Kitabı oku: «Sachenrecht I», sayfa 6
bb) Rechtsmissbrauch
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JURIQ-Klausurtipp
Dabei handelt es sich wiederum um sehr seltenen Fall, die hier nur der Vollständigkeit halber dargestellt werden soll. Ohne besondere Anhaltspunkte in der Klausur sollten Sie auch keinesfalls hierzu etwas ausführen.
In Analogie zu §§ 251 Abs. 2, 275 Abs. 2, 635 Abs. 2 kann sich die Geltendmachung des Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn die Beseitigung der Beeinträchtigung nach den Interessen der Beteiligten und allen sonstigen Umständen mit einem unbilligen Aufwand verbunden wäre.[70] In diesem Falle steht dem Eigentümer gegen den Störer bei Verschulden ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 wegen Eigentumsverletzung zu.[71] Daneben kommt auch nach dem Rechtsgedanken der §§ 904 S. 2, 906 Abs. 2 S. 2 ein verschuldensunabhängiger bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch auf eine angemessene Entschädigung in Betracht.[72]
3. Durchsetzbarkeit
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Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 ist – wie jeder andere Anspruch auch – durchsetzbar, wenn er fällig ist und keine Einreden entgegenstehen.
81
Die Fälligkeit tritt nach § 271 Abs. 1 im Zweifel sofort ein.
82
Bei den Einreden ist insbesondere an die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 zu denken.
Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 unterliegt der dreijährigen Regelverjährung nach §§ 195, 199. Wird das Eigentum an einem Grundstück gestört, so ist im Hinblick auf die in § 902 Abs. 1 S. 1 angeordnete Unverjährbarkeit von Ansprüchen aus eingetragenen Rechten umstritten, ob § 902 in diesem Fall auf den Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 anwendbar ist. Nach Ansicht des BGH ist § 902 Abs. 1 S. 1 bei Störung des Grundstückseigentums nicht anwendbar.[73] Das wird damit begründet, dass sich der Anspruch, ebenso wie der in § 902 Abs. 1 S. 2 erwähnte Schadensersatzanspruch (für den nach dieser Vorschrift die Regelverjährungsfrist gilt) nicht aus dem Inhalt des Grundbuchs ergebe. Nach der Gegenansicht soll dagegen ein Anspruch auf Störungsbeseitigung bei Beeinträchtigung von Grundstückseigentum gem. § 902 Abs. 1 S. 1 nicht verjähren.[74] Für diese Ansicht spricht, dass sich auch die Ansprüche aus §§ 985, 894 (bezogen auf Grundstücke), für die § 902 Abs. 1 S. 1 gilt, nicht aus dem Inhalt des Grundbuchs ergeben.
Nimmt man mit der Ansicht des BGH die grundsätzliche Möglichkeit einer Verjährung an, so ist zu beachten, dass mit jeder gleichartigen neuen Beeinträchtigung ein neuer Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 entsteht, der dann einer erneuten Verjährung unterliegt.[75]
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Auf die Frage der Verjährung eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 wegen Beeinträchtigung des Grundstückseigentums dürfte es in Klausuren selten ankommen. Häufig wird zudem die Entscheidung offen bleiben können, da die Regelverjährungsfrist drei Jahre beträgt und die Frist nach § 199 Abs. 1 erst mit Ablauf des Jahres der Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis des Gläubigers (oder grob fahrlässigen Unkenntnis) von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Störers zu laufen beginnt. Von diesem Zeitpunkt an gerechnet wird wohl kaum ein Betroffener noch drei Jahre warten, um seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Auch wird sich schon vor Ablauf dieser Zeit die Frage stellen, ob der Eigentümer nicht seinen Anspruch schon verwirkt hat. Sollte es in einer Klausur wirklich einmal auf die Verjährungsfrage ankommen, können Sie beide Ansichten mit entsprechender Begründung vertreten. Für die Ansicht des BGH spricht, dass der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 dem in § 902 Abs. 1 S. 1 erwähnten Schadensersatzanspruch in seinem Umfang sehr nahe kommen kann, was eine Analogie zu § 902 Abs. 1 S. 2 rechtfertigt.
4. Konkurrenzen mit anderen Anspruchsgrundlagen
83
Neben § 1004 Abs. 1 S. 1 sind bei Verschulden des Störers § 823 Abs. 1, und wenn gleichzeitig eine Besitzstörung vorliegt, § 862 anwendbar. Durch § 985 wird, wie schon aus dem Wortlaut hervorgeht, § 1004 Abs. 1 S. 1 in der Regel ausgeschlossen, es sei denn, dass die Eigentumsbeeinträchtigung über die Besitzentziehung hinaus geht und daher die Wiedereinräumung des Besitzes zur Störungsbeseitigung nicht ausreicht.[76]
Beispiel
Mietnomade M räumt nach fristloser Kündigung die Wohnung nicht. Räumt er später die Wohnung unter Hinterlassung von Müll, besteht ergänzend ein Anspruch des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 auf Beseitigung des Mülls.
Die §§ 907–910 enthalten Sondervorschriften, schließen aber den Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 nicht aus.[77] Insbesondere ist das Selbsthilferecht nach § 910 nur ein zusätzlicher rechtlicher Schutz neben dem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1.
2. Teil Die Anspruchsgrundlagen zum Eigentumsschutz › A. Schutz vor Eigentumsstörungen nach § 1004 › II. Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2
II. Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2
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Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2
I. Anspruchsentstehung
1.Beeinträchtigung des Eigentums und Wiederholungsgefahr oder erstmalige Drohung einer Eigentumsbeeinträchtigung
2.Eigentum des Anspruchstellers
3.Störereigenschaft des Anspruchsgegners
4.Keine Duldungspflicht, § 1004 Abs. 2
II. Rechtsvernichtende Einwendungen, insbesondere
1.Wegfall der Beeinträchtigung
2.Erfüllung, § 362
3.Änderungen auf Störerseite
III. Durchsetzbarkeit
Hinweis
Da sich beim Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 sehr viele Überschneidungen zum oben dargestellten Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 ergeben, sollen im folgenden nur die Unterschiede zwischen den Ansprüchen und die Besonderheiten, die Sie beachten müssen, dargestellt werden.
1. Anspruchsentstehung
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Ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 besteht nach dem Gesetzeswortlaut, wenn „weitere Beeinträchtigungen zu besorgen“ sind. Klassisch ist mit dieser Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen die Wiederholungsgefahr gemeint. Dabei gilt der Grundsatz, dass eine durch die bereits vorhandene erstmalige Eigentumsbeeinträchtigung eine Wiederholungsgefahr in widerleglicher Weise vermutet wird.[78]
Entgegen dem Wortlaut besteht ein solcher Unterlassungsanspruch aber analog § 1004 Abs. 1 S. 2, wenn eine Beeinträchtigung erstmals und ernsthaft droht, um den Eigentümer in diesem Fall nicht schutzlos zu stellen.[79] Ansonsten müsste der Eigentümer, sofern er im Recht ist, unsinnigerweise erst die Beeinträchtigung seines Eigentums abwarten – bildlich gesagt müsste er dieser zusehen –, um sie dann im Nachhinein beseitigen zu lassen.
2. Rechtsvernichtende Einwendungen
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Der Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 erlischt, wenn die durch Erstbegehung geschaffene Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer mit dem Versprechen einer angemessenen Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht versehenen Unterlassungserklärung[80] oder aus anderen Gründen ausgeräumt wird.
Beispiel
S parkt seinen Wagen wiederholt auf dem Grundstück des E. E lässt deshalb eine Schranke errichten, die einer freien Zufahrt auf sein Grundstück nun entgegensteht. Die durch das falsche Parken des S begründete Wiederholungsgefahr besteht jetzt aufgrund der faktischen Verhältnisse auf dem Grundstück des E nicht mehr.
3. Durchsetzbarkeit
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Im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit des Anspruchs ergeben sich keine Besonderheiten im Vergleich zum Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 (siehe oben unter Rn. 80–82).
2. Teil Die Anspruchsgrundlagen zum Eigentumsschutz › A. Schutz vor Eigentumsstörungen nach § 1004 › III. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2
III. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2
1. Anspruch aus direkter Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2
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Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 (unmittelbar) gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch gegen den Eigentümer oder Besitzer des anderen Grundstücks unter folgenden Voraussetzungen:
Anspruch auf Entschädigung aus § 906 Abs. 2 S. 2 (unmittelbar)
I. Anspruchsentstehung
1.Immission von Nachbargrundstück
2.Wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks des Anspruchstellers durch Immission
3.Störereigenschaft des Eigentümers oder Besitzers des anderen Grundstücks i.S.d. § 1004 Abs. 1
4.Duldungspflicht des Anspruchstellers nach § 906 Abs. 2 S. 1.
5.Beeinträchtigung des Grundstücks des Anspruchstellers über das zumutbare Maß hinaus.
6.Anspruchsumfang
II. Keine rechtsvernichtenden Einwendungen
III. Durchsetzbarkeit
a) Anspruchsentstehung
aa) Von einem anderen Grundstück ausgehende Immission
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Der Anspruch setzt zunächst eine Immission i.S.v. § 906 Abs. 2 S. 1 voraus, die vom Nachbargrundstück ausgeht. § 906 Abs. 2 S. 1 erfasst solche Immissionen, die das Nachbargrundstück – im Unterschied zu den Fällen des § 906 Abs. 1 – wesentlich beeinträchtigen und auf eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks zurückgehen.
Beispiel
Rangiergeräusche, die in einer Wohnung in unmittelbarer Bahnhofsnähe als erheblich störend empfunden werden. Diese Geräusche sind ortsüblich und können nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen abgesenkt werden.
bb) Wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks des Anspruchstellers durch Emission
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Im eben genannten Beispiel wird das betroffene Grundstück wesentlich beeinträchtigt, insbesondere dadurch, dass es nur sehr schwer, und auch nur für eine erheblich herabgesetzte Miete vermietet werden kann.
cc) Störereigenschaft des Eigentümers oder Besitzers des anderen Grundstücks
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Hinsichtlich der Störereigenschaft gelten die gleichen Grundsätze, die wir bereits bei § 1004 ausgeführt haben (siehe oben unter Rn. 49–57).
dd) Duldungspflicht des Anspruchstellers nach § 906 Abs. 2 S. 1
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Der Anspruchsteller hat wesentliche, aber ortsübliche Beeinträchtigungen zu dulden, wenn sie vom Benutzer des anderen Grundstücks nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindert werden können.
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Hier kommt es in der Klausur also insbesondere auf die Angaben im Sachverhalt an, welchen finanziellen Aufwand es erfordern würde, um die Beeinträchtigungen zu verhindern.
ee) Beeinträchtigung des Grundstücks des Anspruchstellers über das zumutbare Maß hinaus
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Wann eine solche Beeinträchtigung vorliegt, kann nicht abstrakt generell entschieden werden, sondern richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalles.[81] Dabei ist maßgeblich das Gepräge der Umwelt des belasteten Grundstücks, die Zeitdauer, Art und Auswirkung der Beeinträchtigung zu berücksichtigen. Außerdem spielt es eine Rolle, ob sich das belastete Grundstück bei Erwerb durch den Anspruchsteller bereits in einer umweltbelasteten Umgebung befand.[82] Im obigen Beispiel wäre es danach durchaus erheblich, ob sich das Grundstück des Anspruchstellers im Zeitpunkt des Erwerbs bereits in der Nachbarschaft des Rangierbahnhofs befunden hat oder ob dieser erst später gebaut wurde.
ff) Anspruchsumfang
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Auszugleichen sind die Einwirkungen auf das Grundstück und die dort befindlichen beweglichen Sachen, die das über nach § 906 Abs. 1 entschädigungslos zu Duldende hinausgehen.[83]
b) Rechtsvernichtende Einwendungen
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Hier gelten die allgemeinen Grundsätze über das Erlöschen des Anspruchs, insbesondere Erfüllung oder Aufrechnung.
c) Durchsetzbarkeit
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Der Anspruch wird gem. § 271 Abs. 1 sofort fällig und verjährt nach §§ 195, 199 mit der dreijährigen Verjährungsfrist.
2. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 analog
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Ein Anspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 besteht, wenn der Eigentümer oder Besitzer des beeinträchtigten Grundstücks die Störung aus tatsächlichen Gründen nicht mit Hilfe der §§ 862, 1004 abwehren kann, etwa die Beeinträchtigung durch einen Brand. In diesem Fall wird § 906 Abs. 2 S. 2 in analoger Anwendung außerdem auch auf sog. Grobimmissionen wie Wasser oder herabstürzende Bäume ausgedehnt, die aus tatsächlichen Gründen nicht abgewehrt werden konnten. Es gelten im Übrigen die gleichen Prüfungsschritte wie bei direkter Anwendung der Vorschrift:
Beispiel[84]
G betreibt in gemieteten Räumen ein Lederwarengeschäft. Das Nachbarhaus gehört dem B. Am 11.1. fing in der Wohnung des B ein defektes Küchengerät Feuer und führte zu einem das ganze Haus erfassenden Brand, der von der Feuerwehr gelöscht wurde. Durch Rauch, Ruß und Löschwasser wurde auch das Geschäft des G geschädigt. Ihm entstand ein Schäden in Höhe von 100 000 €. G verlangt Erstattung dieses Betrages von B. Den B trifft kein Verschulden an dem Brand.
Da den B kein Verschulden trifft, kommt nur ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 in Betracht
Hier ging die Störung des Geschäftsbetriebs des G vom Grundstück des B aus. Rauch und Ruß werden in § 906 Abs. 1 S. 1 ausdrücklich als Immissionen aufgeführt. Löschwasser ist – ebenso wie anderes Wasser – eine sog. Grobimmission, die zwar nicht direkt unter § 906 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 fällt, aber eine analoge Anwendung rechtfertigt.[85]
Die genannten Einwirkungen haben eine wesentliche Schädigung der Betriebseinrichtung und der Warenbestände des G verursacht. Der Beeinträchtigung eines Grundstücks steht nicht entgegen, dass G lediglich Mieter war, weil § 906 sowohl das Eigentum als auch den Besitz an einem Grundstück schützt.[86] Hier ist der Besitz des Grundstücks durch die Brandfolgen wesentlich beeinträchtigt worden.
B ist auch Störer. Zwar reicht hierfür seine Eigentümerstellung allein nicht aus, vielmehr muss die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen. Hier stellte der Brand aber kein allgemeines Risiko dar, sondern beruhte auf Umständen, auf die nur B hätte Einfluss nehmen können. Bricht aus einem solchen Anlass ein Brand aus, so war es Sache des B, eine Ausweitung des Brandes zu verhindern.[87]
Die Einwirkung muss schließlich nach dem Wortlaut des § 906 Abs. 2 S. 2 vom Betroffenen zu dulden sein. Der Entschädigungsanspruch ist der Ausgleich dafür, dass das Gesetz dem geschädigten Grundstückseigentümer oder -besitzer den an sich gegebenen Abwehranspruch aus § 1004 BGB aus den in Satz 1 des § 906 Abs. 2 genannten Gründen (Duldensfall) genommen hat.
Die Duldungspflicht nach § 906 Abs. 2 S. 1 setzt voraus, dass eine Beeinträchtigung zwar wesentlich, aber ortsüblich ist und durch zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden kann. Das trifft vor allem auf Gewerbebetriebe zu, die Lärm verursachen, aber in einem Gewerbegebiet liegen, in dem ein solcher Lärm üblich ist und in der Regel aus technischen Gründen nicht verhindert werden kann. Dann können die Beeinträchtigungen benachbarter Wohnnutzungen durch Entschädigungszahlungen ausgeglichen werden.
Im vorliegenden Beispiel ist der Brand weder Folge einer ortsüblichen Nutzung noch ist er ein Vorgang, der von G aus Rechtsgründen nicht verhindert werden konnte. Vielmehr brauchte G die Brandschäden nicht zu dulden. Eine unmittelbare Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 scheidet daher aus.
Es kommt daher nur eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 in Betracht, die vom BGH im vorliegenden Fall bejaht wurde.
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§ 906 Abs. 2 S. 2 wird analog angewandt auf den Fall, dass der beeinträchtigte Grundstückseigentümer oder -besitzer die Störung aus tatsächlichen Gründen nicht abwehren konnte.
Nach Rspr. des BGH ist ein Anspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die [weil rechtswidrig] der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 unterbinden kann.
Hinweis
Es handelt sich bei der analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 also um einen Ausgleich aus Billigkeitsgründen, der gewährt wird, weil ein an sich (ursprünglich) gegebener Anspruch aus § 1004 Abs. 1 aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht geltend gemacht werden konnte. Hauptfälle sind dabei die fehlende Kenntnis von der drohenden Beeinträchtigung (beispielsweise der Wasserschaden, den man erst mit dem schädigenden Wasser sieht).
Diese Voraussetzung ist im Beispiel erfüllt, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück daher nicht rechtzeitig abwehren kann.
Die Einwirkung auf das Grundstück des G geht im Beispiel schließlich auch „über das zumutbare Maß“ hinaus
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Die Rechtsfolge des § 906 Abs. 2 S. 2 analog ist nach Ansicht des BGH nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung bestimmen.
Die Entschädigung erfasst auch die Nachteile, die der Geschädigte infolge der Beeinträchtigung seiner Warenvorräte durch Rauch, Ruß und Löschwasser erlitten hat.
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 dient als Kompensation für den Ausschluss primärer Abwehransprüche nach §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1, schützt also wie diese das Eigentum und den Besitz an einem Nachbargrundstück. Die Ausgleichsleistung knüpft an diese Rechtspositionen an; bei einer Besitzstörung richtet sie sich nach dem Vermögenswert, der auf dem Recht beruht, den Besitz innezuhaben. Folgt das Besitzrecht, wie im Beispiel, aus einem Mietvertrag über Gewerberäume, bietet dies vor allem die Möglichkeit, den Besitz zur Unterhaltung eines Gewerbebetriebes zu nutzen. Daher sind die vermögenswerten Betriebsnachteile auszugleichen, die ihre Ursache in der Besitzstörung haben.[88] Zu diesen Nachteilen zählen die für eine ungestörte Fortführung des Gewerbebetriebs erforderlichen Aufwendungen. Das umfasst Aufwendungen für den Ersatz von Inventar, von Warenvorräten und ähnlichen Betriebsmitteln, die durch die Besitzstörung beschädigt worden sind.
2. Teil Die Anspruchsgrundlagen zum Eigentumsschutz › A. Schutz vor Eigentumsstörungen nach § 1004 › IV. Anwendung des § 1004 auf andere absolute Rechte
IV. Anwendung des § 1004 auf andere absolute Rechte
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Neben der Anwendung für das Eigentum entsprechend dem Wortlaut finden der Beseitigungs- und der Unterlassungsanspruch nach § 1004 auch auf andere absolute Rechte Anwendung, teils entsprechend kraft gesetzlicher Verweisung, teils analog infolge vorhandener planwidriger Regelungslücken.
1. Entsprechende Anwendung kraft Verweises
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Die Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nach § 1004 sind vielfach kraft gesetzlicher Verweisung entsprechend anwendbar, vgl. die Regelungen der §§ 1027, 1065, 1090 Abs. 2, 1227.
Dabei bezwecken diese Verweise immer, den Inhaber eines dinglichen Rechts in Bezug auf den Schutz dieses dinglichen Rechts wie einen „Eigentümer“ dieses dinglichen Rechts zu stellen.
Hinweis
Häufig wird begrifflich nicht zwischen der „analogen“ und der „entsprechenden“ Anwendung einer Vorschrift getrennt. Dies beruht wohl auf der irrigen Vorstellung, „entsprechend“ sei die deutsche Übersetzung von „analog“ (ähnlich). Von entsprechender Anwendung spricht man, wenn eine Rechtsnorm auf eine andere Rechtsnorm verweist (vgl. auch die oben zitierten Vorschriften). In diesem Fall besteht keine Regelungslücke, da ja auch die Verweisungsnorm etwas regelt, nämlich die sinnentsprechende Anwendung einer anderen Rechtsnorm. Demgegenüber setzt die analoge Anwendung eine Regelungslücke voraus, woran es bei Bestehen einer Verweisungsnorm gerade fehlt.