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Kitabı oku: «Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3», sayfa 31

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XLV.
Was die Königin wollte

Gilbert kam von Herrn Necker zurück, nachdem er den König im gleichen Grade ruhig, als er die Königin aufgeregt gesehen hatte.

Der König machte Perioden, er baute Zahlen und Rechnungen, und sann auf Reformen in den Gesetzen.

Dieser Mann von gutem Willen, mit sanftem Blick und redlicher Seele, dessen Herz, wenn es verfälscht war, es durch die dem königlichen Stande anklebenden Vorurteile war, – dieser Mann setzte seinen Kopf auf, für Hauptsachen, die man ihm nahm, Armseligkeiten wieder zu erlangen. Er setzte den Kopf auf, den Horizont mit seinem kurzsichtigen Blick zu durchdringen, während der Abgrund unter seinen Füßen gähnte. Dieser Mann flößte Gilbert ein tiefes Mitleid ein.

Bei der Königin war es nicht so, und trotz seiner Unempfindlichkeit fühlte Gilbert, daß sie eine von den Frauen war, die man leidenschaftlich lieben oder tödlich hassen muß.

In ihre Gemächer zurückgekehrt, fühlte es Marie Antoinette wie eine ungeheure Last, die sich auf ihr Herz niedergesenkt hatte.

Und in der That, weder als Frau, noch als Königin gewahrte sie etwas Haltbares um sich her, etwas, was ihr einen Teil der Bürde, die sie niederdrückte, tragen helfen würde.

Diese Lage beunruhigte sie, sie, ein Muster von Instinkt und Scharfsinn.

Wie hatte sich Charny, dieser reine Mann, wie hatte sich dieses lautere Herz so plötzlich geändert?

»Nein, er hat sich noch nicht geändert,« sagte sich seufzend die Königin, »er ist im Begriff, sich zu ändern. Er ist im Begriff, sich zu ändern!« Eine schreckliche Ueberzeugung für die Frau, die mit Leidenschaft liebt.

Und in dem Augenblick, wo sie das Böse und das Unrecht wahrgenommen hatte, war es vielleicht noch Zeit, es wieder gut zu machen.

Doch der Geist dieser gekrönten Frau war kein geschmeidiger Geist. Sie konnte sich nicht entschließen, selbst bei einer Ungerechtigkeit, sich zu beugen; einem Gleichgültigen gegenüber hätte sie vielleicht Seelengröße gezeigt oder zeigen wollen, und dann würde sie vielleicht um Verzeihung gebeten haben. Aber demjenigen, welchen sie mit einer zugleich so lebhaften, und so reinen Zuneigung beehrt, glaubte die Königin nicht die geringste Einräumung machen zu müssen.

Von dem Augenblick an, als sie mit Andrée in ein Verhältnis der Eifersucht geriet, hatte sie moralisch sich zu verringern angefangen. Eine Folge ihrer Verringerung waren ihre Launen, ihr Zorn und die schlimmen Gedanken, die die schlimmen Handlungen nach sich ziehen.

Charny gab sich durchaus keine Rechenschaft von alledem, aber er war Mensch und hatte begriffen, daß Marie Antoinette eifersüchtig war, und zwar mit Unrecht eifersüchtig auf seine Frau, die er nie angeschaut.

Charny wußte, daß Fräulein Andrée von Taverney, eine alte Freundin der Königin, einst von ihr gut behandelt, immer von ihr bevorzugt war. Warum liebte sie Marie Antoinette nicht mehr? warum war Marie Antoinette eifersüchtig auf sie?

Sie hatte also irgend ein Schönheitsgeheimnis entdeckt, das er nicht entdeckt hatte, ohne Zweifel, weil er es nicht gesucht?

Sie hatte also gefühlt, Charny könnte diese Frau anschauen, und sie, die Königin, würde etwas dabei verlieren?

Nichts ist nachteiliger für einen Eifersüchtigen, als wenn er den andern Teil wissen läßt, er bemerke die Erkaltung des Herzens, das er just in der höchsten Glut für sich zu erhalten wünscht. Wie oft geschieht es, daß der geliebte Gegenstand durch Vorwürfe über seine Kälte eben von der Kälte unterrichtet wird, die er zu empfinden anfing, ohne sich darüber Rechenschaft zu geben. O Ungeschicklichkeit der Liebenden!

Marie Antoinette hatte also durch ihren Zorn und durch ihre Ungerechtigkeit selbst Charny belehrt, es sei etwas weniger Liebe im Grunde seines Herzens. Und sobald er dies wußte, sah er sich nach der Ursache um, und fand sie ganz natürlich in der Eifersucht der Königin.

Andrée, die arme verlassene Andrée, Gattin, ohne Frau zu sein!

Er beklagte Andrée.

Die Scene bei der Rückkehr von Paris hatte ihm das tiefe, vor aller Augen verborgene Eifersuchtsgeheimnis entdeckt.

Auch ihr, der Königin, entging es nicht, daß alles entdeckt sei, und da sie vor Charny sich nicht beugen wollte, wandte sie ein andres Mittel an, das sie nach ihrer Meinung zu demselben Ziele führen mußte.

Sie fing wieder an, Andrée gut zu behandeln. Sie ließ sie bei allen ihren Promenaden, bei allen ihren vertrauten Abendgesellschaften zu; sie überhäufte sie mit Liebkosungen; sie machte, daß sie von allen andern Frauen beneidet wurde.

Und Andrée ließ dies alles gewähren, wohl mit Staunen, aber ohne Dankbarkeit. Sie hatte sich seit langer Zeit gesagt, sie gehöre der Königin, die Königin könne mit ihr machen, was sie wolle, und ließ sie machen.

Als Entschädigung, da die Gereiztheit der Frau gegen irgend jemand einen Ausbruch nehmen mußte, fing die Königin an, Charny sehr zu mißhandeln. Sie sprach nicht mehr mit ihm; sie fuhr ihn an; sie gab sich den Anschein, als brächte sie Abende, Tage, Wochen hin, ohne nur zu bemerken, daß er anwesend war.

Sobald er aber abwesend war, schwoll ihr Herz an; ihre Augen irrten unruhig umher und suchten denjenigen, von welchem sie sich abwandten. Bedurfte sie eines Arms, hatte sie einen Befehl zu geben, hatte sie ein Lächeln zu verschenken, so war es für den ersten besten. Dieser ermangelte übrigens nie, ein schöner und ausgezeichneter Mann zu sein.

Die Königin glaubte sich von ihrer Wunde zu heilen, indem sie Charny verwundete.

Dieser litt und schwieg. Er war ein mächtiger Mann gegen sich selbst. Nicht eine Bewegung des Zornes oder der Ungeduld entschlüpfte ihm während dieser gräßlichen Marter.

Man sah dann ein seltsames Schauspiel, ein Schauspiel, das nur die Frauen zu geben und zu begreifen vermögen.

Andrée fühlte alles, was ihr Gatte litt, und da sie ihn mit jener engelhaften Liebe liebte, die nie eine Hoffnung gefaßt hatte, so beklagte sie ihn und bezeigte es ihm.

Aus diesem Mitleid ging eine sanfte, teilnehmende Annäherung hervor. Sie suchte Charny zu trösten, ohne ihn merken zu lassen, daß Sie es wisse, er bedürfe des Trostes.

Marie Antoinette, die zu teilen suchte, um zu herrschen, bemerkte, daß sie einen falschen Weg eingeschlagen habe, und daß sie, ohne es zu wollen, Seelen einander näher brachte, die sie gern durch ganz verschiedene Mittel getrennt hätte.

Sie, die beklagenswerte Frau, erlitt dann in der Stille und in der Einsamkeit der Nächte Verzweiflungsanfälle, und sie würde sicherlich so vielen Leiden unterlegen sein, wäre sie nicht so gewaltig von den Besorgnissen ihrer Politik in Anspruch genommen worden.

Dies waren die Umstände, in denen die Königin seit der Rückkehr des Königs nach Versailles bis zum Tage lebte, wo sie im Ernste darauf bedacht war, die unumschränkte Ausübung ihrer Gewalt wieder aufzunehmen.

In ihrem Stolze schrieb sie nämlich dem Verfalle ihrer Macht die Entwertung zu, welche die Frau seit einiger Zeit zu erleiden schien.

Für diesen thätigen Geist war denken soviel als handeln. Sie ging ans Werk, ohne einen Augenblick zu verlieren.

Aber, ach! dieses Werk, zu dem sie nun schritt, war das ihres Verderbens.

XLVI.
Das Regiment Flandern

Als die Königin sah, daß sich die Pariser in Militäre verwandelt hatten und Krieg führen zu wollen schienen, beschloß sie, ihnen zu zeigen, was ein wahrer Krieg sei.

»Bis jetzt haben sie es nur mit den Invaliden der Bastille, mit schlecht unterstützten und schwankenden Schweizern zu thun gehabt; man wird ihnen zeigen, wie es mit ein paar tüchtigen, gut royalistischen und gut exerzierten Regimentern ist.

»Vielleicht finden sich unter den Regimentern noch welche, die schon Aufstände niedergeschlagen und in den Ausbrüchen des Bürgerkriegs Blut vergossen haben. Man wird eines von diesen Regimentern kommen lassen, das bekannteste. Die Pariser werden dann begreifen, daß sie abzustehen haben, und das wird die einzige Zuflucht sein, die man ihnen für ihr Heil läßt.

Das war der Plan, nachdem die Nationalversammlung lange für sich, und der König für sein Veto gestritten. Der König hat zwei Monate lang gekämpft, um wieder einen Fetzen Souveränität zu erwischen; er hatte, in Verbindung mit dem Minister Mirabeau, die republikanische Begeisterung, die das Königtum in Frankreich vertilgen wollte, zu neutralisieren gesucht.

Die Königin hatte sich bei diesem Kampfe abgenutzt, abgenutzt besonders, weil sie den König unterliegen sah.

Der König hatte bei diesem Streite seine ganze Macht und den Rest seiner Popularität verloren. Die Königin hatte einen neuen Beinamen, einen Spottnamen gewonnen, man hieß sie Madame Veto.

Dieser Name, auf dem Flügel der revolutionären Lieder getragen, sollte die Unterthanen und Freunde von jenen erschrecken, die, indem sie eine deutsche Königin nach Frankreich sandten, mit Recht darüber sich wunderten, daß man sie mit dem Namen Österreicherin schmähte.

Dieser Name sollte in Paris, bei den wahnsinnigen Runden, an den Tagen der Metzelei, die letzten Schreie, den scheußlichen Todeskampf der Opfer begleiten.

Marie Antoinette hieß fortan Madame Veto, bis zu dem Tage, wo sie die Witwe Capet heißen sollte.

Das war schon das dritte Mal, daß sie ihren Namen wechselte. Nachdem man sie die Oesterreicherin genannt, hatte man sie Madame Deficit genannt.

Nach den Kämpfen, bei denen die Königin ihre Freundinnen durch das nahe Bevorstehende ihrer eigenen Gefahr zu interessieren versucht hatte, hatte sie nun bemerkt, daß sechzigtausend Pässe im Stadthause verlangt worden waren.

Sechzigtausend Notable waren von Paris und Frankreich abgereist, um im Ausland mit den Freundinnen und Verwandten der Königin zusammenzutreffen.

Ein sehr schlagendes Beispiel, von dem auch die Königin geschlagen ward!

Von diesem Augenblicke an sann sie auch auf nichts andres mehr, als auf eine geschickt abgekartete Flucht, auf eine Flucht, zur Not unterstützt durch die Gewalt; auf eine Flucht, an deren Ende die Rettung darin bestände, daß die in Frankreich gebliebenen Treuen den Bürgerkrieg machen, das heißt, die Revolutionäre bestrafen könnten.

Der Plan war nicht schlecht. Er wäre sicherlich gelungen; aber hinter der Königin wachte auch der böse Geist.

Seltsames Verhängnis! Diese Frau, die so große Zuneigungen einflößte, fand nirgends die Verschwiegenheit.

Man wußte in Paris, daß sie fliehen wollte, ehe sie sich selbst davon überzeugt hatte.

Von dem Augenblick an, wo man es wußte, bemerkte Marie Antoinette nicht, daß ihr Plan unausführbar war. Indessen kam ein durch seine royalistischen Sympathien bekanntes Regiment, das Regiment Flandern, in Eilmärschen gegen Paris.

Dieses Regiment war von der Munizipalität in Versailles verlangt worden, die, abgemattet durch den außerordentlichen Nachtdienst, besonders durch die notwendige Aufmerksamkeit um das Schloß her, unablässig bedroht durch die Austeilung von Lebensmitteln und durch die sich rasch folgenden Aufstände, einer andern Macht bedurfte, als der Nationalgarde und der Milizen.

Das Schloß hatte schon Mühe genug, sich selbst zu verteidigen. Dieses Regiment Flandern kam an, und damit es sogleich das Ansehen erlangte, mit dem man es zu bekleiden suchte, mußte ein besonderer Empfang die Aufmerksamkeit des Volks auf dasselbe lenken.

Der Admiral d'Estaing versammelte die Offiziere der Nationalgarde, sowie alle Offiziere der in Versailles anwesenden Corps, zog ihm entgegen, und das Regiment hielt in Versailles einen feierlichen Einzug.

Um diesen Punkt, der Zentralpunkt geworden ist, gruppierten sich in Menge junge Edelleute, die keiner bestimmten Waffe angehörten.

Sie wählen unter sich eine Uniform, um sich zu erkennen, schließen sich an alle Offiziere außerhalb der Cadres, an alle Ritter vom heil. Ludwigsorden an, welche die Gefahr oder die Vorsicht nach Versailles führen; von da verbreiten sie sich in Paris, das sodann zu seinem tiefen Erstaunen diese neuen Feinde frisch, unverschämt und aufgeblasen von einem Geheimnis sieht, das ihnen bei Gelegenheit entschlüpfen soll.

Von diesem Augenblick an konnte der König abreisen. Er wäre unterstützt, beschützt gewesen auf seiner Reise, und Paris, noch unwissend und schlecht vorbereitet, hätte ihn vielleicht abgehen lassen.

Doch der böse Genius der Österreicherin wachte immer.

Nach der Huldigung, die man dem Regimente Flandern dargebracht hatte, beschlossen die Gardes-du-corps, den Offizieren dieses Regiments ein Mittagsmahl zu geben.

Dieses Mahl, dieses Fest wurde auf den 1. Oktober festgesetzt. Alles, was sich von Bedeutung in der Stadt fand, wurde eingeladen.

Um was handelte es sich? Mit den Soldaten von Flandern zu fraternisieren? Warum hätten die Soldaten unter sich nicht fraternisieren sollen, da die Distrikte und die Provinzen fraternisierten?

Der König war noch der Herr seiner Regimenter und befehligte sie allein. Er war alleiniger Eigentümer des Schlosses in Versailles. Er hatte allein das Recht, hier nach seinem Gutdünken zu empfangen. Warum sollte er nicht brave Soldaten und würdige Edelleute, welche von Douai kamen, wo sie sich gut aufgeführt, empfangen?

Dieses gemeinschaftlich eingenommene Mahl sollte die Zuneigung verkitten, die alle Korps eines französischen Heeres einander schulden, die bestimmt sind, zugleich die Freiheit und das Königtum zu verteidigen.

Wußte übrigens der König auch nur, was verabredet war?

Seit den erwähnten Ereignissen bekümmerte sich der König, der infolge seiner Konzessionen frei war, um nichts mehr; man hatte ihm die Bürde der Geschäfte abgenommen. Er wollte nicht mehr regieren, weil man für ihn regierte, aber er glaubte sich nicht den ganzen Tag langweilen zu müssen.

Während die Herren von der Nationalversammlung das Königsrecht beschnitten und verkürzten, jagte der König.

Und bis er wieder zurückkäme, wäre die Tafel abgedeckt.

Das war ihm so wenig lästig, und er belästigte so wenig, daß man in Versailles beschloß, die Königin um Einräumung des Palastes zu Abhaltung des Mahles zu bitten.

Die Königin sah keinen Grund, den Soldaten von Flandern die Gastfreundschaft zu verweigern. Sie bewilligte die Benützung des Schauspielsaales.

An einem Donnerstag, am 1. Oktober, wurde das Festmahl gegeben, das in der Geschichte des Königtums ein grausenhaftes Denkzeichen von dessen Unvorsichtigkeiten oder Verblendungen bleiben wird.

Der König war auf der Jagd.

Die Königin war einsam, für sich selbst abgesperrt, traurig, nachdenkend und entschlossen, nicht ein einziges Zusammenstoßen der Gläser, nicht einen Ausbruch der Stimmen zu hören.

Ihr Sohn war in ihren Armen; Andrée bei ihr. Zwei Frauen arbeiteten in einer Ecke des Zimmers.

Nach und nach erschienen im Schlosse die glänzenden Offiziere mit wogenden Federbüschen und blitzenden Waffen. Die Pferde wieherten an den Gittern der Ställe, die Fanfaren ertönten, die zwei Musiken von Flandern und der Garden erfüllten die Luft mit Harmonie. Eine bleiche, neugierige, hinterhältisch unruhige Menge belauerte, kommentierte und kritisierte an den Gittern von Versailles das freudige Treiben und die Melodieen.

In einzelnen Wogen, gleich Windstößen bei einem Sturme, strömten mit dem lustigen Gemurmel die Dünste des köstlichen Mahles durch die offenen Thüren.

Es war sehr unklug, dieses ausgehungerte Volk den Geruch des Fleisches und des Weines, dieses mürrische Volk die Freude und die Hoffnung einatmen zu lassen.

Das Fest nahm übrigens seinen Fortgang, ohne irgend eine Störung; anfangs nüchtern und voll Ehrfurcht unter ihrer Uniform, plauderten die Offiziere leise und tranken mäßig. Während der ersten Viertelstunde war es die Aufführung des Programms, wie man es festgesetzt hatte.

Es erschien der zweite Gang.

Herr von Lusignan, Oberst des Regiments Flandern, stand auf und schlug einen Trinkspruch vor: auf die Gesundheit des Königs, der Königin, des Dauphin und der königlichen Familie.

Vier Ausrufungen, bis zu den Gewölben emporgestoßen, schlugen von da widerhallend an das Ohr der traurigen Zuschauer außen.

Ein Offizier stand auf. Vielleicht war es ein Mann von Geist und Mut, ein Mann von gesundem Verstand, der den Ausgang von alledem vorhersah, ein dieser königlichen Familie, der man soeben so geräuschvoll gehuldigt hatte, aufrichtig ergebener Mann. Dieser Mann begriff, daß man unter allen diesen Toasts einen vergaß, der sich auf eine ungeschlachte Weise selbst präsentieren würde.

Er schlug einen Trinkspruch vor auf das Wohl der Nation.

Da ging ein langes Gemurre einem langen Schrei voran.

»Nein, nein,« antworteten im Chor die Anwesenden.

Und der Trinkspruch auf die Nation wurde verworfen.

So hatte das Festmahl seine wahre Richtung, der Strom seinen wahren Fall genommen.

Man hat gesagt und sagt noch, derjenige, welcher diesen Toast vorgeschlagen, sei der herausfordernde Agent der entgegengesetzten Kundgebung gewesen.

Wie dem auch sein mag, sein Wort brachte eine ärgerliche Wirkung hervor. Die Nation vergessen, das geht noch; aber sie beschimpfen, das war zu viel; sie rächte sich dafür.

Da von diesem Augenblick an das Eis gebrochen war, da auf das zurückhaltende Stillschweigen Geschrei und exaltierte Gespräche folgten, so wurde die Disziplin und Schamhaftigkeit zur Chimäre, man ließ die Dragoner, die Grenadiere, die Schweizer, alles, was sich an gemeinen Soldaten im Schlosse fand, eintreten.

Der Wein kreiste, er füllte zehnmal die Gläser, der Nachtisch erschien, er wurde geplündert. Die Trunkenheit war allgemein, die Soldaten vergaßen, daß sie mit ihren Offizieren tranken und anstießen. Das war ein wahrhaft brüderliches Fest.

Überall schreit man: Es lebe der König! es lebe die Königin! So viele Blumen, so viele Lichter, so viel Feuer, welche die vergoldeten Gewölbe regenbogenfarbig erscheinen ließen, so viel freudige, die Stirne erleuchtende Ideen, so viel rötliche Blitze sprangen und vermengten sich um das Haupt dieser Braven! Es bot sich ein Schauspiel, das sehr süß für die Königin, sehr beruhigend für den König zu sehen gewesen wäre.

Dieser so unglückliche König, diese so traurige Königin, die einem solchen Feste nicht beiwohnten!

Dienstfertige Diener machen sich los, laufen zu der Königin, erzählen ihr, übertreiben ihr, was sie gesehen haben.

Da belebt sich das erloschene Äuge der Frau, sie steht auf. Es giebt also noch ein Königtum, eine Zuneigung in französischen Herzen. Es ist also noch Hoffnung vorhanden.

Die Königin schaut mit einem finsteren, trostlosen Blick umher.

Vor ihren Thüren fangen die Diener an zu kreisen. Man bittet, man beschwört die Königin, einen Besuch zu machen, nur zu erscheinen bei diesem Feste, wo zweitausend Begeisterte durch ihre Vivats den Kultus der Monarchie heiligten.

»Der König ist abwesend, ich kann nicht allein gehen,« erwiderte sie traurig.

»Mit Monseigneur dem Dauphin,« sagen einige Unvorsichtige, die in sie dringen.

»Madame, Madame,« flüsterte ihr eine Stimme ins Ohr, »bleiben Sie hier, ich beschwöre Sie, bleiben Sie.«

Sie drehte sich um, es war Herr von Charny.

»Wie,« fragte sie, »Sie sind nicht unten bei diesen Herren?«

»Ich bin zurückgekommen, Madame, es herrscht unten eine Exaltation, deren Folgen mehr, als man glaubt, Eurer Majestät schaden können.«

Marie Antoinette hatte einen jener Tage des Schmollens, des Eigensinns, sie wollte an diesem Tage geflissentlich gerade das Gegenteil von dem thun, was Charny gefallen hätte.

Sie schleuderte dem Grafen einen Blick der Verachtung zu und war im Begriff ihm ein unverbindliches Wort zu erwidern, als er sie durch eine ehrerbietige Gebärde zurückhielt und zu ihr sagte:

»Haben Sie die Gnade, Madame, und warten Sie wenigstens den Rat des Königs ab.«

Er glaubte Zeit zu gewinnen.

»Der König! der König!« riefen mehrere Stimmen. Seine Majestät kommt von der Jagd zurück!

Marie Antoinette steht auf und läuft dem König entgegen, der noch gestiefelt und ganz mit Staub bedeckt ist.

»Mein Herr,« spricht sie zu ihm, »es ist unten ein Schauspiel, würdig des Königs von Frankreich. Kommen Sie!«

Und sie nimmt seinen Arm und zieht ihn fort, ohne Charny anzuschauen, der seine Nägel wütend in seine Brust eindrückt.

Ihren Sohn an der linken Hand führend, geht sie hinab; eine große Menge von Höflingen schreitet ihr voran und treibt sie vorwärts; sie kommt zu den Thüren des Opernsaales in dem Augenblick, wo, mit dem Rufe: »Es lebe der König! es lebe die Königin!« zum zwanzigsten Mal die Gläser geleert wurden.

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06 aralık 2019
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