Kitabı oku: «Die Familiensaga der Pfäfflings», sayfa 4

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Die Sache blieb nicht länger Geheimnis. Herr Pfäffling besprach sie mit seinem Direktor, in der Zeitung kam eine Notiz aus Marstadt über die geplante Musikschule und die zwei Bewerber um die Direktorenstelle. Auch die Kinder hörten nun davon, die Hausleute erfuhren es und Walburg wurde es ins Ohr gerufen.

Je näher der Donnerstag kam, um so mehr wuchs die Spannung auf den Entscheid. Am Vorabend lief noch ein Brief von Kraußold ein, der keinen Zweifel mehr darüber ließ, dass Pfäffling einstimmig gewählt würde.

Gegen Mittag konnte das Telegramm einlaufen. Es war noch nicht da, als Herr Pfäffling aus der Musikschule heimkam. So setzten sie sich alle zu Tisch wie gewöhnlich, aber die Kinder stritten sich darum, wer aufmachen dürfte, wenn der Telegrafenbote klingeln würde. Die Mutter hatte das aufmerksame Ohr einer Hausfrau, sie legte den Löffel aus der Hand und sagte: »Er kommt.« Einen Augenblick später klingelte es, und von den dreien, die hinaus gerannt waren, brachte Wilhelm das Telegramm dem Vater, der rasch den Umschlag zerriss. Es war ein langes, ein bedenklich langes Telegramm. Es besagte, dass noch in der letzten Stunde der Beschluss, im nächsten Jahre schon eine Musikschule zu gründen, umgestoßen worden sei und man eines günstigen Bauplatzes wegen noch ein paar Jahre warten wolle!

Herrn Pfäffling war zumute, wie wenn man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen hätte, als er las, dass die ganze Musikschule, die er dirigieren wollte, wie ein Luftschloss zusammenbrach.

O, diese traurige Tischgesellschaft! Wie bestürzt sahen die Eltern aus, wie starrten die Buben das unheilvolle Telegramm an, wie flossen den Mädchen die Tränen aus den Augen, wie schaute Elschen so ratlos von einem zum andern, weil sie gar nichts von dem allen verstand!

Frieder, der neben der Mutter saß, wandte sich halblaut an sie: »Es wäre viel freundlicher gewesen, wenn sie das mit der Musikschule schon vorher ausgemacht hätten, und das mit dem Vater erst nachher.«

»O Frieder,« rief der Vater und fuhr so lebhaft vom Stuhl auf, dass alle erschraken, »wenn die Marstadter nur so klug wären wie du, aber die sind so – ich will gar nicht sagen wie, das kann man überhaupt gar nicht sagen, dafür gibt es keinen Ausdruck!«

Frau Pfäffling nahm das Telegramm noch einmal zur Hand: »Ein paar Jahre wollen sie warten,« sagte sie, »vielleicht nur zwei Jahre, dann wäre es ja nicht so sehr ferne gerückt!«

»Es können auch fünf daraus werden und zehn,« entgegnete Herr Pfäffling, »inzwischen kommen die, die jetzt noch zu jung waren, ins richtige Alter und ich komme darüber hinaus. Nein, nein, da ist nichts mehr zu hoffen, Direktor bin ich gewesen

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer, und man hörte ihn über den Gang in das Musikzimmer gehen. Die Kinder aßen, was auf ihren Tellern fast erkaltet war. »Ich wollte, Herr Kraußold wäre gar nie in unser Haus gekommen!« sagte Anne. Da stimmten alle ein und der ganze Zorn entlud sich über ihn, bis die Mutter wehrte: »Herr Kraußold hat es nur gut gemeint. Ihr Kinder habt überdies allen Grund, froh zu sein, dass wir hier bleiben. Ihr bekommt es nirgends mehr so gut wie hier außen in der Frühlingsstraße. Für euch wäre es kein Gewinn gewesen.«

»Aber für den Vater und für dich,« sagte Karl, und er dachte an den schönen Abend, an dem die Eltern ihm die frohe Zukunftsaussicht anvertraut hatten. »Ja,« sagte die Mutter, »aber der Vater und ich kommen darüber weg. In der ersten Viertelstunde ist man wohl betroffen, aber dann stemmt man sich gegen das Ungemach und sagt sich: dies gehört auch zu den Dingen, die uns zum besten dienen müssen, wie alles, was Gott schickt, und dann besinnt man sich: wie muss ich's anpacken, damit es mir zum besten dient?« Die Mutter versank in Gedanken.

»Seid ihr satt, Kinder?« fragte sie nach einer kleinen Weile. »Dann deckt den Tisch ab, ich will ein wenig zum Vater hinübergehen. Nehmt auch die Rose mit hinaus, die Blätter fallen ab.«

Im Eckzimmer wanderte Herr Pfäffling auf und ab und wartete auf seine Frau, denn er wusste ganz gewiss, dass sie zu ihm kommen würde. Sie hatten schon manches Schwere miteinander getragen, und nun musste auch diese Enttäuschung gemeinsam durchgekämpft werden.

Als Frau Pfäffling eintrat, hatte ihr Mann ein Blatt Papier in der Hand und reichte es ihr mit schmerzlichem Lächeln: »Da sieh, gestern abend war ich so zuversichtlich, da habe ich für dich ein kleines Lied komponiert, das wollte ich dir heute abend mit der Guitarre singen. Die Kinder hätten im Chor den Schlussreim mitsingen dürfen, auf den jeder Vers ausgeht:

»'Drum rufen wir mit frohem Sinn:

Es lebe die Direktorin!'

»Nun muss es heißen:

»'Schlag dir die Ehre aus dem Sinn

Du wirst niemals Direktorin.'«

»Nein, nein,« wehrte Frau Pfäffling, »du musst es anders umändern, es muss ausgedrückt sein, dass wir trotz allem einen frohen Sinn behalten.«

»Für den Gedanken finde ich jetzt noch keinen Reim,« sagte er trübselig, »ich brauche auch keinen, mit dem Lied kannst du Feuer machen.«

Sie sprachen noch lange von der großen Enttäuschung, und dann kamen sie auf den beginnenden Winter zu sprechen, für den noch nicht so viel Stunden angesagt waren als nötig erschien, um gut durchzukommen. So erschien ihnen die Zukunft grau wie der heutige Novemberhimmel.

Inzwischen war wohl eine halbe Stunde vergangen. Da fragte vor der Türe eine Kinderstimme: »Dürfen wir herein?«

»Was wollt ihr denn?« rief dagegen, wenig ermutigend, der Vater. Unter der Türe erschienen die drei Schwestern; voran die Kleine mit strahlendem Ausdruck, dann Marie und Anne. Sie trugen zwei Tassen, Kaffee- und Milchkanne und stellten das alles vorsichtig auf den Tisch. Die zwei Großen sahen zaghaft aus, wussten nicht recht, wie die Überraschung wohl aufgenommen würde. »Was fällt euch denn ein, Kinder?« fragte die Mutter. Marie antwortete, aber ihre Stimme zitterte und die Tränen wollten kommen: »Wir haben auf heute einen Kaffee gemacht, weil ihr fast nichts gegessen habt!« und Anne flüsterte der Mutter zu: »Von unserem Geld, du darfst nicht zanken.« Schnell gingen sie wieder hinaus und hörten eben unter der Türe, wie die Mutter freundlich sagte: »Dann kann ich freilich nicht zanken,« so war also die Überraschung gut aufgenommen worden.

Solch ein Kaffee nach Tisch war eine Liebhaberei von Herrn Pfäffling, die er sich nur an Festtagen gestattete. So kam es ihm auch wunderlich vor, sich gerade heute mit seiner Frau an den Kaffeetisch zu setzen, er war sich keiner festtäglichen Stimmung bewusst! Aber man musste es doch schon den Kindern zuliebe tun, sicher würde Marie, das Hausmütterchen, gleich nachher visitieren, ob auch die Kannen geleert seien. Diesem festtäglichen Kaffee gegenüber wich die graue Novemberstimmung unwillkürlich, und bei der zweiten Tasse sagte unser Musiklehrer zu seiner Frau: »Man müsste eben den Schlussreim so verändern:

»'Direktor her, Direktor hin,

Wir haben dennoch frohen Sinn.'«

Der letzte Schluck Kaffee war noch nicht genommen, da klingelte es. Frau Pfäffling horchte und rief erschrocken: »Kann das Fräulein Vernagelding sein?«

»Donnerstag? Freilich, das ist ihr Tag. O, die unglückselige Stunde, die hatte ich total vergessen, muss die auch gerade heute sein! Wenn ich die jetzt vertrage, Cäcilie, dann bewundere ich mich selber. Du glaubst nicht, wie unmusikalisch das Fräulein ist!« Frau Pfäffling hatte das Kaffeegeschirr rasch auf das Brett gestellt und war längst damit verschwunden, bis Fräulein Vernagelding im Vorplatz am Kleiderhalter und Spiegel Toilette gemacht und ihre niedlichen Löckchen zurecht gesteckt hatte. Herr Pfäffling nahm sich gewaltig zusammen, als diese unbegabteste aller Schülerinnen sich neben ihn ans Klavier setzte und mit holdem Lächeln sagte: »Heute dürfen Sie es nicht so streng mit mir nehmen, Herr Pfäffling, ich konnte nicht so viel üben, denken Sie, ich war gestern auf meinem ersten Ball. Es war ganz reizend. Ich war in Rosa.«

»Freut mich, freut mich,« sagte Herr Pfäffling und trippelte bereits etwas nervös mit seinem rechten Fuß. »Aber jetzt wollen wir gar nicht mehr an den Ball denken, sondern bloß an unsere Tonleiter. G-dur. Nicht immer wieder f nehmen statt fis, das lautet gräulich für mich. Schon wieder f! Wieder f! Aber Sie nehmen ja jedes Mal f, Sie denken wieder an den gestrigen Ball!« »Nein, Herr Pfäffling,« entgegnete sie und sah ihn strahlend an, »ich denke ja an den morgigen Ball, was sagen Sie dazu, dass ich morgen schon wieder tanze! Diesmal in Meergrün. Ist das nicht süß?« Herr Pfäffling sprang vom Stuhl auf. »Süß, ja süß!« wiederholte er, »aber zwischen zwei Bällen Sie mit der G-dur Tonleiter zu plagen, das wäre grausam, vielleicht auch gegen mich. Da gehen Sie lieber heim für heute.«

»Ja, darf ich?« sagte sie aufstehend, und die hoffnungsvolle Schülerin empfahl sich mit dankbarem Lächeln und Knix.

Als Frau Pfäffling durch den Vorplatz ging, sah sie mit Staunen, dass Fräulein Vernagelding schon wieder am Spiegel stand. Sie hatte diesmal entschieden mehr Zeit am Spiegel als am Klavier verbracht.

Herr Pfäffling erzählte, dass ihm die Geduld ausgegangen sei, er glaube aber nicht, dass es das Fräulein übel genommen habe.

»Aber Frau Privatiere Vernagelding wird um so mehr gekränkt sein,« sagte Frau Pfäffling besorgt.

Unnötige Sorge! Als das tanzlustige Fräulein daheim von der abgekürzten Stunde berichtete, sagte die Mutter: »Dies ist ein einsichtsvoller Herr. Er gönnt doch auch der Jugend ihr unschuldiges Vergnügen. Wir müssen ihm gelegentlich ein Präsent machen, Agathe.«

3. Kapitel Der Leonidenschwarm.

Samstag nachmittag war's und eifrige Tätigkeit in Haus und Hof. Frau Pfäffling und Walburg hatten viel zu putzen und zu ordnen und auf die Hilfe von Marie und Anne wurde dabei schon ganz ernstlich gerechnet. Ob sie gerne das Geschirr in der Küche abtrockneten und mit Vorliebe den Staub wischten, ob sie mit Lust die Leuchter putzten und mit Freuden die Lampen, das wusste niemand, aber das wussten alle, dass diese Arbeiten geschehen mussten und Walburg nicht mit allem allein fertig werden konnte.

Die Brüder hatten auch für etwas einzustehen im Haus: Sie mussten sorgen, dass in der Holzkammer stets fein gespaltenes Holz vorrätig war. Das hatten sie aber heute schon besorgt und nun waren sie in fröhlicher Tätigkeit auf dem Balkenplatz. Der Schreinersgeselle, Remboldt, der als Soldat diente und durch den Zaun die Freundschaft mit den jungen Pfäfflings pflegte, hatte gesehen, wie sie sich mühsam ein Sprungseil zu spannen versuchten und nicht zurecht damit kamen. Darauf hatte er ihnen versprochen, ihnen zu helfen, sobald er frei habe, und nun war er herübergekommen. Mit seiner Hilfe ging die Sache anders vonstatten. Zwei Pfähle wurden eingerammelt, an denen sich das Seil in verschiedener Höhe spannen ließ, ganz wie drüben auf dem Militärturnplatz, nur dass auf kleinere Turner gerechnet werden musste. Frieder wurde herbeigeholt. Er war für einen Achtjährigen noch ein kleiner Kerl und nicht so gewandt wie seine leichtfüßigen Brüder. Es zeigte sich, dass man das Seil noch viel näher am Boden spannen musste, und als er seine ersten Sprungversuche machte und fest auf das Seil, anstatt darüber sprang, lachten sie alle und nannten ihn, wie in seinen früheren Kinderjahren, das kleine Dummerle. Er nahm das aber nicht übel, um so weniger als Remboldt, der inzwischen Frieders Harmonika genommen und umsonst probiert hatte, etwas Wohlklingendes herauszulocken, bewundernd sagte: »Wie der Kleine nur so umgehen kann mit dem großen Instrument, gestern haben ihm viele Soldaten zugehört, da hat's geklungen wie das Lied: ›Wachet auf, ruft uns die Stimme‹.« »Ja, das war's,« sagte Frieder, »das lernen wir jetzt in der Schule.«

»Was sagt denn dein Lehrer dazu, wenn du die Lieder so spielen kannst?«

»Ich nehme doch die Harmonika nicht mit in die Schule!« sagte Frieder ganz erstaunt. »Nimm sie doch einmal mit,« entgegnete Remboldt, »da wirst du sehen, wie der Lehrer Respekt vor dir bekommt und alle deine Mitschüler.« Frieder machte große Augen. Daheim war eigentlich immer nur eine Stimme des Ärgers über sein Spiel, und nun meinte Remboldt, er sollte seine Harmonika absichtlich dahin mitnehmen, wo recht viele sie hören würden? Zweifelnd sah er auf seine alte, treue Begleiterin. Bisher hatten sie sich immer möglichst miteinander entfernt von allen Menschen, und nun sollten sie sich vordrängen? Ihm kam es unbescheiden vor, aber doch auch lockend, und so ging er nachdenklich davon, während seine Brüder sich noch mit Remboldt unterhielten. Dieser erzählte gern von seinem Soldatenleben, bei dem er mit Leib und Seele war. Und heute hatte er Neues zu berichten: »Heute nacht war ich auf der Wache,« sagte er, »vor dem Kasernentor. Da bläst einem der Wind eisig um die Ohren und die Füße werden steif, wenn man nicht immerzu hin und her läuft. Man hört auch gern seinen eigenen Tritt, weil's so totenstill ist, man meint, man sei ganz allein auf der Welt. Es war so eine finstere Nacht, kein Mondschein am Himmel und im Westen eine schwarze Wand, nur im Osten war's hell und ein paar Sterne am Himmel. Vor mir war der weite, leere Kasernenhof, hinter mir die lange, schwarze Kasernenmauer, ganz unheimlich, sage ich euch. Da, nach Mitternacht, hat sich der Wind gelegt und der Himmel ist klarer geworden. Wie ich nun so hinaufschaue, wie immer mehr Sterne herauskommen, da fliegt einer in großem Bogen über den halben Himmel, und wie ich dem nachschaue, kommt wieder einer und zwei auf einmal und so ging's fort und mir war's gerade, wie wenn mir zuliebe so ein himmlisches Feuerwerk veranstaltet wäre, denn, dachte ich, es sieht's ja sonst niemand als du. Mir war's ganz feierlich zumute. Ich nahm mir aber vor: den Kameraden erzählst du das nicht, sie meinen sonst, du flunkerst. Aber da kam morgens eine Abteilung von einer nächtlichen Felddienstübung heim und die hatten es auch beobachtet und fingen gleich davon an zu erzählen. Ihnen hat ihr Hauptmann erklärt, dass alle Jahre in den Nächten um den 12. bis 15. November herum so ein Sternschnuppenschwarm sei, der heiße der Leonidenschwarm. In manchen Jahren sei er besonders reich und so in diesem. Aber erst nach Mitternacht und man sehe es nur selten so schön wie in der vergangenen Nacht, weil die Novembernächte meistens trüb seien. Wenn's heute nacht hell wäre, ich wollte gleich wieder auf die Wache ziehen um den Preis.«

Karl, der große, Wilhelm, der zweite, Otto, der dritte, sie kamen alle mit einem Gedanken vom Hof herauf: den Leonidenschwarm mussten sie sehen! Heute oder morgen wollten sie nach Mitternacht hinuntergehen und von dem Balken aus die Sternschnuppen beobachten. Wenn nur die Erlaubnis der Eltern zu bekommen war. Oder konnte man's ungefragt unternehmen? Es war ja nichts Schlimmes. Sie berieten miteinander. Die Schwestern kamen dazu und wurden eingeweiht in den Plan. Da entschied Marie, das praktische Hausmütterchen: »Ohne Erlaubnis geht das nicht, weil es nicht ohne Hausschlüssel geht, die Haustüre wird nachts geschlossen.« Also musste man bittend an die Eltern kommen. Der Vater wollte nicht gern der Jugend den Hausschlüssel anvertrauen und die Mutter meinte, so vom Bett in die Novembernacht hinaus würden sie sich erkälten. Und alle beide fürchteten sie, die Hausleute möchten bei Nacht gestört werden. Dagegen sagte der Vater, seine Buben dürften nicht so zimperlich sein, dass sie nicht eine Stunde draußen in der Winternacht aushalten könnten, und die Mutter erzählte, dass sie schon von ihrer Jugend an den Wunsch gehabt hätte, so einen Sternschnuppenschwarm zu sehen, die drei Brüder versicherten, dass sie lautlos die Treppe hinunterschleichen würden. Da machte die kleine Else, die gespannt zugehört hatte, ob die Brüder mit ihrer Bitte wohl durchdringen würden, den Schluss, indem sie erklärte: »Also dann dürft ihr!« Da lachten sie alle und niemand widersprach. Aber doch war es nur so eine halbe Erlaubnis, und die Brüder hielten es für klug, nimmer auf das Gespräch zurückzukommen. Überdies fing es am Abend an zu regnen, ja es regnete auch noch den ganzen Sonntag und niemand dachte mehr an die Sternschnuppen. Als aber am Sonntag abend Karl zu Bett ging, bemerkte er, dass am Himmel ein paar Sterne sichtbar waren. Wenn es nun doch möglich würde? Er richtete seine Weckuhr auf 1 Uhr und konnte vor Erwartung kaum einschlafen. Während nun Stille im ganzen Haus wurde und die Nacht weiter vorrückte, lösten und verteilten sich am Himmel immer mehr die schweren Wolken, ein Stern nach dem andern leuchtete hervor und als, vom Wecker aufgeschreckt, Karl ans Fenster huschte um zu sehen, ob etwas zu hoffen wäre, strahlte ihm der klarste Himmel entgegen, ja, er meinte sogar ein kurzes Leuchten wie von einer fliegenden Kugel gesehen zu haben.

Es war nun keine kleine Aufgabe, Wilhelm und Otto zu wecken, ohne dabei das ganze Haus aufzumuntern. Zum Glück lag das Bubenzimmer nicht neben dem Schlafzimmer der Eltern. Die verschlafenen Brüder hatten nicht einmal mehr Lust zu dem nächtlichen Unternehmen, aber die stellte sich wieder ein, sobald sie ganz wach waren, und nun richteten sich die Drei in aller Stille. Nebenan schliefen die Schwestern. Plötzlich ging die Türe leise auf, ein Arm streckte sich herein und ein geheimnisvolles: »Gelt ihr geht? Da habt ihr unsern Schal!« wurde geflüstert; das große warme Tuch flog herein, die Türe ging leise wieder zu. Mit klopfendem Herzen nahm Karl den Hausschlüssel vom Nagel, in Strümpfen, die Stiefel in der Hand, schlichen sie alle Drei über den Gang, und die Treppe hinunter. Aber ehe sie hinaustraten in den nassen Hof, mussten doch die Stiefel angezogen werden und das ging nicht so ganz ohne jegliches Geräusch, nicht ohne Geflüster. Auch der Schlüssel bewegte sich nicht ohne metallenen Klang im Schloss und die Türe nicht ohne Knarren in den Angeln. Hingegen ging sich's lautlos auf dem bodenlosen Weg nach dem Balken, und als die Drei erst hinter den Brettern, nahe dem Kasernenzaun waren, schien ihnen das Unternehmen gelungen.

Das wachsame Ohr von Frau Hartwig, der Hausfrau, hatte aber etwas gehört. Sie wusste zunächst selbst nicht, an was sie erwacht war, aber sie hatte das Gefühl: Irgend etwas ist nicht in Ordnung. Sie setzte sich im Bett auf, horchte, vernahm ganz deutlich den ihr wohlbekannten Ton der sich schließenden Haustüre und dann ein Flüstern außerhalb derselben. »Es ist jemand hinausgegangen,« sagte sie sich, »wer hat nachts um 1 Uhr hinauszugehen?« Sie besann sich, es war ihr unerklärlich. »Es ist ungehörig,« sagte sie sich, »wer solch nächtliche Spaziergänge macht, der soll nur draußen bleiben,« und rasch entschlossen ging sie hinaus und schob den Nachtriegel an der Haustüre vor. Dann legte sie sich beruhigt wieder, nun konnte niemand ins Haus herein, ohne anzuklingeln; auf diese Weise wollte sie schon herausbringen, wer hinausgeschlüpft war. War es jemand mit gutem Gewissen, der mochte klingeln.

Auf Frieders hohem Brettersitz saßen die drei Brüder in der Stille der Nacht und sahen erwartungsvoll hinauf nach dem Sternenhimmel. In wunderbarer Klarheit wölbte er sich über ihnen. Das war ein Schimmern und Leuchten aus unendlichen Fernen! Keiner von ihnen hatte es je so schön gesehen. »Wenn auch weiter gar nichts zu sehen wäre,« sagte Karl, »so würde mich's doch nicht reuen, dass ich aufgestanden bin.« »Mich reut's auch nicht,« sagte Wilhelm, »obwohl ich's gar nicht glaube, dass einer von den Sternen auf einmal anfängt zu fliegen. Die stehen da droben alle so fest!«

»Seht, seht da!« rief in diesem Augenblick Otto und deutete nach Osten. Ein heller, weißglänzender Stern schoß am Firmament in weitem Bogen dahin und war dann plötzlich verschwunden. In einem Nu hatte er die riesige Bahn durchflogen, wie weit wohl? Ja, das mochte wohl eine Strecke gewesen sein, größer als das ganze Deutsche Reich. Staunend sahen die Kinder hinauf: da – schon wieder eine Sternschnuppe, größer als die vorige, in gelbem Licht strahlend, und nach wenigen Minuten wieder eine. Die meisten kamen aus derselben Himmelsgegend und flogen in gleicher Richtung. Die Kinder fingen an zu zählen, aber als die Zeit vorrückte und es auf den Turmuhren 2 Uhr geschlagen hatte, wurden die Sternschnuppen immer häufiger, oft waren zwei oder drei zugleich sichtbar, es war über alles Erwarten schön. Allmählich schoben sich aber von Westen herauf immer größere Wolkenmassen und fingen an, die Sterne zu verdunkeln. Endlich kam das Gewölk bis an die Himmelsgegend, von der die meisten Sternschnuppen ausgingen, und wie wenn den staunenden Blicken nicht länger das schöne Schauspiel vergönnt sein sollte, zog sich eine dichte Decke über die ganze Herrlichkeit.

Noch standen die Kinder auf ihrem Posten und hofften, die Wolken würden sich wieder verteilen. Da und dort schimmerte zwischendurch ein einzelner Stern. »Sie sind alle noch da und fliegen herum,« sagte Otto, »nur die Wolken sind davor.« Nun wurde es vollständig Nacht, und die Brüder empfanden auf einmal, dass es kalt war und sie selbst müd und schläfrig. Jetzt ins warme Bett zu schlüpfen, musste köstlich sein! Also kletterten sie herunter und gingen in der Stockfinsternis dem Haus zu.

»Hast du doch den Schlüssel, Karl?« »Jawohl, da ist er.«

»Das wäre kein Spaß, wenn du den verloren hättest und wir müssten da draußen bleiben in der Kälte!«

Sie kamen nun nahe an das Haus, schlichen sich leise und schweigend an die Türe. Karl schloss auf und klinkte an der Schnalle, aber die von innen verriegelte Türe ging nicht auf. »Was ist denn das?« flüsterte Karl, drehte den Schlüssel noch einmal im Schloss auf und zu und klinkte und drückte gegen die Türe, aber die gab nicht nach.

»Lass doch mich probieren,« sagte Wilhelm leise, »du hast wohl falsch herumgedreht,« er brachte ebenso wenig zustande und Otto nicht mehr.

»Lasst doch, ihr verdreht das Schloss noch,« sagte Karl, »ihr seht doch, es geht nicht. Was kann denn aber schuld sein? Das Schloss ist doch in Ordnung, was hält die Türe zu?«

In leisem Flüsterton gingen nun die Vermutungen hin und her. »Jemand hat etwas vor die Türe gestellt, damit wir nicht hereinkönnen.« »Oder den Riegel vorgeschoben.«

»Ja, ja, den Riegel. Natürlich, der Riegel ist vorgeschoben! Wer hat das getan? Wer hat uns hinausgeriegelt?« Da meldete sich das Gewissen: »Vielleicht der Vater, weil wir nichts gesagt haben!«

»Aber er hat es doch erlaubt!«

»Ich weiß nicht mehr so recht, hat er's wirklich erlaubt?«

»Wir hätten vielleicht um den Hausschlüssel bitten sollen.«

»So wird's sein: Der Vater hat den Wecker gehört, hat gemerkt, dass wir ungefragt fortgehen und hat hinter uns zugeriegelt. Es muss ja so sein, wer hätte es sonst tun sollen?«

Nach einigem Nachdenken über diese traurige Lage sagte Karl: »Klingeln dürfen wir nicht, gehen wir wieder hinter auf den Platz, wickeln uns in den warmen Schal und legen uns auf ein Brett, da kann man schon schlafen.«

So schlichen sie noch einmal wie drei kleine Sünder ums Haus herum und suchten sich ein Lager zu machen auf den Brettern. Wenn es nur nicht so stockfinster gewesen wäre und die Bretter so nass und so hart und so unbequem und wenn es nur vor allem nicht so bitter kalt gewesen wäre! Karl blieb nur einen Augenblick liegen, dann sprang er auf: »Der Schal reicht doch nicht für drei, ihr könnt ihn haben und ich laufe lieber hin und her, wie wenn ich Wache hätte. Wer weiß, in drei Jahren muss ich's ganz im Ernst tun.« Er wickelte die Brüder in das Tuch, wanderte stramm hin und her, war ganz wohlgemut und dachte an das Soldatenleben. Aber nach einer kleinen Weile hörte er einen seltsamen Ton. Was war denn das? Er kam näher zu den Brüdern her – wahrhaftig, Otto schluchzte und weinte ganz laut. Er hatte ein wenig geschlafen und war nun aufgewacht und klagte, es tue ihm alles weh. Auch Wilhelm erhob sich wieder aus seiner unbequemen Lage und schien ebenso nahe am Weinen. Da fühlte sich Karl als Ältester verantwortlich: »Die müssen ins Bett,« sagte er sich, »sonst werden sie krank. Kommt, wir wollen sehen, ob wir nicht die Marianne wach rufen können, damit sie uns ausriegelt.« Da waren die Verschlafenen gleich wieder munter. Sie gingen nach der Seite des Hauses, wo das Schlafzimmer der Mädchen lag, und nun galt es so laut zu rufen, dass diese aufwachten, und zugleich so leise, dass Hartwigs, die unter ihnen schliefen, nichts hörten. »Marianne, Marianne,« klang es zuerst leise und allmählich lauter. Es ging aber umgekehrt, als es hätte gehen sollen, die Schwestern hörten nichts und die Hausleute wachten auf.

Die Hausfrau lächelte ganz befriedigt. »Aha,« sagte sie sich, »nun möchte man wieder herein.« Sie erzählte ihrem Mann von der verriegelten Türe. Er machte das Fenster auf: »Wer ist da?« rief er. Die Brüder erschraken, als sie des Hausherrn Stimme hörten. Keiner rührte sich, keiner antwortete. Der Hausherr starrte in die Dunkelheit hinaus, lauschte – sah nichts, hörte nichts und schloss das Fenster. Eine gute Weile blieben unsere drei Ausgestoßenen wie angewurzelt stehen. »Wir wollen etwas an das Fenster hinaufwerfen,« schlug Karl vor, und sie tasteten nach Steinchen und warfen. Aber sie trafen ganz schlecht in der Dunkelheit, fingen wieder an »Marianne« zu rufen und fanden es unbegreiflich, dass die Schwestern so fest schliefen.

»Ich habe ganz deutlich die Stimme von einem Pfäffling erkannt,« sagte die Hausfrau zu ihrem Mann, »es wird doch keines von den Kindern draußen sein in der kalten Nacht? Lass mich mal rufen, mich kennen sie besser!« und leise öffnete sie das Fenster und rief freundlich: »Seid Ihr es, Kinder?« Auf diesen Lockton gingen sie. »Ja wir sind's,« riefen sie dreistimmig, näherten sich dem Fenster und sagten: »Wir wollten nur Marianne rufen, damit sie uns hereinlässt.« Die Hausfrau erschrak. So hatte sie die Kinder hinausgeschlossen. An die Bösen hatte sie gedacht, denen es recht geschah, an die Guten, die klingeln würden, aber nicht an die Bescheidenen, die nicht klingeln mochten.

»Ich mache euch gleich auf, Kinder,« sagte sie, »wie kommt ihr nur hinaus?«

»Wir haben den Leonidenschwarm angesehen.« »Aber Kinder!« rief sie vorwurfsvoll und schloss das Fenster.

»Was haben sie angesehen? Den Leonidenschwarm?« fragte der Hausherr, »was ist denn das wieder? Eine Studentenverbindung? Ein Verein? Und da schwärmen die Buben hinaus ohne ihren Vater und bleiben bis gegen Morgen?«

Herr Hartwig war sehr aufgebracht. »Bleibe du nur da,« sagte er zu seiner Frau, »ich will selbst hinaus, und ihnen sagen, was nötig ist. Wenn man nicht mehr seine Nachtruhe hat, nicht weiß, ob das Haus nachts geschlossen bleibt, dann hört ja alles auf. Für solche Mietleute bedanke ich mich!«

Mittlerweile hatte der Hausherr sich angekleidet, kam heraus und schob den Riegel der Haustüre zurück. Die drei frierenden, übernächtigen Kameraden sahen nicht erfreulich aus und Schreiner Hartwig maß sie mit so verächtlichem Blick, dass ihnen sogar die gewohnte Entschuldigung entfiel, sie standen vor ihm wie das böse Gewissen. Er schob sie von der Türe weg und den Riegel mit Gewalt wieder vor und dann sprach er ruhig und deutlich den einen Satz: »Sagt eurem Vater, auf ersten Januar sei ihm die Wohnung gekündigt.«

Ach, auf den nassen, harten Brettern draußen in der Winterkälte war es den drei Brüdern nicht so elend zumute gewesen als in den eigenen Betten, in die sie ganz vernichtet sanken. Sie waren ja noch immer der Meinung, der eigene Vater habe den Riegel vorgeschoben; hatte er ihr Fortgehen schon so schlimm aufgenommen, wie musste er erst zürnen, wenn er erfuhr, was daraus entstanden war! Und wie deutlich erinnerten sie sich der Wohnungsnot vor zwei Jahren, wo der Vater von einem Haus zum andern gegangen und von jedem Hausherrn abgewiesen war, weswegen? Wegen der sieben Kinder! Und nun war durch sie die Kündigung heraufbeschworen, in ihren Augen das größte Familienunglück!

Wilhelm und Otto schliefen trotz allem bald ein, denn sie fühlten sich ein wenig gedeckt dadurch, dass Karl, der große, der Anführer gewesen war. Um so schwerer lag diesem die Sache auf, und er konnte sich nicht vorstellen, wie er am Morgen den Eltern unter die Augen treten sollte. Er fand nur einen kurzen, unruhigen Schlaf.

Frieder hatte von allem, was seine Schlafkameraden erlebt hatten, keine Ahnung. Er wunderte sich aber am Morgen, dass sie alle schwer aus dem Bett kamen, bedrückt und einsilbig waren, und wunderte sich noch mehr, als die Schwestern durch die Türspalte hereinriefen: »War's recht schön heute nacht?« Als er aber gern erfahren hätte, von was die Rede sei, bekam er ungeduldige Antwort: »Sei nur still, du wirst noch genug davon hören.« Sie waren sonst alle flinker als Frieder, heute aber kam dieser zuerst ins Wohnzimmer, wo die Eltern schon mit den Schwestern beim Frühstück waren und von Marie und Anne wussten, dass die Brüder in der Nacht fort gewesen waren. Diese zögerten aber immer noch, zu kommen. Endlich sagte Karl: »Es hilft uns ja doch nichts, einmal muss es gesagt werden, kommt!«

Er ging tapfer voran, Wilhelm und Otto hinter ihm. So traten sie in das Wohnzimmer, wo Herr Pfäffling sich gleich lebhaft nach ihnen umwandte. »Nun,« fragte er, »ist eure Expedition geglückt? Heute nacht um 11 Uhr hat sich der Himmel so schön aufgeklärt, da dachte ich an euch, war aber der Meinung, ihr würdet die Zeit verschlafen. War's denn nun schön?«

Die drei waren so betroffen über die unerwartet freundliche Anrede, dass sie zunächst gar keiner Antwort fähig waren. Frau Pfäffling ahnte gleich Böses. »Ihr seht alle so schlecht aus,« sagte sie, »ist's euch nicht gut? Oder habt ihr den Hausschlüssel verloren?«

»Das nicht.«

»Also, was sonst, redet doch!« rief der Vater. Da trat Karl näher und sagte: »Ich will es ganz erzählen wie es war. Um ein Uhr sind wir hinunter gegangen, ganz leise, ohne Stiefel. Sind auf den Balken gewesen – wie schön es da war, sage ich später. Um halb drei Uhr etwa wollen wir wieder ins Haus, da ist die Türe von innen zugeriegelt.«

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