Kitabı oku: «Der blaue Kavalier», sayfa 6
»Er wird, und — schlimmer als in jener Zeit! Habe offene Augen für alles und folge meinem Rate. Er wird Dich nicht bloß zum höchsten Glücke führen, sondern Du wirst auch das edelste Werkzeug Gottes sein.«
»Was aber soll ich tun?«
»Tritt Du beim Vater ganz in meine Stelle. Lass Doderidge fortan Deinen Platz einnehmen und schließe ihn fest an Dich, als wäre er ein Stück von mir. Er ist es wert. Sieh jetzt doch nur diese seine verachtete Sekte an, wie hoch sie das Haupt erhebt, wie reißend sie wächst, je wilder man sie auch bedrängt? Liegt in des sanften Josuah Augen selbst nicht nun ein Etwas von starkem Bewusstsein des nahen Sieges seiner Sache? Es kann kommen, Edward, dass er es sogar ist, der Dich und unser Vaterhaus einst deckt und schützt mit seinem Ansehen, wenn alles, was dem Thron ergeben im Lande war, so gehetzt wird, wie man die Puritaner bisher hetzte. Die Vorsehung liebt gar oft, die Verhältnisse umzukehren, um den eitlen Menschen zu zeigen, dass sie doch alle vor ihr gleich sind. Wenn Du dann Jeanys Gatte bist, fest stehst, wo andere fallen, wirst Du dann nicht der Retter so manches werden können, vor Dem Du Dich nun bückst, und dessen Leib Du mit verschwenderischem Flitter sonst überludest? Wie klein, wie närrisch, wie verachtet wird dann Dein Bruder, der gute ›blaue Kavalier‹, erscheinen, indes Dein großes Herz, Deinen wohltätigen Einfluss viele segnen werden, die dem Verderben schon fast verfallen waren.«
Edward sprang auf und ging hastig umher, seine Lippen zitterten, sein Auge leuchtete.
»Ich — ich fasse jetzt, was Du meinst! Sprich, glaubt das Welby auch von mir?«
»Wärst Du sonst je über seine Schwelle gekommen, wenn er nicht wusste, was Du — arbeiten sollst?«
»Bei der ewigen Liebe, ich werde tun, was Ihr von mir hofft! Ich schwör’s Dir bei jener unvergesslichen Stunde, die mich also verwandelte! Aber wie soll meines Vaters Widerwillen gegen das Puritanertum weichen, wann der stolze Alderman, der reiche — Hofschneider je dahin kommen, Jeanys Hand in die meine zu legen?!«
»Wann? — Wenn es — keine Hofschneider mehr geben wird, sobald er alles wanken und brechen sieht! Unser Vater ist ein Ehrenmann, aber er hat seine Schwächen wie ein Mensch, der nie über seinen Beruf hinauskam. Sein Haus ist ihm die Welt, sein Ansehen unter den Leuten der einzige Erholungsgedanke nach rastloser Geschäftigkeit. Er beugt sich allen Verhältnissen wie ein Rohr, nur damit er nie entwurzelt werde. So wird er von selber dazu kommen, Dir Jeany anzutragen.«
»Aber sie, sie! Wird sie je mein Weib sein wollen? Wird sie mich — lieben können?«
»Dies einzige Rätsel, was ungelöst vor uns liegt, — ehe ich gehe, werd’ ich’s lösen, verlass’ Dich darauf!«
»Du wolltest ihr sagen, dass —«
Edward umarmte glühenden Gesichts den Bruder.
»Was Du wert bist! Wir sehen uns gegenseitig auf unserer Seelen Grund wie in ein kristallenes Wasser das unser Abbild zurückstrahlt! So wollen wir’s stets halten im Leben.« — — —— — — —
Was es auch immer mit dem seltsamen Treiben in Welbys Hause für Bewandtnis haben mochte, wie weit die Verzweigungen jener Männerschar auch reichten, die sich dort einte, wie hoch oder niedrig man schließlich ihre Weisheit in vergangenen und künftigen Dingen auch anschlagen möchte, soviel stand sicher fest, dass die Gärung beider einander widerstreitender Parteien im Lande zu groß und die ganze Nation durchdringend war, als dass nicht schon damals einsichtige Männer voraussehen mussten, dass der Streit nur noch mit blanker Waffe entschieden werden könne. Wer in demselben schließlich Sieger blieb, lag freilich allen irdischen Berechnungen fern, dass des Königs Macht seinem zürnenden Volke gegenüber aber eine höchst beschränkte war, dass seine und seiner Ratgeber törichte Gewaltmaßregeln immer größere Scharen seiner Getreuen in die Reihen der Gegner führten, dennoch aber nicht imstande waren, ihm die Mittel zu schaffen, sich vom Parlament dauernd unabhängig zu machen, dass Englands Volk schließlich, seit Alters zu stolz und eifersüchtig auf seine Rechte und Gesetze, deren Kränkung noch lange und in der ausgesuchten Art ertragen könne, mit welcher Jakob I. und Carl alles Herkömmliche vor den Kopf stießen, das waren Tatsachen, die es schon jetzt mehr als glaublich machten, dass der verblendete Herrscher endlich doch den Kürzeren ziehen müsse, wenn ihm das Ausland nicht etwa Beistand leiste. Dies anzunehmen war indes ziemlich widersinnig. Spanien und Frankreich waren Englands erklärte Feinde, Letzteres hatte überdem genug mit den Hugenotten und dem eigenen, empörten Feudaladel tun. Deutschland war ohnmächtig, die nordischen Königreiche teils zu schwach, teils ebenso wenig wie Holland geneigt, einem Könige gegen sein Volk beizuspringen, der eine katholische Frau hatte, welche ihn regierte, und der auf den Protestantismus seines Landes bereits die bedenklichsten Angriffe gemacht hatte. Die Misslichkeit von Carls Stellung war keinem Menschen im Lande mehr verborgen; außer ihm allein und dem engen Kreise derer, die ihn auf diese abschüssige Bahn leiteten.
Im Februar 1631, wo die Hilfstruppen für Deutschland vollzählig geworden, ihre Ausrüstung beendet war, und sie sich in Londons Nähe nunmehr zum Abmarsch sammelten, befanden sich mehrere Herren, vom höchsten Adel in Whitehall um die Person des Monarchen vereint. Nicht in jenem düsteren, gotischen Südbau mit seinen verworrenen Gängen und engen Zimmern und in der melancholischen, alten Halle residierte Carl, sondern in den weiten und lichten Sälen des Banketthauses, welches Inigo Jones geschaffen, dessen Plafond ein Rubens, dessen Wände Van Dyks Meisterhand verschwenderisch geschmückt hatte. Das Vorzimmer des königlichen Gemachs hütete endlich nicht mehr Jakobs alter Türsteher Trehearne mit seiner steifernsten Würde. Er war mit seinen Ersparnissen hinüber nach Holland gegangen, seine Dienste und altenglische Treue der Kurfürstin Elisabeth darzubringen. Die goldene Amtskolbe trägt nun der Riese Evans, Jeffrey Hudson und der bucklige Archias, die beiden Hofzwerge und Possenreißer, aber treiben mit ihm ihre lustigen Neckereien.
Wie damals harrte Sir William, der Hofschneider, mit seinem ältesten Sohne, dem blauen Kavalier, wiederum der Audienz, zu der man beide plötzlich befohlen, und der Ritter trägt das blaue Atlaswams, was lange Jahre in der Truhe gelegen. Seit Rochesters Fall war zwar der Alte oft genug, aber der Ritter nicht mehr in Whitehall erschienen. Diese Säle mit ihrem marmornen Säulenwerk waren William deshalb fremd, und er sollte das erste Mal wieder vor Carl treten seit dem Augenblicke, wo dessen gebietendes »Halt« drüben in der Halle des Seitenflügels seinen Strauß mit Rochester beendet hatte. All den Glanz rings hätte William gar gern für jenen düsteren Raum und das Bild der einzigen hingegeben, das damals auf ihn niedersah. Was sollte er hier? Was mochte die Majestät Englands von ihm wollen? Um Carl I. befanden sich Erzbischof Laud, Le Roy, der Kronanwalt, Sir Thomas Wentworth, sonst Redner der Opposition im Parlament, nunmehr Graf Straffort und des Monarchen Stütze, endlich Marquis von Hamilton und der Ritter Scott.
Unter seinen Räten und Ministern, die in den leuchtendsten Gewändern prunkten, saß König Carl wie der Geist der Melancholie. Er trug ein schwarzes Sammetkleid ohne Stickerei und Schmuck, nur der Stern des Hosenbandes glänzte an breiter Kette auf seiner Brust. Hatte er doch seit Buckinghams Tode geschworen, nie mehr das Trauerkleid abzulegen, und sein schwermütiges, träumerisches Antlitz, die Fülle dunkelbraunen Haares und die lange Liebeslocke, welche von der Stirn in leichten Ringen die Schläfe herabrollte und auf der Halskrause spielte, vollendeten jenes Bild trauernder Hoheit, das Van Dyk uns verewigt hat. Der unbeugsame Stolz aber, sobald er sprach, dies kurze, versteckte Lächeln und das verächtliche Emporziehen der Oberlippe verrieten alle die unseligen Eigenschaften, denen er dies schwarze Kleid verdankte.
Straffort gab ihm mit tiefer Verbeugung eben ein Schreiben zurück, das derselbe gelesen hatte.
»Welche Bedenken Ritter Scott auch äußerte, ich finde, dass die Gründe des Esquire von Welby höchst treffend und politisch sind. Der Antrag ist nicht von der Hand zu weisen.«
»Eine Huldigung ist’s nur, die man diesem meuterischen, religionslosen Pöbelgeiste bringt, Graf!«
Laud warf den Kopf zurück.
»Wenn je der Tanz losgeht, und er wird losgehen, Bischof, dann wird man den Pöbelgeist aber brauchen, falls Ihr nicht mit Euren ehrwürdigen Amtsbrüdern gesonnen seid, die Lücken der königstreuen Streiter zu ergänzen!« sagte Hamilton spöttisch. »Die Craven haben großen Einfluss in der City, sie sind Sr. Majestät unbedingt ergeben. Einen von ihnen so auszeichnen, ist, wie Welby sehr richtig argumentiert, ein Weg, sehr viele Freunde in der Hauptstadt, eine Partei in der reichen City für sich zu gewinnen, ganz abgesehen von der großen Anerbietung, die der Esquire für Gewährung seines Wunsches macht.«
»Zehntausend Pfund sind eine schöne Sache«, lächelte Le Roy, »dafür ließen sich Scotts Standesbedenken und die Missstimmung der adeligen Ritter in den Kauf nehmen. Aber wenn der Esquire wirklich von so wunderbarem Reichtum ist, was opfert er nicht, ein kinderloser Mann, sein vieles Geld dem gemeinen Besten, da der Majestät damit möglicherweise für alle Zeiten geholfen wäre? Ist doch mancherlei in dem Leben dieses Mannes verdächtig genug und mit der Staatsordnung, dem Gesetze unvereinbar. Grund genug, ihm mit irgendeiner Gesetzesklausel zur Ader zu lassen, sobald –«
»Wenn Ihr diesen schönen Plan Eures Finanzhirns wirklich ins Werk setzen wollt«, dabei färbte sich Hamiltons Antlitz zornesrot, »so unternehmt Ihr eine ebenso gefährliche Sache, als rührtet Ihr glühend Eisen an, und würdet Sr. Majestät den schlimmsten Dienst Eures Lebens tun! Die erste Folge wäre, Herr, dass Hamilton auf die Ehre verzichten würde, Sr. Majestät Truppen nach Deutschland oder überhaupt wohin zu führen!!«
Der Herzog verbeugte sich.
»Nein, nein, Le Roy!« rief Carl, »wir werden nimmermehr dulden, dass Ihr die Finger an einen Mann von erprobter Treue und so allgemeinem Ansehen wie den Esquire Welby legt. Lasst ihn zufrieden. Mache er, was er immer wolle. Wir wissen, in seinem Herzen steht ein besser Gesetz, als Ihr ihm beibringen werdet. Wir vertrauen nicht nur Hamiltons Empfehlung, sondern legen auf die besonderen Wünsche des Herzogs Richmond für diesen jungen Mann noch ganz besonderes Gewicht!«
»Wo Richmond und Hamilton sich verbürgen schweigen weitere Bedenken«, erwiderte Straffort, »und Ihr möget ruhig sein, Sir Scott, Geist und Disziplin Eurer Gentlemen wird um einen Bürgersohn noch nicht Schiffbruch leiden. Ich denke, die Sache, für die sie kämpfen, hält ihre Treue genug wach. Bei der Bevölkerung wird’s aber ’nen guten Eindruck machen, wird die Volkstümlichkeit Sr. Majestät erhöhen, und das ist wohl in einer Zeit zu achten, wo unsere Pläne gegen die Widerspenstigen reifen sollen. Wir müssen durch, und werden’s! Jedes Mittel hierzu muss uns willkommen sein!«
»Ganz Unsere Meinung, Graf. Es soll so sein! Lasst Vater und Sohn kommen!«
»Eine Frage noch, Majestät«, warf Scott ein. »Kann William Craven wohl die Qualitäten haben, als ein Kriegsmann in den Reihen derer zu gelten, die seit Kindesbeinen mit Schwert und Ross Bescheid wissen?«
»Damit weiß er Bescheid!« rief Hamilton.
»Wenn er den adligen Geist nur hat, das Kriegswerk lässt sich lernen«, lächelte Carl. »Wir erinnern Uns seiner sehr wohl, seit Rochesters Fall trauen Wir ihm sehr Gutes zu.«
»Und was bestimmen Ew. Majestät wegen Zulässigkeit Sir Harry Vaughams und des Grafen Essex?«
»Schreibt beide in die Liste. Man ist Essex wegen seines häuslichen Unglücks durch Rochester eine Art Vergeltung schuldig, und wenn Vaughams Vater auch als ein Feind Unseres Vaters in der Verbannung starb, sein Sohn soll uns willkommen sein. Bringt beide Craven vor Uns!«
Hamilton öffnete die Tür des Vorsaales und winkte. Der Hofschneider und sein Sohn traten ein und blieben in tiefer Verbeugung stehen.
Des Königs Auge funkelte, als er Williams schlanke Gestalt in seinem zierlichen Wams sah. Fragend blickte er auf seine Umgebung und nickte.
»Sir William, Ihr seid doch jener Craven, den Unsers Vaters Majestät zum Ritter schlug und den blauen Kavalier nannte, weil Ihr Rochesters Verbrechen entdecktet?«
»Derselbe, Majestät«, erwiderte William. »Das Wams, das ich zum Gedächtnis daran trage, ist dasselbe, das für die selige Majestät damals gefertigt und von Lord Rochester zerfetzt wurde.«
»Wir erinnern Uns, und dass Euch Unser lieber, armer Buckingham ein sehr dankbares Gedächtnis bewahrte. Was, habt Ihr ihn nie an Euer Verdienst erinnert, warum Euch Uns nie wieder vorstellen lassen?«
»Weil ich glaubte, es zieme einem Untertan nur dann, sich seinem Könige bemerkbar zu machen, wenn seine Dienste ersprießlich sind. Ich habe nicht vergessen, Majestät, dass ich der Sohn eines Bürgers bin, den königliche Gnade wohl ritterlich machen, der aber dem Boden sich nicht entfremden kann, dem er entspross, ohne sich lächerlich zu machen.«
»Wohl gesprochen und bescheiden dazu. Uns dünkt aber, Ihr hättet zu Eurer eigenen Rittermäßigkeit allzu schlechtes Vertrauen?«
»Zu der meinen nicht, nur dazu, dass man sie anerkenne! Man kann ritterlich — fühlen und doch Sohn eines Schneiders sein.«
»Wenn Ihr so fühlt, sprecht aus, was Euch im Herzen zum Ritter macht, und wie Ihr es betätigen wollt, wenn man Euch ein ritterlich Werk zu tun gebe?«
William trat vor, sank auf das Knie und presste die Rechte auf seine Brust.
»Für seines Fürsten Ehre streiten, die Wahrheit ohne Scheu bekennen, die Unschuld schützen, den Falschen strafen und in der Liebe Gottes sterben! —«
»Ein edles und hohes Wort, Herr Ritter!« Carl reichte ihm die Hand. »Wir werden’s nicht vergessen und sind gewärtig, dass Ihr es haltet! In einer Zeit, wo rings die Treue wankt, Verrat und Ungehorsam gar so gewöhnlich sind, steigt hoher Sinn bei Uns im Preise und löscht die Niedrigkeit der Geburt aus. Steht auf. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass Ihr Mut habt und ein guter Sohn seid, auch sagt man, Ihr wäret im Waffenwerke geschickt. Dieser Eurer Gaben und Gesinnungen wegen, und um Euch zu unserem Streiter zu erziehen, befehlen Wir, dass Ihr Euch den adligen Reitern zugesellt, die unter dem Ritter Scott im Hilfscorps des Marquis von Hamilton bestimmt sind, in Deutschland für die protestantische Lehre und die gekränkten Rechte Unsers kurfürstlichen Schwagers Friedrich und Unserer königlichen Schwester zu streiten als ein echter blauer Kavalier, dessen Kleid des Himmels Farbe trägt, die Farbe der tiefen Treue, welche Euch im Herzen wohnt! Wir ernennen Euch, — seid Zeugen, Mylords, zum Lieutenant der ersten Schwadron Unsers berittenen Adels, damit Ihr allen voran an den Feind geht und beweist, wie Wir in Euch unser Bürgertum, unsere Hauptstadt und den treuen Sinn derer ehren und über allen Adel der Geburt stellen wollen, welche sich unserem Dienste mit solchen Gesinnungen wie Ihr geweiht haben!! Ihr, Sir William«, der König legte huldvoll seine Hand auf des erschrockenen Hofschneiders Achsel, »werdet gewiss als Unser alter Freund nichts dagegen einzuwenden haben. Das Glück ist mit dem Mutigen. Wenn Ihr aus Deutschland wiederkommt, mon chevalier d’azur« er reichte William die Hand zum Kuss und lächelte zweideutig, »werdet Ihr hier noch genug Ritterliches zu tun finden! Dort steht Sir Scott, Euer Obrist, er wird Euch weitere Befehle geben. Auf Wiedersehen zu Hounslow bei der Musterung!«
Mit huldreicher Handbewegung entließ er Vater und Sohn, welche Scott ins Vorzimmer begleitete, um William dort seine Instruktion in einem Tone zu geben, der deutlich verriet, dass er sich mit dieser übermäßigen Auszeichnung nicht sehr einverstanden fühle.
Die Stimmung des Hofschneiders, als er mit seinem Ältesten zurück zur City ging, war keine sehr rosenfarbene. Dass er sich von der Ehre seines Sohnes aufs Höchste geschmeichelt fühlte, und die Ehrfurcht vor dem Könige jede Einrede verbot, war zwar gewiss, aber mit dieser hohen Ehre brach auch das Gebäude seiner Pläne zusammen, das er zur Wohlfahrt seines Hauses so mühsam aufgerichtet hatte. Er liebte William viel zu sehr, um nicht mit Schreck und Schmerz daran zu denken, dass er seinen Liebling und Erstgebornen verlieren sollte.
»William, William, das ist ein harter Schlag für mich, den alle Ehre nicht heilen mag. Nicht mehr meines Alters Stütze, meine Freude wirst Du sein! Wirst nicht, wenn ich in die Grube fahre; mit Edward unser schönes Geschäft, unser Haus weiter in Flor bringen, sondern Deine gesunden Glieder in den wüsten Krieg wagen, auf fremde Erde! Ist Deine Träumerei denn doch wahr geworden?! — Nun, nun, ich will nicht fragen, ob Du etwa selber hinter dem allen steckst! Kann’s kaum annehmen. Aber dass dabei der Alte in der Grubstreet seine Hand hatte, drauf möcht ich tausend Ellen Sammet setzen! — Des Königs Wille ist freilich Gesetz, dass ich aber keine Freude mehr haben werde, weiß ich, all meine Hoffnung ist ja in Scherben gegangen!« —
»Sprecht doch so kleinmütig nicht, lieber Vater. Ihr seid stets ein kluger, einsichtiger Mann gewesen und werdet die Sache, sobald der erste Schreck vorüber ist, besser ansehen. Dass ich von Jugend aus nicht zu unserm Gewerbe passte, —«
»Du nahmst gut genug Maß, und Lords wie Ladys hatten Dich gern! —«
»Aber Ihr sagtet doch selbst, es vertrüge sich mit meinem Stande nicht mehr, und ließt mich dem Waffenwerk und den Büchern nachhängen? Sollte das ewig denn so bleiben? Ziemt’s einem Manne meines Alters denn, ewig den vornehmen Faulenzer zu spielen, der von Eurem Schweiße lebt? Gelingt mir’s in Deutschland, Ruhm zu erwerben, kann ich mich wackrer Taten rühmen, steig’ ich in Glück und Rang und komme wieder, wird dann Cravens Sohn nicht ein anderer Mann sein an seines Königs Seite, als wenn er hier als Müßiggänger gesessen hätte? Wie trübe die Zeiten sind, fühlt Ihr selbst. Der alte Glanz weicht, die alte Pracht; — klagt Ihr doch selbst, dass niemand mehr ein gesticktes Kleid tragen wolle. Noch schlimmere Zeiten werden kommen. Ein Sturm naht dem Lande, graue Wämser und Puritanerkragen werden im Preise steigen. Ein Mann wie Doderidge wird Euch und Edward dann unbezahlbar sein, während man über Euren adligen Sohn spotten, ihn hassen, ja Euch vielleicht seinetwegen verfolgen dürstet.«
»Ja, ja, sie reden allerlei Drohendes im Volke, und der arme König scheint wenig Freude mehr zu haben. Denkst Du, es könnte doch so schlimm kommen, das Parlament wirklich die Oberhand behalten?«
»Ich fürchte es. Seid drum auf unser Haus bedacht. Doderidge ist ein Kleinod in solcher Zeit, beachtet das wohl. Ich aber werde dann sicher sein, und wird der Himmel wieder klar, kann ich nicht desto besser dann der Halt unsrer Familie sein?«
Der Alte sann lange düster nach, dann lächelte er.
»Versteh’ Dich jetzt, bist doch eigentlich ein kaufmännischer Kopf! — Hast recht, so winden wir uns durch die schlimme Zeit! ’s ist wirklich ’ne bessere Compagnieschaft, wie Du sie vorhast, als ich gedacht habe. Will’s überlegen, — will drauf denken! Wirst Du, falls Gott Dich hoch erheben sollte, aber auch nicht vergessen, dass Du im alten Cravenhause geboren bist?«
»Gott bewahre mich vor solchem Hochmut!«
»O, wenn’s so gut ausginge, wie Du es hoffst! Aber der Krieg, der wüste Krieg! Ich zittere, wenn ich Dich in ihm weiß.«
»Der Krieg, in den ich geh’, wird weniger schlimm sein, als jener, den ich über dies Land kommen sehe, Puritaner gegen Hochkirchenmänner, Volk gegen König!«
»Wahr, nur zu wahr! Gott verzeih mir, aber wenn’s dahin kommt, gilt’s still zu liegen, wie ein Dachs im Loche!«
»Dürfte ich’s aber, ich, den König Jakob zum Ritter schlug? Im Bürgerkriege muss jeder seine Partei nehmen, furchtlos wie ein Mann. Der, welcher keiner Sache dann anhängen mag, wird das sicherste Opfer des Kampfes werden.«
»Du würdest zum König halten?«
»Wenn ich hierbliebe, müsst’ ich’s. Mit welchen Schmerzen, das ist nur Gott bekannt! Aber ich werde dann ferne sein. Ihr seht, das ist noch das Beste für mich und Euch. Unser Haus aber muss dem Volke anhängen, dem’s angehört, seinen gekränkten Freiheiten und Rechten. Das, Vater, ist nicht bloß klug oder, wie Du sagst — kaufmännisch — es ist redlich gehandelt! Den Redlichen ehrt aber Freund wie Feind!« —
Welche Art von Gesinnung der Hofschneider nun auch hegen mochte, angenommen, dass er überhaupt eine hatte, er nahm sich die Andeutungen seines Ältesten fortan sehr zu Herzen. Da Williams Jugendschwärmerei für Elisabeth von der Pfalz sich so wider des Alten Willen durch einen königlichen Befehl verwirklichte, war es Letzterem wirklich ganz unzweifelhaft, dass sein Sohn, sobald ein offener Kampf der Parteien in England entbrenne, sicher auf Seite des Königs stehen werde. Dieser Kampf war augenscheinlich nahe genug, und so schwer Sir Craven auch der Abschied von William wurde, war es ihm doch insofern also lieb, ihn außer Landes zu wissen. Das bisherige Glück des Schwedenkönigs erfüllte schließlich alle Engländer mit Begeisterung und gewöhnte den Hofschneider an den Gedanken: sein Sohn werde einst wohlbehalten und reich an Ehren zurückkehren, wenn der bürgerliche Streit in England längst entschieden sei.
Die Nachricht, der König habe William Ritter von Craven zum Lieutenant bei Scotts adligen Reitern ernannt, machte in der City großartiges Aufsehen. Es war eine zu außergewöhnliche, der Bürgerschaft selbst viel zu schmeichelhafte Gnade, um nicht Guildhall, Mansionhaus und die Gewandschneiderzunft mit gerechtem Stolze zu erfüllen. Dazu war die Expedition selbst so überaus volkstümlich, dass angesichts derselben für einen Augenblick der große Streit verstummte, in welchem Land und Krone begriffen war. In Cravenhaus selbst aber herrschte eine sehr natürliche Trauer.
Am Tage nach der Audienz nahm William Gelegenheit, mit Doderidges Schwester zu sprechen.
»Miss Jeany«, und er ergriff ihre Hand, »bald werden mich das Meer und weite Länderstriche von der Heimat trennen. Ich würde viel getrösteteren Herzens scheiden, wäre ich um — eine Sorge leichter, die niemand außer Euch zu heben vermag.«
Verlegen hob sie ihr Gesicht.
»Ich, Sir? Und welche Sorge?«
»Um dieses Hauses Wohl, um das Glück derer, die ich hinter mir lassen muss. Ihr kennt Edwards Gesinnungen gegen Euch und wisst, dass seine Eifersucht hauptsächlich es war, die ihn unbrüderlich gegen mich machte. Dass er sich änderte, die törichte Täuschung erkannte, welche ihn gegen mich mit Hass erfüllte, dass er sich wahrhaft mir versöhnte und seines Herzens Wünsche tief in sich barg, hat Euer strenges Wort und meine Offenheit bewirkt. Soll das denn nie belohnt sein? Soll er die Neigung zu Euch, so tief, untilgbar und geläutert, mit sich ins Grab nehmen, Jeany, während Ihr dieses Hauses guter Engel sein könnt, wenn ich fort bin, Ihr in Euch meinem Vater eine treue Tochter, Maggy eine sorgsame Schwester geben, Doderidge zu meinem und Edwards Bruder machen könnt durch ein einzig Wort? Jeany, vor Gottes Antlitz als ein offener Mann steh’ ich und werbe um meinen Edward! Er hat mich lieben lernen, da er mich doch um Euch hasste! Habt Ihr denn keine Liebe für ihn? Ist er Euer denn jetzt nicht wert?«
Jeany atmete schwer. Sie war sehr blass und kämpfte ihre Tränen nieder.
»Wenn ich dieses Hauses Glück gründen könnte, Sir, kein Opfer wäre mir zu groß«, ich brächt’s! Ob ich Mister Edward lieben kann?! — Ich — ich will ihn zu lieben versuchen, er muss meine Liebe verdienen! — Was aber tut denn mein, was Edwards Wille hier? Steht zwischen uns nicht Euer Vater, dem ich und mein Bruder höchsten Dank schuldig sind? Steht nicht zwischen uns unsere Armut, unser Glaube, das öffentliche Gespött, was sich gegen Sir Craven erheben wird?«
»Damit, Jeany, entschlüpft Ihr mir nicht. Gebt Edward nur wenigstens die Hoffnung Eurer Liebe, das andere bringt die Zeit. Mein Vater hat Euch lieb, schätzt Euren Bruder, und bald wird er zwischen ihm und Edward keinen Unterschied mehr machen. Es kann ein Tag kommen, wo Doderidge ihm ein besserer Sohn und Helfer sein wird, als ich es je konnte. Dann wird er Euch mit Freuden Tochter nennen. Wolltet Ihr’s von Euch weisen?«
»Ihr meint, wann unser geknechtet Häuflein frei das Haupt im Siege erheben wird?«
»Ja, Jeany. Dann wird Sir Craven weder Reichtum noch Ansehen nützen, Ihr aber mögt stolz genug dastehen, um Cravenhaus den Rücken zu kehren.«
»Nie, Sir William! Nie! —« und flammend blickte sie ihn an, »dann, dann werde ich Edwards Weib!«
»Darf ich ihm das sagen?«
»Ihr dürfet es, Sir!«
»Gott segne Dich.« —
Er küsste ihre Stirn und ging. Jeany blickte ihm starr und lange nach, dann setzte sie sich nieder, verhüllte ihr Haupt und weinte.
Die Musterung auf der Heide von Hounslow war der Abschieds- und zugleich Ehrentag Williams wie der Familie Craven. Halb London war hinausgeströmt. Der hohe Adel, die Deputationen beider Häuser, Lordmayor und Aldermen, die Zunft der Schneider mit ihrer Gildefahne hatten dem militärischen Schauspiel beigewohnt. Eine seltene populäre Stunde für Carl I. war’s gewesen, da er den blauen Kavalier vor die Fronte zu sich heranrief, ihm die Hand drückte und sagte, »er möge Englands Bürgertum und Glaubenseifer übers Meer tragen zum Schutze der Bedrängten und es beweisen, dass ein Londoner Bürgerssohn durch hohe Taten den Ritterschlag eines Königs verdienen könne.«
An die Gewandschneidergilde heranreitend rief dann der Monarch:
»Wir wünschen Euch Glück, dass solch ein treuer, herzhafter Mann, wie Sir William Cravens Sohn, aus Eurer ehrsamen Zunft hervorging! Möge es nicht der letzte Streiter für seinen Gott und König sein, der Euren Reihen ersteht!«
Unermesslicher Jubel hatte sich erhoben.
»Gott segne Ew. Majestät!« war’s von den Lippen Tausender gekommen, als Carl I. wegritt.
Schmetternd zogen nun die blitzenden Reihen hinweg, nordwärts London vorbei, Tilbury und den Schiffen zu. Noch einmal grüßte William zum Vater, zu Edward und Doderidge hinüber.
»Er ist fort!« seufzte der Hofschneider. »Es musste wohl so sein! Wenn Ehre Schmerzen hebt, so wäre ich lustig genug, denn die Majestät war sehr gnädig. Wer aber ersetzt ihn mir, wenn der Tod auf dem blutigen Felde ihn ereilt?«
»Ersetzen, Vater«, erwiderte Edward bewegt, »wird uns ihn niemand. Gott aber hat ihn nicht umsonst erhoben, er hat ihm sicher was Großes anvertraut. Das aber, glaubt es nur, führt William auch zu glücklichem Ende!«
»Der Geist der ewigen Liebe ist ja bei ihm, Herr!« klang Josuah Doderidges tiefe Stimme. —
Der Abend des 7. Septembers 1631 senkte seine dunklen Fittige auf Leipzig und seine Umgebung, und der rote Sonnenball, halb schon unter den Horizont getaucht, schoss glühe Streiflichter auf die zerstampften Fluren von Podelwitz, die bleichen Gewässer der Lober und das wüste Schlachtgefilde, aus dem soeben Tilly, der bisher Unbesiegte, der Mordbrenner von Magdeburg, seine Kriegsehre und über zwei Drittel der kaiserlichen Armee gelassen hatte. Zu Abertausenden lagen die Reichsknechte, die stolzen Dragoner, gleich hingemähten Ähren auf dem Plan, die Artillerie, ihr Lager und eine Menge Standarten als Siegesbeute zurücklassend. Rechts, nach Halle zu, im fernen Gehölz, war noch heftig Schießen und wildes Geschrei, und während die Sturmglocken der Dörfer rings die Bauern weckten, zu fangen oder totzuschlagen, was ihnen von kaiserlichem Volke in die Hände fiel, lag Gustav V. Adolph mit erhobenen Händen im Dankgebet auf den Knien, entblößten Hauptes, um ihn alles Kriegsvolk samt den Generalen, und »eine feste Burg ist unser Gott« brauste es von den Lippen der Sieger, deren Antlitze im letzten Abendgolde glühten, als habe Gott sie selbst mit der heiligen Lohe des Siegerentzückens gesegnet.
Das ferne Tosen und Schießen war endlich in der Hymne erstorben, in die sich nah und ferne die Kirchenglocken mischten. Die Sterne glitzerten herab, der Abendwind wehte, ein Friedegruß ging durch die ganze streiterfüllte Welt und weckte ein heimatlich süßes Kindersehnen im Gemüte der Menschen auf. Ein ähnlich, unnennbar wehmutsvolles und dennoch entzückendes Gefühl durchzitterte die Brust des Reiters, der mit gezücktem Pallasch vom Gehölze, dem Schauplatz des letzten verzweifelten Gefechtes, verhängten Zügels daher schoss, bald aber langsamer ritt und dann den dampfenden Schimmel zum Schritte mäßigte, um das flatternde Gotteslied zu hören, teilzunehmen am Preise Dessen, der auch des Schlachtenglückes Waage in seinen prüfenden Händen hält. Über seinem dunkelblauen Seidenwams flatterte die blaurote Feldbinde, und seinen Hut zierte die schwedische Schleife. Wirr hing sein langes Haar über Stirn und Schläfe, und der letzte Tagesschimmer umspielte sein schönes, mannhaftes Gesicht, das Andacht und Träumerei verklärte. Er zog den Hut und horchte dem Gottesdienste. Sein Ross stand still und rupfte gierig etliche Halme.
Sie haben kein Gewinn,
Gottes Reich muss uns doch bleiben!
zog jubelnd mit Trompetenklang die letzte Strophe in die Lüfte dahin. —
Die Masse der Knienden erhob sich.
Die Scharen lösten sich. Der Reiter nahm aufschreckend sein Ross zusammen, wischte seine Klinge an dessen Mähne ab, stieß sie in die Scheide, und lenkte sein Ross in den weiten Kreis, welchen die Truppen um ihren königlichen Helden bildeten. Als der Reiter demselben und seiner Suite nahe genug gekommen war, um bemerkt zu werden, hielt er und harrte wie eine Bildsäule des königlichen Winks.
König Gustav, dessen hohe, korpulente Figur über seine Umgebung ragte, spendete eben seinen tapferen Generalen das herzlichste, gerührteste Lob für ihren Anteil an der Entscheidung des Tages, und seine Hand streute Gunst und Ehren in seines Herzens hoher Freude reichlich aus. Banner, der ohnweit von ihm stand, hatte endlich den Reiter bemerkt. —
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.