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2. Von der Textanalyse zur Valenz und zu den Verb-Aktanten-KonstellationenVerb-Aktanten-Konstellation

Die historische Valenz erfordert – im Unterschied zur Anwendung der Valenztheorie auf die Gegenwartssprache – folgende methodischen Schritte:

 1) Festlegung eines Korpus, das mit einem Text oder allen einer der historischen Sprachperioden zugeordneten Texten identisch ist.

 2) Anwendung der auf den Verbalsatz eingeschränkten Satzdefinition (= Konstruktion aus SatzgliedernSatzglied mit einem PrädikatPrädikat im Zentrum) auf den Text, was zu einer Liste von konkreten Sätzen führt, vgl. die Liste der 88 Sätze, in die das (ahd.) HildebrandsliedHildebrandslied (Greule 1987, 440‒445) eingeteilt wird (zu den Problemen vgl. Habermann 2007, 86).

 3) An die Text-Satz-Segmentierung schließt sich die interpretierende Segmentierung der gegebenen Verbalsätze in SatzgliederSatzglied an.

 4) Den konkret ausformulierten SatzgliedernSatzglied wird jeweils – stellvertretend – ein morphosyntaktischesmorphosyntaktisch Kategorialsymbol zugeordnet, z.B. NGnom für ein Satzglied, das mit einer NominalgruppeNominalgruppe im Nominativ identisch ist (z.B. ahd. fater unser) oder PräpGin für ein Satzglied, das mit einer von der Präposition in eingeleiteten PräpositionalgruppePräpositionalgruppe identisch ist (ahd. in himile).

 5) Die interpretierende Ausscheidung von zusätzlichen SatzgliedernSatzglied (Supplementen, AngabenAngabe) aus der formalisierten Satzstruktur-Beschreibung und die damit einhergehende Feststellung der AktantenAktant (ErgänzungenErgänzung) ermöglicht die Abstraktion eines SatzbauplansSatzbauplan von einem konkreten Satz.

 6) Die Zuweisung der TiefenkasusrolleTiefenkasusrolle zu den als ArgumenteArgument fungierenden ErgänzungenErgänzung ergibt schließlich die aus SatzbauplanSatzbauplan und TiefenkasusrahmenTiefenkasusrahmen bestehende und auf das Verb als PrädikatPrädikat bezogene Verb-Aktanten-KonstellationVerb-Aktanten-Konstellation (VAK) (siehe Kapitel B.2).

Beispiel: Die dritte Âventiure des NibelungenliedsNibelungenlied (= Korpus) beginnt mit der Zeile (Strophe 44)

Den herren muoten selten deheiniu herzen leit.

Die Zeile (44,1) ist mit einem (mhd.) EinfachsatzEinfachsatz identisch. Es handelt sich um eine Konstruktion mit dem PrädikatPrädikat muoten (= 3. Person Plural Präteritum Indikativ des Verbs mhd. müejen ‚bekümmern‘) im Zentrum. Die weiteren (konprädikativen) SatzgliederSatzglied sind: den herren (= Siegfried), selten (‚niemals‘), deheiniu herzen leit (‚irgendwelches Herzeleid‘, Plural). Den Satzgliedern werden folgende Kategorialsymbole zugeordnet: NGakk (den herren) – P (muoten) – Adv (selten) – NGnom (deheiniu herzen leit). Das Adverb selten ist eine zusätzliche, die Zeit betreffende Prädikation und wird ignoriert, so dass der muoten/müejen zugeordnete (zweiwertige)zweiwertig SatzbauplanSatzbauplan (stellungsneutral) lautet: P – NGnom – NGakk. Die Zuweisung der TiefenkasusrollenTiefenkasusrolle erfolgt von der Verbbedeutung her. Die Bedeutung des Verbs mhd. muoten ist ‚Tätigkeit, die einen emotionalen Zustand bewirkt‘ und verlangt ein AgensAgens, das den Zustand bewirkt (im Beispiel abstrakt: deheiniu herzen leit) und ein PatiensPatiens, den ZustandsträgerZustandsträger (den herren). Das ergibt folgende (stellungsneutrale) VAK:


P (müejen) – Agens/NGnomPatiens/NGakk

Im konkreten Text des NibelungenliedsNibelungenlied ist das PatiensPatiens topikalisiert (an die Satzspitze gestellt) und der Satzinhalt durch selten in der Bedeutung ‚niemals‘ negiert.

Detaillierter wird die Methode, die vom historischen Text-Korpus zur Valenz, zu den VAK und zu ihrer Präsentation im ValenzlexikonValenzlexikon führt, in Kapitel E (Historische Valenz und Lexikografie) dargestellt.

Alle methodischen Schritte setzen die Existenz einer linguistischen ErsatzkompetenzErsatzkompetenz voraus.

3. Die linguistische Ersatzkompetenz (Prokompetenz)

Die erste kritische Diskussion der Methode, wie man vom historischen Text (= Korpus) zur Valenz eines Verbs und zur Erschließung von Satzmodellen gelangt, fasste Thornton (1984, 113‒219) unter der Kapitelüberschrift „From Corpus to Valence“ zusammen. Die Diskussion mündet schließlich in die Annahme und Forderung einer „linguistischen ErsatzkompetenzErsatzkompetenz“ des Deskribenten ein, die JARMO KORHONEN (1976, 208) wie folgt beschreibt:

Diese Art von Kompetenz bezieht sich […] nur auf die Erkennung, nicht auf die Erzeugung sprachlicher Strukturen. Eine generelle linguistische Kompetenz kann sich der Deskribent einer älteren Sprachstufe dadurch aneignen, daß er die Elemente des ihm vorliegenden Korpus beobachtet und miteinander vergleicht, bis er sie allmählich zu identifizieren lernt. Nachdem dieses Stadium erreicht worden ist, vermag nun der Deskribent die Elemente richtig zu segmentieren und zu klassifizieren. Zur Abgrenzung von ErgänzungenErgänzung und AngabenAngabe ist aber noch eine spezifische (d.h. valenzbezogene) linguistische Kompetenz nötig. Eine solche Kompetenz kann der Deskribent aufbauen, indem er seine Kompetenz der Gegenwartssprache auf die zu erforschende Sprachstufe überträgt und sie noch durch weitere Beobachtungen zur Struktur der betreffenden Sprachstufe erweitert. Die Bestimmung des Unterschieds zwischen Ergänzungen und Angaben kann kaum nur im Rahmen einer morphosyntaktischmorphosyntaktisch orientierten Beschreibung erfolgen; damit eine sprach- und linguistikadäquate Deskription gewährleistet werden kann, müssen auch logisch-semantischeValenzlogisch-semantische Begründungen herangezogen werden. Die spezifische linguistische ErsatzkompetenzErsatzkompetenz ist durch textinterne und -externe Vergleiche zu verstärken, wobei sich die Feststellung der Vorkommenshäufigkeit als ein brauchbares Hilfsmittel erwiesen hat: Elemente, die bei bestimmten Lexemen regelmäßig vorkommen, sind als Ergänzungen zu klassifizieren. Als textexterne Vergleichsbasis kommen sowohl zeitgenössische als auch historische Grammatiken und Wörterbücher in Betracht, wenn sie auch nicht explizit valenzbezogene Informationen enthalten.

3.1 Sprachkompetenz, idealer Sprecher-Hörer und „tote“ Sprachen

Die Frage nach einer „Kompetenz“ des Deskribenten historischer Sprachstufen ist vor dem Hintergrund der Sprachtheorie, die der berühmte US-amerikanische Linguist NOAM CHOMSKY 1965 ausarbeitete,1 zu sehen. Im Mittelpunkt der „generativ“ genannten Theorie steht die Kompetenz des „idealen Sprecher-Hörers“. Das Problem der Kompetenz stellt sich im Falle der Beschreibung der Grammatik „toter“ Sprachen, für die es keinen „idealen Sprecher-Hörer“ mehr gibt, völlig neu. Die Grammatik einer „toten“ Sprache kann ohne „native speaker“ nach den strengen Regeln der generativen Theorie gar nicht beschrieben werden. Es wurde in der Forschung deshalb auch bestritten, dass Linguisten – etwa nach entsprechender Ausbildung – eine Kompetenz für eine nur schriftlich fixierte Sprache besitzen können und wie in der Gegenwartssprache Sätze transformieren und generieren, d.h. neu bilden, können. Jedoch wurde vorgeschlagen, anstatt von einem „idealen Sprecher-Hörer“ für ältere Sprachstufen von einer „idealen Sprachkompetenz der Textschreiber“ auszugehen. Da eine Grammatik als Theorie dieser „idealen Sprachkompetenz der Textschreiber“ zu verfassen auf erhebliche Schwierigkeiten stößt, wird in dieser Theorie der Deskribent selbst an die Stelle des „native speaker“ gesetzt.

3.2 Die vierfache Kompetenz des Deskribenten älterer Sprachstufen

In der von ROGER G. VAN DE VELDE (1971) vorgetragenen Methodenlehre, die er auf die altfriesische Syntax anwandte,2 werden vier Unterarten der Deskribenten-Kompetenz unterschieden (vgl. Greule 1982a, 73f.):

 1) Verstehenskompetenz: Der Deskribent muss über ein semantisch-funktionales Verständnis der vorliegenden Materialien verfügen.

 2) Textkompetenz: Der Deskribent muss bei der Lektüre und Interpretation seiner Texte die innersprachlichen, intratextuellen Fragen aufgrund der Kenntnis satz- und textkonstitutiver Regularitäten und aufgrund extratextueller Vorkenntnisse berücksichtigen.

 3) Philologische Kompetenz: Der Deskribent muss über paläografische Fähigkeiten sowie kultur-, religions- und rechtsgeschichtliche die Materialbasis betreffende Kenntnisse verfügen.

 4) ErsatzkompetenzErsatzkompetenz: Der Deskribent baut sich aus der sprachlichen Erforschung der Materialbasis seine sekundäre Kompetenz auf, die der sprachlichen Intuition des Textschreibers nahekommen sollte.

Die Annahme einer Deskribenten-Kompetenz oder linguistischen ErsatzkompetenzErsatzkompetenz ist für jede Beschreibung einer älteren Sprachstufe, für die es nur schriftliche Sprachdaten gibt, eine unabdingbare Voraussetzung. Ersatzkompetenz steht als Zusammenfassung aller vier prozesshaft erworbenen Unterarten. Aber dieser abgeleiteten, sekundären Kompetenz fehlt aufgrund ihrer Gebundenheit an die geschlossene Materialbasis die Kreativität. Sie ist nicht fähig, im generativen Sinn unendlich viele neue Sätze zu erzeugen und zu verstehen. Wenn der Deskribent dennoch „neue“, in seinem Korpus nicht belegte Sätze versuchsweise bildet, kann es sich dabei nur um Vermutungen handeln. Die Ersatzkompetenz ist einseitig; ihre Fähigkeit besteht im Wesentlichen im Verstehen der im Korpus belegten Sätze, im Erkennen der sprachlichen Strukturen sowie im richtigen Segmentieren und Klassifizieren der im Korpus belegten sprachlichen Elemente.

3.3 Die Ersatzkompetenz als Erweiterung der muttersprachlichen Kompetenz

Der Erwerb der vollständigen ErsatzkompetenzErsatzkompetenz kann mit dem Erwerb einer Zweitsprache verglichen werden und kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Der Erwerb der Ersatzkompetenz kann – als Ausgleich eines sprachlichen Defizits – aber leichter vor sich gehen, wenn die „tote“ Sprache einen historischen Zustand der Muttersprache des Deskribenten oder einer durch den Deskribenten vollständig erworbenen lebenden Zweitsprache darstellt. Bei deutschsprachigen Deskribenten trifft das auf ahd., mhd. und fnhd. Texte als Materialbasis zu. Es wird sogar angenommen, dass der Erwerb der Ersatzkompetenz einer Erweiterung der für die Muttersprache oder eine Zweitsprache der Gegenwart bereits erworbenen Kompetenz gleichkommt. Für das Deutsche formulierte diese Position der Schweizer Sprachwissenschaftler HANS GLINZ (1913‒2008) (Glinz, Deutsche Syntax. 3., durch einen Nachtrag erweiterte Auflage. Stuttgart 1970, 108f., zitiert nach Greule 1982a, 75f.):

Wir sind […] nicht mehr die unmittelbaren Teilhaber der Sprache um 1500, um 1200, um 900 (ja nicht einmal mehr ganz der Sprache um 1800), sondern wir sind die Erben – zwar bevollmächtigte Erben, indem es unsere eigene Vergangenheit ist, aber doch Erben. Das müssen wir im Auge behalten, und wir müssen in unseren Methoden und in den darauf gestützten Aussagen entsprechend vorsichtig sein. So dürfen wir in erster Annäherung durchaus annehmen, daß unsere Vorfahren in ihrer Sprache größtenteils ähnliche morphosyntaktischemorphosyntaktisch Kategorien besessen haben wie wir (etwa Verb, Nomen, Pronomen, Kasus, Numerus usw.) und daß wir also, sobald wir die andersartige Phonomorphie beherrschen, von unserer gegenwärtigen Sprache zunächst zu einem gewissen Vorverständnis der Texte und ihres syntaktischen Baues kommen können. Dann müssen wir aber jederzeit damit rechnen, daß die Kategorien anders gewesen sein konnten, schon in der MorphosyntaxMorphosyntax (z.B. Rolle des Genitivs, kein Plusquamperfekt, kein so deutliches PassivPassiv), und erst recht in der Nomosyntax. […] Dabei wird man […] nicht […] direkt und unmittelbar von den Texten ausgehen können, sondern man wird zum vornherein alle Vorarbeit nützen müssen, die in Grammatiken und Wörterbüchern gesammelt ist. Man wird sie aber kritisch nützen müssen und sich immer bewußt sein müssen, daß das alles im Grunde lauter Vorbegriffe und Hypothesen sind, die sich immer erst in der Analyse konkreter Texte bewähren müssen, und daß man sich ihrer wohl bedient, sich aber nicht an sie bindet.

4. Vom historischen Korpus zur Valenz und zu den SatzbauplänenSatzbauplan (Methoden)
4.1 Vom Evangelienbuch Otfrids von Weißenburg zur Bestimmung der Valenz althochdeutscherAlthochdeutsch Verben

Das Evangelienbuch Otfrids von WeißenburgOtfrid von Weißenburg (EB) ist einer der wenigen umfangreichen ahd. Texte. Das EB ist in drei vollständig überlieferten Handschriften (V, P und F) überliefert (vgl. Kapitel A.2). Die Handschriften V (Wiener Handschrift) und P (Heidelberger Handschrift) sind im 9. Jh. im Skriptorium des Klosters Weißenburg (heute Wissembourg im Elsass) geschrieben worden. Die Wiener Handschrift (EB/V), an deren Entstehung OtfridOtfrid von Weißenburg selbst beteiligt war, gilt als Haupthandschrift. Eine valenztheoretische Untersuchung, die nicht auf einer Edition des Evangelienbuchs beruht, sondern direkt von der Wiener Handschrift EB/V ausgeht, wird dadurch erleichtert, dass sich die Grammatikografen auf eine Faksimile-Ausgabe des Codex Vindobonensis (1972) stützen und als Korpus auswerten können.

Ein ausdifferenziertes Operationsmodell zur Bestimmung der Verbvalenzen in EB/V mit 14 Einzelschritten, die von der Sammlung der Belegstellen eines bestimmten Verbs Vx zu einem Eintrag in ein ahd. ValenzlexikonValenzlexikon führen, entwickelte ALBRECHT GREULE (1982a, 206‒218).

Die Analyseschritte führen von Schritt 1: Sammlung der Belegstellen und Unterscheidung von Vx (z.B. (gi)fullen ‚füllen‘) in finite und infinite Formen (z.B. Partizip Präsens fullentaz) bis zur zusammenfassenden Formulierung eines Lexikoneintrags (Schritt 14). Die Zwischenschritte sind:

 Festlegung eines Signifikanten (Zusammenfassung der Schreibweisen von Vx, z.B. fullit, fulta) und eines vorläufigen Signifikats (Schritt 2 und 3)

 Bildung einfacher Sätze mit Vx als PrädikatPrädikat (Schritt 4), Bestimmung der konprädikativen SatzgliederSatzglied in den Belegsätzen (Schritt 5)

 Spezifizierung deiktischer Sprachzeichen, z.B. er, thiu, uuir (Schritt 6)

 formale und semantische Klassifizierung der SatzgliederSatzglied (Schritt 7 und 8)

 Quantifizierung der AdverbialeAdverbial (ErgänzungErgänzung oder AngabeAngabe) (Schritt 9)

 QuantifizierungErgänzungobligatorische der ErgänzungenErgänzung (obligatorischobligatorisch vs. fakultativfakultativ) (Schritt 10)

 Beschreibung morphosyntaktischermorphosyntaktisch Qualität der LeerstellenLeerstelle (Schritt 11)

 Beschreibung der semantischen Qualität der LeerstellenLeerstelle durch KlassemeKlassem (Schritt 12)

 Neufassung des Signifikats (Schritt 13), z.B. sind im Korpus zwei SememeSemem von (gi)fullen erkennbar: a) ‚vollmachen‘, b) ‚verrichten, befolgen‘.

Der Analyse des Beispielverbs liegen 13 aus dem Korpus EB/V gebildete EinfachsätzeEinfachsatz zugrunde. Nach Aussonderung der gering belegten Umstandsbestimmungen (AdverbialeAdverbial) werden unter dem LemmaLemma (gi)fúlli- zwei Unterartikel für das ahd. ValenzlexikonValenzlexikon formuliert:

 a) fakultativfakultativ 3w: ErgänzungfakultativeE1, E2, E(orn), obligatorischobligatorisch 2w: E1, E2, E(orn) = NP4/NP5, KlassemKlassem 1 ‚belebt‘, Klassem 2 ‚konkret, hohl‘. Paraphrase: x1 macht: y2 ist voll (mit z)Beispielsatz (OtfridOtfrid von Weißenburg 1,21,2) mit todu er (= ther kuning herod) daga fultaSatzbauplanSatzbauplan: PräpGmit – NGnom – NGakk – P, oder (stellungsneutral) Enom, Eakk, Epräp

 b) 2w: E1, E2, Klassem 1 ‚Mensch‘, KlassemKlassem 2 ‚Mandat‘. Paraphrase: x1 verrichtet/befolgt y2.Beispielsatz (rekonstruiert, OtfridOtfrid von Weißenburg 1,4,6) siu bethiu (= Zacharias und Elisabeth) io giuuar sinaz gibot fultun.SatzbauplanSatzbauplan: NGnom ‒ [Adv] – NGakk – P, oder Enom, Eakk E1 und E2 bedeuten: ErgänzungErgänzung im Nominativ und Ergänzung im Akkusativ; NP4/NP5 bedeutet: NominalgruppeNominalgruppe im Genitiv oder PräpositionalgruppePräpositionalgruppe. E(orn) bedeutet: ornative Umstandsbestimmung als Ergänzung.

(Greule 1982a, 206‒218, 244‒246)

4.2 Vom Nibelungenlied zur mittelhochdeutschenMittelhochdeutsch ValenzgrammatikValenzgrammatik

Das NibelungenliedNibelungenlied (NL) in der Fassung der Handschrift B, die im 13. Jh. in St. Gallen (Codex sangallensis 857) geschrieben wurde, dient HUGH MAXWELL (1982b) als Korpus, aus dem heraus die theoretische Grundlage für ein ValenzwörterbuchValenzwörterbuch der mhd. Verben entstehen sollte. Maxwell betrachtet das Korpus aufgrund der Edition des NL durch Helmut de Boor (19. Auflage, 1967) als bereits in Sätze segmentiert. Der Ausarbeitung eines mhd. ValenzlexikonsValenzlexikon geht eine Grammatik voraus, deren Kategorien durch Beispielsätze belegt und verdeutlicht werden. An oberster Stelle steht eine Darstellung der Formen, die das PrädikatPrädikat als ValenzträgerValenzträger im Korpus annehmen kann. Der zweite Teil der Grammatik beschreibt die 12 ErgänzungsklassenErgänzungsklasse, die durch einfache Versalien (N = N[ominativ]ergänzung usw.) markiert sind. Die Auflistung aller Ergänzungsstellen, die zusammen in einem Satz bei dem Verbx vertreten sein können, ergeben den SatzbauplanSatzbauplan.

Beispiel: NL 1790, 4 ist ein Nebensatz mit dem PrädikatPrädikat schalt (Präteritum von schelten)

(daz) diu frouwe Kriemhilt die schœnen Prünhilden schalt

Kriemhilt ist NominativergänzungNominativergänzung, Prünhilden AkkusativergänzungAkkusativergänzung. Der SatzbauplanSatzbauplan wird jeweils über den unterstrichenen SatzgliedernSatzglied in Kurzform (N, A) markiert. In dieser Form wird der Satz als Beleg in den Artikel des ValenzwörterbuchsValenzwörterbuch unter dem LemmaLemma schelten eingetragen.

(Maxwell 1982b, 16, 44‒164)

4.3 Ermittlung der Satzmodelle in den Liedern Heinrichs von MorungenHeinrich von Morungen

Ebenfalls auf der Grundlage einer Edition, der Edition von Helmut Tervooren (1971), erarbeitet WILFRIED SCHÜTTE eine Liste von 161 mhd. Verben, die in den 35 Liedern des ostmitteldeutschen Minnesängers Heinrich von MorungenHeinrich von Morungen (†1218 in Leipzig) vorkommen (Schütte 1982, 54‒68). Die Verbliste entspricht einem ValenzwörterbuchValenzwörterbuch zu den Liedern Heinrichs von Morungen. Den nummerierten Verblemmata sind zugeordnet: 1. die Belegstellen, 2. die belegten Verbformen, 3. die ErgänzungenErgänzung, etwa in der Form PNn, PNa, PNg, AdV.m (lies: Pronomen im Nominativ, Pronomen im Akkusativ, Pronomen im Genitiv, modales Adverb). Damit erfasst Schütte – genau genommen – alle im Werk Heinrichs von Morungen vorkommenden Satzmodelle, und die Verbliste könnte als eine Grundlage für das noch zu schaffende mhd. Valenzwörterbuch dienen.

Beispiel:


Nr. 15 biten, bitten V, 1 (7) bite PNn, PNa, PNg = des „um das“

Von Schütte (1982, 41‒45) aufgelistete Probleme: Gemäß der Grundannahme der ValenzsyntaxValenzsyntax, dass die WertigkeitWertigkeit eines Verbs unabhängig ist von den realisierten morphosyntaktischenmorphosyntaktisch Formen, führte Schütte (1982, 41) alle flektierten Verbformen auf den Infinitiv zurück und ordnete sie dem Infinitiv als LemmaLemma unter. Bei den problematischen Verbalpräfixen mhd. en-, ge- und PartikelnPartikel wie umbe und an, die als PräfixPräfix oder als Adverb aufgefasst werden können, musste teilweise willkürlich entschieden werden, ob ein präfigiertes Verb einen eigenen Eintrag in die Liste erhält oder nicht. Modal- und HilfsverbenHilfsverb wurden von Schütte nicht berücksichtigt. Bei den Imperativen fehlt der Erstaktant als textuelles MorphemMorphem (Pronomen). Da bei Heinrich von MorungenHeinrich von Morungen der Erstaktant entweder als Vokativ oder als fiktionaler Kommunikationspartner, nämlich als die besungene vrowe, gegeben ist, liegt keine Aktantenreduktion vor; Schütte (1982, 43) notiert für Textstellen mit dem Imperativ daher einen Erstaktanten in Klammern. Zum Beispiel weist die Stelle

XIX (1,2) Vrowe, […] sich mich ein vil lützel an „Herrin, […] sieh mich ein bisschen an!“

mit dem Imperativ des trennbaren VerbsVerbtrennbares mhd. ansehen die Satzgliedstruktur auf:



Bei kasusneutralen ErgänzungenErgänzung werden die möglichen Kasus durch Kleinbuchstaben angegeben (z.B. g/d = Genitiv oder Dativ). Endungslose Formen, bei denen alle Kasus möglich sind, werden durch 0 gekennzeichnet. „JunktorenJunktor“ bleiben unberücksichtigt; schwierig zu unterscheiden, ob z.B. bei des ein JunktorJunktor oder ein Pronomen im Genitiv vorliegt, ist in Fällen wie im folgenden Beleg:

XIa, 2 (7,8) jâ enwil ich niemer des eralten, swenne ich sie sihe, mir sî von herzen wol

Heinrich von MorungenDes kann hier als JunktorJunktor oder Verweisform auf einen eingebetteten Satz gesehen werden.

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