Kitabı oku: «Dantes Inferno I», sayfa 8

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Ich hob das Buch, und darunter kam ein Spiegel zum Vorschein, der exakt in Buchgrösse in den Tisch eingelassen war. «Dieser Spiegel ist die Rückseite des Porträts», fügte Akron hinzu, «das bei dir an der Rückwand des Bücherregals hängt und dir eine Kommunikation mit deiner Alltagswelt erlaubt.»

«Aber in der Alltagswelt stand das Bild doch vertikal im Raum», wandte ich ein.

«Es ist ja auch kein physischer Raum, in dem wir hier sind, es ist ein psychisches Gebilde, das der Vertiefung entspricht, die das Buch in deinem Hirn ausgespart hat. Weil du in deiner Alltagsebene vor dem Computer sitzt, hast du das Bild gedreht und das vertikale Bild auf die horizontale Ebene projiziert, damit du deine Körperhaltung nicht zu ändern brauchst und gleichzeitig das persönliche Erleben kontrollierst, das du als gespiegeltes Bild in deinen Händen hältst. Doch damit erreichst du hier nichts», sagte er und schleuderte das Buch vom Tisch.

Es gab einen Ruck, ich wurde aus meiner Sitzlage katapultiert, die ganze Szenerie vor meinen Augen wurde mit einem Schlag gekippt und ich schlug schmerzhaft am Boden auf. «Jetzt hab ich das Bild in deinem Kopf wieder zurechtgerückt», sagte Akron und klopfte auf die Tischplatte, die als Wand jetzt senkrecht vor mir stand. «Siehst du, sie ist sehr stabil! Du hast sie mit Hilfe der Sinne konstruiert, derer du dich gerade bedienst.»

«Du möchtest sagen, daß ich diese Wand selbst aus meinem inneren Empfinden aufgebaut habe?»

«Alle äußeren Bilder erschaffen sich in dieser Welt aufgrund der inneren Erwartungen. Diese Wand hier», er strich mit den Fingerspitzen beinahe zärtlich über das Holz, «ist ein Symbol für deinen tiefgründigen Verstand, und deshalb setzt sie sich sowohl aus den Vorstellungen deines Arbeitstisches wie aus den Bildern der verborgenen Rückseite deines Bücherregales zusammen, und der Spiegel», er zeigte auf einen glitzernden Spiegel, der in die Holzwand eingelassen war, «ist, wie gesagt, die Schwelle, über die du in die psychische Ebene eintreten kannst. Auf der Alltagsebene wäre er die Brücke, über die die beiden Hirnhälften miteinander verbunden sind.»

«Hirnhälften?» Ich schaute ihn an. Er trug eine dunkle Kapuze und einen Mantel, der bis zum Boden reichte. Aus meiner Perspektive wirkte er monströs wie ein schwarzer Dämon.

«Ja, weißt du denn noch nicht, wo wir hier sind: Wir sind in deinem Hirn. Du wirst noch staunen, welchen Gestalten du in der rechten Hirnhälfte begegnest, in der die Gesetzmäßigkeiten des dualen Verstehens nicht mehr funktionieren. Leider wirst du alles, was du hier erlebst, wieder vergessen haben, wenn du auf der anderen Seite erwachst.»

«Wie ist es mit dir?» erwiderte ich, während ich mich langsam erhob. «Werde ich dich auch vergessen haben?»

«Ich bin dein Höheres Selbst, das aus deinem inneren Geiste spricht, während ich dir da draußen in der materiellen Welt nur als undeutlicher Schatten begegne.» Eine seltsame Aura umschattete ihn: «Deshalb habe ich dir auch mein Bild ins Bücherregal gestellt, damit du mich auf der Bewußtseinsebene nicht verdrängst.»

«Wie kann ich dir glauben», entgegnete ich.

«Das brauchst du nicht: Sieh einfach hinüber in deine Alltagswelt!» sagte er und zeigte auf den eingelassenen Spiegel in der Wand. «Der Spiegel ist gewissermaßen die Tür, die die physische und die psychische Welt miteinander verbindet. Zu Dantes Zeiten nannte man ihn auch die Schwelle der Angst. Wenn du ihn nur benutzt, um dein Gesicht zu betrachten, dann ist er nichts als ein Spiegel, der dir dein Äußeres zeigt. Wenn du dich aber selbst vergißt, während du in den Spiegel siehst, dann zeigt er dir plötzlich, was sich auf der anderen Seite der Schwelle abspielt, denn die Rückseite des Spiegels ist mein Bild, das bei dir an der Rückwand des Bücherregals steht und dir eine Kommunikation mit deiner Alltagswelt erlaubt.» Er klopfte mit dem Knöchel an das Glas: «Siehst du dein Alter ego, deinen anderen Teil, der dort am Schreibtisch sitzt? Er hat sich tief in seine Gedanken versenkt, um dich innerlich zu kontaktieren. Kannst du ihn spüren? Er scheint bereit!»

«Wozu bereit?» verlangte ich zu wissen.

«Bereit, in seine rechte Hirnhälfte einzutreten und dir in unserer Traumwelt zu begegnen. Wenn du durch diesen Spiegel siehst, sieht er auf seinem Bildschirm dein Gesicht. Dann könnt ihr miteinander nach Herzenslust kommunizieren. Geh jetzt, los! Er versucht, deinen Geist auf seinem Monitor zu beschwören!»

Ich starrte in den Spiegel, und von einer Sekunde zur anderen entzündete sich mit ungeheurer Kraft ein Feuerwerk von Visionen in meinem Hirn. Irgendwie fühlte ich mich plötzlich in zwei Teile gespalten, denn ich spürte, wie er vor seinem Bildschirm saß und die Ideen wild in die Tasten hämmerte, die mir durch den Kopf blitzten, und gleichzeitig hatte ich das Gefühl, als ob ich es selbst war, der die Geschichte aufschrieb. Irgendwie erahnte er auf dem Monitor meine virtuelle Gestalt, aber ebenso verschwommen erkannte er in mir auch sein eigenes Gesicht, denn durch die Augen, die ihn ansahen, erblickte er auch den Raum, in dem er sich befand.

Ich schwebte auf meinen Körper zu, glitt durch meinen Kopf in ihn hinein und fühlte, wie sich in seinem Gehirn meine Vorstellung formte, die sich in der räumlichen Sphäre formulieren wollte. Doch er brachte meine Worte nicht heraus, die ich durch ihn hindurchzusprechen versuchte. «Du kannst ohne Medium nicht direkt mit ihm kommunizieren», hörte ich Akrons Stimme in mir flüstern, «denn du bist ein Teil seiner Geschichte, die er nicht ständig präsent in sich trägt, sondern die er im Computer gespeichert hat. Nimm den Monitor als Plattform!» Den Rest konnte ich nicht mehr hören, denn seine Stimme ging in einem lauten Wimmern unter. Ich hörte ein Knacken, Geräusche heulten wie der wehklagende Gesang der Jungfrauen in meinen Gehörgängen auf, dann hatte ich eine andere Vision.

«Komm», sagte Akron und nahm mich an der Hand. Rasch zog er mich zum Regal. Er warf das Buch heraus, packte das Bild an der Rückseite und drehte es wie einen Türknauf um. Das Bild begann sich nach hinten zu öffnen. «Das Hirn ist wie ein Spukschloß», erklärte er mir, «voll mysteriöser Kammern.» Die Szene vor meinen Augen schrumpfte zusammen, es war mir, wie wenn ich nach innen in einen dunklen Schlund hineingezogen würde.

Ausschnitthafte Ansichten meiner Hirnwände glitten vorbei, Leitungen, die meine Gehirnströme darstellten und offene Gehirnschächte, in denen Informationseinheiten Gedankenimpulse zerlegten und zu neuen Denkmustern verarbeiteten. «Die Datennetze sind der Schlüssel, und der wachhabende Engel ein Wächter der Hölle, der die Gedanken der Sünder kontrolliert», versuchte mir Akron die Vorgänge zu schildern. Doch ich war erschüttert, als er mich zu einem riesigen Schaltpult führte, hinter dem der digitale Dämon den Zustand meiner Seele analysierte und Akron die Situation protokollierte: «Wir haben ihm die Daten in den Arbeitsspeicher seines Kurzzeitgedächtnisses geladen und sie ihm auf der Bildschirmmaske als virtuelles Bücherregal angezeigt. Auch die Menüführung haben wir vereinfacht und die Schwelle als Buch im Regal getarnt, damit er überhaupt einen Zugang findet. Er braucht das Symbol nur anzuklicken, schon springt die Tür vor seiner Nase auf …»

Ich erkannte deutlich den Bildschirm als Brücke zwischen zwei Welten, auf deren Plattform ich mit ihm kommunizieren konnte, ohne mich auf seiner körperlichen Ebene zu befinden. Sanft schaute ich ihn an: «Siehst du mich?» Er zuckte wie von der Tarantel gestochen auf, aber offenbar konnte er mich auf dem Bildschirm nicht erkennen, denn sein Blick ging hilflos ins Leere: «Bist du’s, Charles?»

Ich fühlte, wie sich in seinem Gehirn eine Vorstellung formte, die mit mir auf der Denkebene zu kommunizieren begann: «Hörst du mich?» stammelte er sichtlich aufgeregt.

«Komm mit! Ich führe dich zur Tür!» wollte ich sagen, da brach aus meinem Auge ein glänzender Lichtblitz hervor, den er wohl als Sonnenstrahl interpretierte, da er mich nicht wirklich sah. Er starrte auf den Monitor, dort flimmerte Dantes «Divina Commedia» auf, eine alte, höllische Schrift, die in seinem Bücherregal neben anderen kostbaren Manuskripten stand. «Das ist die Tür, durch die du ins Unbewußte eintreten kannst», brüllte ich ihm zu, «klick sie an!»

Er klickte mit der Maus auf das Manuskript im virtuellen Bücherregal, da explodierte das Bild und Akron stieß mich hinter dem Spiegel an: «Blinzle ihm zu! Er begegnet dir auf dieser Ebene zum ersten Mal, und deshalb mußt du ihm auf seinen Blick antworten. Für ihn bist du die unheimliche Gestalt unter der dunklen Kapuze, deren Gesicht verdeckt im Schatten liegt!»

Da stand ich vor ihm, mein Blick traf ihn direkt ins Auge, und es gab nichts, was er nicht sah, zumindest nicht im Ausschnitt, den auch ich überblickte. Ja, es war ihm klar, daß ich ein anderer Teil von ihm war und daß er nicht aus mir herauskommen konnte, ohne sich nicht selbst zu verlieren. Und trotzdem war ich ihm vertraut, denn zwischen uns war eine Verbindung wie zwischen Weg und Ziel, und unsere Blicke bildeten die Brücke: «Hör auf, mich anzustarren!» hörte er mich sagen, aber seine Gedanken kreisten immer stärker um meine seltsam leuchtenden Augen, denn jetzt wußte er, sie hatten ihn erkannt.



Die Widder-Hölle

Existierte dieser Wächter wirklich oder habe ich ihn mir nur eingebildet?» fragte ich Akron, denn plötzlich überfielen mich rationale Zweifel, und ich fragte mich, ob ich dem Unfaßbaren wirklich begegnet war.

«Gewiß», grinste er, «der Wächter stand genauso da, wie du ihn sehen wolltest. Um ihn zu sehen, mußtest du einen konzentrierten Angriff gegen die starre Bewußtseinswand führen und durch das Loch in der Mauer blitzschnell zu seiner Sichtweise vordringen, das heißt, du mußtest seine Bereitschaft, gesehen zu werden, mit deinem Willen, zu sehen, in Übereinstimmung bringen, und das hast du getan. Die Folge war, daß du eine neue Seite in dir entdeckt hast, die du als Stein wahrnehmen konntest.»

«Aber das war doch keine Wirklichkeit …?!»

«Es gibt keine wirklichere Wirklichkeit, die du erleben kannst. Sie reicht einen Daumenbreit über dein anerzogenes Wahrnehmungsmodell hinaus. Jede Wirklichkeit muß der anerzogenen Wahrnehmung als sinnlos erscheinen, weil die Wahrnehmung die Sichtweise der Sinne auf ihre eigenen Erklärungen reduziert. Nur wenn du sie einen Augenblick zur Seite schiebst, sind Wunder möglich.»

«Ich kann es fast nicht glauben», erwiderte ich.

«Sie sind möglich», beteuerte er, «du hast es selbst erlebt: Warst du nicht den Bruchteil einer Sekunde selbst der Stein?»

«Das ist allerdings wahr. Wie hängt dies alles mit meinem Erleben zusammen?»

«Einen Augenblick lang warst du auf einer anderen Bewußtseinsfrequenz. Aber wenn du mich fragst, wo diese ist, und ich dir sage, sie liegt auf einer bestimmten Frequenz innerhalb der Bandbreite deines inneren Erlebens, dann verstehst du nichts», antwortete Akron und ließ mich unter dem alten Grabmal am ausgetrockneten Flußbett niedersitzen.

«Es war der Traumwächter am Tor der Sehnsucht, der die Steinträumer mit Tränen entläßt», sagte er und schaute mich nachdenklich an. «Es gibt aber noch etwas anderes, das du wissen mußt, bevor wir die wirkliche Hölle erreichen», fuhr er fort, und ich sah in seinem Auge, wie die Brandung in der Bucht weit unten an die Felsen schäumte: «Wer alle Kraft an die Träume hängt, bleibt ungeboren wie die Fische-Verlorenen in ihren Nebelschleiern, sie büßen in den embryonalen Gewässern der Vorhölle. Sie sind nicht in physischem Sinne schuldig, ihre Schuld ist verschwommen und unergründlich. Sie verweben Wahn und Wirklichkeit so miteinander, daß sich die eigene nebulöse Welterfahrung zur Wirklichkeit emporschwingt und ihr bewußtes Ich im Morast des Unbewußten ertrinkt. Es sind die hüllenlosen Seelen, die an den Wassern schlummern, die Welt nur träumen, den Menschen unsichtbar die Schicksalsfäden spinnen und ihr Wissen hüten. Doch die wahre Hölle, die wir nun betreten, ist nicht ein fernes Jenseits wie der Fische-Limbus, sondern tiefste Gegenwart und schwärzestes Inferno. Sieh dich also vor, wenn wir aus den trüben Gewässern der Seele am Feuerwächter vorbei durch das Widder-Tor in die wahren Abgründe eindringen!»

«Eine interessante Reise», erwiderte ich nickend und schloß die Augen, bevor ich mit einem Schlag in den Strudel meiner inneren Hölle hinabgeschickt wurde, denn als ich erwachte, sah ich mich von einem hohen, von zwei Widdern flankierten Höllentor umgeben. Raum und Zeit verschmolzen vor meinem inneren Auge, und ich sah, wie sich im Osten der rote Feuermars mit dem schwarzen Pestring des unerbittlichen Saturns bekämpfte. Über mir stand eine schreckliche Gestalt mit erhobener Lanze auf dem Torbogen, bereit, jedem, der die Grenze überschritt, die Spitze ohne Wimpernzucken in den Leib zu rammen.

«Was willst du von mir?» donnerten mir seine Worte wie Erzgestein entgegen: «Verschwinde hier!» Ich sah direkt in die Krone des Schöpferbaumes und erschrak, denn die Stimme, die ich vernahm, war nicht die Stimme eines einzelnen, sondern die Stimme vieler, und ihr Tonfall, der mein Ohr erreichte, war der Chor der in dieser Hölle versammelten Seelen. Ihre schmerzverzerrten Leiber leuchteten wie rote Feuerbrände im Hintergrund, und mir war, als entzögen sie der Luft den letzten Sauerstoff, denn ich bekam fast keine Luft. Es war eine todbringende Situation, eine Verdichtung von Schmerz und Wut, die so konsistent war, daß ich nicht umhin konnte, die Summe all meiner Empfindungen als etwas total Beengendes zu empfinden, dem ich so schnell wie möglich entrinnen wollte. Als ich die Augen wieder öffnete, erkannte ich, daß ich direkt in die Augen von Akron sah.

«Ist das der Sinn der Widder-Hölle?» entgegnete ich giftig, denn ich begann durch den kosmischen Raum hindurchzusehen, und plötzlich verwandelte sich Akrons Antlitz vor meinen Augen in einen behelmten Totenkopf. Es war aber kein äußerliches Bild des Schauderns, sondern ein inneres, es war, wie wenn das seltsame Wesen, das Luft und Himmelskörper durchdrang, sich nicht nur im Äußeren offenbarte, sondern auch in meinen Gedanken, denn irgendwie war mir, als ob das, was mich ansah, ich selbst mit meinen eigenen Augen war. Ich erschrak fast zu Tode, als eine fremde Stimme in mir anschwoll und mir durch meinen eigenen Mund antwortete: «Die Hölle selbst hat keinen Sinn. Sie ist immer nur die Reaktion auf eine Form der Verdrängung, in diesem Fall auf die Verdrängung der Wahrheit, daß auch Krieg und Zerstörung ein Teil vom Himmel sind, denn sie ist das schwarze Loch in unserem Bewußtsein, weil sie das repräsentiert, was wir nicht zulassen können. Deshalb wird alles, was du hier und jetzt empfindest, aus deinem Bewußtsein verschwunden sein, wenn du wieder erwachst, weil dein Vernunftdenken die Wahrheit, die du hier erfährst, nicht akzeptieren kann.»

«Was heißt das?» fragte ich entrüstet. «Heißt das, daß ich hier nicht bei klarem Bewußtsein bin?»

«Aus der Sicht deines Alltagsverstandes sicher nicht, aber das braucht dich nicht zu kümmern, denn in Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt: Das klare Bewußtsein verschwindet, wenn du in der Alltagswelt erwachst. Es sind deine inneren Sinne, über die wir miteinander kommunizieren können und durch die du meine Schwingungen in eine physische Form übertragen kannst. Auf der Ebene deines Vernunftdenkens bin ich unsichtbar.»

«Bist du der gute Geist in mir?» wollte ich von der Erscheinung wissen.

Akrons Auge glühte wie eine kleine Sonne, und das Licht schien den Himmel zu durchdringen, denn das Leuchten dehnte sich mächtig aus und schien meine Seele zu erfüllen, bis es sich wieder zu einem kleinen Lichtpunkt verdichtete und in seiner irisierenden Pupille verschwand: «Sagen wir, ich bin das Selbst des raumzeitlosen Nicht-Seins, das dich umkreist und durch das du jetzt hindurchgetreten bist …»

Die Zeit stand still: Nur noch der Wind, die Vögel und das Knarren der alten Zeder waren zu hören. Und natürlich das Rauschen des Blutes ganz tief in meinen Adern. «Langsam beginnst du, dir ein Bild von dir selbst zu machen», hörte ich eine innere Stimme, «und in einem gewissen Sinne bin ich daher der Bote dessen, was du die langsam aufkeimende und stetig wachsende Bewußtwerdung tief in deinem Unbewußten nennen könntest. Und dadurch, daß wir uns jetzt auf dieser unbewußten Stufe miteinander unterhalten können, kann ich dich mit den verschiedenen Aspekten deines Wesens auch außerhalb der dreidimensionalen Existenz in Berührung bringen. Tritt ein!»

Ich schloß die Augen. Plötzlich sah ich eine leuchtende Gestalt vor mir. Sie saß auf meinem Stuhl am Schreibtisch und sah mich teuflisch an: «Willkommen in der Hölle!»

«Wer bist du?» wollte ich sie fragen, aber eine innere Angst lähmte mich und kein Wort kam über meine Lippen.

Das leuchtende Objekt gerann, als würde es irgendwie fixiert, und dann verlor sich der Glanz, es wurde fest und fleischig und sagte: «Erkenne dich in mir!» Es war mein eigenes Gesicht, das mich ironisch angrinste: «Sieh mich an, und versuch dein aggressives Ego nicht zu lähmen, denn es sitzt in diesem Augenblick vor dir!»

«Was weißt du schon von mir?» schrie ich meinen Doppelgänger an. Er schien nicht zu wissen, daß es meine Gedanken waren, die er dachte.

«Hier brauchst du mich nicht länger zu verdrängen», entgegnete die Erscheinung kühl, «denn in der Widder-Hölle regiert die Auswirkung der Tat. Wer anderen Böses wünschte, sühnt jetzt im Bösen, wer sich am Streit ergötzte, lebt als Zerrissener, und wer anderen Übles antat, büßt selbst als Opfer.»

Ich war verwirrt. Dann hatte ich plötzlich Akrons Stimme wie eine meinen eigenen Träumen und Visionen entsprungene Erklärung im Ohr: «Wir haben dein geistiges Erkennen in die Widder-Realität verlängert, damit all deine verdrängten Aggressionen wieder in dein seelisches Erleben zurückfließen können.»

«Wer ist der Mann?» fragte ich ihn.

«Der Mann bist du!»

«Aber wieso steh ich dann hier?»

«Weil du noch nicht durch das Widder-Tor hindurchgegangen bist!»

«Das versteh ich nicht …»

«Wir stehen auf der anderen Seite deiner aggressiven Instinktnatur und begegnen ihr aus der Sicht ihrer verdrängten sozialen Komplexität. Der Mann am Schreibtisch hat im Moment zwar auch unsere Gedanken, oder anders gesagt, er denkt das, über das wir im Moment diskutieren, aber sein aggressiver Wille ist sich der Vielschichtigkeit seines Geistes nicht bewußt. Unsere Sichtweise hingegen, das Gesehene als einen Teil von sich selbst zu erkennen und sich gleichzeitig innerhalb und außerhalb des Gesehenen zu betrachten, entspricht der Sichtweise der gegenüberliegenden Waage-Hölle, die ihn am Schreibtisch in seinem eigenen Erkennen erkennt, ohne aber auf die Geschichte direkt einwirken zu können. In ihm begegnest du deinem aggressiven Willen, wie er über sich selbst reflektiert und dich gleichzeitig in seinem Gesehenen erkennt. Er kann unsere Schwingungsenergie in diesem Augenblick spüren, wenn auch unbewußt, denn wir haben ihm jetzt den Kanal geöffnet. Indem alle Gedanken mit sich selbst verbunden sind und jeder Gedanke einen anderen auslöst, erschaffen die Wirkungen seiner Gedanken unsere Realität, genauso wie die Wirkungen unserer Realität seine Gedanken schaffen. Dadurch entsteht in unseren Gedanken ein Vakuum, ein Loch oder ein Korridor, an dessen Ende eine Tür ist, durch die man durch sich selbst hindurchgehen kann, an deren Ende ein Spiegel hängt, durch den man durch sich selbst hindurchsehen kann und an dessen Ende sich wiederum ein Fenster befindet, durch das man durch sich selbst hindurchspringen kann. Dadurch, daß du ihn gesehen hast, bist du durch dich selbst hindurchgesprungen, durch das gespiegelte Fenster, das du für deine Wahrnehmung hieltest, und bist zu den Pforten der nächsten Hölle gelangt. In deinen Augen ist es eine Tür. Willst du nicht anklopfen?»

«Gewiß!» Ich klopfte an, und einer, der wie mein Ebenbild aussah, öffnete mir mit den Worten die Tür: «Was willst du hier?» Plötzlich war ich mir sicher, daß diese Ausstülpung meiner Innenwelt etwas ganz Natürliches war, ein Spiegel gewissermaßen, in dem man seinem unbewußten Schatten bewußt begegnen konnte, und daß der andere, der da vor meinen Augen auftrat und mir die Tür öffnete, die Ausstülpung eines anderen Teils meiner Persönlichkeit war, die durch mein Bewußtsein hindurch die Brücke bildete, um mir die Antworten aus dem Unbewußten zukommen zu lassen.»

«Ich will zu dir!» Gleichzeitig erkannte ich, daß ich überräumlich sah und Innen und Außen gleichzeitig wahrnahm. Ich saß an meinem Schreibtisch über die Tastatur gebeugt und sah mich gleichzeitig unten an der Tür als jemand stehen, der mit einer seiner verschiedenen inneren Personen in einen Dialog verwickelt war.

«Was willst du von mir?» entgegnete der andere unbeirrt. Er stand neben der Tür und sah mich an, doch ich konnte seine Züge nicht erkennen.

«Sag ihm einfach», Akron kniff mich wieder in den Arm, «du seist ein Teil von dem, den er in die Unterwelt geschickt habe, damit er ihm seinen eigenen Schatten zurückbringe. Nun seist du zurückgekommen, um ihm das zu bringen, wonach er dich geschickt habe – sich selbst!»

«Aber wer ist er?»

«Der Mann, der deine Gedanken denkt!» Akron tippte sich mit dem Finger an die Stirn.

«Wie ist das möglich?» Obwohl ich es eigentlich schon wußte, zeigte ich mich doch ziemlich überrascht.

«Es ist der Verstand, der aus sich herausgefallen war, als er herauszufinden versuchte, wer er ist, denn er ist der Haken am Seil, den du ins Unbekannte geworfen hast, um dich an seinen Erlebnissen über den Abgrund an der Schwelle zum Unbekannten auf die andere Seite zu ziehen. Nimmst du seine Geschichte an?»

«Solange es meine Gedanken sind», hielt ich mir die Türe offen.

«Du brauchst keine Angst zu haben», entgegnete er mir, «wo du auch immer hinkommst, er ist schon da! Es ist der sich selbst beobachtende Verstand, der dich in diese Hölle eindringen läßt.» Ich war mir nicht sicher, ob ich wachte oder träumte, deshalb sah ich mein Ebenbild scharf an.

«Schau ihn nicht an», fauchte mich Akron plötzlich an, «der Geist, der sich auf sich selbst richtet, um sich in den Griff zu kriegen, verliert sich notwendigerweise in einer Vorstellung von sich selbst. Diese Vorstellung ist der Geist selbst, und er gewinnt sich allein dadurch, daß er sich in ihr verliert. Dazu darf er sich aber nicht erkennen. Auch nicht in dir!»

«Und wenn er mir nicht glaubt?» erwiderte ich.

«Dann tauschen wir ihn aus!» lächelte er grimmig. Er schmetterte die Tür ins Schloß, und die Bilder versickerten in meinem Hirn. Ich fühlte ein schwereloses Fallen, und gleichzeitig nahm ich ein anderes unglaubliches Phänomen wahr. Mein Körper saß am Tisch, meine Hand kritzelte wie wild meine Gedanken auf ein Stück Papier, die mir durch den Kopf blitzten, und doch schien ich gleichzeitig an anderen Orten zu sein. Ich stürzte durch einen langen Korridor, an dessen Ende sich eine Tür befand, und vor mir öffnete sich der Raum. Mein Ebenbild stand vor mir und schaute mich an. Seine Augen leuchteten wie zwei blitzende Perlen am Himmel, und in der Tiefe seines Blicks glühte mein eigenes Gesicht. Langsam wurden meine Augen unscharf, und er verschwand. Ich sah direkt in die Krone des Schöpferbaumes. Nur der Wind, die Vögel und das Knarren der alter Zeder waren zu hören. Ganz langsam löste ich mich auf, und genauso langsam öffnete sich eine Glaskuppel, die aussah wie eine Hirnschale. Ich glitt in sie hinein und fühlte, wie sich in meinen Gedanken eine Vorstellung formte, die sich in der räumlichen Sphäre manifestierte. «Komm mit!» hörte ich hinter mir eine vertraute Stimme. Akron war von hinten auf mich zugekommen und legte mir seine Hand auf die Schulter: «Ich führe dich zur Tür!»

Ich öffnete die Augen. «Wo ist der Kerl?» fragte ich vorsichtig.

«Du weißt, wo er ist», entgegnete er sanft. «Er wartet auf dich – hinter der Tür!»

Dann gingen wir hinein.

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