Kitabı oku: «Akrons Crowley Tarot Führer», sayfa 6
Liber 77717 und weitere Korrespondenzen
Das Wort der Weisheit spinnt der Lügen Netze, vermählt unverminderbare Unendlichkeiten.
Titel: Der Magus der Macht
Bild: Ein blonder Jüngling mit geflügeltem Helm und geflügelten Schuhen entfaltet seine Kunst
Zahl: 2, 412 (ausgeschrieben)
Buchstabe: Beth = B/BITh (Haus, Sprache). Hier verdichtet sich das Unsagbare zur Aussage
Pfad: 12 von Kether nach Binah. Seine Stellung im Lebensbaum wird durch Binah als noch nicht formuliertes Verstehen angezeigt.
Göttername: AZBVGH
Götter: Thoth und sein Begleiter Cynocephalus, merkurische Götter, oft in Paviangestalt dargestellt, oder Ophiel, der Geist des Quecksilbers (später Stein der Weisen); im hinduistischen Vishnu oder der Affengott Hanuman, Sohn des Windgottes Vayu, nach anderen Überlieferungen auch der Sohn von Shiva
Pflanzen: Eisen-, Bingel-, Marienkraut, Palme, Limonellenbaum, Linde
Krafttiere: Schwalbe, Ibis, Affe, Zwillingsschlangen
Edelsteine: Opal, Achat
Wesen: Hexen, Zauberer, geisterhafte Stimmen
Dämonen (Qlipoth): Samael, der falsche Ankläger (hundeköpfige Dämonen mit einer die Logik der Menschen verwirrenden Energie)
Magische Kräfte: Wunderheilungen, mentale Beeinflussung, magisches Wissen
Magische Waffe: Caduceus
Parfüm: Mastix, weißes Sandelholz, Muskat, Storax, alle flüchtigen Gerüche
Droge: Gehirnreizmittel
Geomantie: Oktagramm
Gematrische Korrespondenzen
2: A.A. (Abkürzung für ARIQ ANPIN, der Alte der Tage, alttestamentarische Götterbezeichnung und Titel Kethers), Haus, Wohnung
12: Raum, Haus, Palast, Besitz, Familie, königliches Geschlecht, das Innere, Tempel, Jesus Gott (Jeheshuah Alhim), Wunsch, Lust
Gottheiten: Hermes Trismegistos, Thoth (Ägyptischer Merkur)
Mythen: Urknall = Ursprung der Schöpfung = Menschwerdung; Adam nach dem Sündenfall oder Prometheus, der den Menschen das Feuer brachte
Symbole: Blitz, Feuer, Sturm, Phallus
Kultstätten: Hermupolis Magna (geheimnisvolle altägyptische Ruinenstätte bei Al Aschmunain); Amenophis-Tempel in Luxor (Tempel des Menschen)
Ritual: Initiation
Sabbat: Frühlingsbeginn
Kraftstein: Goldglänzender Pyrit (Schwefeleisenerz)
Räucherwerk: Lorbeer, Ginseng, Muskatblüte
Malerei: Die Schöpfung von William Blake
Musik: Und Gott sprach: Es werde Licht! (Einleitung Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde aus Die Schöpfung von Joseph Haydn)
Schrift: Corpus Hermeticum (die alchemistische Bibel von Hermes Trismegistos)
II – Die Hohepriesterin
Das Mysterium des Weiblichen mit seinen vielen Namen ist das verborgene Geheimnis, das sich jeder menschlichen Erkenntnis entzieht.
Alma Mater, Matris Spirituale, Göttin und Priesterin der Nacht
Astrologie: Skorpion-Mond im 12. Haus. Der Mond als Ausdruck unseres lunaren Bewusstseins, Skorpion als Zeichen der Macht des Unbewussten und Haus 12 als Mysterium des Unfassbaren.
I Ging: 2 Kun – Das Empfangende
Rune: Uruz (Urquell oder die Quelle von Urd, an der die Nornen die Schicksalsfäden spinnen) ist die zweite Rune und bedeutet die hinter der Form verborgene Idee.
Licht: Intuitive Erkenntnis, spirituelle Reife, Weisheit der Mütter; das innere Auge oder der Weg, der zu den Geistern der Wasser und den Quellen der Träume hinunterführt
Schatten: Realitätsflucht, Lebensangst, Fata Morganen (Schneewittchens vergifteter Apfel)
Farben: Blau, Silber, kaltes Blassblau, Silber mit himmelblauen Strahlen (Liber 777)
Planet: Mond (Buch Thoth). Der sich auf der Wasseroberfläche spiegelnde Mond symbolisiert die Idee, die sich in der Form reflektiert.
Kurzbeschreibung: Die Karte stellt die Hohepriesterin als die spirituellste Form des Femininen dar. Ihre Verbindung am Lebensbaum (Kether-Tiphareth) schenkt uns eine direkte Verbindung zwischen dem Göttlichen in seinem höchsten Aspekt und dem Leben in seiner vollkommensten Manifestation. Sie ist der Kelch, in den der Magus sein Leben gießt, denn als Priesterin der Nacht verkörpert sie das sphärisch Kreisende, das sich um das Linear-Eindimensionale legt, als empfangender Schoß, in den das Feuer der Intuition seinen Samen ergießt. Spirituell verkörpert sie die tiefe Erkenntnis und die innere Vision, die den Menschen den Kontakt mit seinen göttlichen inneren Wurzeln fühlen lässt, und zusammen mit dem Magus bildet sie die Schaltstelle zwischen der Idee (Interpretation des Geistes) und deren Einbindung in die Form (Begrifflichkeit des Fleisches). Ihre offenen Arme umfassen die Seele, ihr Schoß birgt das Geheimnis des Leibes und ihre Strahlenkrone ist ein Symbol der höchsten Einweihung. Sie ist die Brücke zwischen dem Kosmos und seinen himmlischen Bewohnern, und unter ihrem geheimnisvollen Schleier findet die Erweckung des höheren Menschen durch seinen heiligen Schutzengel (Holy Guardian) statt.
Analyse
Während sich der Magus nach Gestaltung und Ausformung des Willens sehnt, geht das Streben der Hohepriesterin in die Tiefe. Sie drückt die unbewussten Wünsche der Seele aus, deren Assoziationsgeflechte strickmusterförmig im Unbewussten aufgespannt sind, was der feine Maschendraht aus Lichtstrahlen anzeigt. Die opalisierende Gestalt, die dahinter erscheint, befindet sich sozusagen an der Schwelle zum Nichts, in das der Mensch seine Vorstellung projiziert, und verkörpert die geheimnisvollen Träume und die vergessenen Geschichten, die aus der Tiefe von Zeit und Raum wieder ins Bewusstsein der Vorbeiziehenden steigen.1 Aber sogar dann, wenn wir ihre Empfindungen in uns spüren, können wir sie nur schlecht nachvollziehen, denn sie drückt sie in einem verquasten Assoziationsschleier aus, der mehr an die Rätsel der Sphinx, das Orakel zu Delphi oder die drei Hexen in Macbeth erinnert. Das liegt darin, dass wir uns durch unser nach außen gerichtetes Bewusstsein in vielen Teilen von der instinktiven Weisheit der Natur abgeschnitten haben und deshalb kein Ohr mehr für diese inneren Botschaften der rechten Gehirnhälfte aufbringen. Aber in gewissen Fällen, wenn rationale Werkzeuge versagen oder aus Kurzsichtigkeit oder Verblendung unheilvolle Schritte eingeleitet werden wollen, kann es geschehen, dass sich der Geist der Göttin plötzlich in uns erhebt. Wenn sich der Mensch seiner Unzulänglichkeiten schöpferisch bewusst werden kann und seine Seele gegen jeglichen Versuch rebelliert, sich durch binäre Kalkulationen manipulieren zu lassen, schlägt die Stunde der Hohepriesterin. Dann kann es geschehen, dass wir einem dunklen Hinweis aus den Tiefen des Unbewussten folgen, ohne uns über die Beweggründe klar zu sein. Diese Botschaft ist mit Notwendigkeit dunkel und unergründlich, denn es ist klar, dass, wenn wir diese Karte ziehen, unsere mentale Kontrolle im Bereich der von uns gestellten Frage nicht mehr greift.1
Die geheimnisvolle Erscheinung mit dem sphärischen Schleier atmet aber auch das silberne Licht des Mondes ein und aus. Interessanterweise unterstellt ihr Crowley das alchemistische Element und Prinzip des Merkurs: Er ist die fluidische Grundlage aller Übertragungen der Tätigkeit, so schreibt er, und in der dynamischen Theorie des Universums ist er selbst dessen Substanz.2 Damit bezieht sich Crowley wohl mehr auf den unbewussten Seelenführer, den Psychopompos: Merkur ist der von Kether zu Binah – dem Verstehen – führende Pfad; und daher ist er der Botschafter der Götter, er repräsentiert genauestens den Lingam, das Wort der Schöpfung, dessen Sprache das Schweigen ist.2 Letztlich können wir das Heiligtum der Göttin nur kraft unserer Träume und Visionen betreten, denn ihr Mysterium kann nicht durch die Führung des Verstandes, sondern nur im mutigen Eintauchen in die unergründlichsten inneren Seelenebenen erreicht werden. Das zeigt uns der Bogen auf ihrem Schoß, die Waffe der Diana. Er ist nicht gespannt. Das bedeutet, das Ziel, das wir ansteuern, wird durch Kontemplation und zielgerichtete Versenkung erreicht, nicht durch äußere Aktivität und Hektik. Auch der obere Teil des Lichtschleiers, den sie zwischen ihren Händen geöffnet hält, ist ein Symbol für die Erlebniswelt der Seele, die dem Reisenden offen steht. Wenn das Maschennetz mehr die oberflächlichen Ziele der Seele repräsentiert, dann zeigt die halbkreisförmige Öffnung das Tor, durch das man in die eigene Illusion eintreten und sich damit mit dem Fluidum oder dem Geist hinter dem Bild der Hohepriesterin identifizieren kann.3 Denn das Licht, welches das mit einem nach oben geöffneten Lichtstrahlenkranz gekrönte Haupt der Göttin umhüllt, ist nicht nur eine Manifestation des ewigen Geistes, sondern auch ein schützender Filter, in dem sich nur die eigenen Erwartungen reflektieren. Auch das Unendlichkeitszeichen (Lemniskate = liegende Acht), das sie wie eine Brille vor ihren Augen trägt, ist mehr ein Spiegel für den Blick des Betrachters, denn wenn der Mensch der Göttin wirklich in die Augen sehen könnte, dann müsste er erblinden. Aus der Sicht des Beobachters steht die Lemniskate für die Beschreibung der Welt, die sich je nach Verschiebung des Fokus verändert, durch dessen Linse er die Karte betrachtet. Deshalb ist alles, was er in ihr sieht, nicht die Priesterin, sondern die Projektion seiner eigenen Vorstellung, der Göttin hinter dem Schleier begegnen zu wollen. Damit assoziiert sie sich mit jener illusionsschaffenden Energie, Maya genannt, die über die innere Gestaltungskraft verfügt, um sich in allen Bildvorstellungen zu inkarnieren, und schenkt ihm das intuitive Empfinden, dass alles, was er wahrnehmen kann, letztlich nur ein unbedeutender Bruchteil jener Träume ist, die für Kaiser oder Hohepriester unentwirrbar bleiben müssen, damit sie sich in ihrem Zwang nach Kontrolle nicht frustrieren.
Die um den unteren Bildrand gruppierten Symbole (Früchte, Blumen, Samenschoten) liegen vor dem Schleier der Isis und sind daher als in Erscheinung tretende Dinge schon manifestiert. Sie zeigen das innere Wachsen und Reifen der Seele, in der alle kollektiven Erlebnisse gespeichert sind, die »zukünftige« Vergangenheit oder die kommende Erahnung, die sich beispielsweise auch in Trümpfen wie Glück, Stern, Mond oder Æon niederschlagen. Dabei ist die Hohe Priesterin das kollektive Assoziationsmuster in der Tiefe der Seele, das mysteriöse Sehnen, unbewusste Erinnerungen ins Licht unseres Bewusstseins zu heben. Das Kamel, das am unteren Bildrand schreitet, ist eine Erinnerung an den hebräischen Buchstaben Gimel (Kamel), ein Verbindungsglied zwischen der geistigen Welt (Kether) und der Welt der realen Formen (Tiphareth). Dieser Pfad liegt in der Mitte des Lebensbaumes und wird von den Eingeweihten der Durchgang in die Stadt der Pyramiden genannt:
Im Wind des Geistes entsteht die Turbulenz namens Ich.
Sie zerbirst; hinab regnen die unfruchtbaren Gedanken.
Alles Leben ist erstickt.
Diese Wüstenei ist der Abyssos, darin das Universum ist.
Die Sterne sind nur Disteln in dieser Einöde.
Und doch ist diese Wüstenei nur ein verfluchter Ort
in einer Welt der Glückseligkeit.
Ab und an durchqueren Reisende die Wüste; sie kommen vom
Großen Meer und zum Großen Meer wandern sie auch.
Beim Gehen vergießen sie Wasser; eines Tages werden
sie die Wüste bewässert haben, bis sie erblüht.
Siehe! Fünf Fußstapfen eines Kamels! V.V.V.V.V.3
Buch der Lügen, S. 68
Dieser Weg ist es, den der Adept geht, wenn er sich seinem heiligen Schutzengel nähert, sich mit ihm verbindet und den Abyssos durchschreitet, ist er doch selbst der Quell, aus dem die Erkenntnis strömt, und gleichzeitig das Gefäß, mit dem er das Meer der Weisheit ausschöpft. Wie hat es doch der Advocatus Diaboli beim Magus so schön formuliert: Die Hohepriesterin ist die Quelle, die die (zukünftigen) Erkenntnisse des Magiers durch ihre Ahnungen ergänzt. Sie selbst steht für den Akt der inneren Offenbarung, denn sie ist die Endlosschleife der menschlichen Erkenntnis, die sich nicht nur kreisend um sich selbst, sondern gleichzeitig wie eine Spirale auch in immer höhere Sphären dreht und trotzdem mit den zentrifugalen Verstandeskräften korrespondiert, damit der Empfänger, wie in diesem Falle Crowley, seine Visionen letztlich entschlüsseln konnte.4
Weiterführende Bemerkungen
1 Die Hohepriesterin ist eine der interessantesten Karten im ganzen Deck. Sie ist das wunderbare Ergebnis der Frieda Harris von Olive Whicher vermittelten projektiven Geometrie, die sie 1937 in London erfuhr.5 Es handelt sich um den Versuch, die starre euklidische Geometrie durch den so genannten mathematischen Mystizismus »aufzubrechen«. Das erinnert auch an die von M. C. Escher in den dreißiger und vierziger Jahren entwickelte geometrisch-künstlerische Methode zur Flächenfüllung und zur Darstellung des Unendlichen, die ebenso auf raffinierte Verbiegungen und außergewöhnliche Blickwinkel setzt: Die perspektivische Verkürzung des Raums, der auf der Karte der Hohepriesterin beispielsweise wie eine »Laufmasche« herunterfällt, liegt exakt auf ihrem Solarplexus. Es ist das »weiße Loch«, das den Kosmos aus sich hervorbringt. Dieser feierliche Akt wird durch die Bewegung ihrer Arme dirigiert, die den Einstieg öffnen, durch den der Reisende eintreten kann. Sie verkörpert die Weise, welche die Sterne regiert, die ihr folgen, und in dieser Haltung repräsentiert sie Nuit, die Herrin der Sterne.
2 Somit ist die Hohepriesterin der unbewusste Impuls zum schöpferischen Willen des Magus: die Idee zur Handlung, bevor sich die Tat in den Raum ergießt, die namenlose Unendlichkeit, die sich zu einem Schöpfungsakt zusammenballt. Es ist die unbewusste Absicht, die ihm die Fähigkeit, durch den Willen Dinge aus dem scheinbaren Nichts heraus zu erschaffen, einhaucht. Für alles, was er kraft seiner Vorstellung beschwört, wird sie zur verwandelten Quelle seiner Schöpfung und bildet als deren abgetrennter Rückstand den Gegenpol, der stumm und geduldig auf die Wiedervereinigung der getrennten Pole wartet. Auch der Begriff Intuition wird in einer oft zu materiellen und irdischen Bedeutung mit dieser Karte in Verbindung gebracht. Der oft mit wahrer Intuition verwechselte Geistesblitz Heureka! – Ich hab’s! ist selten mehr als ein erster Gedanke aus der Schmiede des Magus, ein Prototyp. Erkenntnisse des Männlichen entspringen der Konzentration auf einen Punkt, die alles andere aus seinem Bewusstsein verbannen. Die Hohepriesterin jedoch blendet jede Fokussierung auf diesen einen Punkt aus und schafft damit Platz für die wahrhaft intuitiven Eingebungen. Zur Unterscheidung dieser beiden Prinzipien ist es hilfreich, von aktiver, männlicher Kraft zu sprechen (solarer Merkurzeichen), die sich selbst zu erschaffen in der Lage ist, und von weiblicher Energie (lunarer Merkurzeichen), die dem Wirken des Magus unbewusst zugrunde liegt.
3 Am Fuße der Statue der Isis in Sais steht geschrieben: Ich bin alles, was war, was ist und was jemals sein wird. Kein Sterblicher wird je entdecken können, was unter meinem Schleier liegt.6 So scheint sie nur in Träumen oder Phasen überirdischer Eingebungen erreichbar zu sein; kein Weg führt zu ihr hin und keiner von ihr weg, denn sie ist im wahrsten Sinne des Wortes überall und nirgends. Crowleys Göttin der Nacht, Nuit, repräsentiert die gleiche Kraft, durch die wir uns selbst als Teil eines Größeren erkennen, und dieses Größere ist der Impuls des Lebens selbst. Deshalb kann sie in ihrem Geheimnis intuitiv erahnt, aber weder emotional erfahren noch mental erfasst werden, ist sie doch selbst die Quelle, aus der die Urmuster unserer Gefühle und Gedanken strömen. Da sie all dies selbst gebiert, ist sie – ohne selbst Bild zu sein – die hinter den Bildern wirkende Bilde-Kraft, die unsere Vorstellung nährt. Erst in der Karte Ausgleichung kann ihr Potential, das hier (noch) als Idee existiert, zur Quelle eines Neuen Æons verdichtet werden, zur befriedigten Frau, mit der sich der Mensch verschmelzen kann: Liebe ist das Gesetz – Liebe unter Willen!7
Ich bin Sie, erwidert Coph Nia8, die Tochter der Schleier und Priesterin der Nacht, und alles, was ihr wahrnehmt, ist Sie in der Form, in der ihr Sie erfahrt. Sie ist es, die in euch und durch euch den heiligen Wein trinkt, und Sie ist der Wein. Es ist die ewig-alte Frage nach dem Lebenssinn: Wo liegt der Sinn des Werdens, das aus seinem eigenen Ende immer wieder neu hervorgehen muss? Die Hohe Sphinx kann das Rätsel lösen: Er liegt in der Sehnsucht des Lebens nach sich selbst!
Andere Verbindungen
– Tiefenpsychologische Zusammenhänge –
Der Narr zwischen Eltern und Über-Eltern
Machen wir ein kleines Spiel und versuchen wir Crowleys exzessive Botschaft in eine schlüssige Fiktion zu übertragen. Und die geht so: Seit C. G. Jung sind wir nicht nur mit unseren Eltern konfrontiert, sondern auch mit unserem inneren Bild der Über-Eltern, also einer Darbietung von Göttern und Erziehern, die mehr mit Wunsch- und Paradiesvorstellungen als mit lebendigen Menschen zu tun haben. In diesem Sinn verfügen wir über zwei Elternpaare. Auf der einen Seite das eine Art höhere Individualität ausströmende Elternbild, das Zugang zu dem Teil des kosmischen Bewusstseins hat, das uns innerlich stärkt und durch die Karten Magus und Hohepriesterin repräsentiert wird. Zum anderen die leiblichen Eltern, Kaiserin und Kaiser genannt, die in ihrer Verantwortung für das Kind aus dessen Sicht oft versagen. Sie wurden uns vom Leben aufgezwungen oder mitgegeben, und das in einem sehr autoritären Sinn – denn sie verkörpern zumindest in der Kindheit unser soziales Umfeld und unsere körperlichmaterielle Realität.
Jedes Unvermögen der Eltern schaukelt das Über-Eltern-Bild auf und umgekehrt. Manchmal erschaffen wir aus unserem Bewusstsein heraus die Sehnsuchtsbilder, die uns in einer kniffligen Lage die Kraft geben, mit der Situation umzugehen, wenn die eigenen Eltern versagen. Ähnlich wie Heilsbringer oder andere Götzenbilder rufen wir solche Energiepersönlichkeiten aus unserer psychischen Datenbank ab, aus dem Fundus individualisierter Bewusstheiten, die uns zur Verfügung stehen. Manchmal kann eine (un-)heimliche Verwandlung stattfinden, wenn wir die Aufmerksamkeit von den leiblichen Eltern auf unsere fiktiven Personen, die wir selbst geschaffen haben, übertragen, denn damit übernehmen wir eine Art innerer Kontrolle in einer Außenwelt, der wir sonst schutzlos ausgeliefert wären. Aber auch das Fehlen der natürlichen Eltern kann zu grotesken Überhöhungen und Verzerrungen der Über-Eltern-Bilder des Narren führen, was wir am reichhaltigsten aller Inzestmythen, Ödipus, sehen. Er tötet seinen irdischen Vater und heiratet seine biologische Mutter, doch nur, weil er keinen Kontakt zu seinen irdischen Eltern hatte. Die ganze Tragödie geschieht unwissentlich, was auf die Ebene unbewusster Phantasievorstellungen hindeutet; andererseits konnte er in der späteren Erkenntnis und Aufarbeitung sein unerlöstes Elternbild befreien.
Der Advocatus Diaboli erklärt das so: Die mögliche Zukunft, die sich im vergangenen Orakel manifestiert9, transportiert die innere aggressive Energie des Vaters auf das Kind, um ihr später unbewusst folgerichtig zu erliegen, damit sich das Schicksal vollziehen kann. Deshalb können wir erkennen, dass manchmal auch die (ängstliche) Projektion der Eltern auf das Kind die Über-Eltern-Bilder im Kind auslösen und sich zerstörend im Außen auswirken kann. Die unbearbeitete Gefühlsfracht liefert Form und Antrieb (Fahrzeug und Benzin) für solche Schöpfungen. Dieses legt wiederum den Gedanken nahe, dass der Inzest nicht einfach degenerativ ist, sondern auch regenerative Möglichkeiten in sich enthält. Es ist in der Tat ein wesentliches Stadium der Entwicklung des individuellen Charakters bei beiden Geschlechtern, seinen mehr oder weniger wirksamen Ödipus- bzw. Elektrakomplex zu überwinden. Auf diesem Teil des Mythos baute Freud auch einen seiner wertvollsten und unwiderlegbaren Beiträge zu unserem tiefenpsychologischen Wissen auf.
Im Klartext: Der »Reisende« steht in der Hohepriesterin vor der Aufgabe, seine überhöhte, unerreichbare Mutter auf seinen Wellenbereich »herunterzuholen«. Das geschieht dadurch, dass er alle moralischen Empfindungen und kulturellen Überlieferungen der Heiligen Jungfrau und Mutter Gottes zerstört. Nach dem, was uns Crowley sagen will, hat er die Pflicht, die Göttin zu »vögeln«, oder, wenn er schon nicht den Mut hat, seine Mutter zu ficken, wenigstens seinen Vater zu erschlagen10, kurz: den Kaiser zu kastrieren und seinen Platz auf dem Thron einzunehmen! 11Denn: Nur wenn er seine inneren Eltern überwindet, hat er die Chance, selbst erwachsen zu werden und an deren Stelle zu treten.
Das Durchlaufen dieses mörderischen Zyklus löst gewaltige Emanationen in uns aus, und die Schmerzen, die durch die (vorübergehende) Erweckung und die Auseinandersetzung mit den Urängsten in uns wachgerufen werden, sind nichts anderes als die in zahllosen Sagen und Mythen überlieferten Höllenqualen, bevor der Proband durch sie geläutert wird. Erst, wenn es uns gelingt, die Felder der Autoritäten (I – V) zu durchschreiten und uns in den nächsten vier Karten VI – IX von unseren unbewussten Eltern- und Lehrerbildern zu lösen, sind wir frei. Doch bis es soweit ist, geht es darum, die Göttin von den Mystifikationen unserer Übertragungen zu erlösen. Sie wird durch ihre Lust entheiligt, befreit und bloßgestellt, und das tun wir, indem wir sie zu unserer Scharlachhure küren.