Kitabı oku: «Visitors - Die Besucher», sayfa 3

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Der Mann wälzte sich, schrie mit hervortretenden Adern, schrie mit sehnigem Hals, schrie mit überschnappender Stimme, schrie mit verbranntem Unterleib, auf den er mit einem Bettlaken fortwährend einschlug. Dann hörte er auf zu schreien. Glotzend wie ein Frosch kollabierte er und beschmutzte den rohweißen Hirtenteppich. Rosa Schaum quoll aus seinem Mund. Er hatte sich in dem vergeblichen Versuch, die Schmerzen zu kontrollieren, auf die Zunge gebissen.

Mit distanziertem Interesse sah sie auf ihn herab. Der Klang in ihrem Kopf war dumpfer geworden, nicht mehr so drängend. Sie hatte den ersten Schritt unternommen. Sie hoffte, dass er die Botschaft verstanden hatte. Es war ganz alleine ihr Kästchen und ihr Leben. An der Seite des Lakens machte sie eine feuchte Stelle aus. Sie zerrieb einen Überrest Sperma zwischen ihren Fingern. Irgendwie fand sie es beruhigend, dass er auf seine Kosten gekommen war.

Noch in der gleichen Nacht entsorgte sie das Kästchen samt Inhalt und schleppte den Winselnden zur Notaufnahme des Krankenhauses. Gleichmütig bekannte sie, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe. „Sicher ein Unfall“, pflichtete der Arzt bei, dem über die Jahre das Staunen abhandengekommen war und für den es ein beinahe alltägliches Erlebnis war, Duschköpfe aus einer Vagina oder Champagnerflaschen aus einem Männerafter zu entfernen. „Ohne Zweifel ein Unfall“, wand sich der Verletzte, dem noch zahlreiche Operationen bevorstanden und dessen Narben an der Seele erst zu verblassen begannen, als die zerstörten Schwellkörper durch ein funktionierendes Implantat ersetzt wurden. Das Kästchen ruhte in einem Abfallcontainer des Krankenhauses. Es war nie mehr aufgetaucht, aber seine Geschichte stahl sich in die Nacht hinaus.

Ein anonymer Hinweis erreichte die Polizei, die zögerlich ihre Ermittlungen aufnahm. Die Pflegerin musste geahnt haben, dass ihre Maßnahmen nicht ausreichend sein würden, um sich abzusichern. Seit dem Tag, an dem sie das Band der Ehe versengt hatte, wurde sie kummervoll und nachlässig. Sie sah zweifelnd auf ihre Hände, die Dinge vollbrachten, vor denen sie zurückschreckte. Sie meldete sich krank und verbrachte die Tage in einem Dämmerzustand. Die Wohnung wurde nicht mehr gelüftet und aufgeräumt. Zeitungen und Müll stapelten sich neben den Türen. Gebrauchte Kleidung fiel auf dem Boden übereinander her und Nahrungsmittel verdarben halb aufgegessen in der Küche.

Der Mann, dem sie das Schweigevermächtnis eingebrannt hatte, verbat sich jeglichen Besuch und setzte seine Mutter wie einen Zerberus vor sein Krankenzimmer. Offiziell blieb er bei der Unfallversion, aber er konnte schreiben und wahrscheinlich hatte er Gebrauch davon gemacht. So wartete sie auf das Unvermeidliche, kam mit strähnigen Haaren und glasigen Augen zum Dienst, während um sie herum das Getuschel zunahm und die Leitung des Pflegeheimes ihre Suspendierung verfügte. Die Festnahme erfolgte wenig später.

Man fand sie über ein halb aufgetautes Kaninchen gebeugt vor, in das sie ihre Zähne schlug. Sie hatte mit einem Kaffeelöffel Honig darüber verteilt und Estragon darauf gestreut. Sie schätzte die moderne Gourmetküche und war nur momentan nicht in der Verfassung, ihre Ideen in die Praxis umzusetzen. Um sie herum faulte der Müll. Die Polizisten forderten Atemmasken an. Sie senkte den Kopf, als man ihr Handschellen anlegte. Dann übernahmen die Kameras und die Blitzlichter.

Der Todesengel galt als Prototyp der massiv Gestörten. Die Dokumentation transportierte den Gedanken erfolgreich nach draußen und eine Entlassung auf Bewährung war bei entsprechender geistiger Gesundung durchaus denkbar. Sie war in aller Stille geschieden worden, nachdem sie eingewilligt hatte, dass ihr Mann den gesamten Erlös aus dem Verkauf der Eigentumswohnung für sich vereinnahmen konnte. Sie würde wieder auf die Beine kommen. Geduld war eine ihrer Stärken.

Die Inhaftierte drehte den Brief zwischen den Fingern. Sie hatte ein gutes Gefühl. Sie würde dem Mann schreiben. Er war der Richtige für sie. Sie freute sich über ihre gesunde Erregung.

Der Mann hatte auch eine pflegebedürftige Mutter. Sie wusste besser als jeder andere, was es bedeutete, eine Demenzkranke zuhause zu pflegen. Sie schnippte mit den Fingern. Wenn alles gut verlief, würde sie ihm bei der Betreuung seiner Mutter eine große Hilfe sein. Sie wusste, er würde sich darüber freuen.

III.

Wie immer hatte er sich ausgezeichnet vorbereitet und wie immer war er auf Überraschungen gefasst. Die Überraschungen waren die Würze seines Freizeitausgleichs. Schon oft hatte er geglaubt, darauf verzichten zu können, war aber nach den selbst auferlegten Pausen reumütig zu seiner Passion zurückgekehrt.

Es gab Gleichgesinnte, die seine Art der Akribie belustigen würde. Das waren die Schwergewichte in seinem Feld, die ihr Hobby perfektioniert und den Amateurstatus hinter sich gelassen hatten wie nach einer Häutung. Er zupfte den Blouson zurecht, den er gewählt hatte, weil er die unverzichtbaren Utensilien verdeckte, die er mitführen musste und der Wetterlage gerecht wurde, die nach einigen sonnigen Tagen wechselhaft zu werden versprach.

Und jetzt der Supermarkt. Ein lichtdurchfluteter Tempel voller einladender Gerüche und einer grandiosen Auswahl. Die lebenssatten Rentner schlurften dahin, ohne zu wissen, dass sie in der Obstabteilung eine Minute und vierundvierzig Sekunden zu verharren hatten, wenn sie dem Durchschnitt entsprechen wollten. Die rotzfrechen Jugendlichen mit den Baseballkappen und dem schlenkernden Gang, der die Coolness ihrer Markenklamotten auf die Person übertragen sollte, standen nicht die prognostizierten sechs Minuten in den stark frequentierten Außengängen mit den Frischeprodukten. Den Säufern war es einerlei, ob sie die Regalwelten von links oder rechts betraten. Sie erfüllten die Vorgaben jedoch zuverlässig in dem Punkt, dass sie niemals bis zur Mitte des Ganges vordrangen, weil die Flaschen mit dem Doppelkorn am Rande eines abseits angesiedelten Schamsortimentes in Bücktiefe aufgereiht waren.

Der Mann im Blouson hatte den Markt mehrfach durchstöbert und ihn auf wissenschaftlich fundierte Marketingstrategien abgeklopft. Er war gewissermaßen ein Insider. Es verschaffte ihm eine grimmige Befriedigung, dass er die kühle Leere der ersten Meter nach dem Einlass als ‚Landezone‘ identifizieren konnte, in die die Käufer hineingingen, bevor sie von freundlichen Gemüsehindernissen gestoppt und manipuliert wurden. Er wusste, dass sein limbisches System mit Markeninformationen angefüttert wurde, um seine Kaufentschlossenheit zu festigen. Mit einem Kopfnicken begrüßte er die Kassenschleusen, die ihre Verlockungen streng nach Planogramm feilboten.

Seine Beute, ein Mann mit Vollbart, steuerte eine dunkle Ecke an, in der sich aufgerissene Kartons stapelten und eine ramponierte Kühltruhe ihre Pensionierung angetreten hatte. Es war eine der Ecken, die ein vorübergehender Verlierer der Modernisierungswut war. Der Verfolger war einige Schritte zurückgeblieben und beschäftigte sich angelegentlich mit Spülmitteln in einem Hochregal. Er wusste, was jetzt kommen würde. Der Vollbärtige blieb stehen und warf einen Blick auf das klägliche Häuflein seiner Einkäufe. Es war das typische Sortiment aus Dauerwurst und Schmelzkäse, durchsetzt von einer Packung Industriebrot und einem Liter Milch als Hommage an die Gesundheit.

Der unschlüssig Dastehende schnäuzte sich in ein Papiertaschentuch und schnippte es auf den Haufen Papierabfall. Er bog nach links ab und kehrte mit nachdenklichem Gesicht wieder an den Ausgangspunkt zurück. Der Vollbart und der unsichere, gebückte Gang machten ihn älter als er war. Der Verfolger wusste Bescheid. Der Mann war dreiundvierzig, ein arbeitsloser Bauingenieur, der nach Jahren der Arbeitslosigkeit Frau und Kind gegen einen Straßenköter und seinen neuen besten Freund eingetauscht hatte. Soeben griff er danach. Beim Bücken wäre er fast ins Straucheln geraten. Es war eine Flasche Weinbrand.

Der Verfolger hatte genug gesehen. Es würde sein wie immer. Zu dem Weinbrand würde sich noch eine Flasche Korn gesellen und eine billige Flasche Wein, denn der Vollbärtige war bei seiner Reise noch nicht am Abgrund angekommen. Noch legte er Wert darauf, wenigstens den Anschein von Bürgerlichkeit zu wahren. Zwar trug er fast immer die gleiche abgenutzte Kleidung, aber er wusch sich und schnitt seinen Bart, wenn ihm der Alkohol Spielraum dazu ließ. Der Verfolger hatte beobachtet, dass der Mann Pfefferminzpastillen lutschte, die seinem Atem die Unschuld wieder geben sollten.

Es war noch nicht ganz schlecht um ihn bestellt. Dabei hatte er ein Problem, das um ihn herum wucherte und ihn einspann. Es war ein Problem, das er in seiner Einbahnstraßenexistenz nicht wahrnahm. Das Problem war zur Expresskasse geeilt, um die Alibieinkäufe zu verstauen und aus anderer Perspektive auf den Bärtigen zu warten. Das Problem war, dass der Trinker Besuch erhalten würde. Der Besucher tastete über die Taschen seines Blousons und fühlte die familiären Gegenstände. Alles war an seinem Platz. Er lächelte.

Die freundliche junge Frau verfehlte ihre Wirkung auf den Besucher nicht. Es war nicht seine Art, freundliche Menschen zurückzuweisen. Es war etwas anderes, wenn er sie besuchte. Dann verhielt er sich professionell. Hinter der Kasse, neben dem Zeitschriftenterminal war er fast privat. Er erwiderte den Gruß und schaute nach rechts. Seine Beute stand vor dem Süßigkeitenregal. Es würde noch einige Minuten dauern. Er war zufrieden und wandte sich dem Mädchen zu, das seine einführenden Worte virtuos herunterleierte und die Tempi mit einem Wippen auf den Zehenspitzen untermalte. Er unterbrach ihren Monolog nicht, obwohl ihm längst klar geworden war, dass es sich um die Umfrage eines Instituts handelte, von dem er glaubte, einmal gelesen zu haben. Im Wesentlichen sollte klassifiziert werden, zu welchem Typus Käufer er gehörte.

Die Fragen stiegen aus einem dezent geschminkten Mund zu ihm auf und rochen nach Erdbeere. Er antwortete spontan und ernsthaft. Seine Augen glitten an den eifrig ankreuzenden Fingern hinunter zu den Füßen der Fragerin. Ihre Zehen waren für offene Schuhe ungeeignet. Er war für einen Moment abgelenkt und blickte sich hastig um. Der Bärtige kam den Gang herunter. Der Besucher glaubte, dass er eine Tüte in die Außentasche seines Parkas gesteckt hatte. Ein anderer Kunde mit lauernden Augen und einem merkwürdigen Dauerinteresse für Tiefkühlware starrte ebenfalls auf den Trinker. Dann wandte er sich abrupt ab und verließ die Zone, ohne seinen Einkaufskorb eines Blickes zu würdigen.

Die Interviewerin schrieb das Desinteresse des Mannes ihrer Stimmlage zu und redete laut und hastig auf ihn ein. Er begriff, dass seine Kundentypologie zwischen der eines Hedonisten und eines Genießers lag. Das Ergebnis war durchaus annehmbar. Er wischte den Arm des Mädchens unwirsch beiseite, als sie versuchte seine Aufmerksamkeit durch Zupfen an seinem Ärmel zu erhöhen. Mit einem höflichen Dank und dem Hinweis, dass er es eilig hatte, versöhnte er die Frau. Er griff sich einen Werbezettel und begann ihn aufmerksam zu studieren. Wenn er richtig beobachtet hatte, konnte es zu einem unangenehmen Zwischenfall kommen. Beschwörend schaute er zur Kassenzone. Er hatte Glück. Zwischen die Männer, die von ihren Einkaufszetteln zu Sklaven degradiert worden waren, hatte sich ein Mutter-Tochter-Paar fortgeschrittenen Alters geschleust, von denen er sich eine Störung des Ablaufs erwartete, die es ihm ermöglichte, seine Notstrategie umzusetzen. Er wurde nicht enttäuscht.

Die ältere der beiden Frauen musterte die Kassenzone mit einem geschulten Blick. Mit einer herrischen Handbewegung dirigierte sie ihre Tochter zu der unwesentlich längeren Schlange, nachdem sie die Wartenden und ihre Einkäufe kritisch begutachtet hatte. Sie war ein Alphatier mit einem auftoupierten Haarschopf, signalroten Lippen und einem Kugelbauch in knallengen Leggins, die im Bereich ihrer knochigen Knie jeden Dehnungswiderstand aufgegeben hatten. Die Tochter stand optisch im Begriff, in wenigen Jahren zu einem Klon der Mutter zu mutieren. Noch war sie weicher und ansehnlicher, aber ihre gebeugte Haltung mit dem nach links gewinkelten Hals verlieh ihr die gleiche raubvogelartige Ausstrahlung. Auch sie verriet einen wenig schmeichelhaften Hang zu protzigem Modeschmuck und unpassender Kleidung.

Mit einem geschickten Manöver stach das Alphatier den gefüllten Einkaufswagen in eine Lücke und behauptete mit einer kaum verhohlenen Gebärde der Herablassung einen Raum, der es ihr ermöglichte, jederzeit auch die andere Schlange an gesicherter Position zu erreichen, falls sich ihre Überlegungen als falsch herausstellen sollten. Die Tochter folgte mit gelangweiltem Gesicht. Ihre Augen fixierten den Zigarettenspender. Der Trinker blieb in respektvoller Entfernung stehen. Er war nicht auf eine Auseinandersetzung aus. Alles, was er wünschte, war ein baldiges Rendezvous mit der ersten Flasche. Er fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Die freien Flächen seines Gesichtes waren aufgedunsen und bläulich.

Der Besucher drängte sich unter dem missbilligenden Blick einer alten Dame durch eine der nicht besetzten Kassen in den Verkaufsraum zurück. Inzwischen waren die Anstehenden nach vorne gerückt. Drei Jugendliche verschwanden lärmend durch die Glastür, um ihre unappetitlichen Gedanken in einer unappetitlichen Umgebung auszuleben. Die blasse Kassiererin zog verbissen Angebotsware über den Scanner. Routiniert zählte sie Geld, hantierte mit Kundenkarten und nannte Beträge, ohne jemals aufzusehen.

Mutter und Tochter hatten in schweigender Eintracht ihre Einkäufe auf das Band getürmt, als es passierte. Mit einem herrischen Klingen ihrer Armreifen wies die Mutter die gelangweilt dastehende Tochter an, noch eine Schale Speisequark zu besorgen. Die Stimme verriet den exquisit erstickten Tonfall einer langen Raucherkarriere. Die gebräunte Tochter setzte sich schlendernd in Bewegung. Die bedachten Bewegungen ließen den Rückschluss zu, dass die beiden in ein lieb gewonnenes Ritual verfallen waren, das bei einkaufenden Frauengruppen des Öfteren zu beobachten war.

Wahrend Männer mit verbissener Effizienz vorgefertigte Aufgabenzettel abarbeiteten, verstanden sich Frauen auf die Inszenierung einer nonchalanten Ablaufstörung, begegneten geplant ausgelösten Missstimmungen unter Miteinkäufern mit hochnäsiger Gleichgültigkeit und brachten Kassenaktivitäten durch immer neue Manöver zum Erliegen. Die Geübtesten unter ihnen vollzogen ein zusätzliches Abschlussritual beim Bezahlvorgang, indem sie umständlich nach einer Geldbörse kramten, mit peinlicher Gewissenhaftigkeit Fächer öffneten und mit gerunzelter Stirn Kleingeldbeträge umher schoben, bevor sie nach einem Zeitraum schier unerträglicher Spannung und einem entschuldigenden Seufzen einen größeren Geldschein hervornestelten und mit kleinlauter Boshaftigkeit bekannten, dass sie den Betrag doch nicht passend zur Hand hätten.

Ein unterdrücktes Stöhnen aus der Mitte der Wartenden zeigte, dass man die Finte der beiden Frauen erkannt hatte. Das Alphatier nahm die Würdigung hoch erhobenen Kopfes entgegen und zündete sich zum Unterstreichen ihrer Vormachtstellung direkt unter dem ‚Nicht Rauchen‘ Hinweis eine Zigarette an. Die Kassiererin hatte jede Bemühung eingestellt und starrte graugesichtig auf ihre Fingernägel.

Der Besucher hatte den Moment des Stillstandes genutzt, um sich in den Rücken des Trinkers zu begeben. Aus dem geringelten Pullover des Mannes drang ein muffiger Geruch nach Tabak und Fett. Der Pullover hatte die Form verloren und schien ohnehin für einen wesentlich korpulenteren Mann gemacht. An einem Bund war er ausgefranst und schlotterte um eine ausgediente Jogginghose, die ebenfalls bessere Tage gesehen hatte. Nur die Schuhe waren neu und ließen den gichtigen Gang des Trinkers unbeschwerter aussehen, als er war. Ihre leuchtend orangen Wangen entlarvten den gesamten Aufzug als clowneske Hommage an die Hoffnungslosigkeit, die dem Träger anhaftete wie eine Klette.

Der Trinker schlurfte einen weiteren Schritt nach vorne. Er bemerkte nicht die Hand, die in die rechte Tasche seines schweren Mantels kroch, der angesichts der milden Witterung ein unangenehmer Ballast sein musste. Der Besucher schleuderte in die aufkeimende Empörung der Wartenden ein halblautes „Unverschämtheit“ in Richtung der rauchenden Rothaarigen und zog die Packung mit Karamellbonbons aus der Tasche, die der Trinker eingesteckt hatte. Rasch entfernte er sich zur Seite und ließ das Päckchen unbemerkt zwischen zwei Stapel Pralinenpackungen gleiten. Der Kopf des Trinkers hatte sich gedreht, konnte aber die Stimme nicht ausmachen. Er verlor das Interesse und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Flaschen. Sie alleine waren wichtig. Das waren sie gestern und das würden sie auch zukünftig sein.

Der Detektiv des Supermarktes griff den Bärtigen nach dem Passieren der Kasse auf. Er machte sich nicht die Mühe verbindlich zu sein. Er hielt den Widerstrebenden mit einem Klammergriff fest, obwohl dieser keine Anstalten machte, handfesten Widerstand leisten zu wollen. In einem bizarren Ringkampf zerrte und schob sich das ungleiche Paar bis zu einer Backwarentheke, vor der säuberlich aufgereihte Käufer ängstlich auf die Keuchenden starrten und in Unordnung gerieten, sobald die Körper eine Variante vollführten, die sie näher als bisher an die Wartenden heranbrachte. Ein Prospektständer wurde das Opfer des eigentümlichen Ringkampfes und polterte nach einer heftigen Drehbewegung zu Boden. Ein schwergewichtiger Mann, der seinen Bauch kaum bändigen konnte, schnaubte wütend wie ein erschrecktes Flusspferd und stieß die Taumelnden mit einer jähen Bewegung seiner keulenartigen Arme von sich. Sie gingen zu Boden und setzten ihre Vorführung mit unverminderter Heftigkeit fort, der eine, um sich zu befreien, der andere, um seine Trophäe nicht entkommen zu lassen.

Schließlich gelang es dem Detektiv, sich quer über den Oberkörper des Bärtigen zu legen. Mit triumphierender Stimme fuhr er in die Manteltasche: „Was haben wir denn da?“, rief er aus und wiederholte die Prozedur mit unverminderter Lautstärke an der anderen Manteltasche, die ebenso unergiebig war. Seine Rechtfertigungsgeste verhungerte in der Luft, schwankte ein wenig und zog sich unschlüssig zurück. „Wo hast du es hingetan?“, fragte er, ohne von dem Stöhnenden abzulassen, der die Arme abwehrend vor seinen Körper geschlagen hatte. „Sie tun mir weh“, protestierte der Bärtige mit klagender Stimme. „Sie tun ihm weh, Sie ungehobelter Mensch“, keifte die Rothaarige unter eifrigem Kopfnicken ihrer Tochter aus der Bäckereischlange.

Mit hochrotem Kopf drehte sich der Detektiv von dem Liegenden weg und warf die Arme in die Höhe. Mehr zu sich selbst gewandt murmelte er: „Ich bin mir sicher. Irgendwohin wird er es getan haben.“ Seine unruhigen Augen schweiften über den Boden. Seine Hände wühlten in den Einkäufen des Bärtigen. Abscheu sprach aus seiner Miene, als er die Flaschen unsanft zur Seite schob. Der Trinker robbte heran und hielt mit zitternden Fingern einen Kassenzettel wie einen Ablassbrief vor sich. „Sehen sie“, rief er kläglich, „alles bezahlt.“ Seine Augen waren gelblich verfärbt.

Unangenehm berührt wandten sich die meisten Kunden von der Szene ab. Ein erneutes „Alles bezahlt“ prallte in ihre Rücken und blieb unwidersprochen. Ein distinguiert wirkender Mann mit schütterem Haar half dem Malträtierten auf die Beine und begann, die gekauften Spirituosen in Plastiktaschen zu verpacken, während er begütigend auf ihn einredete. Der Detektiv war wortlos davon gestolpert, ohne sich zu entschuldigen. Der Zipfel einer Packung Karamellbonbons lugte aus einem Stapel Pralinenschachteln. Der Besucher hatte das Handgemenge mit ausdruckslosem Gesicht verfolgt. Niemand hatte das Recht, die Beute zu verscheuchen.

Er musste noch einmal zu dem Hund des Trinkers, der vor dem Supermarkt angeleint war. Der Hund war von Anfang an ein Unsicherheitsfaktor gewesen. Andererseits hatte er sich den Schwierigkeitsgrad selbst ausgewählt. Er drehte sich um. Er musste sich beeilen.

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