Kitabı oku: «Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3», sayfa 33
XLIX.
Maillard als General
Die Armee, die Maillard befehligte, war immerhin eine Armee. Sie besaß Kanonen, denen es allerdings an Lafetten und Rädern fehlte, aber man hatte sie in Karren gelegt.
Sie hatte Flinten, – es ist wahr, an vielen fehlte der Hahn oder die Batterie, aber keiner fehlte es an einem Bajonett.
Sie hatte eine Menge andrer Waffen, freilich sehr beschwerliche Waffen, aber es waren doch Waffen.
Sie hatte Pulver in Schnupftüchern, in Hauben, in Säcken und unter diesen lebendigen Patrontaschen spazierten die Artilleristen mit ihren angezündeten Lunten. Wenn das ganze Heer während dieses seltsamen Marsches nicht in die Luft geflogen ist, so ist es nur ein Wunder gewesen.
Maillard hat mit einem Blicke die Stimmung seiner Armee erkannt. Alles, was er thun kann, ist, wie er sieht, nicht, sie auf dem Platze zu halten, nicht, sie an Paris zu fesseln, sondern, sie nach Versailles zu führen und, dort angekommen, das Schlimme zu verhindern, das sie thun könnte.
Demzufolge geht Maillard hinab, er nimmt die Trommel, die am Halse des jungen Mädchens hängt. Hungers sterbend, hat das Mädchen nicht mehr die Kraft, sie zu tragen. Es giebt die Trommel hin, schleicht die Mauer entlang und fällt mit dem Kopfe auf einen Weichstein.
Maillard fragt die junge Person nach ihrem Namen. Sie heißt Madeleine Chambry. Sie schnitt in Holz für die Kirchen. Aber wer denkt jetzt daran, die Kirchen mit schönen Arbeiten in Holz zu beschenken?
Aus Hungersnot ist sie Sträußchenmädchen im Palais-Royal geworden. Aber wer denkt jetzt daran, Blumen zu kaufen, während das Geld fehlt, um Brot zu kaufen?
Sie wird nach Versailles kommen, sie, die diese traurige Deputation versammelt hat; da sie aber zu schwach ist, um zu gehen, so wird sie in einem Wagen fahren.
Ist sie in Versailles angekommen, so wird man verlangen, daß sie mit zwölf andern Weibern in den Palast eingeführt werde; sie wird die hungrige Rednerin sein, sie wird beim König für die Sache der Hungrigen sprechen.
Man klatschte Maillard bei diesem Gedanken Beifall.
So hat also Maillard schon mit einem Worte alle feindseligen Dispositionen geändert.
Ungefähr siebentausend Weiber sind versammelt. Sie setzen sich in Marsch; als sie aber in die Nähe der Tuilerien kommen, erheben sie ein gewaltiges Geschrei.
Maillard steigt auf einen Weichstein, um sein ganzes Heer zu überragen.
»Was wollt Ihr?« fragt er.
»Wir wollen durch die Tuilerien ziehen.«
»Unmöglich,« antwortete Maillard.
»Und warum unmöglich?« schreien siebentausend Stimmen.
»Weil die Tuilerien das Haus des Königs und der Garten des Königs sind; weil ohne Erlaubnis des Königs durch dieselben ziehen, den König beleidigen heißt; es heißt mehr, es heißt in der Person des Königs sich an der Freiheit aller vergreifen.«
»Gut also!« sagten die Weiber, »bitten wir den Portier um Erlaubnis.«
Maillard tritt auf den Portier zu und fragt ihn mit seinem dreieckigen Hut in der Hand:
»Mein Freund, gestatten Sie, daß diese Damen durch die Tuilerien ziehen? Man geht nur durch das Gewölbe, und die Pflanzen und Bäume des Gartens sollen nicht beschädigt werden.«
Statt jeder Antwort zieht der Portier seinen langen Degen und geht auf Maillard los. Maillard zieht den seinigen, der einen Fuß kürzer ist, und kreuzt die Klinge. Während dieser Zeit nähert sich ein Weib dem Portier und streckt ihn mit einem Besenstielstreich auf den Kopf zu den Füßen Maillards nieder.
Zu gleicher Zeit schickt sich ein andres Weib an, dem Portier das Bajonnett in den Leib zu stoßen.
Maillard steckt seinen Degen wieder in die Scheide, nimmt den des Portiers unter einen Arm, die Flinte des Weibes unter den andern, hebt seinen Hut auf, der während des Streites auf den Boden gefallen ist, drückt ihn wieder auf seinen Kopf und setzt seinen Marsch durch die Tuilerien fort, wo nach seinem Versprechen, kein Schaden angerichtet wird.
Lassen wir sie weiter ziehen durch den Cours-la-Reine und gegen Sèvres, wo sie sich in zwei Banden teilen, und sehen wir ein wenig, was in Paris vorging.
Auf den Lärm der siebentausend Weiber, der seinen Widerhall in den entferntesten Quartieren von Paris gefunden hatte, war Lafayette herbeigeeilt.
Er nahm eine Art von Revue auf dem Marsfelde vor. Seit acht Uhr morgens war er zu Pferde; er kam auf den Platz des Stadthauses, als die Mittagsstunde schlug.
Seit dem Anfang der Revolution sprach Lafayette zu Pferde, aß und kommandierte zu Pferde. Als er auf den Quai Pelletier kam, wurde er durch einen Mann aufgehalten, der in starkem Galopp wegritt. Dieser Mann war Gilbert. Er ritt nach Versailles und wollte den König von dem, womit er bedroht war, benachrichtigen und sich zu seiner Verfügung stellen.
Mit zwei Worten erzählte er Lafayette alles.
Dann eilte jeder weiter: Lafayette nach dem Stadthause Gilbert nach Versailles. Nur, da die Weiber auf dem rechten Ufer der Seine marschierten, folgte er dem linken Ufer.
Nachdem ihn die Weiber verlassen, hatte sich der Platz vor dem Stadthause mit Männern, besonders Nationalgardisten gefüllt.
Auf den Lärm, den die Weiber gemacht, war der Lärm der Sturmglocke und des Generalmarsches gefolgt.
Lafayette durchschritt diese ganze Menge, stieg vor den Stufen ab, und ohne sich um Beifallsrufe, gemischt mit Drohungen, die seine Gegenwart erregte, zu bekümmern, diktierte er einen Brief an den König über den Aufstand, der am Morgen stattgefunden hatte.
Er war an der sechsten Zeile, als die Thüre des Sekretariats ungestüm geöffnet wurde.
Lafayette schlug die Augen auf. Eine Deputation von Grenadieren verlangte vom General empfangen zu werden.
Lafayette winkte der Deputation, und ließ sie eintreten.
Der Grenadier, der das Wort zu führen beauftragt war, ging bis an den Tisch vor und sprach mit fester Stimme:
»Mein General, wir sind abgeordnet von zehn Kompagnien Grenadieren; wir halten Sie nicht für einen Verräter, aber wir glauben, daß die Regierung uns verrät. Es ist Zeit, daß alles ein Ende nehme; wir können unsre Bajonette nicht gegen die Weiber kehren, die Brot von uns verlangen. Das Komitee für Anschaffung von Lebensmitteln treibt Unterschleif oder ist unfähig; in dem einen und dem andern Fall muß es anders werden. Das Volk ist unglücklich, die Quelle des Uebels ist in Versailles. Man muß den König holen und nach Paris bringen; man muß das Regiment Flandern und die Gardes-du-corps vernichten, die es gewagt haben, die Kokarde der Nation mit Füßen zu treten. Ist der König zu schwach, um die Krone zu tragen, so lege er sie nieder. Wir werden seinen Sohn krönen, man wird einen Regentschaftsrat ernennen, und alles wird aufs beste gehen.«
Lafayette schaut den Redner ganz verwundert an. Er hat Aufstände gesehen, er hat Ermordungen beweint, aber es ist das erste Mal, daß ihn der revolutionäre Hauch in Wirklichkeit ins Gesicht trifft.
Daß das Volk die Möglichkeit sieht, des Königs zu entbehren, setzt ihn mehr als in Erstaunen, es bringt ihn in Verwirrung.
»Ei!« ruft er, »habt ihr denn im Sinne, gegen den König Krieg zu führen und ihn zu nötigen, uns zu verlassen?«
»Mein General,« antwortet der Redner, »wir lieben und achten den König, und es würde uns sehr leid thun, wenn er uns verließe, denn wir lieben ihn ungemein. Aber sollte er uns verlassen, so haben wir am Ende den Dauphin.«
»Meine Herren,« erwidert Lafayette, »gebt wohl acht auf das, was Ihr thut; Ihr rührt die Krone an, und es ist meine Pflicht, dies nicht zu dulden.«
»Mein General,« entgegnet der Nationalgardist, indem er sich verbeugt, »wir würden für Sie unser Blut bis auf den letzten Tropfen hingeben. Aber das Volk ist unglücklich; die Quelle des Nebels ist in Versailles, wir müssen den König holen und nach Paris bringen, das Volk will es.«
Lafayette sieht, daß er mit seiner Person bezahlen muß. Das ist eine Notwendigkeit, vor der er nie zurückgewichen wäre.
Er geht mitten auf den Platz des Stadthauses hinab und will das Volk anreden; aber das Geschrei: Nach Versailles! nach Versailles! bedeckte seine Stimme.
Plötzlich wird ein gewaltiger Lärm auf der Seite der Rue de la Vannerie hörbar. Es ist Bailly, der sich ebenfalls nach dem Stadthause begiebt.
Bei dem Anblick von Bailly brechen die Schreie: Brot! Brot! Nach Versailles! nach Versailles! auf allen Seiten los.
Zu Fuß, in der Menge verloren, fühlt Lafayette, daß die Flut immer mehr steigt und ihn zu verschlingen im Begriff ist.
Er durchschneidet die Menge, um zu seinem Pferde zu gelangen. Er erreicht es, schwingt sich auf den Sattel und treibt es in der Richtung der Freitreppe an; aber der Weg ist völlig versperrt zwischen ihm und dem Stadthause; Mauern von Menschen sind emporgewachsen.
»Beim Henker! mein General, Sie werden bei uns bleiben,« rufen diese Menschen.
Zugleich schreien alle Stimmen: »Nach Versailles! nach Versailles!«
Lafayette schwankt, zögert. Ja, ohne Zweifel kann er, wenn er sich nach Versailles begiebt, dem König sehr nützlich sein; doch wird er auch Herr dieser Volksmasse bleiben, die ihn nach Versailles fortziehen will? Wird er diese Wellen beherrschen, durch die er den Grund verloren hat, und gegen die er selbst, wir er fühlt, für sein eigenes Heil kämpft?
Plötzlich steigt ein Mann die Stufen der Freitreppe herab, dringt mit einem Briefe in der Hand durch die Menge und arbeitet mit Händen und Füßen so gut, daß er bis zu Lafayette gelangt. Dieser Mann ist der unermüdliche Billot.
»Nehmen Sie, General,« spricht er, »das ist von den Dreihundert.«
So nannte man die Wähler.
Lafayette erbricht das Siegel und sucht den Brief leise zu lesen; aber gleichzeitig rufen ihm zwanzigtausend Stimmen zu:
»Den Brief! den Brief!«
Lafayette ist also genötigt, den Brief laut zu lesen. Er winkt, um Stillschweigen zu verlangen. In demselben Augenblick folgt, wie durch ein Wunder, die Stille auf den ungeheuren Tumult, und ohne daß man ein einziges Wort verliert, liest Lafayette folgenden Brief:
»In Betracht der Umstände und des vom Volke ausgesprochenen Wunsches, sowie auf die Vorstellung des Herrn Generalkommandanten, daß es unmöglich sei, dies zu verweigern, ermächtigt man den Herrn Generalkommandanten und befiehlt ihm sogar, sich nach Versailles zu begeben.
Vier Kommissäre der Gemeinde werden ihn begleiten.
Der arme Lafayette hatte den Herren Wählern, denen es nicht unangenehm war, einen Teil der Verantwortlichkeit für die Ereignisse, die vorfallen würden, ihm zu überlassen, durchaus keine Vorstellung gemacht. Aber das Volk glaubte, er habe es wirklich gethan, und das Volk, mit dessen Wünschen die Vorstellung des Generalkommandanten im Einklang stand, das Volk rief: Es lebe Lafayette!
Da wiederholte Lafayette erbleichend:
»Nach Versailles«
Fünfzehntausend Männer folgten ihm mit einem Enthusiasmus, der stiller, aber zugleich furchtbarer war, als der der Weiber, die als Vorhut abgegangen waren.
Alle diese Menschen sollten sich in Versailles aneinander anschließen, um vom König die bei der Orgie am 1. und 2. Oktober von der Tafel der Gardes-du-corps gefallenen Brotkrümchen zu verlangen.
L.
Ungnade
Wie immer, war man in Versailles in völliger Unwissenheit über das, was in Paris vorging.
Nach der geschilderten Szene, zu der sich die Königin am andern Tag Glück gewünscht, ruhte sie aus.
Sie besaß ein Heer, sie besaß Trabanten, sie hatte ihre Feinde gezählt, sie wünschte den Kampf zu beginnen.
Hatte sie nicht die Niederlage vom 14. Juli zu rächen? Hatte sie nicht die Fahrt des Königs nach Paris, eine Fahrt, von der er mit der dreifarbigen Kokarde am Hut zurückgekommen, bei ihrem Hofe und bei sich selbst vergessen zu machen?
Die arme Frau, sie dachte nicht von fern an die Fahrt, die sie selbst zu machen genötigt sein sollte.
Seit ihrem Streite mit Charny hatte sie nicht mehr mit diesem gesprochen. Sie befliß sich scheinbar, Andrée mit jener alten, einen Augenblick in ihrem Herzen verdüsterten Freundschaft zu behandeln, die aber im Busen ihrer Nebenbuhlerin auf immer erloschen war.
Was Charny betrifft, so wandte sie sich nur an ihn, wenn sie genötigt war, wegen seines Dienstes ein Wort an ihn zu richten oder ihm einen Befehl zu geben.
Das war keine Familienungnade, denn gerade am Morgen des Tages, wo die Pariser Paris verlassen sollten, um nach Versailles zu kommen, sah man die Königin sehr freundlich mit dem jungen Georges von Charny plaudern, mit dem zweiten der drei Brüder, der, Olivier entgegengesetzt, der Königin bei der Nachricht von der Einnahme der Bastille, so kriegerische Ratschläge gegeben hatte.
Gegen neun Uhr morgens schritt dieser junge Offizier durch die Gallerie, um dem Jägermeister zu melden, der König wolle jagen, als ihn Marie Antoinette erblickte.
»Wohin eilten Sie so, mein Herr?« fragte sie.
»Ich eilte nicht mehr, sobald ich Eure Majestät erblickte,« erwiderte Georges; »ich blieb im Gegenteil stehen und wartete in Demut auf die Ehre, die sie mir dadurch erweist, daß sie mich anspricht.«
»Das verhindert Sie nicht, mein Herr, mir zu antworten und mir zu sagen, wohin Sie gehen.«
»Madame, ich bin von der Eskorte. Seine Majestät jagt, und ich will die Befehle des Oberjägermeisters einholen.«
»Ah! der König jagt heute abermals,« sprach die Königin, während sie nach den Wolken schaute, die schwer und schwarz von Paris her rollten; »er hat unrecht. Man sollte glauben, das Wetter drohe, nicht wahr, Andrée?«
»Ja, Madame,« antwortete die junge Frau zerstreut.
»Sind Sie nicht dieser Ansicht, mein Herr?«
»Doch, Madame; aber der König will es.«
»Der Wille des Königs geschehe in den Wäldern und auf den Straßen,« antwortete die Königin mit der ihr natürlichen Heiterkeit, die ihr weder die Bekümmernisse ihres Herzens, noch die politischen Störungen zu rauben vermochten.
Dann wandte sie sich gegen Andrée um und sagte, die Stimme dämpfend:
»Es ist noch das wenigste, dessen sich der König erfreut.«
Und sie fragte Georges laut:
»Mein Herr, können Sie mir sagen, wo der König jagt?«
»Im Walde von Meudon, Madame.«
»Wohlan, so begleiten Sie ihn und wachen Sie über ihm.«
In diesem Augenblick war der Graf von Charny zurückgekehrt. Er lächelte Andrée sanft zu, schüttelte den Kopf und sagte zur Königin:
»Das ist eine Empfehlung, Madame, der sich mein Bruder, nicht inmitten der Vergnügungen des Königs, sondern inmitten seiner Gefahren erinnern soll.«
Beim Tone dieser Stimme, die an ihr Ohr traf, ohne daß ihr Gesicht von der Gegenwart Charnys benachrichtigt worden war, bebte Marie Antoinette, wandte sich um und sagte mit einer verächtlichen Härte:
»Ich würde mich sehr gewundert haben, wäre dieses Wort nicht von dem Herrn Grafen Olivier von Charny gekommen.«
»Warum dies, Madame?« fragte ehrerbietig der Graf.
»Weil es eine Unglücksprophezeiung ist, mein Herr.«
Andrée erbleichte, als sie den Grafen erbleichen sah.
Er verbeugte sich, ohne zu antworten.
Dann, auf einen Blick seiner Frau, die darüber, daß sie ihn so geduldig fand, zu erstaunen schien, sagte er:
»Ich bin wahrhaftig sehr unglücklich, daß ich nicht mehr weiß, wie man mit der Königin spricht, ohne sie zu beleidigen.«
Dieses mehr wurde betont, wie auf dem Theater ein geschickter Schauspieler die wichtigen Silben betont.
Die Königin hatte ein zu geübtes Ohr, um nicht im Fluge die Absichtlichkeit aufzufassen, die Charny diesem Worte gegeben hatte.
»Mehr?« sagte sie lebhaft, »mehr, was bedeutet mehr?«
»Ich habe mich abermals schlecht ausgedrückt, wie es scheint,« erwiderte Herr von Charny einfach.
Und er wechselte mit Andrée einen Blick, den diesmal die Königin auffing.
Sie erbleichte ebenfalls und rief zornig:
»Das Wort ist schlecht, wenn die Absicht schlecht ist.«
»Das Ohr ist feindselig, wenn der Geist feindselig ist,« erwiderte Charny.
Und nach dieser mehr gerechten, als ehrerbietigen Entgegnung schwieg er.
»Ich werde, um zu antworten, warten, bis Herr von Charny mehr Glück in seinen Angriffen hat,« sagte die Königin.
»Und ich,« erwiderte Charny, »werde, um anzugreifen, warten, bis die Königin in der Wahl ihrer Diener glücklicher ist, als seit einiger Zeit.«
Andrée ergriff rasch die Hand ihres Mannes und schickte sich an, mit ihm wegzugehen.
Ein Blick der Königin hielt sie zurück. Diese hatte die Bewegung gesehen.
»Aber was hatte er mir denn zu sagen, Ihr Mann?« fragte die Königin.
»Er wollte Eurer Majestät sagen, vom König nach Paris abgeschickt, habe er Paris in einer sonderbaren Gährung gefunden.«
»Abermals!« rief die Königin; »und aus welchem Anlaß? Die Pariser haben die Bastille eingenommen und sind im Zuge, sie zu zerstören. Was wollen sie mehr? Antworten Sie, Herr von Charny.«
»Das ist wahr, Madame,« erwiderte der Graf; »doch da sie die Steine nicht essen können, so sagen sie, sie haben Hunger.«
»Sie haben Hunger! sie haben Hunger»« rief die Königin. »Was sollen wir dabei thun?«
»Madame, es hat eine Zeit gegeben, wo die Königin die erste war, die Mitleid mit den Schmerzen des Volkes empfand und sie erleichterte. Es gab eine Zeit, wo sie bis zu den Mansarden der Armen emporstieg, und wo die Gebete der Armen zu Gott emporstiegen.«
»Ja,« erwiderte bitter die Königin, »und nicht wahr, ich bin gut belohnt worden für dieses Mitleid mit dem Elend der andern? Eines meiner größten Mißgeschicke nahm seinen Ursprung davon, daß ich in eine solche Mansarde hinaufgestiegen bin»«
»Weil Eure Majestät sich einmal getäuscht, weil sie ihre Gnade und ihre Gunstbezeigungen auf eine elende Kreatur ausgedehnt hat, darf sie deswegen die ganze Menschheit nach dem Standpunkt einer Schändlichen messen? Ah! Madame, wie geliebt waren Sie zu jener Zeit!«
Die Königin schleuderte Charny einen Flammenblick zu.
»Sagen Sie kurz, was gestern in Paris vorfiel,« rief sie.
»Sagen Sie mir nur Dinge, die Sie gesehen haben, mein Herr; ich will der Wahrheit Ihrer Worte sicher sein.«
»Was ich gesehen habe, Madame! Ich habe einen Teil der Bevölkerung auf den Quais zusammengeschart gesehen, der vergeblich die Ankunft von Mehl erwartete. Ich habe einen andern Teil in Reihen vor den Thüren der Bäcker stehen sehen, vergeblich wartend auf Brot. Was ich gesehen habe; ein ausgehungertes Volk, Männer, die ihre Weiber, Weiber, die ihre Kinder ansahen mit Blicken voll Trauer; geballte, drohende Fäuste gegen Versailles ausgestreckt. Ah! Madame, die Gefahren, von denen ich sprach, die Gelegenheit, für Eure Majestät zu sterben, ein Glück, das mein Bruder und ich zuerst in Anspruch nehmen, ich fürchte, diese Gelegenheit wird uns bald geboten sein.«
Die Königin wandte Charny mit einer Bewegung der Ungeduld den Rücken zu und lehnte ihre brennende, obgleich bleiche Stirne an die Scheibe eines Fensters an.
Kaum hatte sie die tiefe Bewegung gemacht, als man sie beben sah.
»Andrée,« sagte sie, »sehen Sie doch, wer der Reiter ist, der zu uns kommt; er scheint der Überbringer sehr dringender Nachrichten zu sein.«
Andrée näherte sich dem Fenster; doch beinahe in demselben Augenblick trat sie erbleichend einen Schritt zurück.
»Ah! Madame,« sagte sie mit einem Tone des Vorwurfs.
Charny trat rasch ans Fenster, er hatte nichts von dem, was vorgegangen, verloren.
»Dieser Reiter,« sagte er, indem er nacheinander die Königin und Andrée anschaute, dieser Reiter ist Doktor Gilbert.
»Ach! es ist wahr,« sprach die Königin, auf eine Art, daß es selbst Andrée unmöglich war, zu beurtheilen, ob Marie Antoinette sie in einem von jenen Anfällen weiblicher Rache, denen sich die arme Frau überließ, ans Fenster gerufen hatte, oder ob ihre durch die Nachtwachen und die Thränen geschwächten Augen auf eine gewisse Entfernung selbst diejenigen nicht mehr erkannten, welche zu erkennen sie Interesse hatte.
Ein eisiges Stillschweigen breitete sich sogleich über den drei Hauptpersonen dieser Szene aus, die nur noch fragen und antworten konnten mittelst Blicken.
Es war wirklich Gilbert, der mit den unglücklichen Nachrichten ankam, die Charny vorhergesehen hatte.
Von Seiten der drei Personen fand nun ein ängstliches Warten von einigen Minuten statt.
Plötzlich wurde die Thüre geöffnet, ein Offizier trat ein und meldete:
»Madame, Doktor Gilbert, der soeben angekommen ist, um den König in sehr wichtigen, dringenden Angelegenheiten zu sprechen, bittet um die Ehre, von Eurer Majestät empfangen zu werden, da der König seit einer Stunde nach Meudon abgegangen ist.«
»Er trete ein!« rief die Königin, einen bis zur Härte festen Blick auf die Thüre heftend, während Andrée, als müßte sie einen natürlichen Beistand in ihrem Manne finden, rückwärts ging und sich auf den Arm des Grafen stützte.
Gilbert erschien auf der Thürschwelle.