Kitabı oku: «Vom Leben getragen», sayfa 3
Für die Menschenrechte der Toten: Die juristische Versachlichung
Dies ist ein „Plädoyer“ für die Würde der Toten – für die Würde alles Lebendigen. Die Toten gehören für mich zum Leben. Warum die Lebendigkeit hier unbedingt dazugehört und wie wir auch tote Menschen bei diesem Übergang als sehr lebendig erfahren, darüber werde ich in diesem Buch an verschiedenen Stellen noch ausführlicher erzählen. Und deshalb verstehen wir BARKE-Bestatterinnen uns auch als eine Art „Anwältinnen“ für die Würde der Toten, was unser Beweggrund für die vielen Vorträge und Seminare ist, die wir überall in Deutschland halten. Seit Beginn der BARKE-Arbeit geben wir unser spezielles Wissen in vielen Fortbildungen an HospizmitarbeiterInnen, Palliative-Care-PflegerInnen, Ärztinnen und Ärzte sowie Hebammenschülerinnen weiter, halten öffentliche Informationsvorträge rund um das Thema Bestattung und bieten seit Kurzem auch eine eigene Unterweisung in Übergangsbegleitung in unserem Haus an.
Tote Menschen werden in der Fachsprache übrigens allgemein als „Leichen“ bezeichnet; ein Begriff, den ich möglichst vermeide, weil er suggeriert, dass „die Leiche“ schon nicht mehr der Mensch ist, der soeben gestorben ist. Ich sage gerne „die Toten“ oder „die/der Tote“. Das ist für mich ein schönes Wort, in dem „Tod“ enthalten ist, ein Wort, mit dem ich die Toten würdigen möchte – und auch durch diese klare Benennung will ich Tod wieder mehr ins Leben hineinnehmen. Ein anderes übliches Wort ist: die/der Verstorbene. In manchen Bestattungsgesetzestexten der Bundesländer wurde „Leiche“ inzwischen schon durch diesen Begriff ersetzt.
Auch Tote sind und bleiben unserer Ansicht nach Menschen und sollten entsprechend respektvoll behandelt werden. Aber juristisch gesehen ist eine tote Person eine Sache.24 Diese Rechtslage spiegelt eine gesellschaftliche Perspektive und hat gleichzeitig diese Sicht mitbestimmt: Der Körper ist „nur die Hülle“, schnell und hygienisch zu entsorgen, der Geist ist die Essenz der Person25, die nach dem Tod sofort aufhört zu existieren oder als Seele die „Hülle“ sofort verlässt. Somit ist auch rechtlich eine „Leiche“ keine Person mehr. Uns geht es vor allem darum, dass sich der aktuell noch übliche Umgang mit den Toten grundlegend ändert, denn das gesellschaftliche und kulturelle Verhältnis zu den Toten und der daraus folgende ganz praktische Umgang mit den Toten spiegelt in aller Schärfe den Umgang mit jeder Form von Lebendigkeit.
Deshalb müssen wir auch immer wieder davon berichten, wie er tatsächlich ist, der Umgang mit den Toten. Wir erzählen davon, was wir „hinter den Kulissen“ erleben, und konfrontieren die Menschen mit unliebsamen Wahrheiten, die sie dazu auffordern, Eigenverantwortung zu übernehmen und das Recht auf Würde für sich selbst und ihre Angehörigen zu fordern: das Recht auf Würde im Leben, im Sterben, in Krankheit, in Pflege, in Abhängigkeit – in jedem Zustand, in jedem Alter, in jeder Situation, also auch nach dem Tod, in dieser so wichtigen Übergangszeit zwischen Tod und Bestattung, bis wir als körperliche Essenz unseres Wesens der Erde, dem Feuer, den Elementen übergeben werden und in den großen Kreislauf zurückkehren, in dem keine Energie jemals verloren geht.
„Nur die Hülle“? Folgen der Spaltung von Körper, Geist und Seele
Es ist hierzulande weitverbreitet, an einem Totenbett oder am Sarg zu sagen: „Das ist ja jetzt nur noch die Hülle.“ – Dies ist tröstend gemeint. Viele sind davon überzeugt, dass die Seele oder die Essenz des Menschen sehr schnell nach dem Tod fortgehe oder der Mensch, die Persönlichkeit, nun eben einfach nicht mehr da sei. Dies richtet sich unter anderem danach, welche Glaubens- oder Weltvorstellungen die Menschen haben, aber auch danach, in welcher Kultur sie aufgewachsen sind. Ab und zu hören wir auch, meist außerhalb einer Bestattungsbegleitung: „Mir persönlich ist es egal, was nach meinem Tod mit mir geschieht. Wichtig ist das ja nur für meine Nächsten.“
Die meisten Menschen wissen in der Regel nicht, wie der übliche Umgang mit den Toten hier ist. Wenn alle über ausreichende Informationen verfügten, würden manche vielleicht anders darüber denken.
Die Sichtweise, dass nach unserem Tod nur eine leblose Hülle (unser Körper) zurückbleibt, entspricht der Überzeugung einer Trennung von Körper, Geist und Seele. Viele bezweifeln auch das Existieren einer Seele. Bleibt also die Trennung von Körper und Geist. Und der Geist ist nach wie vor das wesentlich höher bewertete menschliche Sein.
Der Körper ist dieser Annahme nach nur so etwas wie ein Hilfsmittel, eine Maschine, die funktionieren muss. Körperlichkeit ist uns entfremdet: etwas, das optimiert werden muss, nie ganz perfekt ist, nicht immer einwandfrei funktioniert, das uns bei schlimmen Krankheiten sogar „verraten“ kann oder gegen uns arbeitet. In ihren Körpern fühlen sich wenige ganz zu Hause. Wenige sind immer glücklich und zufrieden mit ihren Körpern, vor allem Frauen, die dem künstlich erzeugten Ideal niemals ganz entsprechen können.
Dankbarkeit für das Wunder unseres Körpers wird nicht gerade kulturell unterstützt. Kein Wunder also, dass wir uns im Tod auch schnellstmöglich davon trennen wollen?
Aber – ist das wirklich möglich? Wer sind wir? Wo ist der Sitz dieses „Geistes“, wenn manche ForscherInnen mittlerweile herausgefunden haben, dass wir nicht nur mit unserem Gehirn, sondern auch mit unserem Darm26 „denken“ und von riesigen unterschiedlichen (Bakterien-)Völkern besiedelt sind, ohne die wir nicht leben könnten?
Was macht mich aus? Wann und wie sterben diese Völker in mir, die doch auch „Ich“ sind, zumindest ein großer Teil von mir, und nach meinem Tod erst mal munter weiterleben? Gibt es ein abgrenzbares „Ich“ überhaupt? Oder bin ich viele und das nicht nur auf der rein biologischen Ebene? Ist meine Essenz in jeder Zelle, da dort doch auch meine DNA ist, mein „Bauplan“? Und wann sind wir tot, wenn selbst die Medizin diesen Zeitpunkt nicht genau bestimmen kann und dafür derzeit den Hirntod als Maßstab definiert hat? – Das sind Fragen, auf die es keine einfachen Antworten gibt.
Und wie gehen wir mit unseren Körpern um? Wie gehen wir mit unseren Toten um? Welchen Umgang lassen wir zu? Welche Folgen hat diese Spaltung von Körper, Geist und Seele? Was macht das mit uns, wenn der Geist sehr hoch bewertet ist, der Körper aber „nur die Hülle“ und die Seele den Religionen oder der Psychologie zugeordnet wird? Welche Auswirkungen hat die Spaltung von Leben und Tod, das gewaltsam erschaffene Konstrukt der Gegensätze Mensch und Natur, schwarz und weiß, Gut und Böse, männlich und weiblich …?
Eine der in meinen Augen passenden Beschreibungen von Tod ist: radikale Veränderung des Zustandes. – Ich nehme diesen Zustand als sehr lebendig wahr. Aber es bleibt auch immer etwas nicht erklärbar und nicht begreifbar. Tote Menschen sind für mich nie „nur eine Hülle“. Schon allein deshalb nicht, weil mir die Abwertung der Körper, die darin zweifellos mitschwingt, missfällt. Woher sonst kommt das „nur“?
Unsere Körper sind der Ausdruck unseres Wesens. Ohne sie könnten wir nicht auf dieser Erde leben, nicht mit unseren Sinnen all die Schönheit um uns wahrnehmen, wir könnten schlicht nicht da sein. Wir sind körperliche Wesen. Körper gehören geehrt und gewürdigt. Mit Respekt und Achtung behandelt. Mit Liebe und Dankbarkeit für dieses Wunder des Lebens, das sich durch unsere Körper offenbart. Die Toten können uns das Wunder des Lebens begreiflicher machen – wenn wir es zulassen.
Bei Toten, die einer aufwendigeren Versorgung bedürften, damit Angehörige am offenen Sarg von ihnen Abschied nehmen könnten, wird häufig gesagt, das ginge nicht mehr, die Toten seien kein schöner Anblick und man solle sie doch so in Erinnerung behalten, wie sie zu Lebzeiten waren. Das ist leider kein guter Rat, auch wenn er vielleicht manchmal gut gemeint scheint.
Viele Menschen haben mir erzählt, dass sie es nie wirklich ganz glauben konnten, wenn ein Mensch aus ihrem Leben einfach so verschwand, und andere ihnen sagten, dass er nun tot sei. Selbst dann, wenn sie bei der Beerdigung dabei waren und den geschlossenen Sarg sahen. Das allein reicht oft nicht. Denn uns Menschenwesen, die wir immer mit unseren Sinnen zu begreifen versuchen, wird der Abschied sehr schwer bis unmöglich gemacht, wenn wir unsere geliebten Nächsten nach ihrem Tod nicht mehr sehen, sie nicht berühren dürfen, um wirklich im wahrsten Sinne des Wortes begreifen zu können, dass sie nicht mehr leben.
So wird Trauer häufig zu einem unverarbeiteten, vielleicht sogar traumatischen Ereignis und das Loslassen, das Verabschieden gelingt manchmal ein Leben lang nicht. Beispielsweise sind die Bilder, die sich Angehörige nach einem Unfalltod in der Vorstellung machen, in der Regel schlimmer, als es der tatsächliche Anblick je hätte sein können. Gerade nach einem plötzlichen Unfalltod, der nur von der Polizei „übermittelt“ wird, ist der Schock sehr groß. Hier kommt es auch sehr entscheidend darauf an, wie sensibel, erfahren und mitfühlend diejenigen sind, die diese schlimme Nachricht überbringen müssen. Dazu auch eine Studie in Kapitel V: Wenn Kinder sterben: Die tiefe Weisheit der Mütter – die darin dargestellten Ergebnisse gelten unter anderem auch für Angehörige, die jemanden nach einem plötzlichen Tod verabschieden müssen.
Unserer Erfahrung nach ist die friedliche und schöne Ausstrahlung der Toten auch nach einem Unfall deutlich sicht- und spürbar. Die (manchmal sehr anspruchsvolle) Versorgung übernehmen wir in diesen Fällen alleine. Die Angehörigen werden von uns einfühlsam vorbereitet und über alles informiert. Nie haben wir es erlebt, dass die Angehörigen es bereut hätten, noch einmal zu ihren Toten gegangen zu sein – im Gegenteil: Danach konnten auch sie ihren Frieden finden – so wie ihre Toten.
Die Heilkraft eines gut begleiteten Abschieds ist besonders nach einem Tod durch Unfall oder einem plötzlichen Tod sehr stark zu spüren. Denn unsere Körper, unsere Herzen lassen sich nichts vormachen. Wir reagieren in der Regel alle auf einen toten Menschen, als wäre da noch die Person, die sie zu Lebzeiten war. Und das ist gut so. Dafür brauchen wir Raum und Zeit. Im Leben, wie im Tod. Denn so ist es bei allen Übergängen.
Nach unserem Tod wechseln wir nicht von einer Sekunde auf die andere den Zustand. Tatsächlich brauchen wir – das hat mich meine Erfahrung und meine Körperweisheit gelehrt – eine Weile, um aus dem gelebten Leben zu gehen, dieser radikalen, unaufhaltsamen Veränderung zu folgen und uns von allem, was uns lieb war, zu verabschieden. Ich verstehe unter dieser Art von Wissen kein „[…] intellektuelles Wissen, sondern ein Wissen, das ganzheitlich, körperlichgeistigemotional in uns gründet, als eine wahrhaftige, umfassende Erfahrung“27.
Übergänge angemessen begleiten
Übergänge gibt es viele in einem Leben. Doch sie werden bei uns nur noch selten und nicht mehr ausreichend oder angemessen begleitet, ausgenommen vielleicht die Heirat.
Aber auch dies sind Übergänge: das Geborenwerden, der Übergang vom Kind zur/zum Jugendlichen, die erste Menstruation, das Erwachsenwerden, das Ende der Schulzeit, der Auszug aus dem Elternhaus, der Beginn der eigenen Lebensgestaltung, eigene Projekte, Umzug, (Lohn-)Arbeitsplatzwechsel, eventuell das Elternwerden, die Wechseljahre, das Älterwerden, der Auszug der eigenen Kinder, eventuell das Großelternwerden, der Eintritt in den sogenannten Ruhestand … Immer wieder beginnt ein neuer Lebensabschnitt, das Alte will verabschiedet werden, große Veränderungen begleiten uns … All dies braucht eigentlich gute Begleitung: die Übergangsbegleitung.
Vor allem Jugendlichen an der Schwelle zum Erwachsenwerden und Frauen in den Wechseljahren mangelt es heutzutage meist daran. Ich halte dies für einen der Gründe, warum Jugendliche aller Gesellschaftsschichten sich so häufig in Alkoholexzesse stürzen – und sich und andere dadurch leider immer wieder in lebensgefährliche Situationen bringen. Sie spüren die Grenze, wollen sie erfahren und wissen nicht, wie. Es gibt keinen Halt, keine gesellschaftliche Übereinkunft und keine wirklich tragenden Traditionen mehr, wie junge Menschen diesen Übergang durchleben können und willkommen geheißen werden in ihrer neuen Verantwortlichkeit, an ihrem neuen Platz in der Gemeinschaft.
Übergänge sind immer sehr besondere und sehr verletzliche Zeiten in unserem Leben. Nach dem Tod einer engen Freundin, eines geliebten Partners, einer sehr nahen oder sehr wichtigen Person in unserem Leben brauchen wir eine entsprechende Unterstützung, damit wir in einem gut geschützten und einfühlsam begleiteten Raum durch den Schmerz gehen, trauern und den Gefühlen Ausdruck geben können … erleben, erfahren, mit allen Sinnen versuchen zu begreifen, was das bedeutet, dass die Geliebte, der liebe Mensch nun tot ist. Unwiderruflich.
Was bedeutet Übergangsbegleitung? Dies wird vielleicht am besten am Beispiel des Rituals der Hochzeit deutlich: Die Heirat ist derzeit das größte, bedeutungsvollste und fast das einzig übrig gebliebene überkonfessionelle Übergangsritual zu Lebzeiten in dieser Gesellschaft. Die wesentlichen Merkmale dieses Rituals sind: die Vorbereitung darauf, ein besonderer festlicher Rahmen, spezielle Kleidung, ein genau festgelegter Zeitraum und Ablauf, meist werden viele Menschen dazu eingeladen und nehmen aktiv daran teil. Sie bezeugen dieses große Ritual, bei dem zwei Menschen ihre Verbindung öffentlich feiern und würdigen, dass sie gemeinsam ihr Leben miteinander teilen, füreinander da sein wollen in guten wie in schlechten Zeiten. Ein Versprechen, das, wie die meisten hoffen, ein Leben lang gehalten wird oder eben so lange, bis die Wege sich wieder trennen. Zum Ritual gehört zum Beispiel das Aussuchen des Brautkleids: ein Raum, in den die zukünftige Braut meist ihre allernächsten Lieben mitnimmt und in welchem sie, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben, als Frau wahrgenommen und willkommen geheißen wird. Die BegleiterInnen, meist Frauen, spiegeln ihr und sagen ihr: Wie schön, dass es dich gibt! Wir sehen deine Freude und deine Angst, deine Tränen und deine Schönheit als Frau, deine Berührbarkeit und dein Hoffen auf ein glückliches Leben an der Seite deines Partners oder deiner Partnerin! Oft wird geweint und viele sind berührt von diesem Moment, in dem etwas sehr Wesentliches geschieht: Bewusst und mit offenem Herzen wird diese Frau bei einem für sie wichtigen Schritt in ihrem Leben wahrgenommen und gewürdigt.
Hört sich ganz einfach an, passiert aber leider sonst viel zu selten im Leben der meisten Menschen, obwohl solch ein Ritual nicht nur auf die Paarbeziehung beschränkt sein sollte. In der Einfachheit liegt übrigens oft ein großer Zauber, eine tiefe Weisheit und Kraft.
Bei der Trauung gibt es sogar Trauzeugen, selbst im Standesamt. In diesem bedeutungsvollen Ritual wollen zwei Menschen ihrer Verbindung einen offiziellen „Segen“ geben, egal, ob konfessionell oder nicht. Sie wollen von anderen gute Wünsche für ihren gemeinsamen Weg und sie wollen für diesen Schritt die Würdigung ihrer Familien, Freundinnen und Freunde sowie der gesamten Gesellschaft – und dies bekommen sie auch in aller Regel, vor allem dann, wenn sie heterosexuell sind. Aber auch lesbische und schwule Verbindungen bekommen durch die Heirat inzwischen eine größere gesellschaftliche Akzeptanz und Würdigung als noch vor ein paar Jahren und das ist für alle Menschen sehr wichtig.
Das Bezeugen dieses Schrittes bei diesem Übergang ist ein sehr wichtiger Akt und macht das Geschehen in vieler Hinsicht erst real für diejenigen, die diesen Schritt nun wagen. Es verankert diesen großen Schritt, diesen Beginn in der Wirklichkeit ihres Lebens. Diese ZeugInnenschaft hat in vielen Lebenssituationen eine sehr entscheidende Bedeutung. Auch das Bezeugen von schlimmen Dingen, wie zum Beispiel Gewalterfahrungen, ist sehr wichtig …
Kritisch anzumerken ist bei der Heirat natürlich, dass noch immer zu oft ein starker gesellschaftlicher Druck zwei Menschen zur Heirat nötigt, dass Frauen mehr geachtet sind, wenn sie „ordentlich“ verheiratet sind, und leider noch immer dadurch stärker von der Gesellschaft akzeptiert werden als unverheiratete Frauen, die von vielen Seiten damit genervt werden, wann sie den „Richtigen“ denn nun finden. Ebenso kritisch sehe ich, dass andere Lebensformen weder gesetzlich noch gesellschaftlich gleichwertig anerkannt sind: unverheiratete Paare, Menschen in selbst gewählten und für sie bedeutsamen Lebens- und Wohngemeinschaften, Menschen, die sich gemeinsam um Kinder und/oder pflegebedürftige Menschen kümmern, ohne deshalb in Paarbeziehungen zu leben, Menschen, die sich ohne PartnerIn um Kinder kümmern (sogenannte Alleinerziehende) usw.
Aber am Beispiel des Rituals der Heirat wird sehr deutlich, was wirklich im Übergang wichtig ist: eine bestimmte Vorbereitung, ein besonderer Zeitraum, der sehr bewusst gestaltet und begangen wird – und ganz wichtig: andere, die bezeugen und spiegeln, dass es real ist, dass jetzt ein neuer Lebensabschnitt beginnt, dass alle Gefühle da sein dürfen und willkommen sind. BegleiterInnen, die diesen Raum und diese Zeit schützen, die im vollen Umfang und ganz ohne Wertung anerkennen, wissen und sich davon berühren lassen, was es bedeutet, diesen Schritt zu wagen, der immer auch ein Schritt ins Unbekannte ist und deswegen Mut erfordert: entweder die Verbindung mit einer anderen Person öffentlich zu würdigen und zu feiern – oder wahrhaftig und ganz in Berührung damit zu gehen, dass ein geliebter Mensch gestorben ist. Und das bedeutet für die BegleiterInnen immer: mit dem Herzen in Berührung zu gehen – im Falle einer Bestattung mit der Trauer und dieser/diesem Toten. Denn nur dann können sie wirklich angemessen begleiten. Es bedeutet auch, die Menschen zu bestärken, in der Situation des Übergangs ihren eigenen Weg zu gehen, herauszufinden, was für ein Weg das ist, ihre Wahrnehmung dafür zu stärken, was für sie in dieser Situation stimmig ist, und sie zu unterstützen, einen Ausdruck dafür zu finden. Es bedeutet, jedes Mal von Neuem offen zu sein für den Weg der Begleiteten, nicht zu werten und die eigenen Erfahrungen nie als allgemeingültige Prognosewerkzeuge zu benutzen für das „richtige Ergebnis“ eines Überganges. Eine ganz klassische Trauerkarte kann ein ebenso stimmiger Ausdruck sein wie ein Sarg, bunt beschrieben mit guten Wünschen aller Abschiednehmenden. Mit erdigen Gummistiefeln vom Acker und nur mit den TrauzeugInnen zum Standesamt zu gehen kann genauso stimmig sein wie die Hochzeit im Wasserschloss mit Smoking, Brautkleid und 200 GästInnen.
Übergangsbegleitung28
Wir nehmen die Toten wieder in unsere Mitte
und heben für diesen Moment
die zerstörerische Trennung von Leben und Tod auf.
Leben und Tod – Geburt und Sterben gehören zusammen,
gehören zu unserem Leben,
gehören in unsere Mitte.
Jeder Tod macht uns die kostbare Einmaligkeit unseres Lebens bewusst
und jede Geburt lässt uns das Wunder des Lebens neu erfahren.
Die Ehrfurcht vor Leben und Tod lehrt uns Respekt vor der Natur, der Erde,
die uns nährt,
und den Frauen, durch die alle Menschen geboren werden,
die ein tiefes Wissen über Geburt und Tod – über die Lebensübergänge – in sich tragen.
Trennung, Abschied und Trauer gehören zu unserem Leben, wie der stetige
Wandel,
der das Einzige ist, dessen wir uns wirklich sicher sein können.
Ein endgültiger Abschied beim Tod von einer uns nahestehenden Person kann nur dann wirklich gut in das Leben integriert werden, wenn auch die Verstorbenen wieder einen Raum in unserem Leben bekommen – wenn möglich noch bevor wir sie zu Grabe tragen, in diesen so wesentlichen und wichtigen Tagen zwischen Tod und Bestattung, in denen die wichtigsten Trittsteine für den Weg der Trauernden gelegt werden können.
BegleiterInnen können hier wesentlich zur Heilung des tiefen Schmerzes und des Schocks beitragen, wenn sie ohne Angst oder Ekel in Berührung mit den Toten gehen, die Verstorbenen mit Liebe und Respekt behandeln und selbstverständlich
die Angehörigen ermutigen,
mit ihren Toten zu sein.
Berührung auf allen Ebenen geht nur mit bedingungsloser, allumfassender Liebe, die alle Menschen, alle Lebendigkeit mit einbezieht – und Tod als eine Seite des
Lebens begreift.
Da sein. Sich einlassen. Sich berühren lassen,
von allem, was in diesem Moment ist.
Das ist Begleitung, die von Herzen kommt
und einen heilsamen Raum für den Abschied schafft.