Kitabı oku: «PUNKTUM.», sayfa 6

Yazı tipi:

*

Auf dem Parkplatz ist wieder Ruhe eingekehrt. Das Zelt ist abgebaut, nur mehr ein Einsatzfahrzeug zu sehen. Langsam streckt sich der lange Schatten des Flammenkogels über den See und das Hotel. Keine einzige Wolke zeigt sich am Himmel.

Claudia und Peter haben auf der Terrasse Platz genommen. Der alte Thilo kommt zu ihrem Tisch und erkundigt sich, ob sie einen Getränkewunsch haben.

»Ich hätte gerne ein Bier. … auch wenn ich noch im Dienst bin. Meine Kehle könnte man mit der Sahara vergleichen. Trocken – trockener – am durstigsten«, scherzt Peter.

»Vom Fass oder Flasche?«

»Vom Fass bitte. Claudia, ich lade dich ein. Was hättest du gerne?«

»Vorab ein Mineralwasser, groß und prickelnd. Und danach einen Aperol-Spritz.«

»Kommt sofort … «, antwortet der Alte.

»Äh, verzeihen Sie, ist Ihr Sohn in der Nähe. Ich würde ihm gerne ein paar Fragen stellen.«

Der betagte Thilo hält inne und dreht sich langsam zu Peter. »Wenn es nicht sein muss. Er hat sich niedergelegt, es geht ihm miserabel.«

»Miserabel?«

»Ja, miserabel. Er hat sich übergeben. Ich glaube, der Leichenfund hat ihm zu sehr zugesetzt … «

»… Lassen Sie ihn schlafen. Nicht so wichtig. Andere Frage, haben Sie noch Zimmer frei?«

»Ja. – Fünf Räumlichkeiten haben wir immer bezugsfertig hergerichtet. Wollen Sie Einzel- oder ein Doppelzimmer?«

»Zwei Einzelzimmer bitte«, antwortet der Kriminalist. Thilo schmunzelt.

»Ich bringe Ihnen sofort die Schlüssel.«

Als der Wirt außer Sichtweite ist, sagt Peter zu Claudia: »Der … wie heißt er doch gleich? … Ach ja, Norman Bergmann, der scheint ja von sensibler Natur zu sein. Würde man bei seiner Körperstatur gar nicht vermuten. So kräftig und wohlgenährt, wie der aussieht.«

»Kann ja nicht ein jeder mit solch einem Nervenkorsett ausgestattet sein, wie deiner einer«, schmeichelt ihm Claudia.

Der Kommissar holt tief Luft und sagt förmlich: »Ich muss noch ein wenig arbeiten. Ich möchte gerne mit meinem Boss telefonieren und die Notizen ordnen … «

»Absolut kein Problem. Den Artikel für die Zeitung habe ich bei aller Aufregung beinahe vergessen. Aber der ist schnell getippt. Schlage vor, erst die Arbeit, dann das Vergnügen.«

»Klingt gut. So machen wir das. Ich brauche nicht lange.«

Claudia steht auf und am Weg zur Gaststube, wo sie vormittags ihren Computer deponiert hatte, nimmt sie Thilo den Schlüssel und den Aperol-Spritz ab. Sie setzt sich an den Tisch neben dem Eingang. Als sie die Tageszeitung anhebt, merkt sie, dass ihr Diktafon noch immer läuft. Sie schaltet es ab, öffnet den Laptop und beginnt zu tippen.

Headline: Mord am Flammenkogel?

Copy: Heute Morgen fand ein Fischer eine tote Frau, Mitte 50, am Fuße der Erlöserwand. Die Wanderin dürfte von der Ausblickplattform »Seeblick« gestürzt sein. Die Bergung der Leiche gestaltete sich sehr aufwändig. Sie musste mit Booten geborgen werden. Die gerichtsmedizinische Untersuchung geht zwar von Selbstmord aus, jedoch sind auch Hinweise auf ein Fremdverschulden entdeckt worden. Die Identität gibt der Polizei weitere Rätsel auf. Die Tote hatte weder Ausweis noch ein Mobiltelefon bei sich. (Eigenbericht / Claudia Bigler)

Kaum hat sie den Bericht fertig getippt, drückt sie auf >>SEND<<.

»OOOPS«, entfährt es ihr.

Holzinger blättert in seinen Notizen, als der alte Wirt zum Tisch kommt. »Bitte sehr, ein Frischgezapftes. Lassen Sie es sich schmecken … So hier noch der Schlüssel für Ihr Zimmer. Ist gleich neben dem des Fräuleins. Ist zwar ein Doppelzimmer, aber ich verrechne Ihnen selbstverständlich nur den Einzelzimmerpreis. Ist einfacher beim Saubermachen«, grinst Thilo verschmitzt. »Ich hoffe, die Verbindungstür ist abgeschlossen, wenn nicht, dann geben sie mir Bescheid … «. Das Grinsen des Alten wird stetig breiter. »… und hier habe ich die gewünschte Liste, Sie wissen schon, die mit den Namen.«

»Vielen Dank«, sagt Holzinger und greift nach dem Bier. Mit der anderen Hand nimmt er das Blatt und wirft einen Blick darauf. Er gönnt sich einen tiefen Zug aus dem Bierglas. Der erste Schluck Bier ist immer noch der Beste, philosophiert er insgeheim und wendet sich an den Wirt. »Herr Bergmann, wo kann ich die Leute erreichen? Ich bräuchte deren Adressen.«

»Oh, die einzelnen Häusernummern habe ich jetzt nicht im Kopf. Brauchen Sie die Anschriften heute noch?«

»Nein, nicht heute. Ich will nicht bis Mitternacht unterwegs sein, und die Leute haben am Wochenende sicher etwas anderes vor, als zuhause herumzusitzen. Morgen reicht.«

»Wollen Sie nicht zur Messe ins Dorf fahren? In der Früh, um 8:00. Da werden Sie die meisten antreffen.«

»Ja, das ist eine gute Idee … «

»Warten Sie … «, unterbricht ihn der tranige Thilo und kramt umständlich sein Telefon unter seiner grünen Schürze hervor. »Ich rufe den Jagdaufseher an. Er wird die anderen verständigen, damit Sie morgen zur Messe nach Lengthal kommen. Unser Pfarrer freut sich sicher über ein vollgefülltes Haus«, sagt alte Wirt, während er grinsend eine Nummer ins Mobiltelefon tippt.

»Das würden Sie für mich tun?«

»Selbstverständlich … Moment. Thilo hier. Du, die Polizei muss mit jedem, der am Freitag hier war, reden. Könntest du sie über dein Programm am Telefon informieren, dass sie in die 8:00 Uhr Messe kommen? … Ja, es geht um die Tote, die Norman heute früh gefunden hat … OK, vielen Dank. Vielleicht komm ich auch, aber ich habe meine Aussage ja schon gemacht. Waidmanns Heil. … Dir auch.«

»Ist gebongt. Er verständigt die anderen. Via ›Wotsepp‹ – oder so ähnlich. – Haben Sie ja mitgehört. – kann ich sonst etwas für Sie tun?«

»Nein danke. Sie haben mir sehr geholfen«, erwidert Peter dankbar.

»Ich schicke Ihnen nachher meinen Sohn vorbei, sollte er sich heute Abend nochmals blicken lassen. Aber wie schon gesagt: Es hat ihn ziemlich umgehauen. Sie müssen wissen, tatsächlich ist mein Sohn hochsensibel. Ich weiß, er macht nicht diesen Eindruck. Aber so ist er nun mal.«

»Danke, danke, es läuft mir nichts davon. Es reicht morgen in der Früh. Richten Sie ihrem Sohn meine Genesungswünsche aus«, ruft er Thilo nach, der einen Arm hebt, um sich zu bedanken.

Holzinger blättert nochmals seine Notizen vom Anfang bis Ende durch. Schließlich greift er zum Telefon und wählt Hauptkommissars Tomacics Privatnummer.

»Ja bitte?«

»Servus Richard. Peter spricht.«

»Grüß dich. Wo brennt’s? Läuft alles?«

»Ich bin noch beim See … «

»Warum das? Gibt es ein Problem?«, will Richard neugierig wissen und schaut auf seine Uhr.

»Keines und viele. Ich möchte dir ein kurzes Update geben, was hier so abgeht: Hör zu: Also die Tote scheint von der Aussichtsplattform gesprungen zu sein. Extreme Höhe! Aber Fremdverschulden ist auch nicht auszuschließen. Die Leiche ist derart verunstaltet, dass wir sie bis jetzt nicht identifizieren konnten. Hier am See wird sie von niemanden vermisst. – Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt. – Die Spurensicherung hat ein Mobiltelefon gefunden, mit leerem Akku, aber das könnte auch ein Wanderer, oben bei der Plattform, verloren haben. Die Kollegen kümmern sich schon darum. Sie werden versuchen, es zu laden und zu aktivieren, sollte es … «

»... Heißt das, dass die Tote keinen Ausweis bei sich hatte? Das wäre seltsam.«

»Ist leider so, wir haben weder eine Handtasche, noch ein Fahrzeug am Parkplatz gefunden, das zur Identifizierung beitragen könnte.« Peter blättert in seinen Notizen. »Ja – noch etwas. Die Leiche hat am Hinterkopf eine stumpfe Platzwunde, in der man Holzsplitter gefunden hat. Rühren wahrscheinlich von einem Schlag mit einem Ast her oder von einem der dürren Bäume, die sich in der Steilwand wachsen. Die Kollegen kommen morgen nochmals her. Mit Alpinausrüstung.«

»Die Kollegen kommen nochmals? Du hast vor, im Berghof zu übernachten? Überstunden … «, seufzt Richard.

»… Ja, die Kollegen werden sich morgen über die Steilwand abseilen und nach weiteren Spuren suchen. Das auch deshalb, weil Schleif- oder Rutschspuren oben gefunden wurden. Könnten sogar von einem kurzen Kampf herrühren … «, versucht Peter die Gedanken seines Chefs wieder auf die Ermittlungen zu konzentrieren.

»Verstehe ich dich richtig, du vermutest tatsächlich ein Gewaltverbrechen?«

»Glaube es zwar nicht, aber wie hat mein Lehrmeister, der alte Tomacic, immer gemeint: Wenn du ein ungutes Gefühl im Bauch hast, überprüfe es. Deshalb bleibe ich jetzt bis morgen hier … «

»… Ich hab’s befürchtet … «, fällt ihm Richard ins Wort.

»Ich übernachte im Berghof und in der Früh spreche ich mit dem Pfarrer, den man um die fragliche Zeit hier gesehen hat. Mit den Restaurantgästen ebenso. Ich werde sie alle, morgen, in der heiligen Messe im Dorf treffen. Ist schon arrangiert. Wird ein ›Early Bird‹.«

»Das klingt höchst merkwürdig. Du in einem Gottesdienst? Dann kannst du gleich beginnen deine Sünden zu notieren. Nimm aber ein großes Blatt Papier und schreibe mit kleiner Schrift … «, lacht Richard ins Telefon. »… Spaß beiseite. Das ist alles sehr aufwändig. Ich hoffe für uns beide, dass es sich nur um Schall und Rauch handelt, du weißt, ich möchte mich in Ruhe von meinem Job verabschieden und keine offenen Fälle hinterlassen. Ungeachtet dessen tu, was du für nötig hältst. Ich stehe hinter dir. Wenn du mich morgen brauchst, rufe mich jederzeit an. Ich verständige vorab die Staatsanwaltschaft. Schauen wir Mal, was sie zu dem Fall sagt. … Ansonsten sehen wir uns am Montag in der Früh, in alter Frische, im Büro. … «

»… Passt. Ich halte dich am Laufenden. Ciao.« Peter legt auf und atmet tief durch.

Er überfliegt nochmals seine Aufzeichnungen. Wo hat er nur den ›Priester‹ notiert, fragt er sich. Zuletzt findet er die Stelle: Pfarrer kommt von Plattform. Ist in Eile. – Bierführer trinkt Mineral an Theke …

›Muss Norman nach der genauen Uhrzeit fragen‹, vermerkt Peter am Ende der Liste, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürt.

»Na, kommst du voran?«, fragt ihn Claudia neugierig.

»Ja. Ab sofort bin ich im Freizeitmodus. Ich habe mit meinem Chef telefoniert, habe ihn auf den neusten Stand gebracht. Er ist mit den von mir getroffenen Entscheidungen zufrieden. Als ich mit ihm sprach, hatte ich den Eindruck, als hörte ich ständig das leise Klingeln einer Registrierkasse in seinem Hinterkopf. So als wollte er mich darauf hinweisen, dass er derjenige ist, der meine Spesenabrechnung unterschreibt. Und wie sieht es bei dir aus?«

»Habe fertig«, scherzt sie. »Habe nur einen kurzen Artikel geschrieben … «

»Zeig her, ich muss ihn dir ja freigeben? Oder?«

»Äh …. Ja, das musst du«, antwortet Claudia, die insgeheim gehofft hat, dass Peter ihre Vereinbarung nicht so wörtlich nehmen würde. Sie öffnet ihren Computer und zeigt ihm den Artikel. Er liest und runzelt die Stirn.

»Wo hast du denn das mit dem Fremdverschulden her?«, fragt er Claudia streng.

»Wer Ohren hat, kann hören«, antwortet sie keck. »… und wer mitdenkt, der kann kombinieren.«

»Also, ich weiß nicht, ob ich diese leise Vermutung in der Presse lesen will.«

Claudia massiert Peters Nacken, beugt sich zu seinem Ohr und flüstert: »Was wäre die Welt ohne Fake-News? Langweilig. Ein bisschen Flunkern muss erlaubt sein, erhöht die Auflage ungemein … «

»Meinetwegen. Schicke es ab«, antwortet Peter und drückt seiner Freundin ein Küsschen auf die Wange. Erfreut bedankt sie sich, klappt ihren Laptop zu und setzt sich zu ihm.

»Und wie legen wir jetzt den angefangenen Abend an?«, schnurrt Claudia.

»Ich schlage vor, wir gehen zum Steg hinunter, setzen uns auf diese Bank unter der Trauerweide und genießen das letzte Tageslicht. Anschließend dinieren wir hier im Restaurant. Heute gibt es ja Forellen, steht zumindest dort unten auf der Tafel. Und für hinterher fällt uns sicherlich auch noch etwas ein.«

»Au ja, Forelle. Habe ich schon lange nicht mehr gegessen. Ein großartiger Vorschlag. Und für nachher bin ich mir ganz sicher, dass uns da etwas einfällt«, lacht Claudia begeistert.

Plötzlich hören sie Thilos Stimme neben sich: »Darf ich den Herrschaften noch etwas bringen?«

»Nein danke, wir sind bestens versorgt. Aber … wir würden gerne in einer Stunde Abendessen. Die Forellen haben es uns angetan … «

»… Forellen? Ich muss sie leider enttäuschen. Wir haben nur mehr ein fangfrisches Stück von heute Morgen. … Wegen dem Unfall sind wir nicht mehr dazugekommen, nochmals auf den See … «, fällt ihm Thilo ins Wort.

»… das ist jetzt schade … dann für mich ein Steak. Geht das?«

»Durchgebraten, medium oder rare?«

»Medium rare, mit Pfeffersauce und Bratkartoffeln.«

»Ja, kein Problem, ein Pfeffersteak und Ihnen, mein liebes Fräulein, empfehle ich: Forelle-Blau mit Salzkartoffel und grünem Salat.«

»Klingt ausgezeichnet. Das nehme ich«, stimmt Claudia dem Vorschlag zu.

»Ach ja, wie es aussieht, haben Sie ja kein Gepäck dabei. Falls Sie ein frisches Leibchen benötigen, Sie finden jeweils ein T-Shirt aus unserem Souvenirshop auf ihr Zimmer. Einwegzahnbürsten sind im Badezimmer.«

»Sehr aufmerksam. Ich habe zwar einen ›Notfallkoffer‹ immer dabei, aber ich befürchte, dass ich lediglich frische Unterwäsche eingepackt habe. Ich für meinen Teil, nehme ihr Angebot an. – Äh, welche Farbe hat denn das T-Shirt?«, erkundigt sich Claudia.

»Dunkelgrün, mit gesticktem gelbem Berghof-Logo«, ergänzt Thilo und zeigt auf seine Schürze.

»Super, dann sind wir ja morgen im Partnerlook unterwegs«, antwortet Peter mit einem breiten Lachen.

Das Abendessen schmeckte hervorragend, obwohl Thilo anstelle von Norman die Pfannen in der Küche schwang.

Vom Alkohol beflügelt gehen die beiden auf ihre Zimmer. Als Claudia die unversperrte Verbindungstür entdeckt und obendrein sieht, dass Peter ein Doppelbett zur Verfügung hat, lacht sie laut auf, um im nächsten Augenblick eine ernste Miene aufzusetzen: »Das hast du aber fein eingefädelt. So ganz hinter meinem Rücken … Du glaubst doch nicht, dass das so einfach ist. Dass ich so leicht zu haben bin.«

Claudia dreht sich um, schlägt mit einem lauten Knall die Verbindungstür zu und lächelt amüsiert.

Peter hingegen ist perplex. Jedenfalls hat er ihr mehr Humor zugetraut. War es nicht sie, die ihm den ganzen Tag Avancen gemacht hat? Hat er sich nicht stets zurückgehalten und ließ sie gewähren? Und jetzt das? Peter resigniert und verschwindet zur Abendtoilette im kleinen, modern eingerichteten Badezimmer. Er nimmt eine erfrischende Dusche, danach trocknet er sich ab, und hüpft unbekleidet, in Ermangelung eines Pyjamas, in sein Bett. Er dreht das Licht ab und versucht gerade, einzuschlafen, als die Verbindungstür aufgestoßen wird.

Claudias Zimmer wird von der Nachttischlampe beleuchtet. Sie selbst steht lasziv im Türrahmen, mit einem Hauch von Nachthemd bekleidet. Ihre wohl geformte Silhouette zeichnet sich nur allzu deutlich im Hintergrundlicht ab. Peter erkennt, dass sie nichts darunter trägt.

»Ich habe gewonnen«, haucht sie.

»Irrtum. ICH habe gewonnen. Das Adamskostüm gewinnt immer«, erwidert er und wirft die Decke zur Seite.

Zu guter Letzt liegen sie eng umschlungen in der Löffelchenstellung nebeneinander.

»Haben wir jetzt auf Staatskosten geschnackselt?«, neckt ihn eine sichtlich zufriedene Claudia.

»Ich hoffe, – wenn Richard, mein Boss die Spesenabrechnung unterzeichnet«, flüstert ihr Peter ins Ohr.

SONNTAG

7

Als Peter und Claudia im Partnerlook beim Frühstück saßen, wurden sie fürsorglich von Norman bedient. Als ihn der Kommissar nach seinem Befinden fragte, meinte er, es gehe ihm besser. Der Leichenfund hatte sich gestern auf sein Gemüt geschlagen, aber diesen Schock hätte er heute bereits überwunden.

Händehaltend frühstücken die beiden Frischverliebten. Sie beschließen, nur mit einem Wagen ins Dorf zu fahren, weil Peter später noch einmal zum Bergsee muss, um mit den Leuten von der Spurensicherung zu sprechen. Er erwartet seine Kollegen gegen 10:30 Uhr am See.

In Lengthal sieht Claudia einen Zeitungsspender ihres Herausgebers an einer Verkehrstafel hängen. Sie bittet Peter, kurz anzuhalten, springt aus dem Auto, lässt die Autotür offen und zieht ein Exemplar aus dem Spender.

Kaum sitzt Claudia wieder am Beifahrersitz, blättert sie angespannt durch das Kleinformat und findet ihren Artikel.

»Hier ist er. Eins zu eins dein freigegebener Text«, ruft sie erfreut und hält Peter – während der Fahrt – die aufgeklappte Seite unter die Nase. Irritiert versucht ihr Freund an der Zeitung, links und rechts vorbeizusehen. »Claudia, bist du verrückt, ich lenke ein Fahrzeug«, herrscht er sie an.

»´tschuldigung«, erwidert sie und zieht das Blatt zurück. »Dort geht es zur Kirche.«

»Danke, sehe ich selbst. … « Peter hat wieder ein Lächeln auf den Lippen. Er biegt in den Kirchenhof ein und parkt auf dem einzigen freien Abstellplatz. »… Hier ist ganz schön was los«, stellt Peter fest und mustert die Runde. Gut sechzig Augenpaare hängen wie Kletten an ihnen, verfolgen jede ihrer Bewegungen. »Der Todesfall scheint sich rasend schnell herumgesprochen zu haben.«

»Ja, und einige sind sogar in Trauerkleidung erschienen. Glaubst du, das ist hier ein Brauchtum?«, stellt Claudia fest.

»Keine Ahnung«, antwortet Peter. »Achtung! – Wir stehen unter Beobachtung. Benimm dich!«

»Ich benehme mich immer … «, erwidert sie mit gespielt, ernster Miene.

Der Kommissar mustert die Menschenansammlung, die auf den Beginn der Messe wartet. Aus der Gruppe, die jagdliches Outfit trägt, kommt ihm ein Mann entgegen und stellt sich als der Jagdaufseher vor. »Thilo hat wissen lassen, dass Sie mit uns sprechen wollen. Das da drüben sind alle, die freitags im Berghof waren. … Außer Norman.«

»Vielen Dank für Ihr Kommen. Ich werde versuchen, es so kurz wie möglich zu machen. Ich bin Peter Holzinger von der Kriminalpolizei«, sagt der Kriminalist, während er ihm die Dienstmarke zeigt.

Sie gehen ein Stück abseits, rufen die restlichen der Gruppe zu sich und der Kommissar beginnt seine Fragen zu stellen: »Hat einer von Ihnen die Versammlung für längere Zeit verlassen?«

»Nein. Wenn doch, dann nur, um die Toilette aufzusuchen«, antwortet ihm der Jagdaufseher.

»Es hat sich niemand, über eine Stunde lang, vom Tisch entfernt?«, hakt Holzinger nach.

»Nein, ganz sicher nicht, dafür war unser Gesprächsthema zu wichtig.«

Danach führt Peter Einzelgespräche. Auch sie ergeben nichts Relevantes. Wenn die Leiche einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, dann kann keiner der Jägerschaft der Täter sein. Jeder von ihnen kann für die fragliche Zeit ein Alibi vorweisen.

Als die Kirchturmglocke zur 8:00 Messe läutet, verabschiedet sich Peter. »Danke meine Herren. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben. Wie sagt man bei Ihnen? Weidmanns Heil.«

»Weidmanns Dank«, kommt es unison zurück.

Die Gläubigen drängen gesittet in die Kirche. Langsam leert sich der Platz.

Die ersten beiden Reihen der Sitzbänke sind mit Menschen in Trauerkleidung belegt. Sie sitzen mit gesenkten Köpfen, in ihren Gedanken versunken, und warten auf den Beginn der Messe. Als der Letzte seinen Platz eingenommen hat, klingelt der Messner. Das Gemurmel in der Kirche verstummt und zwei Ministranten, gefolgt vom Priester, kommen aus der Sakristei. Sie verbeugen und bekreuzigen sich vor dem Altar.

Peter beobachtet den Pfarrer eingehend. Er möchte sich ein Bild von dem Geistlichen machen. Er versucht, seine Körpersprache zu interpretieren, versucht, sie in ein Schema einzuordnen. Der Priester wirkt müde, als er zur Kanzel emporsteigt.

»Liebe Gemeinde, liebe Hinterbliebene. Ein wertvoller Freund hat uns gestern verlassen. Er war Vater, Ehegatte, Onkel, und unser aller Freund. Ich bin stolz darauf, dass ich ihn in seinen letzten Stunden begleiten durfte. Ihm das Sakrament der Krankensalbung gespendet zu haben. Er ging in Frieden von uns. In Frieden mit Gott«, beginnt der Pfarrer seine Predigt. »Wir hoffen, dass uns nach dem Tode eine Wirklichkeit, vergleichbar mit der Realität in der wir uns jetzt befinden, erwartet, unabhängig davon, ob man vorher daran glaubt oder nicht. Aber wir müssen uns klar werden, dass es einen Unterschied zwischen einem Leben nach dem Tod und der Auferstehung gibt. Durch den Tod werden Leib und Seele voneinander getrennt. Die Seele lebt weiter, der Körper nicht. Erst durch die Auferstehung wird uns unser Leib zurückgegeben. Wir werden uns daher wiedersehen. Und daran glauben wir. – Und deshalb wollen wir zu unserem verstorbenen Freund: AUF WIEDERSEHEN sagen.«

Peter hat genug gehört. Er verlässt den Gottesdienst, und sieht Claudia auf einer schattigen Bank sitzen, in ihre Zeitung vertieft. Sie schaut auf und kommt ihm entgegen.

Gemeinsam schlendern sie um die Kirche, zum Pfarrhaus, wo sie einen schwarzen Audi A1 und ein Motorrad entdecken.

»Behauptete nicht einer der beiden Wirte gestern, der Pfarrer hätte derzeit kein Auto?«, fragt er rhetorisch. Claudia zuckt mit den Schultern.

»Würde gern wissen, wem der Wagen gehört?« Peter zieht sein Telefon hervor und tippt auf einen gespeicherten Kontakt: »Servus. Ich bin es, Holzinger, könntet ihr mir bitte ein Fahrzeug überprüfen?«

Peter gibt das Kennzeichen durch.

»Wie lange braucht ihr? … Ah, ja ich warte. … Danke. … Das reicht schon.« Holzinger notiert den Namen des Besitzers im Notizblock, während Claudia über seine Schulter späht.

Claudias Augen weiten sich vor Entsetzen.

»Hast du soeben Maria Steiger geschrieben«, entfährt es ihr mit zittriger Stimme.

»Ja, wieso? Kennst du sie?«

»Ja, Maria Steiger ist die Mutter meiner Freundin, nach der ich dich gestern gebeten habe, zu suchen«, erwidert Claudia kreidebleich.

»Richtig, jetzt wo du es sagst. Der Name kam mir gleich so bekannt vor.«

»Glaubst du, dass sie hier ist … oder dass sie gar die Tote ist?«, erschaudert es Claudia.

Peter schaut in den tadellos aufgeräumten Innenraum des Wagens. Nicht einmal eine Packung Taschentücher ist zu sehen. Er blinzelt durch die Heckscheibe. Weil die Heckablage fehlt, hat er freie Sicht in den Gepäckraum, wo eine Reisetasche steht.

»Entweder sie ist am Abreisen oder sie hat nie ausgepackt«, schlussfolgert Peter pragmatisch. »Dann werden wir eben den Pfarrer befragen. Komm, die Messe ist soeben zu Ende.«

Als sie um die Ecke biegen, steht der Geistliche am Kirchentor und verabschiedet die Gläubigen. Spendet den Trauergästen zusätzlichen Trost. Nach dem letzten Besucher schließt er eine Seite des schweren Tores.

»Herr Pfarrer. Kann ich Sie bitte sprechen?«

»Ja, gerne. Kennen wir uns?«

»Nein, noch nicht. Ich bin Peter Holzinger. Kriminalpolizei.«

»Pfarrer Joseph Moser. Kriminalpolizei sagten Sie? Was führt Sie zu mir?«

»Ist Frau Steiger bei Ihnen?«

»Nein. Wieso? Ist ihr etwas zugestoßen? Ich sollte sie heute abholen«, erwidert der Geistliche sichtlich irritiert.

»Von wo abholen?«, will Peter wissen, ohne auf die Frage einzugehen.

»Vom Berghof. Sie verbringt ihr Wochenende am Bergsee«, gibt der Pfarrer bereitwillig Auskunft, und hofft, auf diese Weise mehr zu erfahren.

»Sind Sie sicher?«, hakt der Kommissar nach.

»Ja. Ganz sicher. Ich habe sie selbst hinaufgefahren.«

»Mit dem schwarzen Audi, der hinten vor dem Pfarrhaus steht?«, lässt Holzinger nicht locker.

»Ja, sie kam zu mir und dann habe ich sie mit ihrem Wagen zum Berghof gefahren.«

»Ohne Gepäck?«

»Wieso ohne Gepäck? Ich verstehe Ihre Frage nicht.« Das detaillierte Nachfragen des Kriminalbeamten verwirrt den Pfarrer immer mehr.

»Hatte sie Gepäck dabei?«, bohrt Peter weiter.

»Jetzt, wo Sie fragen: Nein, ich habe kein Gepäck gesehen.«

»Könne Sie mir erklären, warum ein Koffer in ihrem Fahrzeug liegt? Wenn man vorhat zu übernachten, dann hat man auch Gepäck dabei.«

»In ihrem Auto befindet sich eine Reisetasche? Ihr Wagen steht hinter dem Haus … «

»Ja, habe ich gesehen. Das Beste wäre, wenn wir ins Pfarrhaus gehen, damit wir uns ungestört unterhalten können.«

Verwirrt bittet ihn der Priester, ihm ins Gebäude zu folgen. Während sie eintreten, spuken hunderte Gedanken durch Josephs Kopf. Böse Vorahnungen breiten sich in ihm wie dichte Nebelschwaden aus.

»Einen Augenblick bitte, ich ziehe nur mein Messgewand aus. Nehmen Sie inzwischen Platz.«

Während Peter sich auf den Fauteuil nieder lässt, bleibt Claudia schweigend an der Tür stehen. Er blickt sich um und entdeckt ein gerahmtes Zertifikat an der Wand hängen; ›Dr. Joseph Moser. Doktor der Psychiatrie‹. Ausgestellt von der berühmten Freud Universität.

»Herr Pfarrer, erzählen Sie vom Freitag und von Frau Steiger«, fordert der Kommissar den Geistlichen auf.

»Können Sie mir nicht vorher sagen, warum das für Sie von solcher Wichtigkeit ist? Ist Frau Steiger etwas zugestoßen? Ich konnte sie gestern nicht erreichen.«

»Wann haben Sie Frau Steiger das letzte Mal gesehen?«

»Das war so gegen sechzehn, siebzehn Uhr am Freitag. Nachmittags, oben am Seeblick.«

»Was haben Sie dort gemacht? Wieso waren Sie oben?«

»Frau Steiger wollte einen Ausflug machen. Es war ihr Vorschlag. Als wir uns am Seeblick oben unterhielten, erreichte mich ein Notruf. Ich musste umgehend zurück ins Tal, um das Sakrament der Krankensalbung zu spenden. Die Trauergäste haben Sie ja vorhin gesehen«, antwortet der Pfarrer wahrheitsgemäß, noch immer hoffend, dass sich seine schlimmen Befürchtungen als Irrtum herausstellen würden.

»In welcher Beziehung stehen Sie zu Frau Steiger?«

»Ich bin ein langjähriger Freund. Sie besucht mich seit Jahrzehnten. Drei-, viermal pro Jahr. Wir telefonieren auch jede Woche miteinander. Sie ist meine beste Freundin.«

»Langsam, langsam. Beginnen wir nochmals von vorne. Sie kam also am Freitag zu ihnen … «

»Ja. Sie kam unerwartet zu mir. Wir wollten uns eigentlich erst am Samstag im Berghof treffen. Sie war außer sich.«

»Außer sich, wie meinen Sie das?«, hakt der Kriminalbeamte nach.

»Wie man eben ›außer sich‹ nur sein kann. Sie verriet mir den Grund nicht. Sie wirkte verstört. Maria schien ein Geheimnis mit sich herumzutragen, von dem sie mir nie berichtete. Ich habe sie mehrmals gefragt. Aber ohne Erfolg. Sie erwähnte, dass sie von diesen Gedanken erlöst werden wollte. Ich sagte ihr, solange sie mir nicht erzählt, wovon sie sich Erlösung erhoffte, kann ich ihr nicht helfen.«

»Meinen Sie jetzt, sie kam öfter verstört zu Ihnen, oder nur gestern?«

»Öfters. Sie kam immer, wenn sie mit jemand reden musste. Und dieser jemand bin ich! Können Sie mir bitte sagen, warum Sie das interessiert? Worauf das hinausläuft?«, fragt ihn Joseph enerviert.

»Erzählen Sie mehr. Worüber haben sie sich immer im Detail unterhalten?«, bohrt Peter tiefer, ohne auf die Fragen einzugehen.

»Wie gesagt: Sie kam aufgelöst am Freitag zu mir. Ich fuhr sie mit ihrem Wagen zum Bergsee. Dann sind wir weiter, zum Seeblick hinauf und dort gab sie mir ihre Autoschlüssel, damit ich zurück ins Dorf fahren konnte. Ich sollte sie heute am Nachmittag wieder treffen und ihr den Wagen übergeben. Viel mehr kann und vor allem darf ich Ihnen nicht sagen. Damit sie das verstehen: Ich bin Marias Beichtvater. Alles, was sie mir anvertraut hat, unterliegt dem Beichtgeheimnis. Ich darf es nicht brechen«, setzt der Pfarrer resignierend fort.

»Auch nicht, wenn es sich dabei um einen Toten handelt?«

»Sie wollen doch nicht behaupten, dass es sich bei der Toten vom Bergsee um Maria handelt!?«, schlussfolgert der Priester mit zögerlicher Stimme.

»Wir wissen noch nichts Genaues. Es ist sehr wahrscheinlich.«

»Um Gotteswillen, was ist ihr zugestoßen?«, fragt der Pfarrer sichtlich betroffen.

»Woher wissen Sie von einer Toten am Bergsee?«

»Das hat gestern am Abend die Runde im Dorf gemacht. Die Einsatzwagen waren nicht zu übersehen.«

»Und wann haben Sie davon erfahren?«

»Vorhin, vor der Messe, hat man es mir erzählt.«

»Und da haben Sie nicht an Frau Steiger gedacht?«

»Nein, habe ich nicht. Und wenn, dann nur unbewusst. Es kam mir nicht in den Sinn, denn Maria hat oft ein komplettes Wochenende im Berghof verbracht und wir haben uns nur an einem Nachmittag getroffen. Sie genoss es, für sich alleine zu sein, um Kraft tanken zu können.«

»Eine Frage noch: Haben Sie sich gestritten, oben am Seeblick?«

»Nein, wieso? Maria und ich haben uns nie gestritten … «, antwortet der Geistliche empört.

»Ist sonst etwas Außergewöhnliches dort oben vorgefallen?«

»Nein, außer dass Maria einmal zu nahe an den Abgrund herangetreten ist, und ich sie zurückzog. Nein – es war nichts Auffälliges.«

»Haben Sie Bergschuhe getragen?«

»Ja, vor dem Aufstieg habe ich die Schuhe in der Sakristei des Kirchleins gewechselt. Der Weg hinauf ist steinig und steil.«

»Verstehe«, sagt Peter und schaut sich um. In der Ecke, neben der Türe erblickt er ein Paar Wanderschuhe. Er schält sich aus dem Lehnsessel und greift nach den Schuhen. Auf der Außenseite liest er: Salomon Trek II. Im Inneren, auf der Sohle ist eine goldene 44 in einem Kreis eingeprägt.

»Haben Sie diese hier vorgestern getragen?«, wendet er sich an den Pfarrer, während er das Paar Wanderschuhe in seine Richtung hält.

»Ja, das sind meine Schuhe, die ich bei der Wanderung mit Maria getragen habe.«

Peter stellt das Schuhwerk zurück. »Danke Herr Pfarrer, das war es fürs Erste. Ich darf mich doch bei Ihnen melden, wenn ich Fragen habe?«

»Jederzeit«, antwortet der Pfarrer, der eine Visitenkarte aus seinem Portmonee fingert und sie Holzinger reicht. Der Kommissar wirft einen Blick darauf. ›DDr. Joseph Moser‹, liest er und fragt:

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