Kitabı oku: «Dantes Inferno I», sayfa 9
Sonne in Widder
Hölle
Die Hölle der maskulinen Aggression und der ewigen Flucht nach vorn
Sünder
Triebhafte Aggressoren, unüberlegte Hitzköpfe, primitive Draufgänger, rücksichtslose Egoisten sowie Feiglinge, schwache Männer und aggressionsgehemmte Verdränger (Sex- und Muskelprotze)
Disposition
Der Schattenbereich von Sonne im Widder und Sonne im 1. Haus sowie disharmonische Sonne/Mars-Aspekte
Schuld
Permanentes Durchsetzungsstreben, Ellenbogenegoismus, Voreiligkeit, Willkür, Selbstüberschätzung, Aktivität als aggressiver Selbstzweck, übertriebene Ich-Bezogenheit (uneinsichtig, naiv, geltungssüchtig, angeberisch)
Strafe
Von der Zerstörung aller Widerstände getrieben, bist du vom Gedanken besessen, alles Beeinträchtigende zu zerschmettern, denn du benötigst äußere Hindernisse, um sie mit der ganzen Lust deiner heldischen Impulsivität überwinden zu können. Deshalb bist du in dieser Hölle unaufhörlich mit dir selbst im Krieg. Vom Wunsch nach Überwindung irdischer Bindungen beseelt, bist du bestrebt, alles Behindernde zu vernichten, ohne zu bemerken, daß du gerade das, was du zu verhindern suchst, in seinen Wirkungen noch mehr bestärkst. Deshalb fühlst du dich wie von einer Horde innerer Dämonen getrieben, ständig um des Reagierens willen über dich und andere herzufallen, und bleibst trotz aller Aggressionen im Inneren ein Kind, ohne Geduld, langfristige Ziele gegen äußere Widerstände erfolgreich durchzuboxen. Wirst du in deiner Aggression gehindert, führt dies zu großer Frustration und Zorn, denn deine Absicht charakterisiert sich durch das Erstürmen deiner Ziele mittels der Tollkühnheit einer gebündelten und in den Brennpunkt der Aggression gebrachten Handlungsabsicht. Entziehst du dich den Konflikten aber umgekehrt durch Flucht, dann wirst du durch den Fleischwolf der Angstgefühle deiner verhinderten Aggressionen gedreht, was zeigt, daß du die ungelösten Probleme ungefiltert in dich hineinzuziehen versuchst, um dem Konflikt auf der inneren Ebene zu begegnen. Die Auseinandersetzung findet dann innerhalb deines eigenen Körpers statt, indem du die eingedrungenen Dämonen besiegen und wieder ausscheiden mußt.
Lösung
Deshalb steht diese Hölle auch für Wut und Übermut, die als verdrängte Angst wiederum ein Teil der Aggressionen sind. Dieser Teil ist es, der immer wieder nachwächst, weil es ja der unerlöste Teil in dir selbst ist, den du nicht besiegen, sondern nur akzeptieren und dadurch zurücknehmen kannst. Zwar symbolisiert er einerseits den Widerstand der Umwelt, den es zu vernichten gilt, andererseits ist er aber auch der Spiegel deiner inneren verdrängten Kraft, die dir so von außen ständig Angst einjagt, solange du nicht erkennst, daß die Voraussetzungen dazu in dir selbst liegen. Denn die Voraussetzung zur Verarbeitung eines solchen Konfliktes ist oftmals die Erkenntnis, daß die Schwierigkeiten in den verfehlten Zielansprüchen selbst liegen.
Der Fleischwolf
Los, auf die Knie!» Neben der Tür stand ein Mann mit einem Widderkopf und schlug mit seinem Gummiknüppel wütend auf mich ein. Ich sank zu Boden; fiel in das Schreckensgewölbe der Seele. Ein Panoptikum von Angst und Aggressionen brach auf: Alte Erinnerungen wurden wie von einem Blitz jäh aus der Dunkelheit gerissen, setzten ihre Ladung in der Realität meines Erlebens ab und versanken wieder im Seelendunkel.
«Wo kommst du her?» Ich drehte den Kopf. Der Mann stand hinter mir. Seine Lippen waren dünn und hart, seine Stimme bebte vor unterdrückter Wut.
«Durch das Tor», sagte ich.
«Und was willst du hier?»
«Den Feuerwächter sehen!» entgegnete ich unerschrocken.
«Weißt du nicht», sagte er und riß sich die Widdermaske vom Gesicht, «wer ich bin?» Es war der Odem meines alten Widersachers, der mich umfing: «Ich bin der unerlöste Schatten deines aggressiven Selbst und werde dich vernichten, wenn du mir nicht zu Willen bist.» Das mußte die lächerliche Welt männlicher Ur-Aggressionen sein, schoß es mir durch den Kopf, in der der unbekümmerte Gott des Zwistes sich ohne Rücksicht auf Gefühle durchsetzt. Seine Stimme bebte vor unterdrückter Wut: «Los, auf die Knie, oder ich schlag dir den Schädel ein!»
«Ich bin nur aus Versehen hier …», stotterte ich unangenehm berührt.
«Dann hast du keine Ahnung, wer ich bin», sagte er, und ich spürte plötzlich, wie der Atem der Zwietracht seiner Brust entwich. «Ich bin das unerlöste Opfer deines aggressiven Selbst und wünsche mir geköpft, kastriert, zermalmt, zerteilt, zerschmettert, verflüssigt oder sonstwie erlöst zu werden, um mich in der totalen Hingabe an die äußere Gewalt spüren zu können und nicht immer nur die anderen in ihren eigenen Spiegelbildern zerstören zu müssen …»
«Verlang nicht so etwas von mir», stammelte ich verwirrt. «Ich bin nur ein isolierter Gedanke in deinem Hirn, der sich, aus deiner Zukunft betrachtet, in seiner eigenen Vergangenheit verfangen hat. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich dir deinen Wunsch sicher gern erfüllen, doch bis dahin betrachte mich bitte nur als erstes Anklopfen deiner inneren Sehnsucht nach einer möglichen Manifestation.»
«Tue’s jetzt», brüllte er und hielt mir den Knüppel hin, «oder ich schlag dir dein verflixtes Hirn zu Brei!»
«Ich kann es nicht», stöhnte ich erschöpft. Da wurde mir mit einem Male klar, was Akron meinte, als er sagte, daß sich die Seelen in der Widder-Hölle der Aggressionen ihrer Gedanken nicht bewußt wären. Sie fielen mir spontan zu, ohne daß ich mir darüber Gedanken zu machen brauchte. Ich sank zu Boden. Dann merkte ich, wie er mich an den Haaren nach hinten zog, mir die Arme auf den Rücken drehte und wie wild auf mich einschlug. Ich fühlte mich von brutalen Armen durch die Menge geschoben, die Leiter zu einem hölzernen Podest hinaufgestoßen und unter eine Guillotine gezerrt. Die Glut der Flammen ergoß sich dunkelrot über den blutroten Korridor meiner Seele, und eine erstickende Ausdünstung trug noch dazu bei, die Ausbrüche meiner Seele zu vermehren. Ich hörte das schneidende Geräusch des Fallbeils, spürte einen stechenden Schmerz … Doch es war keine Guillotine, denn ich fühlte mich an den Beinen wie ein Schlachtvieh zu einem in den Boden eingelassenen Trichter geschleift und anschließend in den Mörser gestoßen, in dem rotierende Messer die hineingeworfenen Leiber zerstückelten und die zuckenden Glieder scheibchenweise wieder aus sich herausspuckten. Es war wie ein Konglomerat von Schmerz und Lust und von solch bohrender Tiefe, daß mir das Blut in den Adern stockte und ich nicht mehr wußte, ob ich meine Augen offen oder geschlossen hielt. Während ich so durch die Mangel gedreht wurde, wurde mir auf einmal bewußt, daß ich nicht mehr in meinem Körper war, der sich durch den Raum bewegte, sondern daß ich in den verschiedenen kleinen Scheibchen war, die aus dem Fleischwolf fielen. Sie entsprachen den multidimensionalen Perspektiven des Ich, von dem aus ich mich verlierend durch Selbstbetrachtung wieder zurückgewinnen konnte, denn durch die verschiedenen Teile der Aufsplitterung konnte ich mich in allen anderen Teilen betrachten und wurde mir so meiner tausend Gesichter bewußt. Dann begannen sich die verschiedenen Teilchen untereinander unabhängig vom Ganzen zu immer neuen Mustern zu vernetzen, sich dabei in Denkvorstellungen ergießend, die ständig neue Perspektiven aus sich hervorzauberten. Gleichzeitig empfand ich ein Gefühl von Wachstum, und plötzlich baute sich aus den multidimensionalen Sichtweisen vor meinem inneren Auge das Bild eines mächtigen Widdergottes auf, der eine Widdermaske mit Widderhörnern trug, auf dem toten Leib eines Opferwidders tanzte und mir mit wütendem Blick den Vorwurf ins Gesicht schmetterte: «Wolltest du mich nicht erlösen?»
«Nein, nicht dich …»
«Wen denn dann?»
«Den unerlösten Schatten deines aggressiven Selbst!» gab ich zurück. Er wirkte auf mich sehr anziehend. Sein Tanz war erfüllt von trotzigem Widerstand und brachte die Schönheit der männlichen Aggression zur Entfaltung, ohne die sich im Bereich der Schöpfung kaum etwas bewegen würde. Über ihm sah ich den Trichter, der von unten aussah wie ein Ventilator, der meine zuckenden Glieder scheibchenweise ausspuckte, und mir wurde klar, daß ich nicht nur ich und er, sondern daß ich alles war, was ich erlebte, als ich aus den Fluten der Seele plötzlich den winzigen Schädel eines Kindes auftauchen sah. Aber als ich richtig hinschaute, erkannte ich, daß es der tanzende Widder-Gott war, angetan mit einem Gurt aus Menschenköpfen, der mir seinen mit Blut gefüllten Kelch entgegenhielt, in dem das abgeschlagene Köpfchen des Kindes schwamm. Mit seinen traurigen Augen sah es rührend aus, während es mit dünner Stimme zu mir sprach: «Geh zurück durchs Tor, solange du kannst, denn es sind immer dieselben aus Kain gezeugten Bedürfnisse nach Krieg und Streit, und sie nur anzuschauen wäre schon ein alter Anfang eines immer wieder neu entstehenden Verderbens: das einer perversen und sich selbst zerstörenden Welt …»
Bleib da!» hörte ich plötzlich Akrons Stimme hinter mir, als ich schon durch die Tür zurückgehen wollte, durch die ich eben hereingekommen war, um dieser Hölle zu entkommen: «Du würdest nur erschrecken, wenn du sähest, wer da draußen vor der Türe auf dich wartet!» Und er fügte in etwas milderem Tonfall hinzu, als er sah, daß ich am Rande einer Ohnmacht stand: «Du fühlst dich im Moment noch etwas schwach, weil deine persönliche Energie am Ansturm dieser aggressiven Urenergie zusammengebrochen ist. So etwas genügt, um jeden zu lähmen. Aber du brauchst keine Angst zu haben, ich bin ja bei dir.»
«Und wer war das Kind im Unbewußten, das mich vor den Aggressionen dieser Hölle warnte?» fragte ich, als mich ein nervöses Flimmern in der Magengrube überfiel: «War es eine innere Person von mir?»
«Der gehörnte Widder zeigte den dramaturgischen Höhepunkt in dieser kritischen Situation», entgegnete Akron und fummelte in seiner Manteltasche, «er ist die Verkörperung deiner destruktiven Energie, und beinahe hätte er dich verschlungen, denn du warst im Begriff, dich hineinziehen zu lassen. Das Kind selbst ist ein Fragment deiner Seele, eine überwundene Materialisation deiner inneren Angst, und deshalb hat deine Seele im Augenblick der höchsten Not dein Persönlichkeitsbild einen Moment lang auf das Kind projiziert, das du dir selbst geschaffen hast, und aus dieser Position dein anderes Ich am Rande des Trichters gewarnt. Diese Warnung hat dein höheres Selbst auch sofort akzeptiert, denn mit einer blitzschnellen Verdichtung von Raum und Zeit hast du dich in einem einzigen Satz bis an den Eingang der Hölle zurückkatapultiert.»
«Und was wäre passiert, wenn ich die Türe geöffnet hätte?» Ich ließ nicht los.
«Du hättest sie nicht öffnen können», sagte er ganz langsam und zog schalkhaft einen Plastikschnuller aus seiner Tasche hervor, «denn du bist die Tür! Ich bin der Schlüssel, der dich öffnet, und das Schlüsselloch ist die Pforte, durch die der Leser in verborgene Welten hineingelangen kann.» Darauf lachte er schallend und sagte: «Ich bin der Teil deines Wesens, der deine Fragen denkt, die Antworten bündelt und dir hilft, beides in ein Buch einzubringen. Es geht hier darum, die Seelen der Leser deiner inneren Sehnsucht hinterherzuschicken, denn sie warten draußen vor der Tür. Sei also vorsichtig, was du denkst!»
«Wer ist der Leser?» Aus dem Gefühl wachsender Verantwortung spürte ich in mir eine tiefe Beklemmung aufsteigen.
«Der Leser ist das Ziel, auf das du dich beim Schreiben dieses Buches ausrichtest. Dieses künftige Buch ist ein Vakuum, ein Loch oder ein Korridor, an dessen Ende eine Tür ist, durch die der Leser hindurchgezogen wird. Wenn du durch diese Tür zurückgehen möchtest, dann begegnest du dem Leser, der sich in deinen Gedanken sucht. Du würdest ihn um die Geschichte bringen, weil du ihm in seiner möglichen Zukunft sozusagen davonliefest in eine Vergangenheit, in der wir uns fragen, ob es sich lohnt, ihn in die Geschichte überhaupt mitnehmen zu wollen.»
Das alles war völlig unverständlich für mich. Akron erwiderte aber, daß ich eine tiefere Erklärung sowieso nicht verstehen könne, weil es mir an Verstandesenergien fehle. Ich müsse mich eben damit trösten, mein Unverstehen zu akzeptieren: «Los, knie dich hin und öffne den Mund!» Er hielt den Gummisauger in der Hand.
«Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr», maulte ich. Gehorsam kniete ich mich hin und öffnete den Mund. Mit einem durchdringenden Blick schaute er durchs Schlüsselloch und steckte mir den Schnuller in den Schlund: «Dann liegst du richtig. Wenn du das akzeptieren kannst, können wir weitergehen», sagte er.
Mond in Widder
Hölle
Die Hölle der infantilen Triebnatur
Sünder
Scheinanpasser mit unterschwelligen Aggressionen, die zu Vorwürfen, Schuldzuweisungen und starken emotionalen Ausbrüchen neigen; unkontrollierte Affekt- und Triebtäter sowie sich ständig von außen angegriffen fühlende Personen, die die Verantwortung für ihre Triebnatur nicht übernehmen wollen und ihr Aggressionspotential dadurch stellvertretend gegen sich ausleben
Disposition
Der Schattenbereich von Mond im Widder und Mond im 1. Haus sowie disharmonische Mond/Mars-Aspekte
Schuld
Unterdrückte Aggressionen und große Spannungen zwischen Gefühlsebene und Triebnatur (verletzte Gefühle führen zu vulkanartigen Ausbrüchen der Leidenschaft); Unsicherheit, nervöse Unruhe, überagierende Aktivität aus Bedrohungserwartung und übertriebene Aggressionen gepaart mit Angst; Integrationsschwierigkeiten der aggressiven (sexuellen) Perspektive, Gefühlskälte und -abwehr aus verletztem Stolz: unbewußte Ängste, die tief im Innern sitzen und sich anschicken, im Alltag aufzutauchen
Strafe
Im Bereich dieser Hölle bleiben die aktiven, zur Entwicklung und Durchsetzung benötigten Aggressionskräfte oft in den Kanälen unbewußter Ängste hängen, was sich in einer Neigung zu Verfolgungswahn ausdrückt: Du fühlst dich sofort bedroht, ohne zu merken, daß es meist deine eigene verdrängte Wut ist, die von der Umwelt nur reflektiert wird und die sich manchmal als unkontrollierte Affekt- und Triebhandlung manifestiert. Immer tiefer verstrickst du dich in deinen aggressiven Wahnbildern. Eine häufige Variante dieser höllischen Prägung ist das seelische Empfinden, dem inneren Animus bzw. der Anima geopfert zu werden oder vom Muttermund als Symbol des Höllenloches wieder verschlungen zu werden: Die Angst will raus! Fötale oder embryonale Erinnerungen tauchen auf, Abläufe auf der Ebene des Zellbewußtseins werden reaktiviert. Die Beschäftigung mit den eigenen Dämonen wird hier zum Ventil für unterdrückte Aggressionen, denn ihnen zu unterliegen verspricht gleichzeitig Lustgewinn. Das führt (im Ausleben der Verhinderung) dann zu einer sich selbst aus der Frustration befreienden Tat, die ihren angestauten inneren Gefühlen schließlich mit Selbstzerstörungsinszenarien gewaltsam Luft verschafft.
Lösung
Dieser Zustand drückt sich in dieser Sphäre meist als etwas aus, das die Seele zugleich ängstigt und fasziniert. Du hast Angst, weil du die verdrängte Aggression im finstersten Winkel als etwas fühlst, vor dem du dich fürchtest, und spürst Faszination, weil der dunkle Trieb dich gleichzeitig durch deine Neugierde gefangen hält. Damit wäre der Lustverhinderer umzingelt. Du müßtest ihn nur noch überwinden, damit er sich nicht in den Tiefenschichten deiner sexuellen Vorstellungen verheddert und dich den Perversionen deiner verdrängten Aggressionen ausliefert, entspricht er doch einem Stück deiner innersten Wahrheit, die nur über die Rücknahme der Projektion zu dir zurückfinden kann.
Medea – die Stiefelherrin
Kind! Hab keine Angst! Du wirst deine Realität unverändert wiederfinden», hörte ich eine vertraute Stimme, die mein Herz zum Stottern brachte, «sobald du in deiner Alltagswelt wieder erwachst. Hast du mir die verdrängten Bilder aus deiner Kindheit zurückgebracht?»
Während ich am Schreibtisch eingeschlafen war, hörte ich ein klirrendes Geräusch. Scherben splitterten, und als ich in meinem Sessel auffuhr, sah ich links von mir einen illuminierten runden Gegenstand unter der Fensterbank flimmern. Ich ging zum Fenster und hob ihn auf: «Sieh da, ein Bote», stellte ich überrascht fest, denn er leuchtete in einem schwachen, fluoreszierenden Schein. Als ich mich weiter fragte, ob er wohl die Botschaft in sich barg, auf die ich angesprochen worden war, sah ich plötzlich Akrons Gesicht durch das Licht hindurchschimmern: «Erschrick nicht, ich bin’s nur, der dich gerufen hat», sagte er, indem er mich schelmisch anlächelte, «auch wenn der Ruf aus der Unterwelt offenbar zu stark für dein Raum-Zeit-Kontinuum war und dir die Fensterscheibe auf der Bewußtseinsebene zertrümmert hat. Denn der höhere Geist, der sich gegen das duale Bewußtsein richtet, richtet sich gegen die Strukturen des überlieferten Denkens selbst und gewinnt sich, indem er sich verliert, im Verlust seiner realistischen Bilder und Vorstellungen.»
Ich war mir nicht sicher, ob ich wachte oder träumte, deshalb drehte ich mich um, um festzustellen, woher die Stimme kam. Aber da war niemand. Nur ein schwaches Glimmen. Eine Sekunde lang schien ich über die Schwelle meines Empfindens hinausgelangt zu sein und mit meinem Spiegelbild auf den Gewässern meiner inneren Gesichter zu verschmelzen. Gleichzeitig spürte ich aber auch, wie ich die Kontrolle über meine inneren Bilder verlor, und einen Augenblick war’s mir, als wäre ich ein Stein, der durch den schwerelosen Raum segelte, bis er, von der Schwerkraft wieder angezogen, irgendwo auf der Bewußtseinsoberfläche aufklatschte und in der Tiefe des Unbewußten versank. Als ich aus meiner Ohnmacht erwachte, sahen meine Augen auf eine Urinlache zwischen meinen Beinen, und ich mußte heftig weinen.
«Kind!» hörte ich die vertraute Stimme wieder, die mein Herz fast zum Stehen brachte: «Wo ist die Hose, die du mir bringen solltest?» Bei der Forderung nach dem, was die Stimme mit dem Wort «Hose» umschrieb, zuckte ich heftig zusammen und bemerkte, daß ich in Gedanken den Stein in meinen Händen offenbar noch immer festhielt. Für mich war er kein besonderes Objekt, das Leuchten war weg und was blieb, war nur ein abgeschliffener Flußkiesel, wie man ihn oft an Flüssen und Seen findet, mit interessanten, aber nicht außergewöhnlichen Einschlüssen. Ich strich mit meinen Fingern über seine glatte Oberfläche und bemerkte, daß plötzlich Zimmer und Umgebung verschwunden waren. Nur Akron war da. Und ein weites, glitzerndes Gewässer, auf dessen Oberfläche sich der Mond spiegelte.
Er befahl mir, mich hinzusetzen, die Augen zu schließen und mich ausschließlich auf den Stein zu konzentrieren: «Versuche dir seine Gestalt zu visualisieren, ohne ihn anzusehen», flüsterte er mir ins Ohr, «denn er ist der Bote, der dich in eine andere Wahrnehmung trägt. Die nächste Hölle hat keinen sichtbaren Raum, den wir durchqueren können. Sie manifestiert sich auf einer Ebene, die man die Angst der Seele vor ihren eigenen Gefühlen nennen könnte, und man erreicht sie nur durch die schockartigen Erinnerungen verdrängter Erlebnisse.»
Leicht und völlig mühelos gelang es mir, das Bild des Steines, den ich in meinen Händen hielt, zu imaginieren. Dazu hörte ich Akron sagen: «Ein ins Wasser geworfener Stein verursacht Wellen – doch der Flug setzt den Augenblick des Werfens eines Werfenden voraus und beginnt beim Loslassen des Steins. Karmisch relevant sind beide Aspekte: die Vergangenheit der zukünftigen Absicht des Werfenden ebenso wie die Zukunft der Wellen, die der Stein auslöst. Sie überlagern sich im Moment des Aufschlagens des Steins auf der Wasseroberfläche. Du mußt jetzt einfach versuchen, in die Vergangenheit deiner beabsichtigten Handlung einzudringen. Damit kannst du dich genau an den Schnittpunkt tragen lassen, wo der Stein aufschlägt, denn genau an der Stelle, wo der Stein die Bewußtseinsschwelle berührt, ist der nächste Raum zentriert. Es ist die urinale Hölle aus deiner Kinderzeit, die sich hier mit deinen Gedanken überschneidet, denn sie wurde in deiner Erinnerung fixiert. Willst du’s erleben? Dann wirf den Stein!»
«Was macht der Kerl im Kinderbett?» hörte ich eine längst vergessene Stimme in mir kreischen, als ich den Stein in die Luft warf und dabei selbst einen Augenblick über den Wassern meines Unbewußten dahinsegelte: «Warum ist er zurückgekehrt?» Dann spürte ich, wie ich die Kontrolle über den Flug allmählich verlor und in die Tiefe sackte, weil meine Gedanken immer weniger Auftrieb hatten, bis ich irgendwo auf dem Wasser aufklatschte. Verwesungsdunst breitete sich im Zimmer aus, und in meinem Hirn öffnete sich eine Fiebertür. Ich kam zum Pissoir am Ende der Kindheit. In der unschuldig weißen Schüssel brodelte und schwoll die Brühe wie in einem Taufbecken an. In der Algenflora dieser Nacht lag ich nackt da. Mein embryonalisierter Leib dümpelte in einer Wolke aus Fäkalien. Gleichzeitig hörte ich Mutters Schritte, die sich langsam entfernten, nur um von der anderen Seite mit wütender Stimme desto eindrücklicher in meine Kindheitserinnerungen einzudringen: «Wißt ihr was, Leute, er hat sich ins Kinderzimmer gelegt und ins Bett gepißt. Ist das nicht unverschämt?»
«Hab keine Angst», sagte Akron und legte mir seine Hand auf den Arm, dabei spürte ich seine wohltuende Nähe, «dies ist der Ort verdrängter frühkindlicher Aggressionen, und er führt die Sünder in die Abgründe ihrer unbewältigten Gefühlsmuster zurück. In dem Augenblick, in dem der Stein die Bewußtseinsoberfläche durchschlägt, erwachen die unbewußten Ängste und verbinden sich mit dem Verstand, und du erlebst die Hölle all jener, die von den Flammenzungen ihrer ungelösten Kindheitstraumen ständig aufs schmerzlichste durchdrungen werden. Los, versuch dich zu entspannen, damit du deinen eigenen Aggressionen nicht schutzlos ausgeliefert bist!»
Ich lehnte mich langsam nach hinten, das Wasser floß in dünnen Wellen über meine Bauchhaut und umspülte allmählich meinen Körper. Vor meinen Augen begannen die Bilder zu flimmern, während im selben Augenblick ein großes Loch vor mir aufging. Dann geschah etwas Unerwartetes. Das Loch dehnte sich in meiner Vorstellung plötzlich zu den weiblichen Umrissen einer saugenden Vulva aus, und aus den Wassern meiner Erinnerungen tauchte langsam die übermächtige Erscheinung einer höllischen Verführerin auf. Sie trug hochhackige, rote Stiefel und verzierte, breite Lederbänder um Oberschenkel und Arme. Dazu hatte sie einen roten Catsuit an, der in den Falten ihres üppigen Körpers die Geheimnisse eher freigab als verbarg. Ein breiter schwarzer Gürtel schmiegte sich eng um ihre Taille, und darunter schimmerte ihr Schlitz durch den dünnen Stoff. Zwischen den straffen Wülsten schienen die Reste ihrer Wollust verborgen, denn mit einer Mischung von Aggressivität und Hingabe funkelte sie mich an: «Kind!» hörte ich ihre vertraute Stimme, «hast du mir die verpißte Hose zurückgebracht?»
Bei ihren Worten zuckte ich zusammen und merkte, daß mir der silberne Mondschleim auf die Hände fiel. Er begann in meinen Handflächen zu glimmen und schimmerte in einem kalten, fluoreszierenden Glanz. «Sei vorsichtig», hörte ich Akrons Stimme durch meine Libido dringen, und gleichzeitig leuchtete sein Gesicht geheimnisvoll im flimmernden Lichtkranz auf, «die Vergangenheit deiner zukünftigen Absicht verlangt nach einem dominanten Mutterbild, und hier wird die kinderfressende Medea aus den tiefsten Schichten der kollektiven Seele nach außen projiziert, denn Mond im Widder löst bei Adams Söhnen jene geilen Horrorbilder aus, von der Mutter entweder lustvoll verschlungen oder zumindest in irgendeiner ähnlichen Form gepiesackt zu werden.»
Dann verschob sich meine Perspektive, und einen Augenblick später sah ich wieder die rote Teufelin im Mittelpunkt stehen. «Hinknien», hatte sie rauh befohlen und mich dabei unbeirrt mit ihren Katzenaugen angesehen: «Welche seelische Hypothek möchtest du abtragen, unter deren Last du stöhnst?» Schon spürte ich jene magische Kraft der Liebe, die die Liebenden lähmt, denn mein ganzer Körper verwandelte sich in einen orgiastischen Eingeweide-Dschungel, der von der Lust am Schmerz noch mehr erhitzt wurde, während mir ihre erläuternden Wort in den Ohren klingelten: «Ich wurde schon als kleines Mädchen vom Vater im Stich gelassen und von Männern verführt. Hilflos mußte ich ihr Gestöhne über mich ergehen lassen, denn ich war schwach und konnte mich nicht wehren. Seit jener Zeit war ihre Bestrafung für mich beschlossene Sache. Seither brauche ich ihre Demütigung. Seitdem verlangt es mich nach der einzigen Lust, die mich noch befriedigen kann. Die Lust, sie zu quälen. Dafür opfere ich der Hölle meine Seele!»
Ihre Augen glühten. Ohne ihren Blick von mir wegzunehmen zog sie eine neunschwänzige Katze unter dem Gürtel hervor: «Diese negative Fixierung wirkte sich in meinem weiteren Leben dann in dem Sinne aus, daß ich nur Männer akzeptierte, die ich aus meiner negativen Prägung als Strafe gegen den Vater demütigen konnte, was auf eine unbefriedigende Weise auch gelang. Als Strafe bin ich nun dazu verdammt, solange in dieser Hölle zu verharren, bis ein Mann aus freien Stücken zu mir findet, dessen Lust sich darin erschöpft, sich mir mit Haut und Haaren hinzugeben.»
Schmerzerfüllt schaute sie mich an, und als ich erwachte, erkannte ich, daß es das Gesicht des Vollmonds war, mit dem ich sprach, und der sich auf der Oberfläche des Unbewußten spiegelte, das ich in meinen Träumen überflog. Gleichzeitig spürte ich den Kuß der Lederzunge, die sich um meine Lenden wand, als sollte meinem Körper die Lust an der Unterwerfung eingeprägt werden. Unter der peinigenden Glutspur der Schlange kroch ich in die klammernde Umarmung begehrender Hingabe zurück. Dabei dirigierte sie meine Seele mit den hämmernden Worten zu den glitzernden Tempel wonnevoller Liebeserfüllung: «Nimmst du das Opfer an?»
«Jaaa! Jaaah!» schrie ich stöhnend und küßte ihre Stiefel. Ich spürte die Lust, die meinen Körper peitschte, Lust, unter der die Haut aufschrie, wenn ihre Welle meine Hüften umspannte und sich tief in die Seele fraß, denn nur auf diese Weise konnte ich mich spüren. Ich wand mich genußvoll unter ihren kraftvollen, gleichmäßigen Schlägen und spürte, wie meine Geilheit wuchs. Während sie meinen Rücken peitschte, bis mir das Wasser in die Augen schoß, kamen mir die Bilder meiner Kindheit wieder in den Sinn, wo ich von Mutter jedesmal verhauen wurde, wenn ich ins Bett pißte. Jede Strieme ließ mich erneut den Schmerz fühlen, den ich verspürt hatte, wenn sie mich strafte. Sie ließ mich niederknien und jeden der empfangenen Hiebe laut mitzählen. Ich wand mich, rieb mich an ihr und schnappte selbst immer keuchender nach Atem, denn nur in der totalen Aufgabe spürte ich ihre Lust in mir. «Warum willst du leiden? Warum suchst du Strafe?» züngelte sie: «Warum wünschst du immer mehr von jener Situation, die gleichzeitig auch deine Frustration aufbaut? Sprich’s aus!»
«Weil ich das Weibliche in mir bekämpft, vergewaltigt oder auf andere Weise unterdrückt habe», schoß die Lösung plötzlich wie ein mächtiger Urinstrahl aus mir heraus, schlagartig fühlte ich meinen Körper wieder, und im selben Augenblick zischte die Stimme meiner Mutter wie eine Klapperschlange aus den dunklen Kammern meiner Kindheit: «Du hast schon wieder ins Bett gepinkelt», baute sie sich drohend vor mir auf, «gleich kommt die Strafe. Zieh dich aus!»
Entsetzliche Qualen. Panik stieg in mir auf. Mit saugendem Blick stand sie vor mir. Ich faßte sie am Handgelenk und schüttelte sie. Sie wuchs und erfüllte das Gemach, und plötzlich stand ich unter Schock. Ich spürte, wie ich die Kontrolle über den Flug verlor und in die Tiefe sackte, bis ich irgendwo auf dem Wasser aufklatschte. Dann spürte ich einen elektrischen Schlag, aber ich hätte nicht sagen können, daß diese Stromstöße der Ableitung meiner angestauten Gefühle entsprachen, denn ich hatte noch nie im Leben die Strahlen energetisierten Wassers gespürt. «Wasch dich!» hallte das Echo ihrer Stimme in meinen Ohren nach: «Deine Pisse stinkt!»
Tu, was sie befiehlt, sonst ist es aus», hörte ich Akrons Stimme wie aus weiter Ferne sagen, «und versuch dich an das Erlebnis zu erinnern. Sonst bleibst du in den Gewässern deiner kindlichen Gefühle kleben …» Ich spürte den Schlag, heftige Wärmestöße durchströmten meinen Körper, und in der Erinnerung rannte ich zu den vergessenen Quellen meiner Kindheit zurück. Dort sah ich einen schmutzigen Jungen in einer vollgepinkelten Unterhose stehen, der mit dem großen Zeh das Gesicht des Mondes berührte, das sich auf der Wasseroberfläche reflektierte. Einen Moment hatte ich das Gefühl, als ob er schmerzhaft zusammenzuckte, als er mit der aufgeladenen Libido des Wassers in Berührung kam. Dann sprang er in die mondweiße Flut.