Kitabı oku: «Feuer in der Prärie!», sayfa 3
Ma hörte nachdenklich zu. »Umzug? Wir haben zwar darüber gesprochen, dass wir vielleicht mal weiter Richtung Westen ziehen. Aber nicht so bald.«
»Ich weiß, dass es nicht so einfach ist, wie es sich anhört. Wir werden das besprechen. Ich habe meine Entscheidung noch nicht bekannt gegeben. Sie lassen mir Zeit bis Ende des Monats. Lasst uns darüber beten. Und jetzt, Drew, zeig mir deine Hühner.«
Tennessee
Holton Seminary war für Abraham ein Versuchsprojekt. Man hatte geplant, es zu einer Arbeitsschule zu machen, in der die Schüler das Land bestellten, um zum Erhalt der Institution beizutragen. New Market lag in einem Tal des Flusses Lost Creek, der tief in die Appalachen schnitt. Das Land dort war hügelig und schwer zu bestellen, genauso schwierig, wie die Hügel und Senken von Lee County, Virginia. Und die Dinge liefen nicht reibungslos.
Creed Fulton, ein Kampfprediger der Holton Conference, war als Alleinvertreter für die Geschäftsleitung eingestellt worden. Doch obwohl Bares und Bürgschaften eingenommen wurden, konnte angeblich kein brauchbares Land für eine sich selbst versorgende Schule gefunden werden. Irgendetwas lief schief. Als sich Fulton einem neuen Projekt zu wandte, eine zweite Arbeitsschule, stellte sich heraus, dass er die Landangebote einiger ansässiger Farmer zurückgehalten und ohne ersichtlichen Grund abgelehnt hatte. Die New Market School kam zum Erliegen.
Zwischenzeitlich genossen Abraham Stills Kinder eine sehr gute Erziehung. Henry Saffel, ihrem neuen Lehrer, gelang es, seine Schüler zum Lernen zu motivieren. Seine Begeisterung war ansteckend. Die Rute, mit der Drew bei Professor »Prügelberg« Bekanntschaft gemacht hatte, wurde hier nicht mehr benutzt. Lernen wurde zu einer wahren Freude.
Auch hier fuhr sein Vater damit fort, Gottes Wort zu predigen, er versuchte, die Menschen zur Einkehr zu bewegen. An einem sonnigen Sonntagnachmittag fand man ihn wie üblich unter freiem Himmel predigend.
»Und das heilige Buch, das Wort Gottes, sagt es deutlich. ALLE Menschen sind Gottes Kinder. Er macht keine Unterschiede!«
Martha und die Jungen kamen mit dem Wagen an, als das Treffen bereits in vollem Gang war. Ungefähr 75 Menschen hatten sich im Schatten einer ausladenden Eiche, mitten auf einer Weide der Simpsons, direkt vor New Market, versammelt. Abraham stand auf dem Heuwagen, der zu diesem Zweck bereitgestellt worden war. Martha beobachtete, wie die Augen ihres Mannes glühten, während er lebhaft gestikulierte und seine Seele in das Herz eines jeden, der ihm zuhörte, hineinströmen ließ.
»Sklaverei ist eine Abscheulichkeit gegenüber unseren Mitbrüdern, gegenüber Gott, gegenüber uns selbst! Sie ist wider die Natur. Haben wir jemals gesehen, dass andere Geschöpfe ihre Artgenossen unterjochen? Finden wir auch nur eine Stelle in der Heiligen Schrift, die diese Praktik rechtfertigen würde?«
Seine Worte rauschten wie ein Gebirgsbach, der über Steine strömt.
»Vielleicht werdet ihr jetzt sagen«, fuhr er fort, »dass Petrus im zweiten Kapitel, Vers 18, die Sklaven ermahnt, ihrem Herrn zu dienen, und daraus den Schluss ziehen, dass Gott die Sklaverei duldet. Doch lest weiter, meine Brüder und Schwestern. Dies ist eine Empfehlung, die den Sklaven ans Herz gelegt wird, damit diese die ungerechte Behandlung durch ihren Herrn ertragen und zu ihrer Erlösung gelangen.«
Still betonte diesen letzten Satz.
»Der Sklave wird ermutigt, seine Leiden mit den Leiden seines blutenden Erlösers zu vereinigen. Die Erlösung liegt im Kreuz, Brüder und Schwestern, ungeachtet unserer Stellung und was diese mit sich bringen mag. Und genau darum geht es hier!«
Still betonte dies mit erhobenem Zeigefinger und seine Stimme legte noch an Stärke zu, als er rief:
»Wir ALLE sind in der gleichen Lage und unterliegen der gleichen Gerechtigkeit. Das Kreuz muss angenommen und nicht auferlegt werden! Wenn wir aber nun unseren schwarzen Bruder als Sklaven behandeln in der beklagenswerten Art und Weise, in der dies so oft geschieht, nämlich indem wir ihn peitschen und treten und brandmarken, indem wir den Mann von der Frau wegreißen und die Mutter vom Kind, dann legen wir das Kreuz auf. Wir peitschen und schlagen unseren Erlöser! Wollen wir auf diese Weise handeln und dies verantworten?!«
Abraham ging ein paar Schritte auf und ab, um das Gesagte in der seinen Worten folgenden Stille auf die Zuhörer wirken zu lassen. Was sich in ihren Gesichtern widerspiegelte, war unterschiedlich, zeigte aber, dass es nur wenige gab, die nicht ergriffen waren.
»Meine Brüder und Schwestern, ist das die Art, in der wir unser Geschäft betreiben wollen? Unser Leben?! Wenn man an uns zurückdenkt? Wollen wir wirklich die Gelegenheit versäumen, uns im liebenden Opfer des Herrn zu vereinen, indem wir unser Los annehmen, statt unsere schwarzen Brüder und Schwestern zu kreuzigen?!«
Die Menge war still geblieben, angespannt. Viele davon hielten sich Sklaven, auch wenn sie keine Großgrundbesitzer waren, die dies wegen der Rauheit des Landes oder der Größe ihrer Farm tun mussten. Doch die Worte hatten gesessen. Es kamen viele Emotionen in der Versammlung auf. Bald wurde die Stille von einem Schrei unterbrochen.
»Nein, Prediger, wir wollen frei sein, wir wollen dass sie frei sind!«, schrie eine Frau aus einer der hinteren Reihen.
Ein paar der anderen, aber gewiss nicht alle, antworteten »Amen«, die einen laut, die anderen leiser.
Still fuhr nun in einem sanfteren Ton fort, ließ aber dennoch keinen Raum für einen Kompromiss. Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn. »Nun, ich weiß sehr gut, dass hier nicht alle mit meiner Sicht der Dinge übereinstimmen. Es besteht eine lange Tradition. Und der Schweiß des Schwarzen ernährt viele eurer Familien. Ich weiß das. Darum hört nicht auf mich, hört auf die Stimme eurer Herzen. Findet den Herrn in euren Herzen, und geht in Frieden. Gott segne euch alle! Nun lasst uns essen.«
Martha hatte, so wie die anderen Frauen auch, einen Picknickkorb für ihre Familie vorbereitet. Da es September war, gab es viel zu ernten und die Körbe waren voll mit guten Sachen. Plätzchen und Maisbrot, Brathähnchen, Maiskolben und Tomaten, eingelegtes Gemüse und Krautsalat zierten die Bett- und Tagesdecken, die unter die ausgestreckten Glieder der Rastenden gebreitet waren.
Drew lag da und schaute durch das Blätterdach nach oben, so hoch, wie er sehen konnte. Dieser Baum hat schon immer hier gestanden, dachte er. Er war schon hier, als er noch vom dichten Wald Tennessees, von seinen Brüdern wie Eichen, Ahorn und Buchen umgeben war. Nun stand er hier wie ein Wächter, der das Vieh vor Sonne und Regen schützt und Schatten spendet. Das Sonnenlicht flimmerte durch die Blätter am Ende seiner lang ausgestreckten Äste. Eine Narbe unten an seiner Seite erzählte von den Blitzen der Sommergewitter. Irgendwie erinnerte ihn der alte Baum an seinen Vater. Er war stark, standhaft und schutzspendend.
ABB. 05: DIE NATUR – STILLS UNERSCHÖPFLICHE QUELLE UND ESSENTIELLES ZENTRUM SEINER PHILOSOPHIE DER OSTEOPATHIE.
Der Junge mochte die Art, in der sein Vater die Menschen bewegen konnte. Er schien zu wissen, was er sagen musste. Seinen Pa vom Reiten und Predigen abhalten zu wollen, wäre gleichbedeutend gewesen mit dem Versuch, die Sonne zu überzeugen, am Morgen nicht mehr aufzugehen. So schien der natürliche Lauf der Dinge. Und die Sklaverei … Die Stills schienen auch ohne die schwarze Hilfe auszukommen. Sicher, die Arbeit war hart und die Winter waren manchmal mager. Einen anderen Menschen zu halten, als wäre er eine Kuh, schien ihnen dennoch nicht angebracht.
Während Drew seinen Gedanken nachhing, konnte man über dem leisen Murmeln der Gespräche, gedämpft durch das dichte Laub, das Klopfen eines Spechts hören. Drew sah seinen Vater kommen, doch bevor Abraham ihren Lagerplatz erreichen konnte, wurde er wieder in eine Unterhaltung verstrickt. Tim Green, ein Farmer, sprach den Prediger an, als dieser an einer kleinen Gruppe Männer vorbeiging, die sich mürrisch miteinander unterhielten. Drew rückte ein Stückchen näher, um zu lauschen.
»Tja, Reverend Still, für Sie scheint das ja ganz einfach zu sein. Ein paar von uns sehen die Sache aber ein bisschen anders. Sie sprechen von der Wirtschaftlichkeit. Die Dinge haben allerdings auch noch eine politische Seite. Viele von uns sind ins Grenzland gezogen, so wie unsere Vorväter in dieses Land gekommen sind, um sich selbst von der Diktatur eines Königs oder einer Regierung zu befreien. Wir wollen selbst unseren Mann stehen.«
»Ja, das bedeutet Staatsrecht, so wie ich es verstehe«, warf Burt Higgins ein.
»Natürlich ist das keine einfache Angelegenheit«, entgegnete Abraham, »doch sage ich euch, ich flehe euch an: Versucht zu sehen, dass es darum geht, das Richtige zu tun und nicht einfach das Übliche oder das, was dem eigenen Vorteil dient. Jetzt wartet aber meine Frau mit dem Essen auf mich. Bitte entschuldigt mich. Es steht ja schließlich geschrieben: Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. Und ich sehe dort drüben schon meinen Futtereimer stehen.«
Abraham klopfte Tim auf die Schulter, lächelte und ging weiter, bis er schließlich bei seiner Familie ankam.
»Gut gemacht, Pa. Aber du musst ja jetzt völlig ausgehungert sein. Da, nimm ein Stück Huhn und ein Brötchen«, bot Martha an.
»Du hast es ihnen gezeigt«, sagte Drew. Ich wünschte, ich könnte das auch.«
Abraham zauste das Haar seines Sohnes und grinste. »Du hast das Feuer in Dir, mein Sohn. Es wird eines Tages auflodern und vielleicht die Welt in Flammen setzen. Nun lasst uns einen Segen sprechen und dem Essen helfen, zu verschwinden.«
Nach zwei Jahren vergeblicher Arbeit trug Abraham sich jetzt wieder mit dem Gedanken, etwas Neues auszuprobieren.
»Ma, du weißt, dass die Regierung die Indianer westwärts geschickt hat, nach Oklahoma, Kansas und Missouri. Wir haben schon mal darüber gesprochen. Nun scheint es an der Zeit. In dieser Gegend gibt es eine Menge Seelen, die gerettet werden müssen. Die Konferenz hat, wie du weißt, verschiedene Schulen, Missionen, eröffnet. Da gibt es einiges zu tun. Ich denke, wir sollten uns daran beteiligen.«
Abrahams Gedanken setzten sich durch und die Familie zog weiter.
Soziale Gerechtigkeit
Während Dr. Still in der Vormittagssonne auf seiner Bank saß und über die Kriegsjahre nachgrübelte, hatte er einen kleinen Stock aufgehoben und daran herumzuschnitzen begonnen. Das war eine Angewohnheit, die er sich seit seiner Kindheit bewahrt hatte wie einen Kokon, der ihm als schützender Raum diente, in dem er sich aufhalten und seinen Gedanken freien Lauf lassen konnte. Als er den Blick von den herabrieselnden Spänen hob, sah er die Gestalt eines jungen Burschen, den er gut kannte, die staubige Straße herunter auf sich zukommen.
»Hallo Jeremy, wie geht es meinem Jungen heute?«
Jeremy Biggs, der einen Riemen seines Overalls schwenkte, gab ein breites Lächeln zurück.
»Was schnitzen Sie da, Sir?«
»Keine Ahnung, ich schnitze einfach.«
»Ich habe Sie das schon oft machen sehen, aber ich habe niemals gesehen, was dabei herauskam. Was machen Sie, wenn Sie an einem Stock herumschneiden? Was stellen Sie her?«
»Jeremy, ich habe bereits einen guten Spazierstock. Mir ist hauptsächlich daran gelegen, dazusitzen und nachzudenken. Das Schnitzen gibt mir den Raum, das zu tun. Die Leute denken, ich arbeite zu einem bestimmten Zweck, ich stelle etwas her, deshalb zögern sie, mich zu stören. Schnitzen schärft den Verstand und die Klinge. Meistens lasse ich lediglich kleine Späne und große Gedanken zurück. Es braucht große Gedanken, weißt du, um die Osteopathie am Laufen zu halten.«
Nach einer Pause fuhr der Junge fort: »Dr. Still, kann ich Sie noch etwas fragen?«
Still lächelte, er mochte die Gesellschaft des Jungen. Er war aufrichtig, nachdenklich, vielleicht ein bisschen zu ernst für sein Alter. »Das hast du zwar schon getan, aber frag ruhig weiter. Was hast du denn auf dem Herzen, mein Junge?«
»Dr. Still, manche sagen, Sie hätten etwas gegen diese modischen Leute aus St. Louis und aus dem Osten, die ins Krankenhaus kommen. Ist das so?«
»Nein, nicht wirklich, Jeremy. Das Leben ist nicht so einfach gestrickt. Weißt du, mein Sohn, in der Heiligen Schrift steht geschrieben: ›Sie kamen zu Jesus und sagten ›Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und dich um niemandes Meinung bekümmerst, denn du nimmst keine Rücksicht auf die Stellung der Menschen, sondern lehrst wahrhaft den Weg Gottes.‹ Mein Junge, wenn Jesus sich nicht viel aus dem Vermögen oder der Stellung einer Person gemacht hat, sollten wir dann nicht dasselbe tun, wenn wir Gottes Wissenschaft ausüben?«
Während der Junge darüber nachdachte und sich den Kopf kratzte, fuhr Still in ruhigerem, erklärenden Ton fort, »Wie du weißt, ist dieses Land nicht durch Geld und Einfluss gegründet worden. Nein, es wurde durch die Arbeit und das Herzblut des einfachen Volkes geschaffen, das diesen Ort aus der Wildnis hervorbrachte.
Wir werden uns um alle aus diesem privilegierten Volk kümmern, oder doch um fast alle – außer um die ganz Überheblichen. Doch zuallererst müssen wir uns um die kümmern, die dieses Land zu dem gemacht haben, was es ist, und um ihre Verwandten. Sie verdienen unsere besondere Aufmerksamkeit.«
Durch den veränderten Tonfall schien die Größe und Tragweite des Gesagten zu wachsen.
Nach einer Pause fragte Still, »Wie alt bist Du, mein Junge?«
»Sieben.«
»Als ich in deinem Alter war, wusste ich nie, ob oder wann ich meinen Pa wiedersehen würde. Er ritt auf und davon, um das Wort Gottes zu predigen; mit Pferd, Gewehr, Bibel und Satteltaschen. Er glaubte an das, was er tat, es war seine Berufung, die Seelen der Menschen zu bestellen, so wie sie das Land bestellten. Schnee, Schlamm, unbekannte Landschaften. Indianer unterschiedlichster Gesinnung, Erschöpfung, schwierige Wegstrecken – er ritt. Ich war etwa neun Jahre alt, als er uns, im Zuge seiner Arbeit, hinaus in die Prärie brachte. Nach Macon und in die Gegend von Missouri.
Die methodistische Gemeinde beauftragte ihn, die Kirche weiter aufzubauen und wir sind damals viel umhergezogen. Um hier herauszukommen, bahnten wir uns den Weg durch Schlamm, der die Räder unserer Wagen blockierte, als wir langsam weiter Richtung Westen zogen. Welche Wunder sind doch der Mis sissippi und die Weite der Prärie für ein Kind, das aus den Niederungen und Wäldern von Tennessee und Virginia kommt!
Als wir dort ankamen, gab es weder Schutz noch Nahrung. Ich meine, nichts, wofür wir nicht selbst gesorgt und was wir nicht selbst gesammelt hatten. Wir rodeten Land, säten, zogen Zäune, bauten bescheidene Hütten mit Fenstern aus gefettetem Papier zwischen uns und der Kälte. Im Frühjahr errichteten wir Unterstände für die Tiere und begannen langsam mit der Farm. Andere taten das Gleiche.
Land roden, Baumstümpfe mit Hilfe des Maultiers herausziehen und vieles mehr. Es gab genug zu tun, um eine Familie zusammenzuhalten. Vieles von dieser Arbeit fiel auf Mutter und uns Kinder zurück. Vater hatte ein gutes Herz. Viele kamen und verließen sich auf seine guten Absichten. Er predigte, unterrichtete, behandelte und half denen, die Hilfe brauchten. Er war sehr häufig nicht da. Mutter war daher Schutzpatronin, Mechanikerin und Bäuerin in einem. Was immer anlag, sie tat es.
Aber nicht alles war harte Arbeit. Ich war glücklich und hatte meine drei Hunde. Der alte Drummer war der zuverlässigste von ihnen. Und außerdem hatte ich ein Steinschlossgewehr. Die Rechtfertigung für einen solchen Luxus war es, eine Waldhuhn, einen Hasen oder, wenn man Glück hatte, einen Hirsch für den Schmortopf mit nach Hause zu bringen. Ich leistete einfach nur meinen Beitrag. Und die Entdeckungstouren nach genießbarem Fleisch ermöglichten es mir, Gottes Natur umfassend zu erkunden. Wie die Dinge heranwachsen, wie sie sich vermehren, der Aufbau der Muskulatur, die Form der Knochen. Außer der Struktur haben die Expeditionen mich auch den Wechsel der Jahreszeiten sehen lassen, den Zug der Vögel, das Nisten der Waldhühner und die Art, wie die Henne ihre Küken schützt – ich bekam zu sehen, wie die Natur arbeitet, wie sie funktioniert. Die Art und Weise, wie Struktur und Funktion im menschlichen Körper zusammenarbeiten, spiegelt das Zusammenwirken in der gesamten Natur wider. Mit einer auf dies und das gerichteten Schusswaffe einem Jaghund folgend begann ich also, das zu studieren, was später Osteopathie werden sollte. Tja, mein Junge, So war das damals.
Die Nachbarn arbeiteten zusammen, sie halfen sich beim Bauen, Zäune reparieren, brachten sich gegenseitig durch schlimme Winter, warnten und schützten sich vor Gefahren. In der Prärie ging es nicht ums Geld. Das Wort eines Mannes, Einsatz und Familie hielten die Gemeinschaft zusammen. Deshalb wird unsere Arbeit hier, so nehme ich jedenfalls an, nicht nur beherrscht vom Respekt vor feiner Kleidung, der gesellschaftlichen Stellung eines Menschen oder seinem Bankkonto.
Doch nichtsdestotrotz: Selbst im Krieg, waren es die Menschen, die den Unterschied machten. Nicht der Besitz oder die Stellung, nur die Menschen, die unter sich waren. Schau, wenn Leute kommen und sagen, sie wollen für die Behandlung bezahlen, ist das nur ein Teil dessen, was die Arbeit in der Gemeinschaft ausmacht. Wenn wir Geld benutzen, folgen wir den Geschäftsregeln. Aber es gibt mehr im Leben als Geschäfte. Geschäfte müssen mit dem Schöpfer und der Art, wie die Welt beschaffen ist, ausgeglichen werden.
Deshalb lebe ich nun in zwei Welten: der Welt der neuzeitlichen Geschäftemacherei und der Welt, in der die Menschen Menschen sind. Gewöhnliche Leute, wohlgemerkt, aber fleißig und aufrichtig. Vielleicht wirkt die Art, wie ich das Krankenhaus führe, deshalb für manche so befremdlich. Ich gebe mein Bestes, mein Sohn, um dem Geschäft gerecht zu werden, dabei aber im Lauf der Dinge aufrichtig zu sein zu uns, die wir alle Kinder eines Schöpfers sind. Ein Mensch sollte seinen Blick auf beide Seiten richten.«
Still erhob sich von der Bank – ein Zeichen, dass er seine Ausführungen beendet hatte.
»Macht das die Sache ein bisschen klarer?«, fragte er. »Es hat wohl mit den Lebensumständen in der alten Siedlerzeit zu tun, warum ich mehr für die Armen übrig zu haben scheine, für die Bedürftigen. Ich bin einer von ihnen, weißt Du. Also achte nicht so sehr auf die Zylinderträger. Das ist Geschäft, aber nicht Teil meiner Seele.«
Er fuhr dem Jungen durch sein braunes Haar.
»Nun komm, lass uns wieder an die Arbeit gehen, mein Junge. Wir können uns nachher weiter unterhalten.«
»Ich glaube, das macht Sinn, Sir. ›Wenn Du ein Pferd kaufst‹, sagt mein Dad immer, ›dann musst du es nach dem beurteilen, was es ist und was es kann, und nicht nach dem, was der Verkäufer sagt‹.«
Eine weibliche Stimme unterbrach die Konversation: »Jeremy, oh Jeremy, da bist du ja. Ich habe mich schon gefragt, wo du hingelaufen bist.«
Mutter Biggs, die mit dem Einkaufen fertig war, schleppte einen Haufen schwerer Schachteln. »Guten Tag, Dr. Still. Ich hoffe Jeremy hat Sie nicht gestört.«
»Nein, Ma’am, überhaupt nicht. Ein netter junger Mann. Es war mir eine Freude, seine Gesellschaft zu haben. Wir machen eines Tages einen Osteopathen aus diesem Jungen.«
»Nun Jeremy, kannst du mir zur Hand gehen?«, fuhr seine Mutter fort.
»Natürlich Ma … Einen schönen Nachmittag noch, Sir. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meine Fragen zu beantworten.«
»Es war mir eine Freude, Bürschchen.«
Nun veranlasst, an die alten Tage zu denken, setzte Still sich wieder und fuhr fort, zu schnitzen und Träumen nachzuhängen. Jeremy erinnerte ihn mit seiner Wissbegierde und seiner Vorwitzigkeit sehr an ihn selbst, als er noch jung war. Er sah sich nun wieder, wie er damals durch Wald und Flur streifte. Sein Geist tauchte hinab zu jenen ersten Tagen in Missouri. Er konnte die Stimme seiner Mutter immer noch deutlich hören.
»Junge, was hast du da? Etwas, das wir fürs Abendbrot brauchen können?«
Der elfjährige Drew legte sein Steinschlossgewehr auf den Waschtisch und präsentierte vier Hörnchen. »Die habe ich für einen Eintopf mitgebracht.«
»Ja Drew, du lernst die Regeln der Wälder. Gute Arbeit. Sie werden sich im Kochtopf gut machen.«
»Der alte Drummer hat sie aufgespürt. Ich muss nur einen Stock dort hinauswerfen und er weiß: Jetzt wird’s ernst, wir gehen auf die Jagd. Drummer ist ein guter Hund. Wann wird Pa von seinem Rundritt zurück sein?«
»Etwa in einer Woche. Ich weiß, du vermisst ihn. Ich vermisse ihn auch und wir könnten seine Hilfe bei den Zäunen und der Ernte gut gebrauchen, bevor es Herbst wird. Aber du kennst den Ruf des Herrn. Abraham Still muss reiten und predigen. Es liegt ihm im Blut. ›Söhne des Donners‹ nennen sie solche wie ihn. Sie müssen die Gottlosen und die Wilden finden, um deren Seelen vor der Verdammung zu bewahren. Aber er wird in einer Woche oder so wieder da sein, du wirst schon sehen.«
ABB. 06: ABRAHAM STILL,
als feuriger Methodistenprediger einer der bekanntesten »Söhne des Donners« seiner Zeit.
Seine pelzige Beute über die Schulter geschwungen, ging Drew zur Hütte. Es fühlte sich gut an, der Versorger zu sein, und er tat, was er konnte. Er begann, die Tiere zu häuten, auszunehmen und anzurichten. Während er arbeitete, wurde er von der Schönheit der Geschöpfe überwältigt. Das metallische Glänzen des Gewebes, das unter dem Pelz verborgen lag, die glatten, roten Sehnen der Oberschenkelmuskeln. Er staunte über die kleinen Pfoten, den weichen, eleganten Schwanz, die Nagezähne. Jeder Körperteil diente einem Zweck, die Struktur war absolut so gebaut, dass sie sich für den jeweiligen Zweck eignete. Welch vollkommene Schöpfung! Er betrachtete seine eigene Hand und bewunderte ihre Funktionalität, doch hatte er gerade nur unter die Haut sehen können, nachdem er sich mit der Axt schlimm verletzt hatte. Er fragte sich, wie es wohl in seinem Körperinneren mit den wundervollen Arbeitsabläufen aussehen möge.
Müde von der morgendlichen Jagd, ging er zu dem kleinen Eichenhain hinter der Hütte hinüber. Aus irgendeinem Grunde hatte er an diesem Morgen Kopfschmerzen. Er streckte sich in dem trockenen Staub aus, um auszuruhen. Die Erde, wie staubig sie auch sein mochte, war das Zuhause für einen Jungen. In der Nähe schwang eine Seilschaukel im Wind und schien ihm zuzuwinken. Er lehnte sich zurück und legte seinen Nacken in die Schlaufe des baumelnden Seils. Es fühlte sich so bequem an wie ein Kissen. Nicht lange darauf wachte er auf und stellte fest, dass er, dem Sonnenstand nach zu urteilen, vielleicht eine Stunde geschlafen hatte. Als er aufstand, um wieder seinen Pflichten nachzukommen, bemerkte er, dass seine Kopfschmerzen verschwunden waren.
Das alltägliche Leben auf der Farm ging weiter. Nach ein paar Tagen, so erinnerte sich der ältere Still, kehrte sein Vater zurück. Unrasiert, staubig und müde von der Reise, doch wie immer fröhlich.
In seiner Rückschau rief sich der Doktor in Erinnerung, dass die neuen Siedler die Konflikte aus dem Osten mitgebracht hatten. Und diese Konflikte verstärkten sich dann noch, als die tapferen Seelen, verrückt gemacht vom Abenteuer der Landnahme, ihre Ideen ins Extreme trieben. Das Grenzland vermittelte jedem das elektrisierende Gefühl, die Dinge nach eigenem Gutdünken handhaben zu können, da draußen in der Freiheit unter dem grenzenlosen Himmel der Prärie. Einige wollten Freiheit für alle, andere wollten die Sklaverei beibehalten. Und die Adventisten dachten sowieso, die Welt würde bald untergehen. Etwa im Jahr 1841 entzweiten sich die Methodisten über politische und ethische Fragen der Sklaverei.
Die Weißen hatten die Sklaverei aber nicht erfunden. Die Cherokees und die meisten anderen Indianerstämme hielten Sklaven als Teil der Kriegsbeute. So war es, wie Still gehört hatte, auch unter den Schwarzen in Afrika gewesen. Die Weißen zogen ihren Nutzen aus einer vermeintlich guten Sache – gut in pragmatischer, nicht in ethischer Hinsicht. Es bedeutete mehr Produktivität und ökonomische Vorteile für die Sklavenbesitzer. Sie drehten an der Profitschraube. »Söhne des Ham, des schändlichen Sohns Noahs«, nannten die anderen methodistischen Prediger sie. Habgier in jeder Hinsicht war jedenfalls das Motiv.
Der Alte Doktor sah ihn vor sich, seinen Vater Abraham, der stets ein standhafter Slavereigegner geblieben war und sich dabei auf seine Interpretation der Heiligen Schrift und der methodistischen sozialen Lehren berufen hatte. Und so war seine Familie inmitten all dieser Kontroversen gefangen gewesen.
Still erinnerte sich nun lebhaft an eine nächtliche Unterhaltung, als die Familie im Licht der Lampe aß. Wie mager, drahtig und müde war ihm damals sein Vater erschienen! Er war eben von einer Versammlung zurückgekehrt und diskutierte mit seiner Frau darüber, wie man die Kirchen Missouris wieder vereinigen könnte.
»Wie wird das ausgehen, Pa?«
»Weiß ich nicht, Sohn. Das ist nicht die Frage. Uns interessiert nicht, wer gewinnen wird, wir sind auf der Seite des Gewinners, auf Gottes Seite. Es ist nur eine Frage der Zeit. Wir müssen nur der Führung folgen, der Führung durch unser Gewissen und unsere Überzeugung. Wir leben nicht, um zu sehen, worauf es hinausläuft. Wir tun unbeirrt die Arbeit, zu der wir berufen sind. Das ist die Natur der Dinge.«
Ja, so hatte er damals gesprochen, sein Vater. Für einen Moment kehrten die Gedanken des Alten Doktors nun zurück zu seinem jetzigen Leben in Kirksville und zu all der Mühe, deren es bedurfte, um neue Ideen in eine Institution einzubringen – und das manchmal sogar, obgleich es gänzlich chancenlos erschien. In Abraham hatte ein Feuer gebrannt, das durch Widrigkeiten offenbar noch geschürt wurde. Und er, sein Sohn, hatte sie von ihm erworben, diese Kampfbereitschaft, diese Hartnäckigkeit, einen Funken Wahrheit aufzuspüren und das Feuer brennen zu lassen.
Abraham dürfte 56 Jahre alt gewesen sein, als er und seine Frau Martha 1852 in der Wakarusa-Mission, in der Nähe von Lawrence, Kansas, eintrafen, um noch einmal von vorne anzufangen. Der Großteil der Tallequah Indian Conference, fast dreitausend Mann, hatte sich der methodistischen episkopalen Kirche im Süden und damit den Befürwortern der Sklaverei angeschlossen. Nur eine Handvoll, ganze 21 Seelen, war übrig geblieben. Der Umzug war überschattet vom gleichzeitigen Brodeln der Kriegsvorbereitungen.
Angesichts der Unwägbarkeiten dieses Umzugs, ließen die Eltern Still ihre inzwischen erwachsenen Kinder mit der Möglichkeit, ihnen nachzufolgen, in Missouri zurück. Als älteres Ehepaar stellten sie sich allein dem neuen Abenteuer in einem gottverlassenen, wilden Land. Völkervertreibung, Hickhack um freies Land sowie die ungeklärte Sklaverei-Frage und die damit verbundene drohende Spaltung des Landes bildeten ein brandgefährliches Umfeld.
Für Martha waren die neuen Umstände eine ganz besondere Herausforderung. Der Indianerstamm, um den sie sich kümmern sollten, war nämlich derselbe, dessen Vorfahren drei Generationen zuvor viele ihrer Familienmitglieder massakriert hatten, als diese versuchten, sich in Abb’s Valley, Virginia, niederzulassen, und die ihren Vater, James Moore, in die Sklaverei verkauft hatten. Auch ihre Tanten Mary und Martha, ihre Namensvetterin, waren gefangen und verkauft worden. Die anderen Mitglieder der Familie, Marthas Großvater eingeschlossen, mussten mit ihrem Leben bezahlen oder wurden skalpiert, als die Indianer angesichts der stetig zunehmenden Zahl weißer Siedler versuchten, ihr territoriales Vorrecht zu schützen.
Drews Ma war damals der Überzeugung gewesen, dass der methodistische Kirchenrat sie dorthin gesandt hatte, um sie endgültig loszuwerden. Denn je mehr Kritik die Älteren des Rates an seinem abolitionistischen Standpunkt übten, desto entschlossener und unverblümter war ihnen Abraham entgegengetreten.
»Widrigkeiten«, pflegte er zu sagen, »bedeuten nicht immer, dass du dich falsch entschieden hast. Manchmal bedeuten sie auch, dass du dich genau richtig entschieden hast.«
Auf jeden Fall hatte ihm sein Beharren auf seinen Prinzipien Ungemach beschert, zu dem auch Schläge und Todesdrohungen gehörten.