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Kitabı oku: «Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3», sayfa 35

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Dann, da die Angreifenden auf ihn losstürzen, zieht er die Thüre zu und ruft:

»Schließen Sie die Riegel. Ich werde lange genug leben, um der Königin Zeit zu lassen, aufzustehen und zu fliehen.«

Und er dreht sich um und durchbohrt mit seinem Bajonett die zwei ersten, die er im Korridor trifft.

Die Königin hatte alles gehört, und als Andrée in ihr Zimmer eintrat, fand sie Marie Antoinette bereits außer dem Bette. Zwei von ihren Frauen, Madame Hogue und Madame Thibault, kleiden sie in Eile an.

Halb angekleidet, führen sie sodann die zwei Frauen durch einen geheimen Gang zum König fort, während immer ruhig und wie gleichgültig gegen ihre eigene Gefahr, Andrée eine nach der andern, mit dem Riegel jede Thüre verschließt, durch die sie Marie Antoinette auf dem Fuße folgt.

LIV.
Der Morgen

Auf der Grenze der beiden Wohnungen erwartete ein Mann die Königin.

Es war Charny, überströmt von Blut.

»Der König!« rief Marie Antoinette, als sie Charnys blutige Kleider sah. »Der König! mein Herr, Sie haben versprochen, den König zu retten!«

»Der König ist gerettet, Madame,« antwortete Charny.

Und er tauchte seinen Blick durch die Thüren, welche die Königin offen gelassen hatte, um von ihren Gemächern zum Oeil-de-Boeuf zu gelangen, wo in diesem Augenblick die Königin, Madame Royale, der Dauphin und einige Gardisten versammelt waren, und wollte eben fragen, wo Andrée sei, als er dem Blicke der Königin begegnete.

Dieser Blick hielt ihm das Wort auf seinen Lippen zurück.

Doch der Blick der Königin drang noch tiefer in sein Herz ein. Er hatte nicht nötig, zu sprechen; Marie Antoinette erriet, seine Gedanken.

»Sie kommt,« sagte sie, »seien Sie unbesorgt.«

Und sie lief zum Dauphin und nahm ihn in ihre Arme.

Andrée und Charny wechselten nicht ein Wort.

Das Lächeln des einen erwiderte das Lächeln der andern.

Seltsam! diese zwei so lange getrennten Herzen hatten nun Schläge, die einander antworteten.

Während dieser Zeit schaute die Königin umher, und als wäre sie glücklich gewesen, Charny bei einem Versehen zu ertappen, fragte sie:

»Der König? der König?«

»Der König sucht Sie, Madame,« antwortete Charny ruhig. »Er ist durch einen Korridor zu Ihnen gegangen, während Sie durch einen andern gekommen sind.«

In demselben Augenblick hört man gewaltiges Geschrei im anstoßenden Saal.

Das waren Mörder, die schreien: »Nieder mit der Österreicherin! nieder mit der Messalina! nieder mit der Veto! Man muß sie erdrosseln, man muß sie aufhängen!«

Zu gleicher Zeit werden zwei Pistolenschüsse hörbar, und zwei Kugeln durchlöchern die Thüre in verschiedenen Höhen.

Eine von den Kugeln flog über den Kopf des Dauphin vorüber und drang in das Getäfel ein.

»Oh! mein Gott! mein Gott!« rief die Königin, auf die Kniee fallend, wir werden alle sterben.

Auf einen Wink von Charny bildeten die fünf bis sechs Gardisten sodann einen Wall für die Königin und die zwei königlichen Prinzen.

In diesem Augenblick erschien der König, die Augen voll Thränen, das Gesicht bleich; er rief der Königin, wie die Königin dem König gerufen hatte.

Er erblickte sie und warf sich in ihre Arme.

»Gerettet! gerettet!« rief die Königin.

»Durch ihn, Madame,« antwortete der König, auf Charny deutend; »und Sie, auch gerettet, nicht wahr?«

»Durch seinen Bruder,« erwiderte die Königin.

»Mein Herr,« sprach Ludwig XVI, zum Grafen, »wir sind Ihrer Familie viel schuldig, zu viel, als daß wir unsre Schuld je bezahlen könnten.«

Die Königin begegnete dem Blick von Andrée und wandte errötend den Kopf ab.

Die Streiche der Angreifenden begannen an der Thüre zu erschallen.

»Auf, meine Herren,« sprach Charny, »wir müssen hier eine Stunde fest halten. Wir sind unser sieben, und man wird, wenn wir uns gut verteidigen, wohl eine Stunde brauchen, um uns zu töten. Binnen einer Stunde muß man notwendig Ihren Majestäten zu Hilfe kommen.«

Und mit diesen Worten packte Charny einen ungeheuren Schrank, der in der Ecke des königlichen Zimmers stand.

Man folgte seinem Beispiel, und bald war eine Menge von Möbeln aufgehäuft, durch die sich die Garden Schießscharten machten, um durchzufeuern.

Die Königin nahm ihre zwei Kinder in ihre Arme, erhob ihre Hände über ihrem Haupte und betete.

Die Kinder erstickten ihr Schluchzen und ihre Thränen. Der König ging in das an das Oeil-de-Boeuf anstoßende Kabinett, um einige kostbare Papiere zu verbrennen, die er den Angreifenden entziehen wollte.

Diese wüteten gegen die Thüre. Jeden Augenblick sah man ein Stück davon unter der Schneide einer Axt oder unter der Wucht eines Brecheisens springen.

Durch die Öffnungen drangen die Piken mit der geröteten Zunge, die Bajonette mit der blutigen Spitze und suchten den Tod zu bereiten.

Zu gleicher Zeit durchlöcherten die Kugeln den Rahmen über der Barrikade und durchfurchten den Gips des vergoldeten Plafonds.

Endlich stürzte eine Bank von dem Schranke herab. Der Schrank spaltete sich; eine ganze Füllung der Thüre öffnete sich gähnend wie ein Schlund, und man sah durch die erweiterte Öffnung, statt der Bajonette und der Piken, blutige Arme dringen, die sich an die Öffnungen anklammerten und sie immer mehr erweiterten.

Die Gardisten hatten ihre letzten Patronen verschossen, und zwar nicht unnütz, denn durch die zunehmende Öffnung sah man den Boden der Gallerie mit Verwundeten und Toten bestreut.

Auf das Geschrei der Frauen, die durch diese Öffnung schon den Tod eintreten zu sehen glaubten, kam der König zurück.

»Sire,« sagte Charny, »schließen Sie sich mit der Königin im entferntesten Kabinett ein; verriegeln Sie hinter Ihnen alle Thüren; stellen Sie zwei von uns hinter die Thüren. Ich stehe für zwei Stunden; sie haben mehr als vierzig Minuten gebraucht, um diese zu durchbrechen.«

Der König zauderte; es kam ihm demütigend vor, so von Zimmer zu Zimmer zu fliehen.

Hätte er nicht die Königin gehabt, er wäre nicht einen Schritt zurückgewichen, hätte die Königin nicht ihre Kinder gehabt, sie wäre so fest geblieben, als der König.

Aber, ach! arme Menschen! Könige oder Unterthanen, wir haben immer im Herzen eine geheime Öffnung, durch welche die Kühnheit flieht und der Schrecken eintritt.

Der König war also im Begriff, den Befehl zu geben, in das abgelegenste Kabinett zu fliehen, als plötzlich die mörderischen Arme sich zurückzogen, die Piken und die Bajonette verschwanden, die Schreie und die Drohungen erloschen.

Es trat ein Augenblick des Stillschweigens ein, wo jeder Mund offen, jedes Ohr gespannt, jeder Atem gehemmt blieb.

Dann hörte man den abgemessenen Schritt einer regelmäßigen Truppe.

»Das ist die Nationalgarde!« rief Charny.

»Herr von Charny! Herr von Charny!« rief eine Stimme.

Und zu gleicher Zeit erschien das wohlbekannte Gesicht von Billot an der Öffnung.

»Billot!« rief Charny; »Sie sind es, mein Freund?«

»Ja, ich bin es. Der König und die Königin, wo sind sie?«

»Sie sind hier.«

»Unversehrt?«

»Unversehrt.«

»Gott sei gelobt! Herr Gilbert! Herr Gilbert! hierher!«

Beim Namen Gilbert bebten zwei Frauenherzen auf eine sehr verschiedene Art.

Charny wandte sich instinktartig um, er sah Andrée und die Königin bei diesem Namen erbleichen.

Er schüttelte den Kopf und seufzte.

»Öffnen Sie die Thüren, meine Herren,« sagte der König.

Die Gardes-du-corps stürzten hinzu und zerstreuten die Trümmer der Barrikade.

Während dieser Zeit hörte man die Stimme Lafayettes rufen:

»Meine Herren von der Pariser Nationalgarde, ich habe gestern Abend dem König mein Wort gegeben, es würde allem, was Seiner Majestät gehört, nichts Böses widerfahren. Wenn Sie die Gardisten ermorden lassen, so machen Sie, daß mein Ehrenwort gebrochen ist, und ich bin dann nicht mehr würdig, Ihr Chef zu sein.«

Als die Thüre sich öffnete, waren die Personen, die man erblickte, der General Lafayette und Gilbert; etwas links stand Billot, ganz freudig über den Anteil, den er an der Befreiung des Königs gehabt hatte.

Billot hatte Lafayette aufgeweckt.

Hinter Lafayette stand der Kapitän Gondran, Kommandant der Kompagnie von Saint-Philippe-du-Roule.

Madame Adelaide war die erste, die Lafayette entgegenlief, sie schlang ihre Arme mit der Dankbarkeit des Schreckens um seinen Hals und rief:

»Ah! mein Herr, Sie haben uns gerettet!

Lafayette trat ehrerbietig vor, um über die Schwelle des Oeil-de-Boeuf zu schreiten; doch ein Offizier hielt ihn zurück und fragte:

»Verzeihen Sie, mein Herr, haben Sie die großen Entrées?

»Wenn er sie nicht hat, so gebe ich sie ihm,« sprach der König, Lafayette die Hand reichend.

»Es lebe der König! es lebe die Königin!« rief Billot.

Der König wandte sich um.

»Das ist eine Stimme, die ich kenne,« sagte er lächelnd.

»Sie sind sehr gnädig, Sire,« antwortete der brave Pächter. »Ja, ja, es ist die Stimme von der Fahrt nach Paris. Ah! wenn Sie in Paris geblieben wären, statt hierher zurückzukehren!«

Der König faltete die Stirn.

»Ja,« sagte er, »sie sind äußerst liebenswürdig, die Pariser!«

»Nun?« fragte der König Herrn von Lafayette, wie einer, der sagen will: Was ist Ihrer Ansicht nach zu thun?

»Sire,« antwortete ehrerbietig Herr von Lafayette, »ich glaube, es wäre gut, wenn Eure Majestät sich auf dem Balkon zeigte.«

Der König befragte Gilbert, doch nur mit dem Auge.

Darauf ging er gerade auf das Fenster zu, öffnete es und erschien auf dem Balkon.

Es erscholl ein gewaltiger Ruf, ein einstimmiger Ruf:

»Es lebe der König!«

Dann folgte ein zweiter Ruf auf den ersten:

»Der König nach Paris!«

Und zwischen diesen zwei Rufen schrieen furchtbare Stimmen:

»Die Königin! die Königin!«

Bei diesem Schrei bebte alle Welt; der König erbleichte, Charny erbleichte, selbst Gilbert erbleichte.

Die Königin erhob das Haupt.

Auch bleich, die Lippen zusammengepreßt, die Stirne gefaltet, stand sie beim Fenster.

Madame Royale lehnte sich an sie. Vor ihr war ihr Dauphin, und auf dem blonden Kopfe des Kindes preßte sich krampfhaft ihre marmorweiße Hand an.

»Die Königin! die Königin!« fuhren die Stimmen fort, die immer furchtbarer wurden.

»Das Volk wünscht Sie zu sehen, Madame,« sagte Lafayette.

»Oh! gehen Sie nicht, meine Mutter!« rief Madame Royale, in Thränen zerfließend, indem sie ihren Arm um den Hals der Königin schlang.

Die Königin schaute Lafayette an.

»Fürchten Sie nichts, Madame,« sagte er.

»Wie! ganz allein!« versetzte die Königin.

Lafayette lächelte, und ehrerbietig, mit jenen anmutigen Manieren, die er bis in sein Alter behielt, machte er die zwei Kinder von ihrer Mutter los und schob sie zuerst auf den Balkon.

Dann bot er der Königin den Arm und sprach:

»Eure Majestät geruhe, sich mir anzuvertrauen, und ich stehe für Alles.«

Und er führte die Königin auch auf den Balkon.

Es war ein entsetzliches Schauspiel, und ganz geeignet, den Schwindel zu geben, das Schauspiel, das der Marmorhof, verwandelt in ein Menschenmeer von heulenden Wellen, bot.

Beim Anblick der Königin brach ein ungeheurer Schrei aus dieser Menge hervor, und man hätte nicht sagen können, ob es ein Schrei der Drohung oder ein Freudenschrei war.

Lafayette küßte der Königin die Hand; dann erscholl ein allgemeiner Beifallsruf.

In dieser edlen französischen Nation ist bis in den bürgerlichen Adern ritterliches Blut.

Die Königin atmete freier.

»Seltsames Volk!« sagte sie. Dann bebte sie plötzlich und sprach:

»Und meine Gardisten, mein Herr, meine Gardisten, die mir das Leben gerettet haben, vermögen Sie nichts für sie?«

»Geben Sie mir einen, Madame,« erwiderte Lafayette.

»Herr von Charny! Herr von Charny!« rief die Königin.

Aber Charny machte einen Schritt rückwärts, er hatte begriffen, um was es sich handelte.

Er wollte nicht für den Abend des 1. Oktobers öffentliche Abbitte thun.

Da er nicht schuldig war, so bedurfte er keiner Amnestie.

Andrée ihrerseits hatte denselben Eindruck gefühlt; sie hatte die Hand gegen Charny ausgestreckt, um ihn zurückzuhalten.

Ihre Hand begegnete der Hand des Grafen, diese beiden Hände drückten sich.

Die Königin sah es, sie, die doch in diesem Augenblick so viele Dinge zu sehen hatte.

Ihr Auge flammte, und mit stöhnender Brust, mit stockender Stimme sagte sie zu einem Gardisten:

»Mein Herr, mein Herr, kommen Sie, ich befehle es Ihnen.«

Der Gardist gehorchte.

Er hatte nicht dieselben Gründe des Zögerns wie Charny.

Herr von Lafayette zog den Gardisten auf den Balkon, steckte ihm seine eigene dreifarbige Kokarde an den Hut und umarmte ihn.

»Es lebe Lafayette! es leben die Gardes-du-corps!« riefen fünfzigtausend Stimmen.

Einige Stimmen wollten das dumpfe Murren, die letzte Drohung des entfliehenden Sturmes, hören lassen.

Aber sie wurden durch den allgemeinen Zuruf bedeckt.

»Wohlan!« sagte Lafayette, »alles ist beendigt, und das schöne Wetter ist wiedergekehrt!«

Dann trat er zurück und sprach:

»Doch damit es nicht abermals getrübt werde, Sire, bleibt ein letztes Opfer zu bringen.«

»Ja,« versetzte der König nachdenkend, »Versailles verlassen, nicht wahr?«

»Und nach Paris kommen, Sire.«

»Mein Herr,« sagte der König, »Sie können dem Volke verkünden, in einer Stunde werden wir, die Königin, ich und meine Kinder, nach Paris abgehen.«

»Dann zur Königin:

»Madame gehen Sie in Ihre Gemächer und treffen Sie Anstalten.«

Dieser Befehl des Königs schien Charny an etwas wie ein wichtiges Ereignis, das er vergessen hatte, zu erinnern.

Er eilte der Königin voran.

»Was wollen Sie bei mir machen, mein Herr?« fragte die Königin hart; »Sie haben nichts dort zu thun.«

»Ich wünsche es sehr lebhaft, Madame,« erwiderte Charny, »und wenn ich wirklich nichts dort zu thun habe, so werde ich nicht so lange bleiben, daß meine Gegenwart Eurer Majestät mißfallen könnte.«

Die Königin folgte ihm. Blutspuren befleckten den Boden; die Königin sah sie. Marie Antoinette schloß die Augen, suchte einen Arm, um sie zu führen, nahm den von Charny und ging so ein paar Schritte blind.

Plötzlich fühlte sie, wie Charny am ganzen Leibe schauerte.

»Was giebt es, mein Herr?« fragte sie, die Augen wieder öffnend. Dann rief sie:

»Ein Leichnam! ein Leichnam!«

»Eure Majestät wird mich entschuldigen, wenn ich ihren Arm loslasse,« sagte Charny. »Ich habe gefunden, was ich bei ihr gesucht, den Leichnam meines Bruders Georges.«

Es war in der That der des unglücklichen jungen Mannes, dem sein Bruder befohlen hatte, sich für die Königin töten zu lassen.

Er hatte pünktlich gehorcht.

LV.
Georges von Charny

Die Erzählung, die wir gegeben haben, ist schon auf hundert verschiedene Arten gemacht worden, denn es ist sicherlich eine der interessantesten aus der großen von 1789 bis 1795 verlaufenen Periode, die man die französische Revolution nennt.

Sie wird noch auf hundert verschiedene Arten gemacht werden, aber wir versichern zum voraus, niemand wird es mit mehr Unparteilichkeit thun, als wir.

Doch nach allen diesen Erzählungen wird noch sehr viel zu thun bleiben, denn die Geschichte ist nie vollständig! Unter hunderttausend Zeugen hat jeder seine eigene Darstellung; unter hunderttausend verschiedenen Einzelheiten hat jede ihr Interesse und ihre Poesie gerade dadurch, daß sie verschieden sind.

Doch wozu werden diese Erzählungen dienen? hat je eine politische Lektion einen Politiker unterrichtet?

Haben je die Thränen und das Blut der Könige die Macht des einfachen Wassertropfens gehabt, der die Steine aushöhlt?

Nein, die Königinnen haben geweint; die Könige sind ermordet worden, und zwar ohne daß ihre Nachfolger aus der schrecklichen Lehre des Schicksals jemals einen Nutzen gezogen hätten.

Die ergebenen Menschen haben ihre Ergebenheit verschwendet, ohne daß denjenigen, welche vom Verhängnis zum Unglück bestimmt waren, ein Vorteil daraus erwachsen wäre.

Ach! wir haben die Königin über den Leichnam von einem jener Menschen beinahe stolpern sehen, welche die Könige ganz blutig auf dem Wege liegen lassen, den sie bei ihrem Fall durchlaufen haben.

Einige Stunden nach dem Schreckensschrei, den die Königin ausgestoßen, und in dem Augenblick, wo sie mit dem König und ihren Kindern Versailles, wohin sie nicht mehr zurückkehren sollte, verließ, ereignete sich in einem kleinen inneren, vom Regen befeuchteten Hof, den ein scharfer Herbstwind zu trocknen anfing, folgendes:

Ein schwarz gekleideter Mann neigte sich über einen Leichnam.

Ein Mann in der Uniform der Garden kniete auf der andern Seite des Leichnams.

Drei Schritte von ihnen stand, die Hände krampfhaft geballt, die Augen starr, ein dritter Gefährte.

Der Tote war ein junger Mann von zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig Jahren, dessen ganzes Blut durch die breiten Wunden, die er am Kopf und an der Brust erhalten, ausgeströmt zu sein schien. Ganz durchfurcht und bläulichweiß geworden, schien sich seine Brust unter dem angestrengten Atem eines hoffnungslosen Kampfes noch zu heben.

Sein leicht geöffneter Mund, sein mit einem Ausdruck des Schmerzes und des Zornes zurückgeworfener Kopf erinnerten den Geist an jenes schöne Bild des römischen Volks: Und mit einem langen Seufzer entflieht das Leben nach der Wohnung der Schatten.

Der schwarz gekleidete Mann war Gilbert.

Der Offizier auf den Knieen war der Graf Charny.

Der stehende Mann war Billot.

Der Leichnam war der des Barons Georges von Charny.

Gilbert, der sich über den Leichnam neigte, schaute mit jener erhabenen Starrheit, die bei dem Sterbenden das Leben, das zu entfliehen im Begriff ist, zurückhält, und bei dem Toten die entflohene Seele beinahe zurückruft.

»Kalt, starr; er ist tot, ganz tot,« sprach er endlich.

Der Graf von Charny gab ein heiseres Stöhnen von sich, schloß den unempfindlichen Leib in seine Arme und brach in ein so herzzerreißendes Schluchzen aus, daß der Arzt schauderte und Billot den Kopf in einem Winkel des kleinen Hofes verbarg.

Dann hob der Graf plötzlich den Leichnam auf, lehnte ihn an die Mauer an, zog sich langsam zurück und schaute immer, ob sein toter Bruder sich nicht wieder beleben und ihm folgen würde.

Gilbert blieb auf einem Knie, den Kopf auf seine Hand gestützt, nachdenkend, erschrocken, unbeweglich.

Billot verließ nun seinen düstern Winkel und trat auf Gilbert zu. Er hörte nicht mehr das Schluchzen des Grafen, das ihm das Herz zerrissen hatte.

»Ach! ach! Herr Gilbert,« sprach er, »dies ist also entschieden der Bürgerkrieg, und das, was Sie mir vorhergesagt haben, geschieht, nur geschieht die Sache schneller, als ich glaubte, und als Sie selbst glaubten. Ich habe diese Schurken unredliche Leute ermorden sehen. Ich sehe nun diese Schurken redliche Leute ermorden. ich habe Flesselles, ich habe Herrn Launay, ich habe Foulon, ich habe Berthier niedermetzeln sehen. Ich habe an allen meinen Gliedern gebebt, und es hat mir in den Adern geschaudert.

»Und die Menschen, die man dort tödtete, waren doch nur Elende.«

»Damals, Herr Gilbert, haben Sie mir vorhergesagt, es werde ein Tag kommen, wo man die ehrlichen Leute töte.«

»Man hat den Herrn Baron von Charny getötet. Ich bebe nicht mehr, ich weine; es schaudert mich nicht mehr vor den andern, ich habe Furcht vor mir selbst.«

»Billot!« versetzte Gilbert.

Doch ohne zu hören, fuhr Billot fort:

»Hier ist ein armer junger Mann, den man gemordet,« Herr Gilbert; »er war ein Soldat im Kampf; er mordete nicht, aber man hat ihn ermordet.«

Billot stieß einen Seufzer aus, der aus der tiefsten Tiefe seines Innern zu kommen schien.

»Ah! der Unglückliche,« sagte er, »ich kannte ihn als Kind, ich sah ihn von Boursonne nach Villers-Cotterets auf seinem kleinen Grauschimmel vorüberreiten; er brachte den Armen Brot von seiner Mutter.

»Er war ein schönes Kind mit weiß und rosigem Gesichte, mit großen blauen Augen, er lachte immer.

»Nun! es ist seltsam, seitdem ich ihn hier blutig, entstellt, ausgestreckt gesehen habe, ist das nicht mehr ein Leichnam, was ich wiedersehe, es ist immer das lächelnde Kind, das am linken Arme einen Korb und mit der rechten Hand seine Börse hält.

»Ah! Herr Gilbert, wahrhaftig, ich glaube, es ist so genug, und ich fühle nicht Lust in mir, mehr zu sehen, denn Sie haben es mir vorhergesagt, wir werden dahin kommen, daß ich auch Sie sterben sehe, und dann  . . .«

Gilbert schüttelte sanft den Kopf und erwiderte:<(p>

»Billot, seien Sie ruhig, meine Stunde ist noch nicht gekommen.«

»Es mag sein; doch die meinige ist gekommen, Doktor. Ich habe dort Ernten, die verfault sind, Güter, die brach bleiben, eine Familie, die ich liebe, die ich zehnmal mehr liebe, indem ich diesen Leichnam sehe, den seine Familie beweint.«

»Was wollen Sie damit sagen, mein lieber Billot? Denken Sie zufällig, ich soll mich vom Mitleid für Sie rühren lassen?«

»Oh! nein,« antwortete Billot naiv, »doch da ich liebe, klage ich, und da das Klagen zu nichts führt, so gedenke ich mir zu helfen und mich auf meine Weise zu erleichtern.«

»Das heißt?«

»Das heißt, ich habe Lust, nach dem Pachthofe zurückzukehren, Herr Gilbert.«

»Abermals, Billot?«

»Ah! Herr Gilbert, sehen Sie, es ist dort eine Stimme, die mich ruft.«

»Nehmen Sie sich in acht, Billot, diese Stimme rät Ihnen die Desertion.«

»Ich bin kein Soldat, um zu desertieren, Herr Gilbert.«

»Was Sie thun werden, Billot, wird eine Desertion sein, die noch viel strafbarer ist, als die des Soldaten.«

»Erklären Sie mir das, Doktor.«

»Wie! Sie sind nach Paris gekommen, um zu zerstören, und beim Einsturz des Gebäudes flüchten Sie sich?«

»Um meine Freunde nicht zu zermalmen, ja.«

»Oder vielmehr, um nicht selbst zermalmt zu werden.«

»Ei! ei!« versetzte Billot, »es ist nicht verboten, ein wenig an sich zu denken.«

»Ah! das ist eine schöne Berechnung; als ob die Steine nicht rollten, und als ob sie nicht rollend die Furchtsamen, die entfliehen, selbst in der Entfernung noch zermalmten!«

»Ah! Sie wissen wohl, daß ich kein Furchtsamer bin, Herr Gilbert.«

»Dann werden Sie bleiben, Billot, denn ich bedarf Ihrer noch hier.«

»Meine Familie bedarf dort meiner auch.«

»Billot! Billot! ich glaubte. Sie seien mit mir übereingekommen, es gebe keine Familie für einen Mann, der sein Vaterland liebt.«

»Ich möchte wissen, ob Sie das, was Sie soeben gesagt haben, wiederholen werden, angenommen. Ihr Sohn Sebastian sei da, wo dieser junge Mann ist.«

Und er deutete auf den Leichnam.

»Billot,« antwortete Gilbert stoisch, »es wird ein Tag kommen, wo mein Sohn Sebastian mich sieht, wie ich diesen Leichnam sehe.«

»Schlimm für ihn, Doktor, wenn er an diesem Tag so kalt ist, als Sie es hier sind.«

»Ich hoffe, Billot, er wird würdiger, er wird fester sein als ich, gerade, weil ich ihm das Beispiel der Festigkeit gegeben habe.«

»Sie wollen also, daß das Kind sich daran gewöhne, das Blut fließen zu sehen, daß es im zarten Alter sich an Feuersbrünste, an Galgen, an Aufstände, an nächtliche Angriffe gewöhne, daß es Königinnen beschimpfen, Könige bedrohen sehe, und wenn Ihr Sohn, hart wie ein Schwert, kalt wie dieses sein wird, soll er Sie lieben, Sie achten?«

»Nein, ich will nicht, daß er dies alles sehe, Billot, darum habe ich ihn bis nach Villers-Cotterets zurückgeschickt, was ich beinahe heute beklage.«

»Wie, was Sie beinahe heute beklagen? Und warum dies?«

»Weil er heute den Grundsatz des Löwen und der Ratte, der für ihn bis jetzt eine bloße Fabel ist, hätte in Anwendung bringen sehen.«

»Was wollen Sie damit sagen,« Herr Gilbert?

»Ich sage, er hätte einen armen Pächter gesehen, den der Zufall nach Paris geführt hat, einen braven, redlichen Mann, der weder lesen, noch schreiben kann; der nie geglaubt hätte, sein Leben könnte einen guten oder schlechten Einfluß auf jene hohen Geschicke haben, die er kaum mit dem Auge zu messen wagte. Ich sage, er hätte diesen Mann gesehen, der schon einmal Paris verlassen wollte, wie er es abermals will; er hätte heute sehen können, wie mächtig dieser Mann zur Rettung eines Königs, einer Königin und zweier königlichen Kinder beigetragen hat.«

Billot schaute Gilbert mit erstaunten Augen an.

»Wie dies, Herr Gilbert?« sagte er.

»Wie dies, erhabener Unwissender? ich will es dir sagen: dadurch, daß er bei dem ersten Geräusche erwachte, daß er erriet, dieses Geräusch sei ein Sturm, bereit, auf Versailles niederzufallen; daß er eiligst Herrn Lafayette aufweckte, der in Schlaf gesunken war.«

»Ei! das war natürlich, er hatte zwölf Stunden auf dem Pferde gesessen; er hatte vierundzwanzig Stunden sich nicht niedergelegt.«

»Dadurch, daß du ihn ins Schloß führtest,« fuhr Gilbert fort, »daß du dich mitten unter die Räuber warfst und ihnen zuriefst: »»Zurück Elende! hier ist der Rächer!««

»Ah! das ist wahr, ich habe dies alles gethan.«

»Nun, Billot, siehst du, das ist ein großer Ersatz, mein Freund; hast du die Ermordung des jungen Mannes auch nicht verhindert, so hast du es vielleicht verhindert, daß man den König, die Königin und die zwei Kinder ermordete! Undankbarer, der du den Dienst des Vaterlandes in dem Augenblick, wo dich das Vaterland belohnt, verlassen willst.«

»Aber wer wird je erfahren, was ich gethan habe, da ich es selbst nicht vermutete?«

»Du und ich, Billot, ist das nicht genug?«

Billot dachte einen Augenblick nach, dann reichte er dem Doktor seine rauhe Hand und sprach:

»Sie haben recht, Herr Gilbert; doch Sie wissen, der Mensch ist ein schwaches, selbstsüchtiges, unbeständiges Geschöpf; nur Sie, Herr Gilbert, sind stark, edelmütig und beständig. Was hat Sie so gemacht?«

»Das Unglück!« antwortete Gilbert mit einem Lächeln, in dem mehr Traurigkeit als in einem Schluchzen lag.

»Das ist sonderbar,« sagte Billot; »ich glaubte, das Unglück mache böse.«

»Die Schwachen, ja.«

»Und wenn mich das Unglück träfe und ich würde böse?«

»Du wirst vielleicht unglücklich sein, doch du wirst nie böse werden, Billot.«

»Sind Sie dessen sicher?«

»Ich hafte für dich.«

»Dann . . .« versetzte Billot seufzend, dann bleibe ich; doch ich weiß, ich werde noch mehr als einmal schwach werden.«

»Und jedes Mal, Billot, werde ich da sein, um dich zu unterstützen.«

»So geschehe es,« seufzte der Pächter.

Und er warf einen letzten Blick auf den Leichnam des Barons von Charny, den Bediente auf einer Bahre wegzutragen sich anschickten, und sprach:

»Gleichviel, er war ein schönes Kind, dieser kleine Georges von Charny, auf seinem Grauschimmelchen, mit seinem Korbe am linken Arm und seiner Börse in der rechten Hand.«

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