Kitabı oku: «Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor - eBook», sayfa 2

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Auch die Bauern bedienten sich dieser Methode: Mit Schlägen der Brennnesselrute trieben sie störrische Rinder und alte Hengste zur Paarung. Und was beim Vieh wirkt, wirkt auch beim Menschen. Jene, deren Manneskraft abhanden gekommen war, ließen sich ebenfalls mit Nesselruten traktieren.

MARS IN SEINER PFLANZLICHEN VERKÖRPERUNG

Der schwedische Naturforscher Carl von Linné, genannt Linnaeus (1707–1778), war ein echter Sohn der Aufklärung und ein Verfechter des modernen rationalen Weltbildes. Er machte es sich zum Lebenswerk, die Pflanzen und Tiere nach ganz natürlichen Kriterien zu ordnen. Die Pflanzen klassifizierte er nach der Anatomie ihrer Sexualorgane: den Blüten. Er zählte die Stempel und Staubblüten, die Blütenblätter und Kelchblätter und verzeichnete die jeweilige Anordnung. Auf dieser Grundlage sortierte er die Gewächse säuberlich in Gattungen und Arten. Ein System, das bis heute seine Gültigkeit bewahrt hat.

Die Alchimisten, Ärzte und Apotheker der Zeit vor der Aufklärung hatten dagegen ein ganz anderes System der Klassifizierung. Sie erlebten die Pflanzen als Lebewesen, die ganz den Rhythmen und Einflüssen des Kosmos ausgesetzt sind und dessen Gesetzmäßigkeiten widerspiegeln. Sie ordneten also die Pflanzen in Bezug auf die zwölf Tierkreisregionen und vor allem nach ihrer Planetenzugehörigkeit. Die Planeten drücken den jeweiligen Pflanzenarten ihr unverwechselbares Siegel auf. Diese Siegel oder Signaturen gilt es zu erkennen.

Unter Planeten verstanden die mittelalterlichen Weisen alle »wandelnden Sterne«, welche im Gegensatz zu den Fixsternen ihre Position am Himmel verändern. Sieben solche Wandelsterne konnten sie ausmachen: die erdnahen Planeten wie Mond, Merkur und Venus und die erdfernen wie Mars, Jupiter und Saturn. Die Sonne galt dabei als das Herz des Systems, als der mittlere Planet (STORL 1994:167).

Im Gegensatz zu unseren Astrophysikern stellten sich die alten Astronomen die Planeten weniger als stofflich-materielle Körper in orbitaler Bewegung vor, sondern als ineinander fließende, schöpferische Energien. Man war überzeugt, das ganze Dasein sei aus den sieben planetarischen Wirkkräften gewoben, und der Botaniker, der sich auskannte, konnte an der jeweiligen Pflanze recht gut ablesen, welche dieser Kräfte in ihr wirksam sind. Zwar sind alle sieben Kräfte an der Entwicklung einer jeden Pflanze beteiligt, aber je nach Art dominiert einmal der eine und ein andermal der andere Planet. Der pflanzenkundige Apotheker konnte also durchaus von saftigen Mondgewächsen, schnell wachsenden Merkurpflanzen, lieblichen Venuspflanzen, süßen, ölhaltigen, safrangelb blühenden Jupitergewächsen oder trockenen, dunklen Saturngewächsen sprechen.

Bei der Brennnessel – da herrscht unter den alten Botanikern kein Zweifel – handelt es sich eindeutig um eine Marspflanze. In ihren positiven wie in ihren negativen Eigenschaften gibt sie die Signatur des heißen, feurigen Planeten zu erkennen. Wir sollten uns diesen Planetengott etwas näher anschauen.

Mars ist der archetypische Krieger, der Eroberer. Bewaffnet tritt er auf. In allen stacheligen, spitzen, stechenden, scharf brennenden Pflanzen erkennen wir seine Signatur. Seine Pflanzenkinder sind keine wässrig aufgedunsenen, weichen Gewächse, wie sie etwa der Mond hervorbringt, und auch keine schleimigen, schlangenähnlichen Schlingpflanzen, wie sie dem Merkur angehören, sondern Gewächse mit streng geordneter Physiognomie – eben wie die Brennnessel. Mit ihrem kerzengeraden vierkantigen Stängel und den geordneten, gegenständigen Blattpaaren, die sich rhythmisch von Knoten zu Knoten dem Blütenpol zu bewegen, mit ihren spitzen Brennhaaren ist sie ganz die Erscheinung eines Kriegers oder Soldaten, der in strenger Selbstzucht verharrt.

Auch die Blüten haben nichts Verschwenderisches, nichts Prahlerisches an sich. Sie haben weder Farbe noch Nektar noch einen besonderen Duft. Sie kleiden sich, wenn man so will, in ein schlichtes Feldgrau. Und dennoch hat die Brennnessel bezaubernde Farben. Nur hat sie diese auf Armeslänge von sich geschoben – sie wird umflattert von den schönsten bunten Schmetterlingen, von dem rötlichen Kleinen Fuchs, von dem Landkärtchen, dem Tagpfauenauge und dem prachtvollen Admiral. Die Raupen dieser Falter ernähren sich mit Vorliebe von den Blättern der Nessel.

Zu der Signatur des Mars gehört die feurige Hitze. Die galenischen Humoralpathologen der Antike und des Mittelalters erkannten in der Brennnessel, dieser typischen Marspflanze, ein heißes, trockenes »Temperament« des dritten Grades. Das ist sehr heiß. Entsprechend verordnete man sie, wenn es galt, etwas zu erwärmen oder auszutrocknen, etwa bei Milzverhärtung, Steinleiden, kalten Geschwüren, Asthma, Brustfellentzündung oder Lungenentzündung. Aber auch bei verschiedenen hitzigen Erkrankungen und Fiebern fand sie Anwendung nach dem (homöopathischen) Prinzip, man solle Gleiches mit Gleichem heilen. Schon Plinius, der römische Schriftsteller, der das Naturwissen der Antike zusammentrug, schrieb, dass die Wurzel der Herbstnessel, dem Kranken aufgebunden, das drei- oder viertägige Fieber heile. Man müsse aber beim Ausgraben der Pflanze den Namen des Kranken nennen und ihr sagen, wessen Sohn dieser sei.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass man in ländlichen Gebieten versuchte, sämtliche Fieber auf dieses feurige Kraut zu übertragen. Auch wurde die Pflanze dabei rituell angesprochen. So sollte der Fiebernde drei Tage hintereinander, vor Sonnenaufgang und abends nach Sonnenuntergang, zum Nesselhorst gehen und sagen:

»Guten Morgen (bzw. Guten Abend) liebe Alte!

Ich bringe die Heiße und Kalte.

Mir soll es vergehen.

Du sollst es bekommen!«

Oder der Fiebernde bestreute die Pflanze mit Salz und sprach:

»Ich streue den Samen durch Christi Blut.

Es ist für 77erlei Fieber gut!«

Als Medizin gegen »Hitze und Brand« bei Mensch und Vieh grub man zu Mariä Himmelfahrt Brennnesselwurzeln aus, die unter einer Dachtraufe wuchsen, trocknete sie und verrieb sie mit Schneckenschalen und einem Schädelstück zu Pulver. Zum Einreiben gefrorener Glieder hingegen wurden Brennnesseln vor Sonnenaufgang gepflückt und in Öl gesotten. Derartige Rezepte könnten beliebig aufgezählt werden. Der kritische Zeitgenosse mag da die Nase rümpfen und ungläubig den Kopf schütteln – dennoch, in den Zauberrezepten der alten Volksmedizin liegt sicherlich ein Quäntchen Wahrheit. Beim genaueren Hinsehen entpuppt sich der Aberglaube als überaus wirksam, wenn er von einer gesellschaftlich getragenen Erwartungshaltung begleitet wird.

POTENZ UND FEURIGE LIEBE

Die traditionellen Kräuterkundigen lehrten, dass jeder Planet am Pflanzenwachstum beteiligt ist: der Mond am Keimen und am Wurzelwachstum, Merkur am Aufschießen der jungen Triebe und Sprossen, Venus an der Entwicklung des grünen Laubs, der Blüten- und Fruchtblätter. Mars ist als Verkörperung der männlichen Sexualität in den Staubblättern und im befruchtenden Blütenstaub vorhanden. Wenn Mars und Venus sich als Ovum und Pollenkorn vereinen, kommt Jupiter zum Zuge. Er lässt die Frucht anschwellen und ausreifen. Zuallerletzt kommt Saturn daher. Er bedeutet den Tod der Pflanze, zugleich aber trägt er als kosmischer Sämann die Saat durch den Winter in die kommende Jahreszeit, wenn die Vegetation erneut ergrünt.

Nach dieser Anschauung müsste die Brennnessel als Marspflanze besonders potent sein und besonders viel Blütenstaub erzeugen. Diese Vermutung trifft durchaus zu. Die Große Brennnessel ist, wie ihr lateinischer Artname dioica andeutet, zweihäusig: das heißt, die Staubblüten und die Fruchtknoten befinden sich in »zwei verschiedenen Häusern«, also auf getrennten »männlichen« und »weiblichen« Pflanzen. Zur Befruchtung muss der Wind den Pollenstaub auf die begattungsbereiten Narben tragen. Weht aber kein Wind, was kümmert’s diese Marspflanze! Die Spannung in den männlichen Blütenhüllen ist dermaßen stark, dass die Staubbeutel bei der ersten Berührung der morgendlichen Sonnenstrahlen nach außen schnellen und explosionsartig eine kleine Wolke Blütenstaub in die Luft schleudern. Wenn man sich die Zeit nimmt, kann man diesen Vorgang gut beobachten.

Früher, ehe es eine wissenschaftliche Botanik gab, wusste man noch nicht, dass diese Pflanze zweihäusig ist. Aber an ihrem erotischen Drang bestand kein Zweifel. Sie braucht ein weibliches Gegenüber. So meinte man, die Nessel nehme sich die sanfte weißblütige Taubnessel (Lamium album) zur Frau. Und genau so, wie man die Taubnessel als Venusgewächs bei weiblichen Unterleibsstörungen (Weißfluss, Menstruationsstörungen, Blasenentzündung) einsetzte, wurde ihr Buhle, die Marspflanze, bei Potenzstörungen des Mannes empfohlen. Überhaupt galt die Brennnessel als sicheres Liebes- und Lenzmittel. Darauf deutet auch die auf keltischer Überlieferung basierende Blumensprache der Minnesänger hin: »Wer heiß brennende Liebe in seinem Herzen fühlt, soll die sengenden Nesseln tragen.«

Mit der Pflanze konnte man dem oder der so innig Begehrten eine unausweichliche, »heiße, brennende Liebe« anzaubern. Dazu musste man an einem Freitag, dem Tag der Liebesgöttin Venus, vor Sonnenaufgang heimlich auf eine Nesselstaude urinieren, den Namen des oder der Begehrten aufsagen und die Pflanze mit Salz besprengen. Nach Sonnenuntergang desselben Tages grub man die Nessel aus, legte sie in die Glut und beschwor drei Dämonen:

»Öl, Ammel und Ingrimm,

So wie die Nessel hier brennt,

So brenne auch sein (ihr) Herz nach mir!«


Wenn wir annehmen, dass Gedanken und Wünsche eine Art von Energie darstellen und dass es so etwas wie Telepathie gibt, dann hat man mittels dieses Rituals gewiss eine Wirkung erzielt. Der davon Betroffene, der vermutet, auf diese Art und Weise verzaubert worden zu sein, vermag sich dennoch zu wehren: Wenn er etwas Johanniskraut oder eine Wegerichwurzel bei sich trägt, wird man ihm nichts anhaben können.

Die Brunst des Mars ist also nicht nur eine physische, mit dem Thermometer messbare Hitze, sondern ebenso die Hitze des Kampfes, der Begeisterung und der sinnlichen Leidenschaft. Die kühle Venus hat den Hitzkopf zu ihrem Liebhaber auserkoren, er ist ihr Eroberer. Mars verkörpert immer das eindringende, begattende Prinzip, die holde Göttin immer das empfangende Prinzip.

Liebesfeuer und Manneskraft lassen sich tatsächlich mit Brennnesselsamen anfachen. In mittelalterlichen Klöstern, wo es unter den Bettstellen nur so von Buhlteufeln wimmelte, unterlagen Brennnesselsamen einem strikten Verbot. Schon die Ärzte der Antike hatten verkündet, dass der Brennnesselsamen feurig in der Liebe mache und die Wehen der Geburt lindere. Dioskorides, der griechische Feldarzt im Dienst der römischen Kaiser Claudius und Nero, bemerkt, dass »Nesselsamen, in Wein getrunken, macht ein Begierd zu Unkeuschheit und öffnet die verstopfte Gebärmutter«. Otto Brunfels (1489–1534), einer der »Väter der Botanik«, fügt hinzu: »Der Same in süßem Wein getrunken reyzet zur Unkeuschheit und thut auf die Macht (Scheide). Ettliche andere, wenn sie wöllen eheliche Werk treiben, essen sie den Samen mit Zwiebeln und Eidottern und Pfeffer.« In abgelegenen Winkeln des Schwabenlandes gibt es noch heute Kräuterfrauen, die den Samen der »Nessele« als fruchtbarkeitsfördernd ansehen. Sie sammeln die Samen im Feuermonat August, wenn sich der Mond in einem Feuerzeichen (Schütze, Widder, Löwe) befindet. Im Emmental sammelt man im Augustmond Nesselsamen gegen Wassersucht.

Tatsächlich bewirken die Samen eine deutlich spürbare Kräftigung der Konstitution. Man kann sie im Herbst sammeln, trocknen und bis zur nächsten Ernte im Glas aufbewahren. Brennnesselsamen sind eine Schatztruhe wertvollster konzentrierter Mineralien, Vitamine und Phytohormone. Sie regen die Körperfunktionen an, helfen bei chronischer Müdigkeit und Leistungsschwäche und fördern bei stillenden Müttern die Milchbildung. Als immunstärkendes Mittel sind die Brennnesselsamen wahrscheinlich dem teuren, aus Korea importierten Ginseng ebenbürtig. Mit den Samen kann man nach Belieben Suppen würzen oder zur Stärkung einen Teelöffel pro Tag kauen. Die winzigen Nüsschen schmecken gut und werden beim Kauen recht schleimig, wie es sich für Träger von Lebenskraft gehört.

BLUT, EISEN UND BLATTGRÜN

Bestimmte Pflanzengattungen und -familien spezialisieren sich auf ganz bestimmte Stoffe. Schmetterlingsblütler zum Beispiel saugen sich mit Hilfe kleiner Wurzelbakterien mit Stickstoff voll. Gänseblümchen, die gewöhnlich auf kalkarmen Wiesen wachsen, sammeln Kalk. Der Stechapfel ist auf Phosphor spezialisiert. Und der Schachtelhalm ist dermaßen auf Kiesel (Silizium) versessen, dass man einst mit seinen harten, kieseligen Stängeln die Zinnbehälter polierte. Jeder Pflanzengattung kommt im Haushalt der Natur eine besondere Aufgabe zu. Auch der Brennnessel. Sie hat als zünftige Marspflanze ein besonderes Verhältnis zum Eisen, dem Metall des roten Planeten. Nesselkolonien besetzen mit Vorliebe Böden, auf denen Schrott und alte Maschinen dahinrosten. Gierig saugen die Nesseln das Metall auf und regulieren auf diese Art und Weise den Eisenstoffwechsel des Bodens.

Brennnesseln enthalten viel Eisen, bis zu sechs Prozent des Aschengehalts. Das Eisen der Brennnessel ist von großer biologischer Verfügbarkeit, es kann leicht von unserem Organismus aufgenommen werden. Wir alle brauchen Eisen. Als Baustein der roten Blutkörperchen hilft es, den Sauerstoff, der für jede einzelne Zelle lebensnotwendig ist, zu transportieren und zu speichern. Gelegentlich kann es vorkommen, dass Menschen nicht genug von diesem Marselement in sich haben. Sie sind dann blass, lustlos, träge und schlapp: Sie leiden an »Blutarmut«. Besonders Schwangere sind davon betroffen. Werdende Mütter – so der Bergbauer Arthur Hermes, der Mystiker aus dem waadtländischen Jura – wären gut beraten, jeweils morgens, mittags und abends einen Esslöffel frischen Brennnesselsaft einzunehmen.

Auch willensschwachen Menschen, jenen, denen es schwer fällt, ihren irdischen Leib voll in Besitz zu nehmen, gibt Arthur Hermes diesen Rat. »Eisen macht wach«, sagt der passionierte Brennnesselteetrinker, »es zieht unser höheres Ich in unseren Körper hinein und lässt uns als geistige Wesen voll inkarnieren. Das ist bei uns Menschen der Fall ebenso wie bei unserer Mutter Erde, der Gaia. Ein Eisenkorn gliedert ihren Leib in zwei magnetische Pole und durchzieht ihn mit jenen Kraftlinien, die der Kompass registrieren kann. Vergleichsweise vermittelt uns das Eisen im Blut einen Bezug zu den Gesetzen des materiellen Raums und ermöglicht unsere irdische, karmische Betätigung. Ohne Eisen könnte das spirituelle Selbst gar nicht innerhalb materieller Dimensionen agieren. Ohne Eisen kann sich dieses Selbst gar keinen Körper als irdisches Fahrzeug aufbauen, also brauchen Schwangere viel davon.«

Fleißige Chemiker haben die molekulare Struktur des Hämoglobins, des roten Blutfarbstoffes, genau untersucht. Das Molekül besteht aus einem ringförmigen Porphyrgerüst, in dessen Mitte sich ein Eisenmolekül befindet. Nun ist es äußerst interessant, dass das Chlorophyllmolekül (das Blattgrün), welches die Sonnenenergie auffängt und allen Lebewesen das Leben ermöglicht, genau dieselbe molekulare Struktur besitzt wie das Hämoglobin! Das Blattgrün ist praktisch ein Spiegelbild des roten Blutfarbstoffes. Es stellt dem Rot die Komplementärfarbe Grün entgegen. Es sondert den Sauerstoff ab, den das Hämoglobin aufnimmt; es atmet den Kohlenstoff ein, den das Hämoglobin absondert.

Was nun den Unterschied zwischen diesen Zwillingen ausmacht, ist, dass das Chlorophyllmolekül in der Mitte des Porphyrringes anstatt eines Eisenatoms ein Magnesiumatom aufweist. Dennoch braucht jede Pflanze Eisen, um nicht bleichsüchtige, weißliche Blätter zu bekommen, ebenso wie jeder tierische Organismus Magnesium braucht. Hätte die Pflanze aber Eisen inmitten des Chlorophyllmoleküls, dann hätte sie keinen grünen Saft, sondern rotes animalisches Blut; dann würde sie aus ihrem vegetativen Schlaf erwachen; dann wäre auch sie eine Art Mikrokosmos. Aber die Pflanze ist dazu bestimmt, ein makrokosmisches Wesen zu bleiben ohne seelisches und geistiges Innenleben, wie es bei Organismen mit rotem Blut der Fall ist. Sie braucht keine inneren Organe, kein rotes Blut; sie bleibt notgedrungen der äußeren Natur, dem Kosmos zugewendet; sie bleibt offen für die Energien, die ihr aus den Weiten des Alls und von der Sonne zuströmen.

Die grünen Chloroplasten im Blatt gleichen in verblüffender Weise den Stäbchen in der Netzhaut des menschlichen Auges. Blätter sind tatsächlich lichtsensible Organe, Augen, die Energiequanten aus dem Kosmos empfangen und damit die stofflichen Elemente (Wasser, Luft, Mineralien) beleben und zu Biomasse aufbauen. Die komplementären roten Blutkörperchen nehmen dann einen Teil dieser Lebensenergie auf und lassen sie den tierischen und menschlichen Mikrokosmen zukommen.

Wie wir bereits sagten, das Eisen im Blut schafft Geistesgegenwart. Es erschwert das »Abwesendsein«, das Abheben, das Hinwegschweben unseres Bewusstseins in kosmische Fernen. Hier liegt die Begründung für den archaischen Glauben, dass man Heilpflanzen nicht mit einem metallenen Messer schneiden soll, denn das würde die »jenseitigen«, mit den Sternen verbundenen Heilkräfte blockieren. Hier liegt auch die Begründung des altkeltischen Glaubens, dass die Elfen und Pflanzengeister von Eisen vertrieben werden oder dass man Hexen mit Eisen abwehren kann – was anderes sind denn Hexen als die frei schwebenden Astralleiber von Menschen, die sich in Trance befinden, die »weg« oder abgehoben sind? In Tiefschlaf oder Trance gleichen wir den Pflanzen. Wir sind dann wie sie zwar physisch und ätherisch präsent, aber unser bewusster Geist und unsere empfindende Seele schweben »außerhalb«. Hätten wir statt Eisen Magnesium im Blut, dann kämen wir – wie die Pflanze – nie wieder zurück, wir blieben im vegetativen Zustand. Das Eisen aber hilft dem Geist, wieder in den Körper zurückzufinden.

Nun könnte man meinen, dass die Brennnessel, die sich dermaßen mit Eisen vollsaugt, ihr pflanzliches Dasein aufgeben und ebenfalls wach und tierhaft werden sollte. In gewissem Sinn tut sie das auch. Sie hat durchaus etwas tierhaftes (astralisches) an sich. Sie umgibt sich mit einem Pelz aus spitzen Nadeln, die mit Tiersubstanzen, ähnlich den Giften der Bienen und Ameisen, gefüllt sind. Diese Gifte wirken auch bewusstmachend – wir brauchen die Nessel nur zu berühren, und sofort sind wir wacher, sind wir »da«. Wir verlieren das pflanzliche, das himmlische Träumen und erfahren den Schmerz des irdischen Daseins.

Um Pflanze zu bleiben, um trotz des vielen Eisens, das sie aufnimmt, nicht einem tierischen Seinsmodus zu verfallen, greift die Brennnessel zu einem geeigneten Gegenmittel. Sie schützt sich, indem sie besonders viel Chlorophyll produziert. Sie stellt sozusagen dem roten Marsmetall die Macht des Magnesiums entgegen. Sie strotzt nur so vor lauter Blattgrün, mit dem sie die Sonnenkräfte in sich hineinzieht. Sie ist vom unteren Stängelbereich bis in die Blütenregion grün. Sie scheint derart mit dem Grünsein beschäftigt zu sein, dass ihr keine Lust und Laune bleibt, bunte Blüten hervorzubringen. Sie ist so reich an Blattgrün, dass der Chlorophyllbedarf von Handel und Industrie – Nahrungsmittelfarben, Zahnpasta, Mundwasser – vorzugsweise durch Brennnesseln gedeckt wird.

GEISTERPFLANZE

Naturverbundene Völker, die etwas von der archaischen Fähigkeit des außersinnlichen Wahrnehmens bewahrt haben, wie zum Beispiel die Zigeuner, die Hochlandschotten oder die »Spökenkieker« nahe der Nordseeküste, nehmen in der Umgebung von Brennnesselhorsten oft ungewöhnliche Erscheinungen wahr. Übersinnliche Energien, die manchmal als Geister, als Ahnen oder als Heinzelmännchen gedeutet werden, umweben und umschweben die Nesseln. Die Siebenbürger Zigeuner sprechen von kleinen Erdmännlein, die sie Pchuvuschen nennen. Die Brennnesselkolonien sind folglich »Wälder der Pchuvuschen«. Die Männlein sind stark behaart, hässlich und äußerst geil. Gerne nehmen sie sich Menschenfrauen, um sich fortzupflanzen. Frauen, denen so etwas widerfährt, wissen gar nicht, was mit ihnen geschieht. Sie fühlen sich einfach von den Nesseln angezogen, und die unsichtbaren Pchuvuschen, die sie gebären, erscheinen ihnen höchstens im Traumgesicht. Den winzigen Männlein wachsen drei goldene Haare auf dem Kopf. Wem es gelingt, eines davon auszureißen, der kann dann Steine in Gold verwandeln. Die Deutung solcher Aussagen überlasse ich lieber dem Leser. Vielleicht haben solche Geschichten etwas mit der »Eisenstrahlung« zu tun, die von der Brennnessel ausgeht. Das glauben jedenfalls die biodynamischen Gärtner. Und das Gold, von dem die Rede ist, ist sicherlich das Gold der Weisheit.

EIN FREUND DES LANDMANNES

Die Brennnessel als Freund und Helfer des Gärtners oder des Bauern? Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, wie hemmungslos der Landwirt heutzutage auf die giftigsten Herbizide zurückgreift – auf Trichlorphenoxyessigsäure etwa, welche den Stoffwechsel der Pflanze derart beschleunigt, dass sie sich zu Tode wächst –, um die sich ausbreitenden Brennnesselkolonien zu vernichten. Möge Mutter Gaia dem Landmann die Augen öffnen, damit auch er die positiven Seiten dieser Pflanze zur Kenntnis nehme.

In früheren Zeiten, als die Menschen noch in einer bunteren, magischen Welt lebten, sahen sie in der Brennnessel einen wahren Bundesgenossen gegen verschiedene Bedrohungen. Der Bauer im Erzgebirge steckte zum Beispiel nebst einem Besenstiel Brennnesselzweige in die Ecke des Feldes, das er bepflanzen oder einsäen wollte. Dazu sagte er: »Da, du Krähe, das ist dein; was ich stecke, das ist mein!«

Fast überall wurden Nesselbüschel im Stall aufgehängt, damit unsichtbare fliegende unholde Wesen, Hexen eben, dem Vieh und der Milch nichts Böses antun. Hexen fürchten sich allgemein vor dornigen, stacheligen oder spitznadeligen Gewächsen, in denen sie hängen bleiben können. Zur Walpurgisnacht, wenn es die Unsichtbaren besonders wild treiben, wurden Nesselruten auf die Düngerhaufen gesteckt, oder der Mist wurde sogar damit gepeitscht. Man glaubte, die Hexen würden das am eigenen Leib spüren, und es würde ihnen die Lust vergehen, sich am Vieh zu vergreifen.

In ganz Osteuropa wurde Milchzauber mit der Brennnessel getrieben. Wollte die Milch nicht zur Butter werden, dann holte sich der sächsische Bauer eine Nesselrute und redete die Pflanze beim Pflücken mit folgenden Worten an: »Grüß dich Gott, Nesselstrauch,

Hast fünfzig (Feuer) und kein Rauch

Gib mir den besten (Schlüssel)

Lass mich aufschließen der Zauberin ihr Schoß

Dass ich kann herausnehmen den Butterkloß

Das helfe mir Gott!«

Am höchsten Feiertag der Südslaven, dem Badnick, geht ein nacktes Mädchen in den Stall und berührt mit einem Brennnesselzweig jedes einzelne Tier, besonders die Milchkühe. Dabei sagt das Mädchen: »Besser die Nessel als jene, die da kommen könnte, die Milch wegzunehmen!«

Damit die Milch an heißen Tagen nicht so schnell sauer wird, war es vielerorts Brauch, einen Brennnesselzweig in die Milch zu tauchen. Noch in diesem Jahrhundert (1902) wurde eine Berliner Milchverkäuferin wegen Lebensmittelverfälschung vor Gericht gestellt, weil sie versucht hatte, auf diese Weise das Gerinnen zu verhindern. Die Angeklagte musste aber freigesprochen werden, da sie ein »allgemein geübtes Verfahren« angewendet hatte.

Heutzutage bringt der Bauer oder Gärtner solchen Zauberpraktiken wenig Verständnis entgegen. Schule und Medien haben uns den Zauberglauben ausgetrieben, und gegen Milchversäuerung gibt es immerhin Kühlbehälter. Dennoch spielt die Brennnessel immer noch eine wichtige Rolle für den naturnahen Gärtner oder Bauer. Überall, wo sie wächst, hinterlässt sie einen guten, ausgeglichenen Boden. Sie gilt unter Kennern als hervorragende Humusbildnerin. Schauen wir uns nun einmal näher an, was der kluge Landmann alles mit der Brennnessel anfangen kann:

• Mancher Gärtner bereitet aus der Brennnessel eine Jauche, die die Gemüsepflanzen nicht nur kräftig düngt, sondern auch gegen Schädlings- und Pilzbefall widerstandsfähiger macht. Das Düngen mit dieser Jauche verändert die Zusammensetzung der Säfte in den Kulturpflanzen, sodass sie den Insekten nicht mehr so gut schmecken. Ein alter Gärtner erzählte mir, er habe sogar beobachtet, wie durch diese Behandlung die Ameisen aktiver wurden und auf Raupenjagd gingen. Die Brennnesseljauche stinkt entsetzlich, aber wie das Sprichwort sagt: Was stinkt, das düngt!

• Bei Stängelfäule, die die jungen Pflänzlein im Frühbeet umkippen lässt, bei Mehltau und anderem Pilzbefall ist ein Brennnesseltee das geeignete Mittel. Der Aufguss, mit Zusatz von einem Teil Schachtelhalm und einem Teil Kamille, wird zur Vorbeugung auf die gefährdeten Pflänzchen gesprüht. Man könnte zur Wirkung sagen, dass der feurige Mars keine mondhaften Schmarotzer duldet wie Pilze oder Mehltau.

Rezepte

Wie man Brennnesseljauche macht

Einen Bottich oder ein Fass – nicht aus Metall – bis oben mit Brennnesseln füllen, mit Regenwasser auffüllen und an einen sonnigen Ort stellen. Das Gebräu fängt bald an zu gären und zu stinken. Der Zusatz einer Handvoll Steinmehl hilft, das

sich bildende Ammoniakgas zu binden. Nach etwa drei Wochen ist die Jauche fertig. Sie wird 1:10 mit Regenwasser verdünnt und um die Pflanzen gegossen. Besonders Starkzehrer wie Kohl und Tomaten sind dafür dankbar.

• Als Nachbarschaftspflanze erhöht die Brennnessel in Heilkräutern den Gehalt an ätherischen Ölen (PHILBRICK/GREGG 1967:73). Messungen ergeben folgende Steigerungen des Ölgehalts:


Baldrian20%Pfefferminze10%
Engelwurz80%Salbei10%
Majoran10–20%

• Kohl, Äpfel, Kartoffeln und andere Gemüse halten sich besser im Gemüsekeller, wenn man sie auf Brennnesseln legt oder mit Brennnesseln abdeckt. Grüne Tomaten reifen gut nach und halten sich in Brennnesselverpackung länger.

• Getrocknete Nesselblätter, unter Hühnerfutter gemischt, machen Eidotter schön gelb und schützen das Federvieh gegen Durchfall.

• Kühe bringen eine bessere Milchleistung, wenn sie getrocknetes Brennnessellaub mit ins Futter bekommen. Dieser »Milchzauber« wird in Russland und auf den Britischen Inseln noch immer praktiziert.

• Pferdehändler mischen gern Nesselsamen unter den Hafer, damit die Pferde »feurig« werden. Sie bekommen zudem davon ein glänzendes Fell.

BRENNNESSEL ALS BIODYNAMISCHES PRÄPARAT

Rudolf Steiner, der die biologisch-dynamische Landwirtschaft ins Leben rief, entwickelte eine Serie von Kräuterpräparaten, die dem Kompost beigegeben werden, um ihn für die »dynamischen« Impulse, die von den Planeten auf die Erde strahlen, empfänglich zu machen. Die zu bestimmten Zeiten gepflückten Kräuter werden in tierische Organe gehüllt, welche die in den Pflanzen vorhandenen kosmischen »Bildekräfte« – wir würden sie Energien nennen – festhalten und intensivieren. Schafgarbenblüten werden zum Beispiel in eine Hirschblase gestopft, Löwenzahn wird in Rindergekröse gehüllt, Kamille kommt in Rinderdarm, Eichenrinde in einen Schafs- oder Kuhschädel. Nur die Brennnessel braucht keine besondere tierische Hülle, sie ist ja schon in einen Mantel aus Tiergiften gehüllt. Sie wird lediglich ein Jahr lang im Humusboden vergraben und dann in homöopathischer Dosierung dem Kompost zugesetzt. Das Brennnesselpräparat bringt, wie die Biodynamiker gerne sagen, die Kräfte des Mars in den Kompost. Die Brennnessel »durchstrahlt den Kompost wie das Eisen das Blut« und macht – wie Rudolf Steiner sagt – »den Boden vernünftig«. Sie treibt das »mondhaft Wuchernde«, das nicht dahin gehört, aus, sodass sich die Urbilder der Pflanzen besser inkarnieren können und sie artgerechter wachsen (STORL 1992:322).


Ich vermute, dass die Brennnessel noch viele andere nützliche Eigenschaften besitzt, die der Landwirt noch gar nicht kennt. Botaniker nennen sie eine anthropochore Pflanze, eine Pflanze, die »mit dem Menschen tanzt« (griech. anthropos = Mensch, choreia = Tanz). Sie ist eine Pflanze, die dem Menschen überallhin folgt, als wolle sie von ihm adoptiert, gehegt, gepflegt, geliebt werden. Sehr viele unserer Garten- und Feldfrüchte waren einst ebenfalls anthropochore Pflanzen. Sie waren Unkräuter, die sich in den Gärten und Feldern breit machten, bis sie sich zu anerkannten, echten Kulturpflanzen »mauserten«. Roggen und Hafer waren einst Unkräuter in den Weizenfeldern der ersten sesshaften Bauern im Nahen Osten. Senf, Rauke, Bohnen, Linsen, Erbsen, Hanf, Mohn, Kohl, Mangold, Zuckerrüben, Chilipfeffer und Tomaten waren einst ebenfalls Unkräuter, die sich der Pflege der Menschen anvertrauten. Im letzten Jahrhundert wurde der Feldsalat (Nüssli-, Ackersalat, Valerianella), der Kubaspinat (Claytonia perfoliata) und das Burzelkraut oder Portulak (Portulaca oleracea) mit in den Gemüseanbau einbezogen. Inzwischen haben sich französische Gärtner des Löwenzahns und des Sauerampfers angenommen; man kann sich Samenpäckchen kaufen und sie ins Gartenbeet aussäen. Andere Kinder menschenfreundlicher Pflanzendevas stehen Schlange vor dem Gartentor, um in die Liga der Kulturpflanzen aufgenommen zu werden. Da besteht auch Hoffnung für die Brennnessel. Sie ist in unserem gestressten, umweltverseuchten Zeitalter von besonderer Bedeutung. Ihre immunstärkende Wirkung wird erst jetzt entdeckt. Zumindest in meinem Garten gilt sie als verehrter Gast!

DES DONNERGOTTES PFLANZE

Die heidnischen Stämme des Nordens, denen der römische Mars noch unbekannt war, betrachteten die Nessel als Pflanze des Hammergottes, den die Südgermanen Donar, die Skandinavier Thor und die Angelsachsen Thunar nannten. Blitz, Donnerschläge und fruchtbarkeitbringende Regengüsse begleiten seinen von Böcken gezogenen Wagen, wenn er über den Himmel jagt, um jene Mächte zu vertreiben, die dem Bauern den Acker verderben wollen. Mit dem Megalithhammer, der wie ein Bumerang in seine Hand zurückschnellt, zerschmettert er die harten Schädel der Frost- und Steinriesen.

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