die betrübten Seelen in diesem Gefängniß zu besuchen; laßt mich sie sehen, damit ich die Natur ihrer Sünden erkundigen, und nach Befinden mein Amt bey ihnen verrichten könne.
Kerkermeister. Ich wollte noch mehr thun als das, wenn es nöthig wäre. (Juliette tritt auf.)
Kerkermeister. Seht, hier kommt eine von meinen Gefangnen, ein Fräulein, die in die Flammen ihrer eignen Jugend gefallen ist, und ihren guten Namen darinn versengt hat: Sie ist schwanger, und der Vater ihres Kinds ist zum Tode verurtheilt; ein junger Mann, der bereiter ist, noch eine solche Sünde zu begehen, als für diese zu sterben.
Herzog.
Wenn soll er sterben?
Kerkermeister.
Ich denke, morgen.
(Zu Juliette.)
Ich habe Vorsehung für euch gethan, bleibt eine Weile, und ihr sollt weggeführt werden.
Herzog.
Bereuet ihr, schönes Kind, die Sünde, die ihr begangen habt?
Juliette.
Ich bereue sie und trage die Schmach gedultig.
Herzog. Ich will euch lehren, wie ihr euer Gewissen prüfen könnt, um zu erfahren, ob eure Busse aufrichtig ist oder nicht.
Juliette.
Ich will es gerne lernen.
Herzog.
Liebt ihr den Mann, der euch zu Falle gebracht hat?
Juliette. Ja, so sehr als ich die Weibsperson liebe, die ihn zu Falle gebracht hat.
Herzog. Es scheint also, ihr habt aus beydseitigem Einverständniß gesündiget.
Juliette.
So ist es.
Herzog.
Also war eure Sünde von einer schwerern Art, als die Seinige.
Juliette.
Ich bekenn' und bereu' es, mein Vater.
Herzog. Es ist billig, meine Tochter; aber bereut ihr eure Sünde vielleicht nur darum, weil sie euch in diese Schmach gebracht hat, anstatt aus Betrübniß daß ihr den Himmel beleidiget habt? Eine gewöhnliche Art von Reue, wodurch wir beweisen, daß wir den Himmel nicht suchen weil wir ihn lieben, sondern nur wenn wir seine Strafen fürchten.
Juliette.
Es reut mich, in so fern es ein Uebel ist, und ich ertrage die Schmach mit Freuden.
Herzog. Bleibet bey dieser Gesinnung. Euer Mitschuldiger muß, wie ich höre, morgen sterben, und ich gehe izt zu ihm, ihn vorzubereiten. Also geb ich euch meinen Segen.
(Er geht ab.)
Zehnte Scene
(Der Palast.)
(Angelo tritt auf.)
Angelo. Wenn ich beten oder mit geistlichen Gedanken mich unterhalten will, so bete ich, und denke an verschiedne Gegenstände; aber der Himmel hat nur meine leeren Worte, indeß mein Gemüth, ohne meine Zunge zu hören, auf Isabellen ankert. Der Himmel ist auf meinen Lippen, und der mächtige und schwellende Vorsaz der Sünde in meinem Herzen. Der Staat, worinn ich studirte, ist mir wie ein gutes Buch, das man so oft gelesen hat, bis man es überdrüßig worden ist; ja, diese Ernsthaftigkeit, auf die ich (laß niemand es hören) stolz war, könnt ich mit Aufgabe gegen eine leichte Feder vertauschen, die der Wind hin und her treibt. O! Plaz, o äusserliches Ansehen! Wie oft erzwingst du Ehrfurcht von den Thoren, und hintergehest selbst die weisern Seelen durch deine betrügliche Gestalt! Wir brauchen nur (guter Engel) auf des Teufels Horn zu schreiben, so ists nicht mehr des Teufels Horn – (Ein Bedienter kommt herein.) Was giebts, wer ist da?
Bedienter. Eine gewisse Isabella, eine Nonne, verlangt vor Euer Gnaden gelassen zu werden.
Angelo. Führe sie herein – O Himmel! wie treibt mein Blut zu meinem Herzen, und entsezt auf einmal alle meine andern Theile ihrer nöthigen Stärke – So spielt der alberne Hauffe mit einem der in Ohnmacht sinkt; alle lauffen ihm zu Hülfe, und verstopfen dadurch die Luft, durch die er wieder aufleben könnte: Und so verlassen die Unterthanen, einen geliebten König zu sehen, ihre eignen Geschäfte, und drängen sich in dienstfertiger Zärtlichkeit zu seiner Gegenwart, wo ihre unbescheidene Liebe einer Beleidigung gleich sehen muß – (Isabella kommt herein.) Wie geht es, schönes Mädchen?
Eilfte Scene
Isabella.
Ich komme zu hören, was Euer Gnaden beliebt —
Angelo. Daß ihr es wissen möchtet, würde mir besser belieben, als daß ihr darnach fragt. Euer Bruder kan nicht bey Leben bleiben.
Isabella.
Ist es dieses? – Der Himmel erhalte Eu. Gnaden.
(Sie will gehen.)
Angelo. Und doch möcht' er noch eine Zeitlang leben, und das möchte seyn, so lang als ihr oder ich; aber er muß sterben.
Isabella.
Durch euer Urtheil?
Angelo.
Ja.
Isabella. Wenn, ich bitte euch? Laßt ihm wenigstens so viel Zeit als er nöthig hat, damit seine Seele geheilt werden könne.
Angelo. Ha? Pfui dieser garstigen Laster! Es wäre eben so gut denjenigen zu begnadigen, der einen schon gemachten Menschen aus der Natur weggestohlen hätte, als solchen Leuten, die das Bild des Himmels auf verbotne Stempel graben, ihre unverschämte Ueppigkeit zu verzeihen.
Isabella.
So wird im Himmel geurtheilt, aber nicht auf Erden.
Angelo.
Sagt ihr das? Nun will ich euch bald zum Stillschweigen bringen.
Was wolltet ihr lieber, daß das gerechteste Gesez euerm Bruder das Leben nehme; oder daß ihr, um ihn zu retten, euern Leib eben so behandeln lassen müßtet, wie diejenige, die er beflekt hat?
Isabella. Gnädiger Herr, glaubt mir das, ich wollte lieber meinen Leib preiß geben als meine Seele.
Angelo. Ich rede nicht von eurer Seele; Sünden, wozu wir genöthiget werden, stehen nicht auf unsrer Rechnung.
Isabella.
Wie sagt ihr?
Angelo. Ich will nicht davor gut stehen; denn ich kan vieles gegen das was ich gesagt habe, einwenden. Antwortet mir nur auf das: Ich, durch dessen Mund nur das Gesez redet, spreche das Todes-Urtheil wider euern Bruder aus: Wäre nicht Barmherzigkeit in einer Sünde, die ihr nur darum begienget, um euers Bruders Leben zu retten?
Isabella.
Schenket ihm das Leben, ich will es auf die Gefahr meiner Seele nehmen, dann ist gar keine Sünde darinn, sondern blosse Barmherzigkeit.
Angelo. Hört mich nur, ihr versteht mich nicht; entweder seyd ihr unwissend, oder stellt euch so, und das ist nicht gut.
Isabella.
Laßt mich unwissend seyn, und in nichts gut, als in der demüthigen Erkenntniß, daß ich nicht besser bin.
Angelo. So wünscht die Weisheit nur desto glänzender zu scheinen, wenn sie sich selbst tadelt; wie diese schwarze Tücher die eingehüllte Schönheit zehnmal lauter ankündigen als die enthüllte Schönheit selbst thun könnte. Aber höret mich, um besser verstanden zu werden, will ich deutlicher reden; euer Bruder muß sterben.
Isabella.
So.
Angelo. Und wegen eines Verbrechens, worauf das Gesez diese Strafe gelegt hat.
Isabella.
Es ist wahr.
Angelo. Gesezt, es wäre kein ander Mittel ihm das Leben zu retten (ich sage nicht, daß ich es gelten lassen würde, sondern nur um den Fall zu sezen) als daß ihr, seine Schwester, wofern jemand euer begehrte, den sein eigner Plaz oder sein Ansehen bey dem Richter in den Stand sezte, euern Bruder aus den Fesseln des Gesezes zu befreyen, und daß kein andres Mittel ihn zu retten wäre, als ihr müßtet entweder diesem vorausgesezten den Genuß eurer Schönheit überlassen, oder euern Bruder leiden sehen, was würdet ihr thun?4
Isabella.
Soviel für meinen armen Bruder, als für mich selbst; das ist, wär ich zum Tode verurtheilt, so wollt ich die Striemen scharfer Geisseln wie Rubinen tragen, und mich auf die Marterbank mit der Sehnsucht eines Kranken wie auf ein Ruhbette werfen, eh ich meinen Leib der Schande preiß geben wollte.
Angelo.
So müßte euer Bruder sterben.
Isabella.
Besser, daß ein Bruder einen einzigen Augenblik sterbe, als daß die Schwester, um ihn zu retten, ewig sterbe.
Angelo. Wäret ihr in diesem Falle nicht eben so grausam als das Urtheil, das ihr so genennt habt?
Isabella. So wie eine schändliche Ranzion, und eine freye Begnadigung von zweyerley Häusern sind; so ist auch ganz gewiß nicht die mindeste Verwandtschaft zwischen einer gesezmäßigen Barmherzigkeit, und einer lasterhaften Erlösung.
Angelo.
Ihr schienet lezthin das Gesez für einen Tyrannen, und den Fehltritt euers Bruders eher für eine Kurzweil als für ein Verbrechen anzusehen.
Isabella. Verzeihet mir Gnädiger Herr; um zu erhalten was wir suchen, sind wir oft genöthiget nicht zu sagen, was wir denken. Aus Liebe zu einem unglüklichen Bruder wünschte ich die That entschuldigen zu können, die ich verabscheue.
Angelo.
Wir sind alle gebrechlich.
Isabella.
Wär' es nicht so, so möchte mein Bruder immerhin sterben.
Angelo.
Die Weiber sind auch gebrechlich.
Isabella. Ja, wie die Spiegel, worinn sie sich beschauen; die Weiber! Der Himmel stehe ihnen bey! Die Männer verderben ihre angebohrne Unschuld zum Vortheil ihrer Leidenschaften; ja, nennet uns zehenmal gebrechlich, denn wir sind sanft wie unsre Bildung, und weich genug jeden fremden Eindruk anzunehmen.
Angelo. So denke ich auch; und durch das Zeugniß euers eignen Geschlechts laßt mich kühner werden. Ich halte euch bey euern Worten. Seyd was ihr seyd, ein Weib; wenn ihr mehr seyd, seyd ihr keines. Seyd ihr's, wie diese Gestalt auf eine so reizende Art es bezeuget, so zeiget es izt, indem ihr diese geweyhte Liverey ableget.
Isabella. Ich habe nur eine Zunge; ich bitte Euer Gnaden, deutlich zu sprechen.
Angelo.
Ich liebe euch.
Isabella. Mein Bruder liebte die Juliette, und ihr sagt mir, daß er dafür sterben müsse.
Angelo.
Er soll nicht sterben, wenn ihr meine Liebe begünstiget.
Isabella. Ich weiß daß eure Tugend die Freyheit hat, ein wenig schlimmer zu scheinen als sie ist, um andre auf die Probe zu sezen.
Angelo.
Glaubt mir, auf meine Ehre, meine Worte erklären meine Absicht.
Isabella. Ha! was für eine Ehre? und was für eine Absicht? O! Schein! Schein! Ich will dich ausruffen, Angelo; siehe zu! Unterzeichne mir diesen Augenblik die Begnadigung meines Bruders, oder ich will so laut als ich schreyen kan, der Welt sagen, was für ein Mann du bist.
Angelo. Wer wird dir glauben, Isabella? Mein unbeflekter Name, mein strenges Leben, mein Ansehen im Staat, mein blosses Zeugniß wider dich, werden deine Anklage so sehr überwiegen, daß du in deiner eignen Aussage erstiken und nach Verläumdung stinken wirst. Der erste Schritt ist gethan, und nun will ich meinem sinnlichen Theil den Zügel lassen. Bereite dich meiner erhizten Begierde nachzugeben, lege alle Sprödigkeit, alle diese verzögernden Erröthungen ab, die das verbannen warum sie bitten; erlöse deinen Bruder, indem du deinen Leib meinem Willen überlassest; oder er muß nicht nur den Tod sterben, sondern deine Sprödigkeit soll seinen Tod durch langsame Martern verlängern. Bringe mir morgen die Antwort, oder, bey der Leidenschaft, die mich izt beherrschst, ich will ein Tyrann gegen ihn werden. Was euch betrift, sagt was ihr könnt; meine Lügen überwiegen eure Wahrheiten.
(Er geht ab.)
Isabella. Gegen wen soll ich mich beklagen? Würd' ich diß erzählen, wer würde mir glauben? Ich will zu meinem Bruder gehen. Ob er gleich durch Antrieb des wallenden Blutes gefallen ist, so hat er doch so viel Empfindung von Ehre, daß wenn er auch zwanzig Häupter auf zwanzig Blöke hinzustreken hätte, er eher sie alle hingeben würde, eh seine Schwester ihren Leib zu einer so schändlichen Beflekung mißbrauchen lassen sollte. Leb' also keusch, Isabella, und stirb du, Bruder; unsre Keuschheit ist mehr als unser Bruder; inzwischen will ich ihm das Zumuthen dieses Angelo kund machen, und ihn sterben lehren, damit seine Seele leben möge.
Dritter Aufzug
Erste Scene
(Das Gefängniß.)
(Der Herzog, Claudio und Kerkermeister treten auf.)
Herzog.
Ihr hofft also Begnadigung von dem Stadthalter Angelo?
Claudio. Die Unglüklichen haben keine andre Arzney als Hoffnung: Ich hoffe zu leben, und bin bereitet zum Sterben.
Herzog. Stellt euch als gewiß vor, daß ihr sterben müßt; Tod oder Leben wird euch dadurch nur desto süsser werden. Redet so mit dem Leben: Verliehr ich dich, so verliehr ich ein Ding, das nur von Thoren hochgeachtet wird; was bist du als ein Hauch, allen Einflüssen der Elemente unterwürffig, welche diese Wohnung, worinn du dich aufhältst, stündlich beunruhigen; du bist nichts anders als des Todes Narr,5 du arbeitest, ihm durch deine Flucht zu entgehn, und rennst ihm immer entgegen; du bist nicht edel, denn du nährst dich von den verächtlichsten Dingen; du bist nicht dapfer, denn du fürchtest die kleine und schwache Zange eines armen Wurms; dein bester Theil ist der Schlaf, du liebest ihn, und fürchtest doch den Tod, der nichts mehr ist. Du bist nichts Selbstbeständiges, denn du bestehst durch viele tausend Körner, die aus einem Staub hervorkeimen; glüklich bist du nicht, denn immer bestrebst du dich, was du nicht hast zu gewinnen, und zu vergessen was du hast; du bist nicht gewiß, denn dein Zustand wechselt, wie der Mond; wenn du reich bist, bist du doch arm, denn du trägst gleich einem mit Silberstangen beladnen Esel deinen schweren Reichthum nur eine Tagreise, und der Tod ladet dich ab; Freunde hast du keine, denn deine eigene Eingeweide, die dich Vater nennen, fluchen dem Podagra, der Gicht und dem Aussaz, daß sie dir nicht bälder ein Ende machen. Du hast weder Jugend noch Alter; beydes ist nur ein Traum in einem nachmittäglichen Schlaf; denn kaum ist das Feuer deiner Jugend verrochen, so steht sie ab, und bettelt Almosen von dem gichtbrüchigen Alter; und wenn du alt und reich bist, so hast du weder Güte, noch Hize, Trieb und Glieder, deines Reichthums froh zu werden. Was ist denn in diesem allem, das den Namen des Lebens trägt? Und doch ligen in diesem Leben zehentausend Tode verborgen; und wir fürchten den Tod, der alle diese seltsamen Dinge eben macht?
Claudio. Ich danke euch; nun find ich, daß ich, wenn ich zu leben wünsche, zu sterben suche; und wenn ich den Tod suche, das Leben finde: Laß es kommen. (Isabella zu den Vorigen.)
Isabella.
Wie? Friede sey mit dieser guten Gesellschaft.
Kerkermeister.
Wer ist da? herein – der Wunsch verdient einen Willkomm.
Herzog.
Mein lieber Herr, ich werde euch in kurzem wieder besuchen.
Claudio.
Ich danke euch, heiliger Vater.
Isabella.
Mein Geschäfte besteht in einem oder zwey Worten mit Claudio.
Kerkermeister.
Von Herzen willkommen. Sehet, mein Herr, hier ist eure Schwester.
Herzog.
Kerkermeister, ein Wort mit euch.
Kerkermeister.
Soviele als euch beliebt.
Herzog (leise.) Bringet mich an einen Ort, wo ich sie hören kan, ohne daß sie mich sehen.
(Herzog und Kerkermeister gehen ab.)
Zweyte Scene
Claudio.
Nun, Schwester, was für einen Trost bringt ihr?
Isabella.
Wie sie alle zu seyn pflegen; einen sehr guten in der That; der Freyherr Angelo, welcher Geschäfte im Himmel hat, ist entschlossen euch zu seinem Abgesandten dahin zu machen; macht euch also ohne Verzug reisefertig, morgen sollt ihr übersezen.
Claudio.
Ist denn kein Mittel?
Isabella. Keines als solch ein Mittel, das, um einen Kopf zu retten, ein Herz entzwey brechen würde.
Claudio.
Aber ist denn eines?
Isabella. Ja, Bruder, ihr könnt bey Leben bleiben; es ist ein Mittel – Aber eines, daß wenn ihr fähig wäret es zu billigen, eure Ehre sich von diesem Rumpf, den ihr tragt, abstreifen, und euch nakend lassen würde.
Claudio.
Und was ist es denn?
Isabella. O, ich fürchte dich, Claudio, ich fürchte du möchtest, um ein fieberhaftes Leben zu verlängern, sechs oder sieben Winter theurer schäzen als eine immerwährende Ehre – Hast du den Muth zu sterben? Die Empfindung des Todes ist das fürchterlichste an ihm; der arme Käfer, auf den wir treten, leidet so viel als ein sterbender Riese.
Claudio. Warum denkst du so schmählich von mir? Haltst du mich für so schwach, daß ich keiner männlichen Entschliessung fähig seyn sollte? Wenn ich sterben muß, so will ich der Finsterniß wie einer Braut entgegen gehn, und sie in meine Arme drüken.
Isabella. Izt sprach mein Bruder, und eine Stimme stieg aus meines Vaters Grab empor. Ja, du mußt sterben; du bist zu edel, ein Leben durch niederträchtige Gefälligkeiten zu erkauffen. Dieser, mit Heiligkeit übertünchte Stadthalter, dessen gesezte Mine und wohlbedächtliche Rede der Jugend die Klauen in den Kopf schlägt, und ihre Thorheiten berupft, wie der Falke die Eule, ist doch nur ein Teufel, dessen Herz einen Abgrund von Unrath, so tief als die Hölle, in sich hat.
Claudio.
Der priesterliche Angelo?
Isabella.
O das ist die betrügerische Liverey der Hölle, den verdammtesten Körper in priesterliches Gewand einzuhüllen. Kanst du glauben, Claudio, daß wenn ich ihm meine Jungfrauschaft überlassen wollte, du frey werden könntest?
Claudio.
O Himmel! das kan nicht seyn.
Isabella. So ist es; diese Nacht ist die Zeit, da ich thun soll, was ich zu nennen verabscheue, oder morgen stirbst du.
Claudio.
Du sollst es nicht thun.
Isabella. O! wär' es nur mein Leben, ich wollt es für deine Befreyung so willig hinwerfen, als eine Steknadel.
Claudio.
Ich danke dir, meine theurste Isabella.
Isabella.
Bereite dich also morgen zu sterben, Claudio.
Claudio. Ja. So hat er auch solche Begierden, die das Gesez in die Nase beissen, wenn er es übertreten will – Gewißlich, es ist keine Sünde, oder es ist doch wenigstens von den sieben Todsünden die lezte.
Isabella.
Was ist die lezte?
Claudio. Wenn es so verdammlich wäre, würde er, der ein so weiser Mann ist, um die Lust eines Augenbliks ewig verdammt seyn wollen? O Isabella —
Isabella.
Was sagt mein Bruder?
Claudio.
Tod ist ein fürchterliches Ding.
Isabella.
Und ein schändliches Leben ein hassenswürdiges.
Claudio. Ja, aber sterben, und gehn wo man nicht weiß wohin; in kalter Erstarrung da ligen und verfaulen; diese warme gefühlvolle Bewegung zum starren Kloz werden, indeß daß der wollustgewohnte Geist sich in feurigen Fluthen badet, oder in Gegenden von aufgehäuftem Eyß erstarret, oder in unsichtbare Winde eingekerkert mit rastloser Gewalt rund um die schwebende Welt getrieben wird; oder noch unseliger ist als das unseligste, was zügellose und schwärmende Gedanken heulend sich vorbilden – Das ist entsezlich! Das armseligste Leben, mit allem Ungemach belastet, was Alter, Krankheit, Dürftigkeit und Gefangenschaft der Natur auflegen können, ist ein Paradies gegen das, was wir auf den Tod fürchten.
Isabella.
O weh!
Claudio. Liebste Schwester, laß mich leben. Wenn das Sünde seyn kan, wodurch du deines Bruders Leben erkaufst, so spricht die Natur so nachdrüklich für eine solche That, daß sie zur Tugend wird.
Isabella. O! du Thier! O! du ehrlose Memme! O! du schändlicher Elender! Willt du durch mein Verbrechen zum Menschen gemacht werden? Ist es nicht eine Art von Blutschande, dein Leben von deiner eignen Schwester Schaam zu empfangen? Was muß ich denken? Möge der Himmel verhütet haben, daß meine Mutter meinem Vater untreu gewesen; ein so niederträchtiges Unkraut konnte nicht aus seinem Blut entstehen. Stirb, vergeh Elender! Könnt ich dich durch einen blassen Kniefall vom Tod erretten, ich wollt es nicht thun. Ich will tausend Gebette für deinen Tod sprechen, und nicht ein Wort, dich zu retten.
Claudio.
Nein, höre mich, Isabella.
Isabella. O Pfui, Pfui, Pfui, deine Sünde, izt seh ichs, ist kein Fall, sondern ein Handwerk; Gnade gegen dich würde selbst zur Kupplerin werden; das beste ist, du sterbest ungesäumt.
Claudio.
O höre mich, Isabella.