Kitabı oku: «Incubus Expeditus», sayfa 6
Allerdings ergaben sich so auch andere Probleme, viel tiefgreifender, mehr als er sich bisher erahnen konnte...
1DIE Jugendorganisation in der DDR. Klassenfahrten, Ferienlager und außerschulische Aktivitäten wurden organisiert. Sie waren ähnlich einer Armee gegliedert (ähnelten Pfadfindern). Jungpioniere: 1. bis 4. Klasse: weißes Hemd mit dem Logo „JP“, blaues Käppi, blaues Halstuch. Thälmannpioniere: 4. bis 7. Klasse: ebenfalls weißes Hemd mit demselben Logo, blaues Käppi, aber rotes Halstuch.
2Ein Kombinat war eine Firma würde man heute sagen. Alle waren unter sogenannten Volkseigenen Betrieben (VEB) organisiert. Es gab Lederkombinate oder Elektronikkombinate und so weiter.
3Eine Brigade war so etwas wie eine Abteilung in einem Kombinat. Jede Schulklasse hatte eine Patenbrigade, meist von einem Elternteil, die auch ab und an Veranstaltungen organisiert.
4Eine Spartakiade ist ein sportlicher Wettkampf in verschiedenen Disziplinen, vergleichbar mit einer Jugendolympiade, aber eben mit Schülern aus verschiedenen Schulen der ganzen DDR.
5 Die nächsthöhere Jugendorganisation. Von der 7 bis zur 10. Klasse. Alle trugen blaue Hemden mit dem Logo „FDJ“ und ein rotes Halstuch.
8
Als der Dämon seine Erzählung beendet hatte, waren die kleinen Feen zuerst etwas betrübt über diese Vorfälle. Sie überlegten kurz und fingen an, sich untereinander zu beraten.
„Es gibt also doch Wesen wie uns, außerhalb von hier! Bisher hielten manche von uns sie für ein Gerücht“, begriff eine.
„Sind die dort alle so böse?“, fragte eine andere.
„Und die Menschen? Wieso sind die so?“, wollte noch jemand wissen.
„Was ist mit Shynn? Weiß einer von euch, ob so etwas schon früher einmal geschehen ist, dass ein Mensch auf diese Art und Weise handelt? Ich wüsste nicht“, sagte eine weitere Wesenheit.
Niemand konnte dazu etwas sagen.
Weil Shynn sich nicht ganz selber aus der Unterhaltung ausschließen wollte, warf er ein: „Hab den Körper ja immer dann verlassen, wenn mich tiefe Verzweiflung dazu getrieben hatte. Irgendwie ein doofes Gefühl, als Mensch so machtlos zu sein. Meine natürlichen Fähigkeiten konnte ich als Kai ja nicht ausspielen.“
Sie diskutierten noch eine ganze Weile erregt, während die Umgebung öfter einmal die Farbe, das Verhalten und somit auch die Gefühlslage wechselte, was stellenweise in einem Tempo geschah, welches manche Geschöpfe darin überforderte, sodass sie die Gegend fluchtartig verließen.
Andere wiederum, die zudem älter und/oder weiser waren, waren neugierig und schlossen sich sogar der Runde an.
Eine Dryade befand sich auch unter den Neuankömmlingen. Sie hatte borkig strukturierte Haut, und der Kopf war von grünem, laubähnlichem Haar umgeben. Die Beine dieser Baumkreatur waren wie dünne Baumstämme, deren Füße wie Wurzeln erschienen. Die Arme sahen wie Äste aus, die in langen, holzigen Zweigen endeten.
Sie meinte sogar: „Das sind schon komische und zwiespältige Geschöpfe, aber es gibt auch welche von unserer Art, die noch schlimmer sind. Manche von denen sind in ihrer Gefühlswelt wohl extremer und unbändiger als diese.“
„Woher kennst du denn die Menschen, Baumgeist?“, fragte Shynn.
„Ich war schon öfter dort, denn als Baum sieht man sie ja kommen und gehen, wenn sie einen nicht fällen, um Kleinholz aus einem zu machen. Man sieht sie handeln und hat dann eine Menge Zeit, sich seinen Teil zu denken.
Deine Wut war der Schlüssel, dich von deinem Körper zu lösen, wenn auch nur in der Nacht und dann auch nur kurz. Sie ist vielleicht auch der Grund, warum du hier die Erinnerungen von deinem Leben als Mensch hast, die Erinnerungen an dein eigentliches Selbst vergessen oder verdrängt hast.
Deine Triebe müssen schon davor stark gewesen sein, vielleicht solltest du doch mit Wesen reden, die umtriebiger sind als wir. Mir fallen da nur Wassernymphen oder Windgeister ein.“
„Deine Erinnerungen scheinen ja noch irgendwie vorhanden zu sein, denn sonst würdest du wesentlich orientierungsloser hier herumlaufen und wüsstest gar nichts. Dir wäre nicht bewusst, dass du ein Geist bist und du hättest diese Gestalt nicht, sondern wärst nur ein kleines Leuchten“, meinte eine der verbliebenen Waldfeen dazu.
„Ja, stimmt! Er wusste, was wir sind, als er uns begegnet ist!“, riefen andere dazwischen.
Alle waren sich langsam einig, dass Shynn andere Orte suchen sollte, um einerseits andere Ansichten zu bekommen, andere Kreaturen zu befragen und vielleicht auch den Teil von sich wiederzufinden, der ihm fehlte. Vielleicht waren es auch mehrere davon, oder auch nur Erinnerungen.
Er wusste zwar jetzt nicht wirklich, wer oder was er war, aber immerhin war er auf dem richtigen Weg. Besser als nichts.
Er spielte aus Dank für die offenen Ohren noch eine ganze Weile mit den Waldkreaturen, die ihn beraten hatten und bedankte sich bei allen noch einmal.
Die Feen nahmen wieder ihre leuchtende Schmetterlingsgestalten an und verschwanden langsam im Wald. Ebenso die Dryaden, die mit den Bäumen verschmolzen oder selbst zu welchen wurden. Auch alle anderen Wesen zogen sich auf die ihnen angemessen erscheinende Weise zurück.
Shynn blickte ihnen nach und wandte sich ab. Seine Gedanken kreisten noch lange über das Gespräch, während er diesen Wald verließ, um seiner Wege zu ziehen.
Nach einer geraumen Zeit und Strecke nahm er ein Plätschern wahr. Er folgte diesem Geräusch, zu dem sich auch Gelächter gesellte. Bald sah er aus der Ferne zwischen roten schilfartigen Pflanzen Gestalten hin und her huschen. Außerdem glitzerte es dort, als würde Licht am Boden reflektieren. Wie... Wasser.
Er konnte es fast schon riechen. Wasser!
Er lief schneller. Bis er tatsächlich an einen Fluss kam.
Ihm fiel ein, dass er die Geschöpfe dort nicht kannte oder diese ebensowenig einschätzen konnte und er besser erst einmal beobachtete, wie die so drauf waren. So suchte er sich ein Versteck, von dem aus er sie besser sehen konnte.
Nicht sofort fand er einen geeigneten Beobachtungsposten. Dort, die drei Steine fielen aus, zu flach. Und dort drüben war das Schilf zu spärlich, da hätte er sich ja gleich offen hinstellen können oder brüllen können: „Hier bin ich!“
„Pst!“ machte es aus einer anderen Richtung. In der Nähe stand ein einzelner Baum, der ihn zu sich heran winkte. Shynn wunderte sich und der Baum flüsterte: „Los, komm her, wenn du nicht gleich entdeckt werden möchtest.“ Nun gut, dachte er sich und folgte der Aufforderung.
Das Gewächs war ebenfalls eine Dryade, stellte er fest, aber eine andere als die aus dem Wald bei den Feen. Diese hier sah einer Trauerweide ähnlicher, mit sehr langen Ästen mit viel Laub, das ihr haargleich vom Kopf hing. Der Baumgeist hatte recht. Ein gutes Versteck.
„Du bist Shynn, oder? Ein Lüftchen hat mir eine Botschaft gesandt. Man hat mir gesagt, dass du auf einer Suche bist. Und dass dich einer meiner Artgenossen an die Nymphen verwiesen hatte. Ich sage dir, die sind mit Vorsicht zu genießen, wenn man sich ihnen zu auffällig und zu forsch nähert. Das mögen sie gar nicht. Wasser kann sanft sein, aber auch unberechenbar und außer Kontrolle. Kletter am besten an mir hoch und beobachte sie von dort.“
Das Weidengeschöpf war ziemlich groß und anscheinend auch älter als sein Artgenosse aus dem Wald, also sprang Shynn aus dem Stand nach oben, wo er sich unter den Haaren des Wesens so drapierte, dass er fast völlig von ihnen verdeckt wurde und das Treiben noch gut im Blick hatte.
Der Fluss sah von oben breiter aus und schlängelte sich leise rauschend und plätschernd durch eine hügelige Landschaft mit Wiesen, Büschen und vereinzelten Bäumen, von denen die größten in Wassernähe standen. Er wirkte sehr lebendig, fast wie eine Schlange, nur dass man weder den Kopf noch den Schwanz sehen konnte.
Manchmal schien es, als änderte er immer wieder ein wenig seinen Lauf. Deswegen wuchs das hohe Schilf auch weiter von den Ufern weg. Überall roch es nach feuchter Erde und an manchen Stellen leicht sumpfig und nach vermodernden Pflanzen.
In der Nähe seines Verstecks hörte er etwas plätschern und immer wieder jemanden kichern, bis er sie sogar sah: nackte Gestalten, Menschen recht ähnlich.
Sie hatten fischartige Schuppen mit individuellen Farben und Mustern, langes, wallendes, meist algengrünes Haar, Schwimmhäute zwischen Fingern und den langen Zehen, Kiemen und Flossensäume auf dem Rücken.
Bei genauerer Betrachtung sah er, dass sie ausnahmslos weiblich waren, mit Busen und Rundungen, wie bei menschlichen Frauen. Ihre Gesichter waren ebenso geformt.
Die Ohren waren anders, sie sahen aus wie Flossen oder Kiemen und waren sicher auch welche. Auch die Augen unterschieden sich, sie waren größer, glänzender und schienen sich je nach Stimmung zu verändern. Ab und zu schob sich eine Nickhaut darüber.
Sie spielten und tollten im und am Fluss. Manche wandelten ihren Unterkörper in einen Fischschwanz um, wenn sie schwammen, andere paddelten mit zwei Beinen umher. Andere liefen ganz ausgelassen mit viel Geplatsche und Gelächter hintereinander her.
Die Umgebung wurde unruhiger, was die Wassergeister nicht zu bemerken schienen. Das Schilf wedelte wie wild hin und her, selbst Shynn und die Dryade veränderten sich.
Er wurde unruhiger und blickte sich mit nun roten Augen suchend um, ohne zu wissen wonach. Der Baum raschelte und peitschte mit den Ästen. Er verlor dabei einen beträchtlichen Teil seines Laubes. Vogelähnliche Wesen flatterten auf. Insektenartige sprangen durcheinander herum und zirpten wie wahnsinnig.
Eine andersartige Kreatur sprang sehr plötzlich aus dem Schilf fast mitten unter die Nymphen.
Dieses Geisterwesen hatte Hörner, gewunden wie Shynns, genau wie dieser besaß es lange spitze Ohren. Es, besser gesagt er, war wie die Wasserwesen nackt. Der Unterkörper mitsamt den Beinen sah aus wie bei einer Ziege oder einem Wildschaf. Braunes Fell kleidete die unteren Regionen.
Die Beine glichen denen eines Zehengängers, genauer gesagt eines Paarhufers. Rötliche Haare, die flammenartig zu Berge standen und ein ebenso gefärbter Spitzbart zierten seinen Kinn.
Ein Faun. Kein Zweifel.
Dieser versuchte die Undinen zu fangen, zumindest eine von ihnen. Er war fest entschlossen, schien es. So wie die Nixen es waren, ihm zu entkommen. Er wurde immer wütender, als ihm wieder eine durch die Finger schlüpfte.
Und auch den Wasserfrauen reichte es. Die Umgebung wurde schon sehr dunkel und auch der Fluss selber fing an, hohe Wellen zu schlagen, um den Störenfried loszuwerden.
Die Flussgeister veränderten ihre schöne Gestalt, die Gesichter wurden immer fischähnlicher, die Flossensäume auf den Rücken der Wesen richteten sich auf und wurden stacheliger, gezackter und sie entblößten scharfe, spitze Zähne und fuhren ebensolche Krallen aus. Sie griffen an.
Shynn sah ziemlich aufgeregt zu, aber er befand sich im Zwiespalt. Einerseits dachte er, dass er froh war, dass er nicht die geballten Emotionen dieser Kreaturen zu spüren kriegte und hier nicht ins Kreuzfeuer geriet. Außerdem hatte er auch irgendwie Mitleid mit dem Ziegenwesen, weil dieses anscheinend nur einem tiefen Instinkt folgte. Andererseits sah er irgendwie auch eine Chance, ein Gespräch anzufangen. Bestenfalls mit beiden Spezies. Denn er könnte von allen Beteiligten Nützliches erfahren. Aber wie?
Die Rage der Nymphen hatte sich schon so gesteigert, dass der Bock nach verzweifelter Gegenwehr die Flucht ergreifen musste. Die Gelegenheit zum Handeln bot sich, als das Gerangel sich fast unter dem Baumgeist verlagerte, unter dessen Blätterdach sich der Dämon versteckte.
Er sprang herunter, mitten zwischen die kämpfende Meute. Seine Aura entlud sich explosionsartig, um die Kontrahenten voneinander zu trennen. „Schluss damit!“, brüllte er.
Beide Seiten schauten recht erstaunt aus der Wäsche, und sahen nun allesamt wie glotzäugige Fische aus. Sie hatten alle miteinander nicht mit einem Dritten gerechnet.
Zu dem Satyr gewandt grollte er mit ernstem Blick: „Was soll das? Ist dir langweilig? So zwischen die zu fahren?“, während er auf die Wasserwesen zeigte.
An die Nymphen gerichtet, mit ebensolcher Miene, sagte er: „Und ihr reißt euch jetzt auch erst einmal zusammen! Ihr versetzt die Gegend in Aufruhr!“
„Der ist doch schuld!“, entgegneten diese.
„Blaaa blaa blaa“, blökte der Bocksbeinige.
„Schnauze halten! Und zwar alle Spezies!“, knurrte Shynn nun ziemlich angefressen. Er wandte sich erneut dem Faun zu: „Was ist dein Problem, Mann?“
„Blöde Frage, ausgerechnet von einem ebenfalls Gehörnten. Ich wollte die Schicksen etwas aufmischen. Das liegt nun mal in meiner Natur! Ist das bei dir nicht genauso? Schließlich bist du doch wie ich?!“
„Mach mal die Augen auf, seh ich wie ein Paarhufer oder ein Wiederkäuer aus?“, wies er auf seine menschenähnlichen Füße hin und bewegte alle zehn Zehen.
„Trotzdem sind welche wie du immer hinter weiblichen Geschöpfen her“, hing sich eine der Flussnymphen rein, die das Schuppenmuster einer Regenbogenforelle aufwies.
„Woran machst du das fest?“, wollte Shynn, die Angesprochene anfunkelnd, wissen.
Stumm zeigte sie auf seine Hörner.
Der Ziegenmann blökte dazu: „Siehste, bist doch wie ich!“, woraufhin Shynn sich an den Kopf griff und sagte: „Bin ich nicht, bin ja keine halbe Ziege.“
„Ziegenbock!“
„Mir doch egal, schmeißt mich nicht mit dem Typen in einen Topf. Ich wollte hier jedenfalls nicht rumwüten oder irgendwem von euch an die Schuppen. Ich steh weder sonderlich auf Fische noch auf Ziegen. Sondern wollte nur was wissen...“
Beide Seiten schauten etwas verdattert über das lose Mundwerk des Fremden und wollten schon losschimpfen, ob er was gegen sie hätte. Eine etwas vernünftigere Wasserfrau hielt inne und kam schließlich auf ihn zu mit der Absicht, ihn sanft an der Schulter zu berühren. Shynn wich von ihr zurück und motzte: „Lass das!“
„Oh, er ziert sich“, lachten andere. Und er schaute sie streng und ziemlich erbost an, sodass sie zurückzuckten.
Er murrte: „Wenn ihr wüsstet, was ich im Leben durch hatte, dann würdet ihr mich besser verstehen, warum ich auf weibliche Wesen nicht gut zu sprechen bin.“
Der Faun wollte die Ablenkung nutzen, um sich nach seinem Auftritt von vorhin auf schleichende Weise aus der Affäre zu ziehen, doch Shynn bemerkte dies, sprang zu ihm hin, um ihn in die Runde zurückzuholen.
Er zischte ihm zu: „Das lässt du erst mal sein und hörst mit zu, vielleicht ist in deinem dicken Schädel auch ein nützlicher Gedanke versteckt. Außerdem ist die Sache zwischen dir und den Fischweibern da noch nicht vom Tisch.“
„Ja, ja. Schon gut, ich bleibe hier“, fügte sich dieser.
„Wie heißt du denn überhaupt?“, fragten die Nymphen, als sie sich langsam wieder beruhigten.
„Shynn. Aber als ich noch ein Mensch war, hieß ich Kai.“
„Und du, Satyr?“, fragten sie, um ihn trotz seines Fehlverhaltens nicht ganz außen vor zu lassen.
„Ossath.“
„Du warst ein Mensch? So siehst du aber gar nicht aus, eher wie ein vollwertiger Dämon, ein mächtiger noch dazu“, richtete eine andere der Wasserfrauen das Wort an Shynn.
„Glaubt mir oder lasst es. Und genau da liegt der Punkt. Ich bin ein Dämon, hab auch die Kräfte von einem, aber statt meiner Erinnerung als solcher, hab ich die Erinnerungen nur von meinem menschlichen Leben. Ich möchte herausfinden, was genau ich bin? Wo meine Erinnerungen sind. Und wo der Teil von mir hin ist, der eigentlich diese Erinnerungen haben müsste“, antwortete dieser.
„Wie war dein Leben als Mensch so?“, bohrte sie weiter.
„Was das Zugehörigkeitsgefühl angeht: Beschissen. Und euer Szenario gerade führte mir wieder vor Augen, was mich daran genervt hatte. Also das hatte ab einem Punkt meines Daseins mit dem weiblichen Geschlecht zu tun. Hört zu, das war so...“
9
Anfang der siebten Klasse
Es war noch relativ warm an diesem Schultag. Die Klasse 7b saß noch beim Mathematikunterricht. Frau Altmann, die blonde, schon etwas ältere Fachlehrerin schrieb etwas an die Tafel, während sie dazu langatmige Erklärungen abgab. Gleichungen mit x und y. Die Klasse stöhnte auf und konnte das Klingeln zur großen Pause nicht mehr erwarten.
„Aufgepasst, wenn ihr den Term hier hinüberzieht, müsst ihr an den Rand die entgegengesetzte Rechenoperation hinschreiben, auf der einen Seite des Gleichheitszeichens müsst ihr ihn abziehen und unter Verwendung des Minuszeichens statt des Pluszeichens auf der anderen Seite wieder hinschreiben.
Schreibt euch den Rechenweg bitte auf und löst bis nächste Woche die Aufgaben im Buch auf Seite 17 zu Hause.“
Das Stöhnen und Murren der Schüler wurde lauter.
Es klingelte zur Pause, die Teenies packten ihre Siebensachen zusammen und verließen das Zimmer, um auf den Schulhof zu gehen.
Kai ließ sich Zeit. Er wäre normalerweise als einer der Ersten weg gewesen, wenn es nach ihm gegangen wäre, aber zu oft wurde er in der Tür von dem einen oder dem anderen Mitschüler mal eben angerempelt, um dann mit Worten, wie: „Pass auf, wo du hinläufst, du Blödmann!“ belegt zu werden.
Darüber wunderte er sich schon: sie rempeln ihn an, und das mit Absicht, um ihm dann die Schuld dafür zu geben. Oft ärgerte er sich noch zu Hause innerlich über eine solche Situation.
So verließ er den Raum als Letzter, als er sah, dass er allein war.
Auf dem Schulhof war das Getümmel groß. Alle Schüler waren draußen. Die Älteren standen an den Bänken oder den Bäumen herum, sie aßen, redeten, lachten oder machten alles zugleich.
Das hatte erneute Lachsalven zufolge, vor allem bei den Jungs. Manche rangelten. Die Jüngeren rannten überall herum, spielten noch Fangen oder kabbelten ebenfalls. Manche zockten Videospiele.
Kai stand wie jeden Tag um diese Zeit vor dem selben Dilemma. Er suchte Anschluss, nur bei wem? Er passte nicht zu den Gleichaltrigen, zu den Jüngeren aber auch nicht, obwohl er diese mittlerweile besser verstand und sich so eher zu ihnen hingezogen fühlte.
Anfangs hatte er probiert, bei denen Anschluss zu finden, da er durch sein verzögertes Wachstum eher aussah, als wäre er einer von ihnen.
Das bekamen einige seiner Altersgenossen und Klassenkameraden mit, sodass er in ihren Augen zur Witzfigur wurde.
Also verbrachte er die Hofpausen in der Regel alleine, wo er seine Ruhe hatte vor dem Lärm und den Blicken und den anderen. Wenn sie ihn ließen...
Da waren sie wieder, die zweieiigen Zwillingsschwestern. Marie und Louise aus seiner Klasse. Mein Gott, haben die nichts Besseres zu tun?
Nach dem zweiten Mal während seiner Zeit an dieser Schule, sagte er auch zu ihnen, dass sie ihn in Frieden lassen sollen, was sie eher zum Lachen brachte und noch mehr anstachelte, ihm die Pause zu verderben, indem sie ihm nachstellten, wenn sie ihn sahen.
Kai verzog sich und sie liefen ihm nach. Das machte so echt keinen Spaß.
Auch Silvio, der Arsch und sein dämlicher Kumpel Micha machten ihm öfter das Leben schwer, seit Sebastian an der Mittelschule war.
Aber heute nicht, da waren’s nur die beiden Zimtzicken. Das reichte auch schon. Sie wurden durch einige andere Kinder abgelenkt, so dass er sich wieder ins Schulgebäude zurückziehen konnte. Dort hing er seinen Gedanken nach.
Er würde auch gerne zocken, aber das ließ er hier lieber bleiben, denn er wollte nicht, dass ihm wieder jemand seinen Handheld klaute. Das war vor zwei Jahren schon einmal passiert.
Die Diebin wurde von der Schule geschmissen, als rauskam, dass sie auch andere Kinder abgezogen hatte. Gehörigen Anschiss bekam sie deswegen auch. Ebenso wurden ihr Sozialstunden aufgebrummt.
Kai war schon verwundert, als seine Konsole am nächsten Tag, nachdem sie ihm weggenommen wurde, wieder auf seinem Schreibtisch auftauchte.
Er ahnte schon lange, dass seine Träume, beziehungsweise der Teufel, von dem er in ähnlichen Situationen träumte, dafür verantwortlich gewesen sein könnte.
Das dumme Gesicht der fiesen Kuh hätte er an nächsten Morgen gern gesehen, als ihre Eltern das Diebesgut, was das Wesen bei ihnen schön auf den Präsentierteller gelegt hatte, entdeckten. Das hatte sicher zum Totlachen ausgesehen.
Shynn hatte somit mal etwas getan, was nicht nur Kai zugute kam.
Die Pause ging zu Ende und alle mussten wieder ihre Unterrichtsräume aufsuchen.
Geschichte stand auf dem Plan. Was in den ersten beiden Jahren aufgrund der Themen noch für Kai interessant war, wurde jetzt mit all den Jahreszahlen und Ereignissen, wo ein Krieg den nächsten jagte, zur langweiligen Wiederholung altbekannten Zeugs.
Der Lehrer war ein großer Mann Mitte vierzig, der den Stoff zwar strukturiert vermittelte, aber wenig interessante Hintergrundinformation lieferte.
Außerdem war der Stoff durch dessen monotone Stimme stinklangweilig. Im Moment ging es um das Mittelalter und die Völkerwanderung.
Mädchenspielchen
In der Pause sorgten Tina und Cindy für Ärger bei Kai. Er schaute aus dem Fenster, bis er sich erschrak, weil ihm Tina einfach so in den Hintern kniff.
Er drehte sich verärgert um, löste bei den um die beiden stehenden Mädchen nur Lacher aus. Gewissensbisse machten sich breit bei ihm, denn er überlegte sich nämlich, was wäre, wenn er das bei einer von ihnen gemacht hätte? Dann wäre eine Ohrfeige vorprogrammiert. Aber ein Mädchen schlagen? Das würde doch nur dazu führen, dass er als Gewalttäter hingestellt werden würde, obwohl so eine Reaktion auf so einen Übergriff durchaus auch als Affekthandlung möglich wäre. Wenn er ein Mädchen wäre, das von einem Jungen so behandelt worden wäre... Was aber in diesem Fall?
Für welches Übel entscheidet man sich? Wie so oft stellte sich diese Frage. Also setzte er sich wieder hin und sagte kein Wort mehr, auch in der nächsten Stunde nicht.
Die sind doch so was von bescheuert!, dachte er sich wütend.
Als nächstes war Deutsch dran, bei der Klassenlehrerin, Frau Dippolt, einer kleinen schlanken Frau mittleren Alters mit roten schulterlangen Haaren, die meist Kleidungstücke trug, die von den Mustern her, denen aus den Siebzigern ähnelte. Sie benutzte zu Kais Glück nur dezentere Parfüms.
An sich war sie nett und in Ordnung, aber was die Mädchen anging, die in dieser Klasse weit in der Überzahl waren, betriebsblind.
Sie war gerecht, wenn sie mitbekam, dass etwas im Argen war. Leider kontrollierte sie die wenigen Jungen mehr als die vielen Mädchen.
Achtundzwanzig Kinder waren es in der 7b davon vier Jungs und der Rest waren Mädchen. An Diverse hatte in dieser Zeit noch niemand gedacht.
„Kai, lies bitte den Absatz aus der Geschichte von Seite 43 bis 44 vor“, forderte sie ihn auf.
„...“ Kai schwieg, da seine Gedanken immer noch um Jungen und Mädchen, deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede und um gerechte und gleiche Behandlung beider Geschlechter kreisten. Ihm fiel das ja auch im Sportunterricht auf, dass die Benotung höchst ungleichartig ist, denn manche Mädchen waren kräftiger und manche Jungen eben nicht. Er für seinen Teil konnte jedenfalls keine drei Kilogramm schwere Kugel sehr weit werfen...
„Kai!“
„W-wie?“, stammelte er.
„Ach, weilst du auch wieder hier?“, wurde sie etwas pikiert. Einige aus der Klasse fingen schon an zu kichern.
„Wo waren wir?“ fragte er.
Sie überging ihn und fragte ein Mädchen, welches mit einer ähnlichen Frisur wie Kai herumlief und oft mit einem Holzfällerhemd und einer Jeanshose bekleidet war. „Jana, bitte lies du vor.“
Die Aufgeforderte setzte sich ihre Brille auf und las mit näselnder Stimme.
Kai versuchte noch den ersten Sätzen zu folgen, versank aber bald wieder in seinem Leck(t)-mich-am-Arsch-Land. Er hatte die Nase voll.
Zum Glück war dies die letzte Stunde für heute.
Seltsames Verhalten
Nach Schulschluss sah er zu, dass er sich schleunigst davonmachte. Er hatte sich aufgrund der vielen Jugendcliquen angewöhnt, jeden Tag seinen Nachhauseweg zu wechseln.
Er wusste mittlerweile schon, wem er am besten aus dem Weg ging: David Winkler, der zwar ein oder zwei Jahre jünger war als er und in die Mittelschule ging, bedrohte oft andere Kinder, der kleine Tyrann. Um nur einen zu nennen.
Von den vielen älteren Jugendlichen, da fiel ihm nur Béla ein. Von diesem Psychopathen hatte er bisher nur gehört, war ihm aber bisher nicht aufgefallen. Beziehungsweise wusste er nicht, wie dieser aussah und wo er sich herumtrieb.
Diesmal war er nicht alleine: Tina hatte sich in den Kopf gesetzt, mit ihm zusammen nach Hause zu gehen. Sie wohnten von der Luftlinie aus gesehen, nicht weit auseinander.
Sie fing an zu erzählen. Kai erwiderte immer etwas, wenn er etwas darüber wusste. Bei sich dachte er schon, dass sie eigentlich ganz nett wäre, wenn sie so etwas wie vorhin nicht gemacht hätte.
Er traute sich aber nicht, sie darauf anzusprechen. Er hatte schon das letzte halbe Jahr das Gefühl, als wechselte die Mitschülerin ihr Verhalten immer nach dem Wind.
Sie war recht hübsch mit ihrem runden Gesicht, ihrem im Gegensatz dazu schlanken Körper und ihren langen, braunen, lockigen Haaren. Aber er wurde aus ihr nicht schlau.
Sie bog in Richtung ihrer Straße ab und er lief weiter.
Zu Hause ging er in sein Zimmer und warf seinen Fernseher an, um sich seine nachmittägliche Dröhnung Zeichentrickserien zu geben, bevor er seine Hausaufgaben in Angriff nahm.
Manches davon war Kinderkram, aber als eine seiner liebsten Serien sah er die mit den vier Weltraumpolizisten, die wegen bionischer Implantate Superkräfte hatten. Die war aber auch gut gezeichnet und er sah in fast jeder Folge einfallsreiche außerirdische Kreaturen.
Die mit den Kindern, die durch eine Geisterbahn in eine fremde, mittelalterliche Fantasiewelt gezogen wurden, um dort mittels magischer Gegenstände gegen den fünfköpfigen Drachen oder dem Finsterling mit dem Horn und dem schwarzen Umhang zu kämpfen, mochte er auch sehr.
Oder die, wo eine Familie in einer riesigen Höhle landete, wo sie es neben Urzeittieren aller möglichen Zeitepochen auch mit Höhlenmenschen zu tun hatten. Lauter Zeug, um die Zeit tot zu schlagen. Aber genau seine Welt, wenn die echte für ihn scheinbar nichts Gescheites zu bieten hatte.
Als diese Serien vorbei waren, setzte Kai sich an die Hausaufgaben, die er lieber so schnell es ging erledigte, als sie tagelang aufzuschieben, was ihm mehr Chaos im Kopf verursachen würde, als es wert wäre.
Der Tag verging...
Weihnachts(f)eierei
Die Woche verging...
Ebenso die Monate danach, wo er eher verwirrt über das jetzt wieder merkwürdige Verhalten seiner Altersgenossen war, vor allem der Mädchen, von denen einige ihm oft mit Sticheleien, blöden Sprüchen und anderen Aktionen auf den Nerv gingen.
Die Weihnachtszeit stand bald vor der Tür und in der Klasse fand vor den Ferien ein Unihoc-Turnier statt und danach eine Weihnachtsfeier mit Wichtelgeschenken.
Kai hatte Katharinas Namen gezogen. Die dunkelhaarige Zicke nervte auch oft und er kannte sie nicht gut genug. Ihm fiel nichts ein, was er ihr schenken sollte.
Ihm behagte es nicht, für eine fiese Göre Geld auszugeben, die oft gegen ihn stichelte. Irgendwann hatte er für fünf Mark eine kleine Porzellankatze gefunden, die er von seiner Mutter einpacken ließ, da ihm dazu das Talent fehlte.
Wer seinen Namen gezogen hatte, wusste er selbstverständlich nicht. Aber er hörte, dass Louise ihn angeblich gezogen hatte und ihm nichts schenken wollte und sie tauschte mit jemandem anders.
Die Mitschülerinnen schienen den Zettel mit seinem Namen herumzureichen, wie als wäre es die Karte mit dem schwarzen Peter. Das versaute ihm schon die Vorfreude.
Also hieß es am Vormittag des letzten Schultages vor den Ferien in die Turnhalle zu gehen. Da aber die Klassen in Jungen- und Mädchenmannschaften unterteilt worden und diese Klasse nur vier Jungen vorweisen konnte, wussten diese nicht, was sie nun machen sollten.
Durch die drei anderen war das Problem erledigt: Sie verließen die Umkleide einfach nicht und Dennis packte seinen Gameboy aus, um zu spielen.
Der schwarzhaarige Brillenträger mit der dickeren Nase hatte ein Spiel, in dem die Figur mit einer Peitsche in einem Vampirschloss scheußliche Kreaturen vernichtete.
Ralf mit den braunen Haaren und der Brille las seine Lieblingszeitschrift über Basketball, welches er gern spielte, er war auch der größte unter den Jungen.
Jörg, der mit Kai gleichgroß war und zudem blond, schaute dem Monsterkiller beim Spielen zu. Kai, unentschlossen, was er sonst tun sollte, gesellte sich dazu.
Was sollte er auch draußen? Selbst wenn er Mannschaftssport gemocht hätte, machte es ohne eine Mannschaft, die mitspielte keinen Sinn, eine ungeschickte Ein-Mann-Armee anderen Klassen im Wettkampf entgegenzuschicken.
Der Nachmittag rückte heran. Jörg heiterte die beiden anderen Jungs mit Witzen und blöden Sprüchen auf. Kai hörte mit zu.
Denn auf diese Weise konnte er nicht mithalten, obwohl er viele Zoten gehört und sich gemerkt hatte und diese auch wortgetreu wiedergab. In dieser Klasse lachten sie nicht darüber, wenn er sie abließ, obwohl die gleichen Sachen bei anderen Menschen, denen er sie erzählte, die erhoffte Wirkung hatten.
Lieber guter Nikolaus. Willst du einmal richtig kacken,
leg die Hände in den Nacken,
die Ellenbogen auf die Knie,
dann kannst du kacken wie noch nie!
Das war ein Beispiel von Jörgs Sprüchen, mit denen er schallendes Gelächter bei den anderen dreien auslöste. Bei Kai sogar so stark, dass er sich eine ganze Weile nicht mehr einkriegte, was die anderen Jungs dann wieder nur nervte. Er stellte sich das im Kopf durchaus bildlich vor, wie das aussehen würde.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.