Kitabı oku: «"Play yourself, man!". Die Geschichte des Jazz in Deutschland», sayfa 10

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Jammin’ mit der Goldenen Sieben

Der Trompeter Kurt Hohenberger (geb. um 1915) hatte seine Karriere bei Marek Weber, Dajos Béla und insbesondere Oskar Joost gemacht, mit dem er ab 1933 spielte und der eines der erfolgreichsten deutschen Tanzorchester der Zeit leitete. Vom September 1933 stammt Joosts Aufnahme »Orient Express« mit einem Solo des Xylophonvirtuosen Kurt Engel, ein durchgeplantes Arrangement, in dem einerseits selbst das Posaunensolo deutlich notiert ist, das andererseits mit der Nachahmung von typischen Zuggeräuschen wie dem Rattern der Räder und dem Signal der Dampfpfeife spielt, wie es zur selben Zeit auch Duke Ellington tat (und das schließlich eine kurze, nur leicht verschleierte »Hold that Tiger«-Sequenz aus dem »Tiger Rag« zum Schluss der Aufnahme enthält).


Kurt Hohenberger und sein Solisten-Orchester, um 1937. V. l. n. r.: Kurt Hohenberger, Hans Klagemann, Rudi Wegener, Detlev Lais, Fritz Schultz-Reichel, Ernst Höllerhagen

1934 hatten die Nazis eine Kapelle gebilligt – man mag fast sagen, mitgegründet –, die die Rundfunkhörer davon abhalten sollte, den anglo-amerikanischen Jazz auf ausländischen Sendern zu suchen – etwa im BBC, der jeden Tag pünktlich um 17.15 Uhr (»five fifteen«) die neuesten Hits ausstrahlte, oder auf Kurzwellensendern, in denen man mit etwas Glück die amerikanischen Originale hören konnte.135 Die Goldene Sieben sollte eine Art gemäßigten Swing darbieten, rhythmische, gern auch etwas mitreißende Tanzmusik, die aber die wilderen Exzesse, wie man sie empfand, außen vor ließ. Der Pianist Willi Stech, seines Zeichens Programmleiter des Deutschlandsenders und NSDAP-Mitglied, war zusammen mit dem aus Amerika stammenden, 1932 eingebürgerten Gitarristen Harold Kirchstein Gründer des Ensembles, das sich aus einigen der besten Solisten der großen deutschen Tanzorchester zusammensetzte. Neben Hohenberger gehörten etwa der Klarinettist Franz Thon dazu, der genau wie der Posaunist Erhard Krause und der Geiger Adalbert Luczkowski zuvor im Orchester von Hans Bund tätig gewesen war und der 1936–39 in Teddy Stauffers Saxophonsatz mitwirkte.

Die Goldene Sieben spielte zahlreiche Titel ein und wurde im Rundfunk anfangs als »die neue Tanzkapelle des Deutschlandsenders« angekündigt. 1935 nahm der Sender die Band allerdings aus dem Programm, weil den Verantwortlichen die Musik doch zu amerikanisch klang. Es folgte ein kommerzieller Plattenvertrag mit der Electrola, der die Klausel enthielt, dass das Ensemble nicht öffentlich auftreten durfte. Die Goldene Sieben war im Verlauf der 1930er Jahre auch in Filmen zu sehen und zu hören, insbesondere dann, wenn Teile der Handlung nicht in Deutschland, sondern etwa in New York spielten (etwa Allotria von 1937). Erst mit Kriegseintritt änderte sich das, als dem Regime Besänftigungsfilme wichtiger wurden: Hallo Janine etwa von 1939 mit der Musik von Peter Kreuder (»Musik, Musik, Musik«) und mit Soli des Tenorsaxophonisten Eugen Henkel oder Frauen sind keine Engel von 1942 mit Margot Hielscher und Musik von Theo Mackeben.136

Die Aufnahmen des Septetts wurden oft durch einen Bassisten als achtes Bandmitglied ergänzt, später auch durch geeignete Solisten aus der an professionellen Musikern inzwischen reichen Tanzmusikszene des Landes, den Posaunisten Willy Berking etwa oder die Klarinettisten und Altsaxophonisten Ernst Höllerhagen und Detlev Lais. Die Band spielte Instrumentalarrangements, oft von Georg Haentzschel, der Willi Stech bald auf dem Klavierhocker folgte, begleitete populäre Sänger wie Peter Igelhoff und war in großer Besetzung in einer ganzen Reihe an Spielfilmen zu hören und zu sehen. Die Qualität der Band erkennt man insbesondere in den Instrumentalstücken, in denen ambitionierte Arrangements neben exzellenten Soli zu hören waren.

Oft ist über die Goldene Sieben zu lesen, sie habe wie eine Parodie des amerikanischen Swing geklungen. Aufnahmen wie »Crazy Jacob« und insbesondere »Quartier Latin« vom Dezember 1939 (in großer Besetzung) lassen relaxt swingende Arrangements erkennen, deren Soloparts sich am Jazzideal amerikanischer Swingbands orientieren, um dann aber immer wieder durchs Arrangement eingefangen zu werden. Der »St. Louis Blues«, im November 1936 eingespielt, wird zu einer Art Arrangement-Studie über ein in der Überbetonung der Rhythmik deutlich als exotisch markiertes Thema, wobei in der Aufnahme vor allem Hohenbergers mit Dämpfern gespieltes Solo herausragt. Tatsächlich zeigen Hohenberger, Höllerhagen, Thon und auch Pianist Haentzschel in diesen Aufnahmen ein enormes Verständnis für das Swingfeeling des amerikanischen Jazz der Zeit. In Aufnahmen wie diesen mag man aus der historischen Entfernung gar nicht mehr verstehen, was denn das Deutsche in solchen Interpretationen gewesen sein soll, klingt die Band doch nicht anders als die amerikanischer Kollegen, und zwar nicht etwa die Sweet-Bands, die in den USA eine Art Easy-Listening-Swing spielten, sondern durchaus wie die großen Swingorchester, wenn auch mit etwas weniger Drive. Mit Kriegseintritt wurde die musikalisch freigeistige und weltoffene Haltung, die in diesen Aufnahmen und Interpretationen durchschien, immer kritischer gesehen. Die letzten Aufnahmen der Goldenen Sieben von 1939 zeigen im Vergleich zu den Einspielungen von 1937 eher brave und schlagerartige Arrangements sowie solistische Partien, die vor allem neue Themen einführen oder die Melodie umspielen. Nachdem Haentzschel die Gruppe verließ, bestand sie noch ein paar Monate, dann löste sie sich auf.

Durch seine Mitwirkung in der Goldenen Sieben gehörte Kurt Hohenberger zu den bekanntesten Trompetern dieser Jahre, und so war es kein Wunder, dass er zusammen mit Carl Hohenberger (seinem Bruder), Karl Kutzer und Erich Puckard beauftragt wurde, die Olympiafanfare vom obersten Podest des Berliner Olympiastadions zu blasen.137 Hohenberger erhielt mit eigener Besetzung ein Engagement im Quartier Latin in der Nürnberger Straße, Ecke Kurfürstendamm in Berlin, in dem sich in jenen Jahren Diplomaten aus allen Ländern trafen.138 Mit dieser Besetzung, die auf dem Label als »Solisten-Orchester vom Quartier Latin« angekündigt wird, ging er auch ins Studio und produzierte einige Titel, die nun wirklich swingten wie wenige zuvor. »You’re Drivin’ Me Crazy« vom Oktober 1937 folgt noch über weite Strecken dem originalen amerikanischen Schlager und enthält Soli von Höllerhagen an Klarinette und Geige sowie vom – deutlich an Earl Hines und Teddy Wilson geschulten – Pianisten Fritz Schulz-Reichel. Dagegen kann »Jammin’« vom Dezember 1937 als Musterbeispiel eines spielerischen Jazz dienen, in dem das Zusammenspiel, das Aufeinanderhören, das Freiraum-Lassen und das Spiel mit dem swing so deutlich im Mittelpunkt stehen, dass man die Aufnahme, wüsste man nicht um ihre Entstehung, vielleicht in dieser Zeit, aber gewiss nicht an diesem Ort vermuten würde, an dem sie entstand: Berlin.

In den ersten Kriegsjahren spielte Hohenberger mit seinem Orchester in der Hauptstadt oder im Rahmen von Wehrmachtstourneen auch im besetzten Holland und Frankreich. Als die Reichsmusikkammer am 1. April 1942 das Deutsche Tanz- und Unterhaltungs-Orchester gründete, damit die deutsche Bevölkerung insbesondere in Kriegszeiten nicht die ausländischen Sender einschaltete, um flotte Tanzmusik zu hören, rekrutierte man etliche Musiker aus Hohenbergers Band. Der Trompeter und Bandleader wurde 1943 eingezogen und landete in Kriegsgefangenschaft, aus der er im Februar 1946 zurückkehrte. Er leitete in den späten 1940er und 1950er Jahren noch einige Tanzkapellen, mit denen er sich unter anderem der Mode südamerikanischer Musik widmete, und zog sich um 1960 aus dem Musikgeschäft zurück.139

Hofkonzert im Hinterhaus

Der Saxophonist und Klarinettist Erhard Bauschke (geb. 1912) stammte ursprünglich aus Breslau, hatte Anfang der 1930er Jahre im Orchester des Geigers und Bandleaders José Wolff gespielt und ab 1934 bei James Kok, einem 1902 in Rumänien geborenen Saxophonisten, der sich seit den späten 1920er Jahren als Leiter von Revue- und Operetten-Orchestern einen Namen gemacht hatte. Seit 1933 hatte Kok ein Engagement im Moka Efti in Berlin-Mitte mit voller Bigband-Besetzung, eine Band, die auf Platten gelegentlich als »James Kok’s Jazz Virtuosen« angekündigt wurde und mit der er so auch terminologisch gegen den Versuch des nationalsozialistischen Regimes rebellierte, dem Jazz den Garaus zu machen. Ein Beispiel nicht nur der Qualität, sondern auch der Individualität des James Kok Orchesters ist der Jazzklassiker »Tiger Rag«, eingespielt im Januar 1935, in dem Koks Band sich etlicher Vokabeln der amerikanischen Jazzgeschichte bedient und unter anderem ein virtuoses Saxophonsolo Erhard Bauschkes herausstellt.

Im April 1935 nahm Kok den Titel »Jazznocracy« auf, eine Komposition des (weißen) Amerikaners Will Hudson, der Ende der 1920er Jahre für etliche afro-amerikanische Bands Arrangements verfasst hatte, darunter die von Fletcher Henderson, Earl Hines, Andy Kirk oder die McKinney’s Cotton Pickers. »Jazznocracy« hatte Hudson für das Jimmie Lunceford Orchestra geschrieben, das den Titel im Januar 1934 einspielte. Luncefords Aufnahme besticht durch die sich immer stärker steigernden Riffs, die dramaturgisch eingepassten, eher kurzen Solopartien und einen durchlaufenden drängenden Rhythmus. Koks Umsetzung des Arrangements, bei dem wir davon ausgehen müssen, dass es einer seiner Musiker von der Lunceford-Platte transkribiert hat, gelingt bereits in der rhythmischen Basis. Die Riffs sitzen sicher, und auch die Soli passen – insbesondere Kurt Weges Basssaxophonsolo. Diese Aufnahme ist ein weiterer Beleg dafür, wie gut deutsche Musiker den amerikanischen Stil bereits beherrschten. Technisch stimmt vieles, woran es höchstens noch mangelt, sind Fragen des Timings und der Dynamik. Man hört das am besten im Vergleich von Original und Nachspiel: So gelungen bei Kok auch der durchgehende Rhythmus ist, so sind die Riffs doch ein bisschen zu brav gehalten, und der Drive des Ganzen ist nicht drängend genug.

Tatsächlich aber beweist das Orchester mit dieser Aufnahme, dass es dem Original US-amerikanischer Swingbands näher kam als die meisten anderen Bigbands in Deutschland. Dieser Tatsache war sich auch die Reichsmusikkammer bewusst, die darüber hinaus sicher weder vom Namen der Band noch vom Titel gerade dieser Aufnahme begeistert gewesen sein dürfte. Nach den Rassengesetzen der Nazis galt Kok als »Halbjude«; ihm wurde daher am 1. Mai 1935 die Arbeitserlaubnis in Deutschland entzogen. Er nahm ein kurzes Engagement in Zürich an und ging dann zurück nach Rumänien.

Das Orchester nahm ohne Kok noch ein Sommergastspiel an der Ostsee wahr, dann gründete Erhard Bauschke sein eigenes Orchester, dem anfangs etliche der früheren Kok-Bandmitglieder angehörten. Bauschke übernahm darüber hinaus Koks Engagement im Moka Efti und dessen Sommer-Engagements in den Ostseebädern. Er hielt sein Orchester, bis er selbst sowie etliche seiner Musiker 1940 eingezogen wurden.

Bauschkes Orchester konnte auf das exzellente Zusammenspiel der Satzgruppen vertrauen, das schon unter Koks Leitung herausgestochen hatte. Der Berliner Sammler Hans Blüthner berichtet, dass er etwa 1936 eine Schellackplatte des Casa Loma Orchestra (»I Never Knew« / »Indiana«) von einem Freund habe transkribieren lassen, um mit dem Arrangement dann ins Moka Efti zu gehen, wo es das Erhard Bauschke Orchester dann Ton für Ton spielte.140 Bauschkes Pianist Herbert Gabriel erinnert sich, dass er über Jahre vom Berliner Musikhaus Alberti amerikanische und englische Jazzplatten und internationales Notenmaterial bezogen hatte, das er in eigenen Arrangements mit in die Band bringen konnte.141 Die von Bauschke erhaltenen Aufnahmen aus den 1930er Jahren zeigen allerdings eher eine Band unter straffen Zügeln. Im Januar 1937 spielte er »Seefischball« ein, Bauschkes Version von »At the Codfish Ball«, einem Hit aus dem Shirley-Temple-Film Captain January von 1936. Man kann nur spekulieren, wie Bauschke an das Arrangement gekommen ist. Weder entspricht es dem Arrangement, das im Film zu hören ist, noch der Dixielandfassung, die Tommy Dorsey mit seiner Clambake Seven im April 1936 einspielte. Sein Vorbild, sprich das Arrangement, das sie verwandten, ist hingegen in einer Aufnahme Bob Crosbys für den amerikanischen Rundfunk vom März 1936 zu hören. Und auch hier lohnt sich – insbesondere mit dem Beispiel »Jazznocrazy« im Gedächtnis – der Hörvergleich. Wo bei Crosby recht bald hinter dem kinderliedhaften Thema eine improvisatorische Umspielung durch die Klarinette erklingt, bleibt bei Bauschke das Orchester unter sich. Der Vokalchorus des Crosby-Arrangements wird ersetzt durch ein süßlich wirkendes weiteres Themenstatement mit kurzem Trompetensolo in der Bridge. Auch das Tenorsaxophon- sowie das Klaviersolo im nächsten Chorus entfernen sich nur marginal von der Themenmelodie. Zusammengefasst muss man feststellen, dass da, wo bei Crosby alles swingt – das Orchester genauso wie die Begleitung hinter den Themen- und Solochorussen –, Bauschke und sein Orchester deutlich mit angezogener Handbremse agieren. Den Vorwurf, dass diese Musik zu »hot« klinge, konnte man dieser Aufnahme gewiss nicht machen.

Auch in anderen Titeln hört man diese deutliche Zurücknahme einer nach vorne drängenden Swingrhythmik zugunsten einer sehr bewusst eingesetzten weit statischeren Spielhaltung. Mit dem »Organ Grinder’s Swing« spielte Bauschke im April 1937 (auf Deutsch als »Hofkonzert im Hinterhaus« veröffentlicht) eine weitere Komposition von Will Hudson ein. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um ein Originalarrangement Hudsons, wenn auch dessen eigene Aufnahme vom März 1936 in Details anders verläuft. Das Arrangement schien hierzulande jedenfalls bekannt zu sein, denn auch Teddy Stauffer benutzte es bereits im September 1936 als Basis für seine Interpretation, und so ist hier ein Vergleich der beiden deutschen Aufnahmen erhellend. Tatsächlich ist Bauschkes Band dichter beisammen, wirken die Satzgruppen, aber auch die Rhythmusgruppe sicherer als die Stauffers. Statt deutlich improvisierter Soli von Trompete und Klarinette bei Stauffer gibt es bei Bauschke allerdings lediglich Ansätze solistischer Antworten auf Orchestereinsätze im zweiten und vierten Chorus.

Die Frage, welche der beiden Version »jazziger« ist, würde allerdings am Interpretationsansatz der damaligen Bands vorbeigehen. Bauschke wollte, zumindest mit diesen Aufnahmen, gar keinen Jazz im Sinne der Vorbilder produzieren. Ihm ging es um eine Tanzmusik, die in Deutschland funktionierte, die keinen Widerspruch der Kontrolleure hervorrief und dennoch temporeich war und beim tanzenden Publikum ankam. Sein Pianist Herbert Gabriel, der von 1936 bis 1939 bei Bauschke spielte und arrangierte, erzählt aber auch von der Realität des Repertoires, wenn man unter sich war: »Im Efti wurde die Stimmung meist nach 10 Uhr ausgelassener, da waren auch die Schnüffler immer schon weg, zumindest die, die nicht in Wirklichkeit heiße Klänge selber gerne hatten. Da packten wir dann unsere Lieblingstitel und die der Tänzer aus. Für ›Goody Goody‹, die ›Alexander Band‹ und den ›Chinajungen‹ hatten wir aus Amerika die Arrangements, die auch der Goodman verwendete, der ›Tiger Rag‹ wurde manchmal mehrfach verlangt – wir präsentierten ihn in einer von mir arrangierten Shownummer mit Parodien anderer Tanzorchester wie Woitschach, Livschakoff oder Géczy.«142 Gabriel erinnert sich an die Aufnahmesitzungen mit dem peniblen Bandleader, der von jeder Aufnahme grundsätzlich zwei Takes machte, und er erzählt auch, dass sie neben den veröffentlichten etliche weitere Aufnahmen mit anglo-amerikanischen Titeln gemacht hätten, die dann aber wegen zu starker Jazznähe nie herauskamen.143

Es sind also zwei Wirklichkeiten, mit denen wir zu tun haben in jenen Jahren, eine öffentliche, die in Schrift und Ton dokumentiert ist, sowie eine halböffentliche, an die insbesondere diejenigen, die mit dabei waren, sich erinnern. Herbert Gabriel beschreibt »ständige Auftritte im Rundfunk, wo die Band 1936 bis 1939 eines der meistbeschäftigten Orchester war, sowie im Plattenstudio, danach zum Fünf-Uhr-Tee und abends der feste Job im Moka Efti«. Nach dem Krieg stellte Bauschke für die Abteilung Special Services der amerikanischen Streitkräfte in Frankfurt Bands für die US-Clubs in Deutschland zusammen. Auch er selbst nahm solche Gigs wahr und hatte sich eigens eine neue Bigband zusammengestellt. Er stand nach einem dieser Auftritte mit einer Tänzerin zwischen zwei Jeeps, wie Günter Boas sich erinnert, »als ein betrunkener Amerikaner mit seinem Truck auf den ersten Jeep prallte, so daß Bauschke und die Tänzerin zwischen beide Jeeps gedrückt wurden. Beide waren auf der Stelle tot.«144

Einer der in der subkulturellen Jazzszene angesehensten Klarinettisten der 1930er Jahre war Ernst Höllerhagen, von dem schon mehrfach die Rede war. Geboren 1912 in Wuppertal-Barmen, hatte er anfangs Geige gespielt, dann aber Sam Woodings Kapelle in Köln gehört und danach eine professionelle Musikerlaufbahn eingeschlagen. Er arbeitete eine Weile in den Niederlanden, wo er sich in der Band von Melle Weersma, die avancierte Arrangements spielte, stärker auf die Klarinette konzentrierte. Marek Weber engagierte ihn für Auftritte in der Schweiz, wo er ab 1936 in und um Zürich auch mit Ernest Berners Berry’s zu hören war, einer Band, mit der er im Mai des Jahres auch mit dem amerikanischen Tenorsaxophonisten Coleman Hawkins ins Studio ging. Die daraus resultierenden Aufnahmen sind sicher nicht die besten in Hawkins’ Diskographie, und in »Love Cries« belegt der Vater des Tenorsaxophons im Jazz vor allem, dass das Singen wahrlich nicht seine Sache ist. In drei der vier Titel ist eigentlich nur Hawkins zu hören, in »Sorrow« darf Höllerhagen immerhin die Themenmelodie intonieren, auf die Hawkins reagiert. Das Spannendste an diesen Aufnahmen ist wahrscheinlich, sich vor Augen zu halten, dass kaum ein anderer deutscher Musiker in diesen Jahren die Chance hatte, mit einem amerikanischen Kollegen – und dann noch einem von solchem Format – zusammenzuarbeiten, ja, wie in Höllerhagens Fall, der mit Hawkins eine Weile ein Zimmer teilte, sogar zusammenzuwohnen.

Zurück in Deutschland spielte Höllerhagen mit Teddy Stauffer und in der Goldenen Sieben, außerdem war er einer von Kurt Hohenbergers Solisten. Sein Ruf reichte weit über die deutsche Hauptstadt hinaus, und als der britische Bandleader Jack Hylton ihn 1939 für sein Orchester engagieren wollte, zögerte er nicht lang und reiste nach London. Angesichts der zunehmenden Spannungen erhielt er dort allerdings keine Aufenthaltsgenehmigung, so dass er sich entschied, nach ein paar Monaten zurück in die Schweiz zu gehen, wo er eh viele Kontakte besaß und sofort wieder Arbeit in Teddy Stauffers Band fand. Höllerhagen blieb auch nach dem Krieg in der Schweiz, trat mit Bands wie denen von Eddie Brunner und Hazy Osterwald auf und beging 1956 im Alter von gerade mal 43 Jahren in Interlaken Selbstmord.

Insbesondere in den Titeln, die er mit Stauffer aufnahm, etwa dem »Limehouse Blues« vom September 1937, hört man deutlich das Vorbild, Benny Goodman. Die Fassung, die Kurt Hohenbergers Solisten-Orchester (tatsächlich ein Septett) im April 1938 vom selben Titel einspielte, zeigt noch deutlicher, was den Musikern vorschwebt: leichtfüßige Arrangements, swingende Soli des Tenoristen Detlev Lais und des Pianisten Fritz Schulz-Reichel sowie von der Band gesungene Scat-Antworten auf Höllerhagens Altsaxophonrufe im Chorus nach dem Klaviersolo. Eine Rhythmusgruppe mit einem nach vorne treibenden Gespann aus Gitarre, Kontrabass und Schlagzeug macht die Aufnahme zu einem überaus gelungenen Stück deutscher Jazzgeschichte – denn dass dies keine »deutsche Tanzmusik« ist, sondern eine klar dem Jazz zuzuordnende Interpretation, muss auch 1938 jeder gemerkt haben.

Wir haben bereits einige Vergleiche angestellt. Dennoch: Man muss mit Vergleichen vorsichtig sein. Musiker der 1930er Jahre hatten natürlich Vorbilder, und für viele stammten diese aus den USA. Man könnte also versucht sein, den einen oder anderen mit seinen Idolen in direkten Bezug zu setzen, den deutschen Benny Goodman zu suchen, den deutschen Louis Armstrong und so weiter. Aber man tut ihnen unrecht, wenn man sie nur an den Maßstäben ihrer amerikanischen Kollegen misst, die schließlich tagein, tagaus die swingende Musik des Jazz erleben konnten, ja, selbst mitentwickelt hatten. Ernst Höllerhagens Vorbild mag also Benny Goodman gewesen sein, er besaß einen ordentlichen Ton auf seinem Instrument, konnte Läufe und Verzierungen spielen, die er sich beim Vorbild abgeschaut hatte, war aber bei weitem nicht so virtuos oder in seinen Soli so kreativ wie Goodman. Der Vergleich ist also ungerecht. Man sollte sich stattdessen eher vor Augen halten, dass sich da Musiker – meist ohne direkten Austausch mit dem Original – einen Stil erst erarbeiteten und dabei versuchen mussten, einen eigenen Weg zu finden, der den Spagat ermöglichte: Jazz à la Swing zu spielen und doch die Reichsmusikkammer nicht zu sehr herauszufordern.

Der Klarinettist Benny de Weille wurde 1915 als Sohn eines niederländischen Vaters und einer deutschen Mutter in Lübeck geboren. Als er 16 war, zog seine Familie nach Amsterdam, und de Weille erhielt klassischen Klarinettenunterricht. Schon seit Lübeck aber war er vom Jazz begeistert gewesen und begann, in einer Tanzkapelle zu spielen. 1937 ging er nach Berlin und arbeitete bis November 1938 bei Stauffer. Nach der Neufassung der Ausländerpolizeiverordnung 1938 wurde de Weille von der Reichsmusikkammer als Ausländer geführt, was es ihm schwer machte, Engagements zu finden. Er nahm etliche Platten mit Willy Berking auf und wurde mit diesem und anderen Musikern 1940 in eine der vielleicht seltsamsten Besetzungen des »Dritten Reichs« berufen, die an späterer Stelle einen eigenen Einschub verdient: Charlie and his Orchestra.

Unter eigenem Namen spielte de Weille mit seinem Sextett im März 1942 »So oder so ist es« ein, eine Komposition von ihm und dem Pianisten Primo Angeli, bei der Willy Berking am Vibraphon mitwirkte und die damit ein wenig die Tradition der Benny Goodman Small Bands aufnahm, klein besetzter Ensembles in Trio- bis Sextett-Größe, die bei Konzerten der Bigband des Klarinettisten für klangliche Abwechslung sorgten. Angeli spielt ein enorm swingendes Solo, und mit Alfio Grasso und Meg Tevelian hat die Band gleich zwei Gitarristen, greift also das Beispiel der Rhythmusgitarre im Quintette du Hot Club de France von Django Reinhardt auf, der im letzten Gitarrensolo Tevelians dann auch stilistisch deutlich Pate steht. »Tanzende Schatten«, »Tanz der Pinguine« und »Das alte Spielmannslied« heißen die anderen drei Titel derselben Aufnahmesitzung, doch so unschuldig verträumt diese Titelformulierungen wirken, so swingend ist die Musik auf den Platten. De Weille, Berking und den anderen Musikern gelingt dabei eine Jam-Session-Atmosphäre, wie Lionel Hampton sie Ende der 1930er Jahre mit Kollegen aus anderen US-amerikanischen Bigbands in klein-besetzten Aufnahmen pflegte.

Wir erfahren in solchen Beispielen zugleich, worauf es beim Hören zu achten gilt, wenn man die Jazzkenntnisse der Musiker in jenen Jahren beurteilen will. Selbst bei den besten Solisten gibt es einen offensichtlichen Unterschied zwischen dem, was sie mit großem Orchester für einen breiteren Markt produzierten, und den selteneren Aufnahmen mit kleinem Ensemble, die in der Regel weit improvisatorischer und swingender angelegt waren. Während die Orchesterarrangements meist tatsächlich eine Art »deutschen Weg« nahmen – steifer, melodiebetonter, mit zurückhaltenden, meist vor allem die Themenmelodie direkt umspielenden oder verzierenden Solopartien –, zeigte sich in den Smallband-Aufnahmen deutlich, was die beteiligten Musiker im Ohr hatten, was sie eigentlich gern spielen wollten, wer ihre Vorbilder waren und dass sie sich deren Stilistik sehr wohl bewusst waren. Sie zeigten zudem, dass es neben all den Tanzmusikprofis Musiker in Berlin gab, die sich in Qualität und swing auf der Höhe ihrer amerikanischen Kollegen befanden.

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