Kitabı oku: «Multilaterales Instrument», sayfa 16
Kommentierung
I.Zweck der Vorschrift1 – 13
II.Bezug zum OECD-MA 2014 und zur DE-VG14 – 18
III.Kommentierung19 – 84
1.Das Konzept des Art 7 zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch19 – 23
2.Hauptzweck-Test/Principle Purpose Test24 – 45
3.Bestimmungen zur Beschränkung von Vergünstigungen/Limitation on benefits („LOB“)46 – 52
4.Berechtigte Personen (Art 7 Abs 9)53 – 65
5.Aktivitätstest (Art 7 Abs 10)66 – 75
6.„gleichberechtigte“ Begünstigte (Art 7 Abs 11)76 – 78
7.Billigkeitsregelung79 – 84
IV.Umsetzung in Deutschland85 – 90
V.Konkurrenzfragen91 – 99
Literatur: F. Kaiser Zur Anerkennung funktionsschwacher Gesellschaften im deutschen Steuerrecht – Directive Shopping in Luxemburg, IStR 2009, 121.
I. Zweck der Vorschrift
1
Art 7 dient der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen. Er basiert auf den Ergebnissen, die im Abschlussbericht zu Aktionspunkt 6 des BEPS-Projekts festgehalten sind. Insb das sog „Treaty Shopping“ soll vermieden werden, also die Zwischenschaltung von Ges zur Generierung von Abkommensvorteilen, die sonst nicht gewährt würden.[1] Wesentliches Ergebnis des Abschlussberichts zu Aktionspunkt 6 des BEPS-Projekts ist der OECD-Mindeststandard zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch.[2] Dieser besagt, dass in Steuerabkommen
1. | ausdrücklich festzuhalten ist, dass diese dazu dienen, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, ohne Möglichkeiten zur Nicht- oder Niedrigbesteuerung durch Steuerverkürzung oder Steuerumgehung, einschließlich missbräuchlicher Gestaltungen mit dem Ziel des Erhalts von Abkommensvorteilen zum mittelbaren Nutzen von in Drittstaaten ansässigen Personen („Treaty Shopping“), zu schaffen (siehe Änderung der Präambel erfasster Steuerabkommen durch Art 6) und |
2. | zum Zweck der Verhinderung von Abkommensmissbrauch entweder – ein allgemeiner Missbrauchstatbestand auf der Grundlage eines Hauptzweck-Kriteriums (Principle Purpose Test, „PPT“), – ein Hauptzweck-Test („PPT“) kombiniert mit Schranken für Abkommensvergünstigungen (limitations on benefits, „LOB“) oder – Schranken für Abkommensvergünstigungen („LOB“), welche durch Grundsätze zur Bekämpfung von Durchlauffinanzierungsstrukturen (zB in Gestalt eines nur insoweit anwendbaren Hauptzweck-Tests) ergänzt werden, wobei letztere im Abkommensrecht oder – dem Abschlussbericht zu Punkt 6 des BEPS-Projekts zu Folge auch im innerstaatlichen Recht (ggf sogar nur in Form von Rechtsprechungsgrundsätzen) statuiert sein können. |
2
Die am BEPS-Projekt beteiligten Staaten haben sich verpflichtet, den OECD-Mindeststandard zur Vermeidung von Abkommensmissbrauch in bestehenden und zukünftigen Steuerabkommen umzusetzen, wenn sie dazu von einem anderen Staat aufgefordert werden, der sich dieser Verpflichtung ebenfalls unterworfen hat. Im Hinblick darauf, dass Abschluss und Änderung eines Steuerabkommens ein ausgewogenes Ergebnis der Verhandlungen zwischen den Vertragsstaaten voraussetzen, besteht insoweit nach dem Abschlussbericht zu Aktionspunkt 6 des BEPS-Projekts ausdrücklich keine Zielvorgabe in zeitlicher Hinsicht. Zudem sollen Staaten, soweit sie keine Befürchtungen hegen, dass ihr Recht zur Quellenbesteuerung durch „Treaty Shopping“ unterminiert wird, insoweit nicht verpflichtet sein, Schranken für Abkommensvergünstigungen oder einen Hauptzweck-Test anzuwenden, vorausgesetzt, sie stimmen der Aufnahme solcher Regeln in ein Steuerabkommen zwecks Anwendung durch den anderen Vertragsstaat zum Schutz seiner Quellensteuerrechte zu.[3]
3
Zweck des MLI ist es, den OECD-Standard effizient und zeitnah umzusetzen. Das MLI geht dabei mitunter auch über den vorstehend skizzierten OECD-Mindeststandard hinaus. Da die Teilnahme am MLI nicht verpflichtend ist und die Vertragsstaaten eines Steuerabkommens divergierende Vorstellungen hinsichtlich der Nutzung bestehender Umsetzungsspielräume haben können, wird die Implementierung des OECD-Mindeststandards ab 2018 durch den Fiskalausschuss der OECD (Arbeitsgruppe 1) und die am BEPS-Projekt teilnehmenden Staaten laufend überwacht und ein jährlicher Bericht hierzu vorgelegt werden („Peer Review“; erstmaliges Erscheinen geplant für Januar 2019).[4]
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Während das MLI insgesamt dazu dient, Abkommensmissbrauch zu verhindern, ist Gegenstand des Art 7 speziell die Umsetzung des zweiten Teils des OECD-Mindeststandards, also die Verhinderung von Abkommensmissbrauch vor allem durch „Treaty Shopping“ entweder (1) allein durch einen PPT, (2) einen PPT kombiniert mit vereinfachten LOB oder (3) individuell durch die Vertragsstaaten erfasster Steuerabkommen zu verhandelnde ausführliche LOB, welche von Vorschriften zur Bekämpfung von Durchlauffinanzierungsstrukturen oder einem Hauptzweck-Test ergänzt werden.
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Das dichte Netz bilateraler Steuerabkommen birgt die Gefahr, dass mittels künstlicher Rechtskonstruktionen versucht wird, Vergünstigungen eines Steuerabkommens missbräuchlich in Anspruch zu nehmen, um eine Nichtbesteuerung in beiden Vertragsstaaten bzw eine insgesamt zu niedrige Besteuerung zu erreichen. Das kann bspw geschehen, indem gezielt Qualifikationskonflikte bei der Anwendung eines Steuerabkommens durch die Vertragsstaaten nutzbar gemacht oder durch ein Abkommen gewährte Vergünstigungen mit Steuervorteilen nach den innerstaatlichen Gesetzen eines Vertragsstaats kombiniert werden.
6
Dem versuchen schon bisher speziell konzipierte Missbrauchsregelungen (zB Subject-to-tax- bzw Switch-over-Klauseln) in den Steuerabkommen sowie im nationalen Steuerrecht der Vertragsstaaten zu begegnen. Angesichts des Umstandes, dass Steuerabkommen häufig über Jahrzehnte unverändert Bestand haben, führen jedoch Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und/oder der Steuergesetze der Vertragsstaaten immer wieder dazu, dass sich neue Gestaltungsoptionen auftun, die von den auf Abkommensebene getroffenen Missbrauchsregelungen nicht erfasst werden und denen auch nicht durch eine zweckentsprechende Auslegung des Abkommens begegnet werden kann.[5]
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Allgemeine sowie spezielle Vorschriften zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch und diesbezügliche Rechtsprechungsgrundsätze im nationalen Steuerrecht der Vertragsstaaten[6] werden von den in Steuerabkommen getroffenen Regelungen nicht berührt und widersprechen diesen mithin auch nicht, wenn sie „Teil der grundlegenden innerstaatlichen Vorschriften zur Feststellung des Sachverhalts sind, der Grundlage der Besteuerung ist“.[7]
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Darüber hinausgehend sehen Staaten den Missbrauch von Steuerabkommen mitunter gleichzeitig als Missbrauch ihres innerstaatlichen Rechts an, da Steuern letztlich aufgrund des jeweiligen innerstaatlichen Rechts unter Beachtung der Regelungen der Steuerabkommen erhoben werden. Dies trifft insb für solche Staaten zu, die Steuerabkommen jeweils erst dadurch innerstaatlich in Kraft setzen, dass sie diese im Wege nationaler Gesetzgebung in geltendes Steuerrecht umsetzen.[8] Neuen Gestaltungsansätzen zur missbräuchlichen Inanspruchnahme von Abkommensvorteilen wird dann auch außerhalb des durch den OECD-MK skizzierten Rahmens mit Hilfe nationaler Missbrauchsvorschriften begegnet, wenn der damit verbundene „Treaty override“ nach dem Recht des Anwendestaats zulässig ist.[9] Auch wenn ein „Treaty override“ keine subjektiven Rechte der Steuerpflichtigen verletzt, handelt es sich um einen einseitigen Eingriff in einen völkerrechtlichen Vertrag, der nicht immer dem Wohlwollen des anderen Vertragsstaats begegnet. Es kann zu empfindlichen Störungen des im Verhandlungswege gefundenen Abkommensgleichgewichts kommen. Besonderen Bedenken begegnet es, wenn allgemeine Missbrauchsvorschriften des nationalen Rechts zur Anwendung gebracht werden, um Abkommensvergünstigungen zu versagen.
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Um eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die es erlaubt, Abkommensmissbrauch zukünftig auch unter veränderten Rahmenbedingungen und angesichts neuer Gestaltungsansätze flexibel und ohne die Gefahr einer Abkommensverletzung Rechnung zu tragen, haben die Vertragsparteien des MLI vereinbart, den OECD-Mindeststandard zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch in den zwischen ihnen bestehenden Steuerabkommen umzusetzen.
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Entsprechend dem Abschlussbericht zu Aktionspunkt 6 des BEPS-Projekts ist eine allgemeine Missbrauchsvermeidungsvorschrift in Form eines Hauptzweck-Tests („PPT“) als der standardisiert zur Anwendung kommende Weg zur Umsetzung des OECD-Mindeststandards definiert worden. Er schließt im Einzelfall bestimmte Abkommensvergünstigungen aus, wenn deren Erhalt Hauptzweck einer Gestaltung oder Transaktion war, die unmittelbar oder mittelbar zu dieser Vergünstigung führt; es sei denn, es wird durch den Steuerpflichtigen der Gegenbeweis geführt, dass die betreffende Vergünstigung unter den konkreten Umständen mit dem Abkommenszweck übereinstimmt.
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Die Vertragsparteien des MLI können entscheiden, ob die von ihnen abgeschlossenen und vom MLI erfassten Steuerabkommen neben oder – unter qualifizierten Voraussetzungen – anstelle des PPT allgemeine Schranken für Abkommensvergünstigungen vorsehen sollen (limitation on benefits, „LOB“, Art 7 Abs 8–14). Nach dem OECD-MA setzt die Berechtigung einer Person zur Inanspruchnahme der durch ein Steuerabkommen vorgesehenen Vergünstigungen bisher lediglich die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat voraus. Diese Voraussetzung erfüllt eine Person, die nach dem Recht eines Staats dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals unbeschränkt, also nicht nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen, steuerpflichtig ist (Art 4 Abs 1 OECD-MA). Dies gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für Ges und andere Personenvereinigungen, insb auch juristische Personen (Art 3 Abs 1 Buchst a und b OECD-MA). Mithin besteht bisher grds die Möglichkeit, durch Errichtung funktionsschwacher Basisgesellschaften den Anwendungsbereich von Steuerabkommen zu eröffnen, welche anderenfalls mangels Abkommensberechtigung nicht anwendbar wären. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen dies einen Rechtsmissbrauch darstellt („Treaty Shopping“), ist seit langem Gegenstand sowohl internationaler Erörterung (Tz 7 ff MK zu Art 1) als auch nationaler Gesetzgebung (zB § 42 AO, § 50d Abs 3 EStG) und Rechtsprechung. Nur wenige Steuerabkommen stellten schon bisher über die Ansässigkeit hinausgehende weitere Voraussetzungen für die allgemeine Abkommensberechtigung auf.[10]
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Ebenso wie der Abschlussbericht zu Aktionspunkt 6 des BEPS-Projekts geht das MLI davon aus, dass „LOB“ allein das wesentliche Ziel der umfassenden Vermeidung von „Treaty Shopping“ nicht gewährleisten können, während ein Hauptzweck-Test/PPT dies leisten kann. Allerdings weist ein Hauptzweck-Test/PPT im Vergleich zu LOB den Nachteil einer starken Wertungsabhängigkeit und damit verbunden geringerer Rechtssicherheit auf. Von der Statuierung eines PPT soll daher nur dann abgesehen werden können, wenn die LOB durch besondere Regeln betreffend die Verhinderung von Durchlauffinanzierungsstrukturen ergänzt werden. Auch in diesem Punkt folgt das MLI dem Abschlussbericht, allerdings mit gewissen Modifikationen in Bezug an die Anforderungen, die an solche, die LOB ergänzenden, Grundsätze gestellt werden.
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Den Vertragsparteien steht bei der Umsetzung des OECD-Mindeststandards zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch eine gewisse Flexibilität zu, die es ihnen erlauben soll, Besonderheiten des jeweiligen nationalen Rechts sowie den konkreten Rahmenbedingungen in Bezug auf bilateral verhandelte Steuerabkommen Rechnung zu tragen.[11] Die aus diesem Grund erforderlich gewordenen speziellen Regeln zur Implementierung des OECD-Mindeststandards in die vom MLI erfassten Steuerabkommen sind in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen, insb den dazu vorgesehenen Vorbehalten und Notifizierungen durch die Vertragsparteien, überaus kompliziert. Sie sind unter Punkt IV. in Form von Ablaufdiagrammen jeweils gesondert für den PPT und die vereinfachten LOB („S-LOB“) dargestellt. Zudem werden der PPT und die S-LOB nicht in allen Fällen die Regelungen des betreffenden Steuerabkommens ergänzen bzw ersetzen, sondern ihnen unter bestimmten Voraussetzungen insoweit vorgehen, als diese mit ihnen unvereinbar sind. All dies wird den Rechtsanwender in Zukunft vor erhebliche zusätzliche Herausforderungen bei der Anwendung von Steuerabkommen stellen.
II. Bezug zum OECD-MA 2014 und zur DE-VG
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Ein allgemeiner Missbrauchstatbestand nach Art des PPT ist im OECD-MA bisher nicht enthalten und findet sich mithin regelmäßig auch nicht in den heute bestehenden bilateralen Steuerabkommen.[12] Diese enthalten meist nur spezielle Vorschriften zur Vermeidung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Steuerabkommen durch bestimmte Gestaltungen (zB Konzept des Nutzungsberechtigten, Art 13 Abs 4 OECD-MA, Aktivitätsvorbehalte, Subject-to-tax- bzw Switch-over-Klauseln).[13] Im OECD-MK findet sich ein umfangreicher Abschnitt „Missbräuchliche Inanspruchnahme des Abkommens“.[14] Obwohl das Problem seit Langem bekannt ist, wurde seine Lösung bisher innerstaatlichen Vorschriften und Rechtsprechungsgrundsätzen bzw der richtigen Abkommensauslegung überantwortet.[15] Der OECD-MK stellt klar, dass Staaten die Vorteile von DBA nicht gewähren müssen, wenn Gestaltungen gewählt werden, die einen Abkommensmissbrauch darstellen.[16] Bzgl der Frage, wann ein – nicht leichtfertig anzunehmender – Abkommensmissbrauch vorliegt, sieht der OECD-MK bereits seit 2003 als geeigneten Maßstab einen Hauptzweck-Test an. Die Abkommensvorteile sollen dem zu Folge nicht gewährt werden, wenn ein Hauptzweck, bestimmte Transaktionen oder Gestaltungen zu verwirklichen, darin besteht, eine günstigere Steuerposition zu erlangen und diese günstigere Behandlung unter den gegebenen Umständen dem Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften widersprechen würde.[17]
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Auch Schranken für Abkommensvergünstigungen (limitation on benefits, „LOB“), wie sie insb von den USA bereits seit geraumer Zeit und in verschärfter Form seit der Veröffentlichung des US-MA 2006 bei dem Abschluss neuer Steuerabkommen durchgesetzt werden, sieht das OECD-MA bisher nicht vor. Zur Abwehr von „Treaty Shopping“ ist allerdings seit 2003 im OECD-MK für Staaten, die dieses Problem „umfassend lösen“ möchten, eine ausführliche Musterklausel „Schranken der Abkommensvergünstigungen“ enthalten.[18]
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Konstitutive, rechtsändernde Wirkung wird die Umsetzung OECD-Mindeststandards zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch durch das MLI in Bezug auf dem OECD-MA 2014 entsprechende Steuerabkommen insoweit entfalten, als
1. | der PPT Bestandteil von Steuerabkommen wird, deren Vertragsstaaten die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen nicht im Wege der Abkommensauslegung, sondern mittels innerstaatlicher Vorschriften bekämpfen und das innerstaatliche Recht bislang keine allgemeine Missbrauchsvorschrift nach Art eines Hauptzweck-Tests vorsieht und/oder |
2. | LOB Bestandteil von Steuerabkommen werden, wenn solche nicht ausnahmsweise bereits durch die Vertragsstaaten zur Anwendung gebracht werden. |
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Das OECD-MA wird zukünftig einen eigenen Ansatz zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch enthalten, der sowohl Schranken für Abkommensvergünstigungen Art 30). Die Aufnahme einer allgemeinen Missbrauchsklausel („PPT“) und von „LOB“ in die DE-VG macht die dort bereits vorgesehene Regelung, dass die Vertragsstaaten durch das betreffende Steuerabkommen nicht gehindert werden, ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Verhinderung der Steuerumgehung oder Steuerhinterziehung anzuwenden (Art 28 Abs 1 Nr 1 DE-VG), allerdings nicht entbehrlich. Es ist zu erwarten, dass auch zukünftig besondere Missbrauchsvorschriften des innerstaatlichen Steuerrechts der Vertragsstaaten eine erhebliche Bedeutung bei der Missbrauchsabwehr haben werden. Bestand schon bisher Anlass, ausdrücklich festzuhalten, dass das Abkommensrecht die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvorschriften nicht hindert (Art 28 Abs 1 Nr 1 DE-VG), obwohl die Steuerabkommen selbst keinen (allgemeinen) Missbrauchstatbestand enthielten, so ist dies angesichts der nun erfolgenden umfassenden Regelung der Materie auf Abkommensebene noch dringlicher. Die Implementierung des OECD-Mindeststandards durch Einfügung eines allgemeinen Missbrauchstatbestandes („PPT“) und/oder vereinfachter Schranken für Abkommensvergünstigungen („LOB“) in Steuerabkommen, die keine dem Art 28 Abs 1 Nr 1 DE-VG entsprechende Regelung aufweisen, kann aus Sicht der Vertragsstaaten kontraproduktiv sein und in Bezug auf die weitere Anwendbarkeit nationaler Missbrauchsvorschriften erhebliches Argumentationspotenzial für die Steuerpflichtigen eröffnen. Von Deutschland bis zur Veröffentlichung der DE-VG abgeschlossene Steuerabkommen statuieren regelmäßig keinen ausdrücklichen Vorbehalt in Bezug auf die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvorschriften (Art 28 Abs 1 Nr 1 DE-VG). Ob die Implementierung des OECD-Mindeststandards durch das MLI tatsächlich zu dem gewünschten Ziel der Eindämmung von Abkommensmissbrauch führen wird, ist daher zweifelhaft.
III. Kommentierung
1. Das Konzept des Art 7 zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch
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Art 7 ist die zentrale Vorschrift des MLI zur Implementierung des OECD Mindeststandards zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch. Sie sieht vor, dass in Gestalt des Hauptzweck Tests („Principle Purpose Test, „PPT“) standardmäßig eine allgemeine Vorschrift zur Vermeidung von Abkommensmissbrauch in die erfassten Steuerabkommen eingefügt wird. Außerdem können sich die Vertragsparteien entscheiden, in Form sog Schranken für Abkommensvergünstigungen („limitation on benefits“, „LOB“) Vorschriften in die erfassten Steuerabkommen aufzunehmen, welche spezifisch der Vermeidung von „Treaty Shopping“ dienen. Das MLI sieht insoweit vereinfachte LOB vor. Im Unterschied zum PPT, der standardmäßig in die erfassten Steuerabkommen eingefügt wird und bzgl dessen die Vertragsparteien nur unter bestimmten Voraussetzungen einen „Opt-out“ erklären können, setzt die Implementierung der vereinfachten LOB in die erfassten Steuerabkommen eine Entscheidung für deren Geltung voraus. Ausf LOB, wie sie im Abschlussbericht zu Aktionspunkt 6 des BEPS-Projekts als Alternative entsprechend dem Vorbild des US-Musterabkommens ebenfalls enthalten sind, wurden bei der Entwicklung des MLI für zu komplex erachtet, als dass sie durch das MLI standardisiert in eine Vielzahl von Steuerabkommen eingefügt werden könnten. Vertragsparteien des MLI, welche ausf LOB in die von ihnen abgeschlossenen Steuerabkommen einfügen wollen, müssen dies im Zuge bilateraler Verhandlungen von Steuerabkommen anstreben. Beabsichtigt eine Vertragspartei, ausf LOB in Verbindung mit Vorschriften zur Bekämpfung von Durchlauffinanzierungsstrukturen oder mit einem Hauptzweck-Kriterium anzuwenden und dadurch den OECD-Mindeststandard zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch zu erfüllen, kann sie sich vorbehalten, dass Art 7 Abs 1 für ihre unter das MLI fallenden Steuerabkommen nicht gilt (Art 7 Abs 15 Buchst a).
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Dass der PPT als allgemeine Regelung zur Vermeidung von Abkommensmissbrauch und die LOB als speziell der Vermeidung von „Treaty Shopping“ dienende Regelung in Art 7 gemeinsam behandelt werden, ist darauf zurückzuführen, dass beide Mechanismen der Implementierung des OECD-Mindeststandards zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch dienen, der im Abschlussbericht zu Aktionspunkt 6 des BEPS-Projekts definiert ist.[20] Der OECD-Mindeststandard kann entweder durch den PPT allein, eine Kombination des PPT mit vereinfachten LOB oder durch (bilateral zu verhandelnde) ausführliche LOB in Verbindung mit Regeln zur Bekämpfung von Durchlauffinanzierungsstrukturen oder einem Hauptzweck-Kriterium gewährleistet werden.
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Die Vertragsparteien des MLI entscheiden jeweils, auf welchem der drei folgenden Wege sie den OECD-Mindeststandard zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch umsetzen wollen, um zu verhindern, dass die von ihnen abgeschlossenen und in den Anwendungsbereich des MLI fallenden Steuerabkommen missbräuchlich in Anspruch genommen werden:
– | durch Abkommensregeln zur Überprüfung des oder der Hauptzwecke einer Gestaltung oder Transaktion (Art 7 Abs 1 ggf iVm. Abs 4, Principle Purpose Test, „PPT“, Standardfall); |
– | durch Abkommensregeln zur Überprüfung des oder der Hauptzwecke einer Gestaltung oder Transaktion (Art 7 Abs 1 ggf iVm. Abs 4, Principle Purpose Test, „PPT“) iVm vereinfachten oder detaillierten Schranken für Abkommensvergünstigungen (Art 7 Abs 8–13, limitation on benefits, „LOB“) oder |
– | durch eine detaillierte „LOB“-Regelung entweder in Verbindung mit Vorschriften zur Bekämpfung von Durchlauffinanzierungsstrukturen („rules to address conduit financing structures“) oder mit einem Hauptzweck-Test/„PPT“. |
Welche Vorschriften letztlich zur Anwendung gelangen und ob diese die in den vom MLI erfassten Steuerabkommen enthaltenen Regeln ergänzen, ersetzen oder diesen insoweit vorgehen, als sie mit ihnen unvereinbar sind, hängt von den durch die Vertragsparteien des MLI jeweils insoweit erfolgenden Vorbehalten und Notifizierungen ab. In bestimmten Fällen wird Art 7 auf ein vom MLI erfasstes Steuerabkommen insgesamt nicht angewendet. Einen entsprechenden Vorbehalt (Art 7 Abs 16) können Vertragsparteien, die sich nach Art 7 Abs 6 für die Anwendung der vereinfachten LOB entscheiden, in Bezug auf solche Steuerabkommen erklären, bei denen
– | sich nicht auch alle anderen Vertragsstaaten[21] für die Anwendung der vereinfachten LOB entscheiden[22] und |
– | ihnen auch nicht die einseitige Anwendung der vereinfachten LOB gestattet wird.[23] |
22
Nach dem Inkrafttreten des MLI bedarf es mithin einer aufwendigen Prüfung, um festzustellen, welchen Wortlaut die erfassten Steuerabkommen unter Berücksichtigung der dadurch bewirkten Änderungen haben. Mit dem zugrunde liegenden Gedanken der effizienten Änderung einer Vielzahl von Steuerabkommen ist das unvereinbar. Es geht insoweit jedoch um mehr als nur die daraus resultierende wirtschaftliche Belastung der Steuerpflichtigen. Bundesgesetze bedürfen zu ihrem Inkrafttreten der Verkündung im BGBl (Art 82 Abs 1 S 1 GG). Das ist ein grundlegendes Verfassungsgebot. Das MLI selbst bestimmt nicht abschließend, welchen Inhalt die erfassten Steuerabkommen haben werden nachdem es in Kraft getreten ist. Es überlässt dies vielmehr – wenn auch innerhalb eines bestimmten Rahmens ‑ den Vertragsparteien des MLI, welche die erfassten Steuerabkommen geschlossen haben. Der Inhalt der vom MLI erfassten Steuerabkommen ist nach dem Inkrafttreten des MLI nicht mehr unmittelbar – in Gestalt des jeweiligen Zustimmungsgesetzes – dem BGBl zu entnehmen, sondern muss anhand der durch die Vertragsparteien gegenüber der OECD erklärten Vorbehalte und abgegebenen Notifizierungen ermittelt werden. Dies wird den Anforderungen des dt GG an das Zustandekommen von Bundesgesetzen uU nicht gerecht. Ein Ausweg könnte darin bestehen, dass der Gesetzgeber konsolidierte Fassungen der vom MLI erfassten Steuerabkommen verabschiedet und diese im BGBl veröffentlicht werden, nachdem die jeweils relevanten Vorbehalte und Notifizierungen zu den betroffenen Steuerabkommen erfolgt sind. Denkbar ist es insoweit aber auch, dass es sich bei den durch die anderen Vertragsparteien zu erklärenden Vorbehalten und Notifizierungen um aufschiebende Bedingungen handelt, mit deren Eintreten, die entsprechende inhaltliche Änderung der vom MLI erfassten Steuerabkommen zustande kommt.
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Um dem Rechtsanwender die Prüfung zu erleichtern, welchen Wortlaut erfasste Steuerabkommen – vorbehaltlich der verfassungsrechtlichen Bedenken – nach dem Inkrafttreten des MLI haben, sind die für die Geltung des PPT sowie der vereinfachten LOB relevanten Voraussetzungen in Form von Ablaufdiagrammen unter Punkt IV.[24] dargestellt.
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