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Kitabı oku: «Ange Pitou Denkwürdigkeiten eines Arztes 3», sayfa 5

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Billot bevollmächtigte seine Tochter, über die Kleidung von Pitou mit Herrn Dulauroy, dem Schneider von Villers-Cotterets, übereinzukommen.

Katharine hatte recht, und eine neue Kleidung war keine Sache des Luxus für den armen Pitou: er trug immer noch die Hosen, die ihm fünf Jahre vorher der Doktor Gilbert hatte machen lassen, die von zu lang zu kurz geworden waren, aber sich, das ist nicht zu leugnen, durch die Sorge von Mademoiselle Angélique um zwei Zoll jährlich verlängert hatten. Was den Rock und die Weste betrifft, so waren diese Kleidungsstücke seit mehr als zwei Jahren verschwunden und durch den serschenen Kittel ersetzt worden, mit dem unser Held schon in den ersten Kapiteln dieser Geschichte vor den Augen unserer Leser erschienen ist.

Pitou hatte nie an seinen Anzug gedacht. Der Spiegel war etwas Unbekanntes bei Mademoiselle Angélique, und da er nicht wie der schöne Narcissus die Urneigung hatte, in sich selbst verliebt zu werden, so war es ihm auch nie eingefallen, sich in den Quellen, an denen er seine Ruten stellte, zu beschauen.

Doch seit dem Augenblick, wo ihm Katharine gesagt hatte, er könne sie zum Tanze begleiten, seit dem Augenblick, wo von Herrn von Charny, dem eleganten Kavalier, die Rede gewesen, seit der Stunde, wo die Geschichte mit den Hauben, auf die Katharine, um ihre Schönheit zu vermehren, rechnete, in das Ohr von Pitou gedrungen war, hatte Pitou in einen Spiegel geschaut und sich betrübt über den Verfall seiner Kleidung gefragt, auf welche Art auch er seine natürlichen Vorzüge etwas erhöhen könnte.

Leider war Pitou nicht imstande gewesen, sich auf diese Frage eine Antwort zu geben. Der Verfall seiner Kleidung beruhte auf ihrem Alter, um aber neue zu bekommen, mußte man Geld haben, und Pitou hatte in seinem Leben keinen Pfennig besessen.

Wohl hatte Pitou die Hirten, wenn sie sich um den Preis der Flöte oder der Verse stritten, sich mit Rosen bekränzen sehen; doch er dachte mit Recht, dieser Kranz, so gut er ihm auch zu Gesichte stehen dürfte, würde nur noch mehr die Armut seiner übrigen Kleidung hervorheben.

Pitou war also äußerst angenehm überrascht, als am Sonntag um acht Uhr morgens, während er über die Mittel, seine Person zu verschönern, nachsann, Herr Dulauroy eintrat und auf einen Stuhl einen Rock und himmelblaue Hosen nebst einer großen weißen, rosa gestreiften Weste legte.

Zu gleicher Zeit trat die Näherin ein und legte auf einen andern Stuhl ein Hemd und eine Halsbinde; paßte das Hemd gut, so hatte sie Befehl, ein halbes Dutzend zu machen.

Es war die Stunde der Ueberraschungen: hinter der Nähterin erschien der Hutmacher. Er brachte einen kleinen Dreispitz von der neuesten Form, voll Eleganz, kurz das beste, was man bei Herrn Corau, dem ersten Hutmacher von Villers-Cotterets verfertigte.

Es hatte überdies der Schuster den Auftrag, für Pitou ein Paar Schuhe mit silbernen Schnallen anzufertigen.

Pitou erholte sich nicht von seinem Erstaunen, er konnte nicht glauben, alle diese Reichtümer seien für ihn. In seinen übertriebensten Träumen hätte er es nicht gewagt, sich eine solche Garderobe zu wünschen. Thränen der Dankbarkeit befeuchteten seine Augenlider, und er vermochte nur die Worte zu murmeln: Oh! Mademoiselle Katharine, Mademoiselle Katharine, ich werde nie vergessen, was Sie für mich thun!

Alles dies ging ganz vortrefflich, als ob man das Maß an Pitou genommen hätte; nur die Schuhe fanden sich um die Hälfte zu klein. Herr Lautereau, der Schuster, hatte das Maß am Fuße seines Sohnes genommen, der vier Jahre älter war, als Pitou.

Dieser Vorzug von Pitou vor dem jungen Lautereau machte einen Augenblick unsern Helden stolz; doch die Bewegung des Stolzes war bald gemäßigt durch den Gedanken, er werde genötigt sein, ohne Schuhe zu dem Tanze zu gehen, oder mit seinen alten Schuhen, die durchaus nicht mehr zu seinem übrigen Anzug paßten. Doch diese Besorgnis war von kurzer Dauer: ein Paar Schuhe, das man zu gleicher Zeit dem Vater Billot schickte, machte die Sache ab. Es fand sich zum Glück, daß der Vater Billot und Pitou denselben Fuß hatten, was man sorgfältig, aus Furcht, ihn zu demütigen, vor dem Vater Billot verbarg.

Während Pitou damit beschäftigt war, diese kostbare Kleidung anzuziehen, trat der Friseur ein. Er teilte die gelben Haare von Pitou in drei Massen: die eine, und das war die stärkste, sollte unter der Form eines Zopfes auf seinen Rock herabfallen; die zwei anderen hatten die Bestimmung, die zwei Schläfen zu bekleiden, und zwar unter dem wenig poetischen Namen Hundsohren; doch was ist da zu sagen, das war einmal der Name.

Als Pitou gekämmt, frisiert, mit seinem blauen Rock und seinen blauen Hosen, mit seiner rosa Weste und seinem Jabot-Hemde, mit seinem Zopf und seinen Hundsohren sich im Spiegel betrachtete, hatte er große Mühe, sich selbst zu erkennen, und er wandte sich um, um zu sehen, ob nicht Adonis in Person auf die Erde herabgestiegen wäre.

Er war allein. Er lächelte sich freundlich zu und, den Kopf hoch, die Daumen in den Hosentaschen, sagte er zu sich selbst, indem er sich auf den Zehen erhob:

»Wir werden diesen Herrn von Charny sehen!  . . .«

Es ist wahr, daß Ange Pitou in seiner neuen Tracht nicht einem Schäfer von Virgil, wohl aber einem Schäfer von Watteau glich, wie sich zwei Wassertropfen gleichen.

Der erste Schritt, den Pitou bei seinem Eintritte in die Küche that, war auch ein Triumph.

»Ah! sehen Sie doch, Mama,« rief Katharine, »wie hübsch er ist!«

»Er ist allerdings nicht zu erkennen,« sagte Frau Billot.

Zum Unglück ging Katharine von der Gesamtheit, die das Mädchen angenehm berührt hatte, zu den Einzelheiten über. Pitou war minder hübsch in den Einzelheiten, als in der Gesamtheit

»Oh! wie drollig!« rief Katharine, »was für große Hände haben Sie!«

»Ja,« sagte Pitou, »nicht wahr, ich habe tüchtige Hände.«

»Und große Kniee.«

»Das ist ein Beweis, daß ich wachsen soll.«

»Aber mir scheint, Sie sind schon sehr groß, Herr Pitou.«

»Ich werde immerhin wachsen, denn ich bin erst siebenzehn und ein halbes Jahr alt.«

»Und keine Waden.«

»Ah! das ist wahr, durchaus keine; doch sie werden kommen.«

»Man muß es hoffen,« sagte Katharine. »Gleichviel, Sie sind sehr hübsch.«

Pitou verbeugte sich.

»Oho!« rief der Pächter, der nun eintrat und Pitou ebenfalls betrachtete. »Wie stattlich bist du nun, mein Junge! Ich möchte wohl, daß deine Tante Angélique dich sehen würde.«

»Ich auch,« sagte Pitou.

»Ich wäre begierig, zu wissen, was sie sagen würde,« versetzte der Pächter.

»Sie würde nichts sagen, sie würde wüten.«

»Aber, Papa,« sprach Katharine mit einer gewissen Besorgnis, »hätte sie nicht das Recht, ihn zurückzunehmen?«

»Da sie ihn fortgejagt hat!«

»Und dann sind die fünf Jahre abgelaufen,« sagte Pitou.

»Welche Jahre?« fragte Katharine.

»Die, für welche der Doktor Gilbert tausend Franken hinterlegt hatte.«

»Er hatte also tausend Franken für deine Tante hinterlegt?«

»Ja, ja, ja, um mich in eine Lehre zu schicken.«

»Das ist ein Mann!« rief der Pächter. »Wenn man bedenkt, daß ich alle Tage Aehnliches erzählen höre! Für ihn auch, er machte eine Gebärde mit der Hand, auf Leben und Tod!«

»Er wollte, daß ich ein Gewerbe lerne,« sagte Pitou.

»Und er hatte recht. So werden die guten Absichten vereitelt. Man hinterlegt tausend Franken, um einen Knaben ein Gewerbe lehren zu lassen, und statt ihn ein Gewerbe zu lehren, bringt man ihn zu einem Pfaffen, der einen Seminaristen aus ihm machen will. Und wie viel bezahlte sie deinem Abbé Fortier?«

»Wer?«

»Deine Tante.«

»Sie bezahlte ihm nichts.«

»Also steckte sie die zweihundert Livres des guten Herrn Gilbert ein?«

»Wahrscheinlich.«

»Höre, soll ich dir einen guten Rat geben, Pitou, so rate ich dir, wenn deine alte bigotte Tante abfährt, überall wohl nachzuschauen, in den Schränken, in den Strohsäcken, in den Gurkenhäfen.«

»Warum?« fragte Pitou.

»Siehst du, weil du in einem wollenen Strumpf einen Schatz finden wirst. Ei! gewiß, denn sie wird keine Börse gefunden haben, die groß genug gewesen wäre, um ihre Ersparnisse darin unterzubringen.«

»Sie glauben?«

»Ich bin fest davon überzeugt. Doch wir werden zu geeigneter Zeit hievon sprechen  . . . Hast du das Buch von Doktor Gilbert?«

»Ich habe es hier in meiner Tasche.«

»Mein Vater,« sagte Katharine, »haben Sie wohl überlegt?«

»Es bedarf keiner Ueberlegung, um gute Dinge zu thun, mein Kind,« erwiderte der Pächter; »der Doktor hat mir gesagt, ich soll das Buch lesen lassen, die Grundsätze, die es enthält, verbreiten; das Buch wird gelesen, und die Grundsätze werden verbreitet werden.«

»Und,« fragte Katharine schüchtern, »wir können in die Messe gehen, meine Mutter und ich?«

»Geht in die Messe,« antwortete Billot; »ihr seid Weiber, wir sind Männer, das ist etwas anderes; komm, Pitou.«

Pitou grüßte Frau Billot, und Katharine und folgte dem Pächter, ganz stolz darauf, daß man ihn einen Mann nannte.

VII.
Worin nachgewiesen ist, daß lange Beine, wenn sie auch ein wenig beim Tanzen beschwerlich werden, doch sehr nützlich beim Laufen sind

Es war zahlreiche Versammlung in der Scheune. Billot stand, wie gesagt, in großer Achtung bei seinen Leuten, in Betracht, daß er sie oft schalt, aber sehr gut nährte und sehr gut bezahlte.

Es hatte sich auch jeder beeifert, seiner Einladung Folge zu leisten.

Ueberdies war zu jener Zeit unter dem Volke das seltsame Fieber im Umlauf, das die Nationen erfaßt, wenn sie zur Arbeit zu schreiten im Begriffe sind. Sonderbare, neue, beinahe unbekannte Worte kamen aus dem Munde vieler Leute, die sie nie ausgesprochen hatten. Das waren die Worte Freiheit, Unabhängigkeit, Emanzipation, und seltsamerweise hörte man nicht nur unter dem Volke solche Worte aussprechen; nein, diese Worte waren vom Adel zuerst ausgesprochen worden, und die Stimme, die ihnen antwortete, war nur ein Echo.

Vom Westen war das Licht gekommen, das leuchten sollte, bis es brennen würde. In Amerika hatte sich die Sonne erhoben, die ihren Lauf vollbringend, aus Frankreich einen weiten Brand machen sollte, bei dessen Schein die erschrockenen Nationen das Wort »Republik«, mit blutigen Buchstaben geschrieben, lesen würden.

Diese Versammlungen, in denen man sich mit politischen Angelegenheiten beschäftigte, waren auch minder selten, als man glauben dürfte. Männer, von denen man nicht wußte, woher sie gekommen, Apostel eines unsichtbaren Gottes und beinahe unbekannt, liefen in den Städten und auf dem Lande umher und streuten überall Freiheitsworte aus. Bis dahin blind, fing die Regierung an, die Augen zu öffnen. Diejenigen, welche an der Spitze der großen Maschine standen, die man die öffentliche Sache nennt, fühlten gewisse Räder lahm werden, ohne daß sie begreifen konnten, woher das Hindernis kam. Die Opposition war überall in den Geistern, wenn sie noch nicht in den Armen und in den Händen war, unsichtbar, aber gegenwärtig, untastbar, aber bedrohlich und zuweilen um so bedrohlicher, als sie ungreifbar war und man sie erriet, ohne sie erdrücken zu können.

Zwanzig bis fünfundzwanzig Bauern, alle von Billot abhängig, waren in der Scheune versammelt.

Billot trat, gefolgt von Pitou, ein. Alle Häupter neigten sich, alle Hüte bewegten sich. Man begriff, daß alle diese Menschen bereit waren, sich auf einen Befehl des Herrn töten zu lassen.

Der Pächter erklärte den Bauern, die Broschüre, die Pitou ihnen vorlesen werde, sei das Werk des Doktors Gilbert. Der Doktor Gilbert war sehr bekannt im ganzen Kanton, wo er mehrere Güter hatte, unter denen die Pachtung von Billot das bedeutendste war.

Ein Faß stand für den Leser bereit. Pitou bestieg diese improvisierte Tribüne und begann seine Vorlesung.

Es ist zu bekannt, daß diese Leute aus dem Volk mit um so größerer Aufmerksamkeit zuhören, je weniger sie begreifen. Offenbar entging der allgemeine Sinn der Broschüre den klarsten Geistern der bäuerischen Versammlung und Billot selbst. Doch mitten aus dieser dunkeln Phraseologie zuckten, wie die Blitze an einem dunkeln, mit Elektrizität beladenen Himmel, die leuchtenden Worte: Unabhängigkeit, Freiheit und Gleichheit hervor. Mehr brauchte es nicht; der Beifallssturm brach los; von allen Seiten erscholl der Ruf: Es lebe der Doktor Gilbert! Ungefähr das drittel der Broschüre war gelesen worden; man beschloß, sie an drei Sonntagen zu lesen.

Die Zuhörer wurden eingeladen, sich am darauf folgenden Sonntag zu versammeln, und jeder versprach, zu erscheinen.

Pitou hatte sehr gut gelesen. Nichts ermuntert so sehr, wie der günstige Erfolg. Der Vorleser nahm seinen Teil von dem dem Werke gespendeten Beifall, und Billot, der selbst diesem gegenseitigen Einfluß unterlag, fühlte in seinem Innern eine gewisse Achtung für den Zögling des Abbés Fortier entstehen. In körperlicher Hinsicht schon übermäßig groß, war Pitou moralisch um zehn Ellen gewachsen.

Ein einziges fehlte ihm: Mademoiselle Katharine hatte seinem Triumphe nicht beigewohnt.

Doch entzückt über die Wirkung, welche die Broschüre des Doktors hervorgebracht, beeilte sich der Vater Billot diesen günstigen Erfolg seiner Frau und seiner Tochter mitzuteilen. Frau Billot antwortete nichts, das war ein kurzsichtiges Weib, Katharine aber lächelte traurig.

»Nun! was hast du wieder?« fragte der Pächter.

»Mein Vater! mein Vater!« rief Katharine, »ich befürchte, Sie gefährden sich.«

»Ah! willst du nicht den Unglücksvogel machen? Ich bemerke dir, daß mir die Lerche lieber ist, als die Nachteule.«

»Mein Vater, man hat mir schon gesagt, ich möge Sie warnen, denn Sie werden beobachtet.«

»Und wer hat dir das gesagt?«

»Ein Freund.«

»Ein Freund? Jeder Rat verdient Dank. Du wirst mir den Namen dieses Freundes nennen. Wer ist es, sprich?«

»Ein Mann, der gut unterrichtet sein muß.«

»Wer denn?«

»Herr Isidor von Charny.«

»In was mischt er sich, dieser Stutzer? warum giebt er mir Ratschläge über meine Denkungsart? Gebe ich ihm einen Rat über die Art, wie er sich kleidet? Mir scheint, es wäre doch ebensoviel auf der einen wie auf der andern Seite zu sagen.«

»Mein Vater, ich sage Ihnen das nicht, um Sie zu ärgern. Der Rat ist in guter Absicht gegeben worden.«

»Wohl! ich werde denselben durch einen andern erwidern, und du kannst ihn in meinem Auftrag ausrichten.

»Sprechen Sie!«

»Er und seine Standesgenossen mögen auf sich acht geben; man schüttelt sie ganz sonderbar in der Nationalversammlung, die Herren Adeligen, und mehr als einmal ist von den Günstlingen und Günstlinginnen die Rede gewesen. Das mag sich sein Bruder, Herr Olivier von Charny merken, der dort ist und gar nicht schlecht mit der Österreicherin stehen soll.«

»Mein Vater,« sagte Katharine, »Sie haben mehr Erfahrung als wir, handeln Sie nach Ihrem Gefallen.«

»In der That,« murmelte Pitou, »den der günstige Erfolg seiner Vorlesung mit Vertrauen erfüllt hatte, worein mischt sich denn Herr Isidor?«

Katharine hörte nicht, oder sie stellte sich, als hörte sie nicht, und das Gespräch hatte damit ein Ende.

Das Mittagessen fand wie gewöhnlich statt. Nie war Pitou ein Mahl länger vorgekommen. Es drängte ihn, sich in seinem neuen Glanze, mit Mademoiselle Katharine am Arm, zu zeigen. Dieser Sonntag war ein großer Tag für ihn, und er gelobte sich, das Datum des dreizehnten Juli wohl im Kopfe zu behalten.

Man ging endlich gegen drei Uhr ab. Katharine sah reizend aus. Sie war eine hübsche Blondine mit schwarzen Augen, schlank und biegsam wie die Weiden, welche die kleine Quelle beschatteten, aus der man das Wasser für den Pachthof schöpfte. Sie war überdies mit jener natürlichen Koketterie gekleidet, die alle Reize des Weibes hervorhebt, und ihre von ihr selbst verfertigte Haube stand ihr vortrefflich.

Der Tanz begann gewöhnlich um sechs Uhr. Vier Spielleute, die auf einer Estrade von Brettern saßen, machten gegen eine Bezahlung von drei Sous für den Kontretanz die Honneurs dieses Ballsaales in freier Luft. In Erwartung der sechsten Stunde ging man in der bekannten Seufzerallee spazieren, von der die Tante Angélique gesprochen hatte, oder man schaute den jungen Herren der Stadt oder der Umgegend zu, die unter der Direktion von Varolet, dem Oberballmeister von Seiner Hoheit Monseigneur dem Herzog von Orleans, Ball spielten. Herr Varolet wurde für ein Orakel gehalten, und seine Entscheidungen in allen Fällen des Ballspiels nahm man mit der ganzen Verehrung auf, die man seinem Alter und seinem Verdienste schuldig war.

Ohne genau zu wissen, warum, hätte Pitou in der Seufzerallee zu bleiben gewünscht; doch nicht um im Schatten dieser doppelten Buchenreihe zu bleiben, hatte Katharine die glänzende Toilette gemacht, die Pitou so sehr mit Bewunderung erfüllte.

Die Frauen sind wie die Blumen, die der Zufall im Schatten hat wachsen lassen; sie streben unablässig nach dem Licht, und auf die eine oder die andere Weise muß ihre frische, balsamisch duftende Krone sich in der Sonne öffnen, die sie welk macht und verzehrt.

Katharine zog so lange und kräftig am Arm von Pitou, daß man den Weg zum Ballspiel einschlug. Pitou ließ sich indessen nicht zu sehr am Arm ziehen. Er hatte ebenso große Eile, seinen himmelblauen Rock und seinen zierlichen Dreispitz zu zeigen, als Katharine ihre Haube à la Galetée und ihren taubenhalsfarbenen Leib zur Schau zu stellen.

Eines schmeichelte besonders unserem Helden und gab ihm einen augenblicklichen Vorzug vor Katharine. Da ihn niemand erkannte, denn Pitou war nie in so prächtigen Kleidern gesehen worden, so hielt man ihn für einen jungen Fremden, für einen Neffen, für einen Vetter der Familie Billot, für einen Bräutigam von Katharine sogar. Doch Pitou war zu viel daran gelegen, seine Identität darzuthun, als daß der Irrtum lange währen konnte. Er nickte soviel seinen Freunden zu, er nahm so oft seinen Hut vor seinen Bekannten ab, daß man endlich in dem schön geputzten jungen Landmann den unwürdigen Schüler des Abbés Fortier erkannte, und daß sich eine Art von Geschrei erhob, das besagte: Das ist Pitou! habt ihr Ange Pitou gesehen?

Das Geschrei gelangte bis zu Mademoiselle Angélique; da aber dieses Geschrei ihr sagte, ihr Neffe sei ein hübscher Junge, der die Füße auswärts und die Arme rundend gehe, so schüttelte die alte Mademoiselle, die Pitou immer die Füße einwärts und die Ellenbogen am Leib hatte gehen sehen, ungläubig den Kopf und beschränkte sich auf die Erwiderung:

»Ihr täuscht euch, das ist nicht mein Schlingel von einem Neffen.«

Die zwei jungen Leute kamen zum Ballspiel. Es fand an diesem Tag eine Herausforderung zwischen den Spielern von Soissons und den Spielern von Villers-Cotterets statt, so daß die Partie äußerst belebt war. Katharine und Pitou stellten sich auf die Höhe des Seiles, in der Nähe der Böschung. Katharine hatte diesen Posten als den besten gewählt.

Nach einem Augenblick hörte man die Stimme von Meister Varolet rufen: Zu zwei passiert. Die Spieler passierten wirklich, das heißt, jeder begann seine Chasse zu verteidigen und die seiner Gegner anzugreifen. Einer von den Spielern, als er passierte, grüßte Katharine mit einem Lächeln. Katharine erwiderte dies durch einen Knix und errötete; zu gleicher Zeit fühlte Pitou, wie den Arm von Katharine, der sich auf den seinigen stützte, ein kleines Nervenzittern durchlief.

Etwas wie eine unbekannte Bangigkeit schnürte Pitou das Herz zusammen.

»Ist das Herr von Charny?« sagte er, »seine Gefährtin anschauend.«

»Ja,« antwortete Katharine; »Sie kennen ihn also?«

»Ich kenne ihn nicht, doch ich habe es erraten.«

Pitou hatte nach dem, was ihm Katharine am Tage vorher gesagt, in der That Herrn von Charny in diesem jungen Mann erraten können.

Derjenige, welcher das Mädchen gegrüßt, war ein Kavalier von dreiundzwanzig bis vierundzwanzig Jahren, gut gewachsen, elegant gekleidet und anmutig in seinen Bewegungen, wie dies diejenigen zu sein pflegen, welche schon in der Wiege eine aristokratische Erziehung festgenommen hat. Alle die Leibesübungen, die man nur unter der Bedingung gut macht, daß man sie von Kindheit an geübt hat, führte Herr Isidor von Charny mit einer merkwürdigen Vollkommenheit aus; dabei gehörte er zu denjenigen, deren Tracht stets mit der Übung, für die sie bestimmt ist, im Einklang steht. Seine Jagdlivreen wurden überall als äußerst geschmackvoll angeführt; seine Negligés für den Fechtsaal hätten selbst Saint-Georges als Muster dienen können; seine Reitkleider waren durch die Art, wie er sie trug, von einem ganz besondern Schnitt, oder schienen dies vielmehr zu sein.

Mit der ganzen Schmucklosigkeit einer Morgentoilette frisiert, trug Herr von Charny, der jüngere Bruder unseres alten Bekannten, des Grafen von Charny, eine Art von engem Pantalon von heller Farbe, das die Form seiner Lenden und seiner zugleich feinen und muskeligen Beine hervorhob; elegante Ballspielsandalen ersetzten, durch Riemen gehalten, für den Augenblick entweder den Schuh mit rotem Absatz oder den Stulpenstiefel; eine Weste von weißem Piquee umschloß seinen Leib, als ob er in einem Korsett gefangen wäre; auf der Böschung endlich hielt sein Diener einen grünen Rock mit goldenen Galonen.

Die Aufregung gab ihm in diesem Augenblick den ganzen Reiz und die ganze Frische der Jugend, die er, trotz seiner dreiundzwanzig Jahre, durch lange Nachtwachen, durch nächtliche Schwärmereien und die Spielpartien, welche die Sonne bei ihrem Aufgang beleuchtet, schon verloren hatte.

Keiner der Vorzüge, die ohne Zweifel von dem Mädchen bemerkt worden waren, entging Pitou. Als er die Hände und die Füße von Herrn von Charny sah, fing er an minder stolz auf diese Verschwendung der Natur zu sein, die ihm den Sieg über den Sohn des Schuhmachers verliehen hatte, und er dachte, eben diese Natur hätte auf eine geschicktere Art auf alle Partien seines Körpers die Elemente, aus denen er bestand, verteilen können.

Mit dem, was zu viel an den Händen, an den Füßen und an den Knien von Pitou war, hätte die Natur Stoff gehabt, um ihm ein sehr hübsches Bein daraus zu machen. Die Dinge waren nur nicht an ihrem Platze: wo es der Feinheit bedurfte, war Überfülle, und wo Rundung hätte sein sollen, war Leere.

Pitou schaute seine Beine mit der Miene an, mit welcher der Hirsch der Fabel die seinigen anschaute.

»Was haben Sie denn, Herr Pitou?« fragte Katharine.

Pitou antwortete nicht, er seufzte nur.

Die Partie war zu Ende. Der Vicomte von Charny benützte den Zwischenraum zwischen der beendigten Partie und der, welche beginnen sollte, um Katharine zu begrüßen. Als er näher kam, sah Pitou das Blut dem Mädchen zu Gesichte steigen, und er fühlte, wie der Arm seiner Gefährtin immer mehr zitterte.

Der Vicomte nickte Pitou zu; mit jener vertraulichen Artigkeit, welche die Adeligen jener Zeit gegen die kleinen Bürgerinnen und die Grisetten so gut anzunehmen wußten, erkundigte er sich bei Katharine nach ihrer Gesundheit und forderte den ersten Kontretanz von ihr. Katharine willigte ein. Ein Lächeln war der Dank des jungen Adeligen. Die Partie sollte wieder anfangen, man rief ihn. Er grüßte Katharine und entfernte sich mit derselben Ungezwungenheit, mit der er gekommen war.

Pitou fühlte die ganze Überlegenheit, die über ihn ein Mann hatte, der auf diese Art sprach, lächelte, sich näherte und entfernte.

Ein Monat auf den Versuch verwendet, die einfache Bewegung von Herrn von Charny nachzuahmen, hätte Pitou nur zu einer Parodie geführt, deren ganze Lächerlichkeit er selbst fühlte. Hätte das Herz von Pitou den Haß gekannt, er würde von diesem Augenblick an den Vicomte von Charny gehaßt haben.

Katharine schaute dem Ballspiel bis zu dem Augenblick zu, wo die Spieler ihren Bedienten riefen, um ihre Röcke anzuziehen. Sie wandte sich sodann zum Tanze, zur großen Verzweiflung von Pitou, der an diesem Tage bestimmt schien, gegen seinen Willen überall hin zu gehen, wohin er ging.

Herr von Charny ließ nicht auf sich warten. Eine leichte Veränderung in seinem Anzug hatte aus dem Ballspieler einen eleganten Tänzer gemacht. Die Geigen gaben das Signal, und er reichte seine Hand Katharine, indem er sie an die Zusage, die sie ihm geleistet erinnerte.

Was Pitou empfand, als er den Arm von Katharine sich von dem seinigen losmachen fühlte und er das Mädchen ganz errötend mit seinem Kavalier in den Kreis treten sah, war vielleicht eine der unangenehmsten Empfindungen seines Lebens. Ein kalter Schweiß drang ihm auf die Stirne, eine Wolke zog vor seinen Augen vorüber; er streckte die Hand aus und stützte sich auf das Geländer, denn er fühlte, daß seine Kniee, so kräftig sie auch sein mochten, nahe daran waren, unter ihm zu weichen.

Katharine hatte dem Anscheine und wohl auch der Wirklichkeit nach keinen Begriff von dem, was in dem Herzen von Pitou vorging; sie war zugleich glücklich und stolz: glücklich, zu tanzen, stolz, mit dem schönsten Kavalier der Umgegend zu tanzen. War Pitou gezwungen gewesen, Herrn von Charny als Ballspieler zu bewundern, so mußte er auch Herrn von Charny als Tänzer Gerechtigkeit widerfahren lassen. In jener Zeit hatte sich die Mode, zu gehen, statt zu tanzen, noch nicht eingeschlichen. Der Tanz war eine Kunst, die einen Teil der Erziehung bildete. Abgesehen von Herrn Lauzun, der der Art, wie er seine erste Courante bei der Quadrille des Königs getanzt, sein Glück zu verdanken hatte, verdankte mehr als ein Kavalier die Gunst, in der er bei Hofe stand, der Art, wie er den Kniebug anspannte und die Fußspitze vorwärts stieß. In dieser Hinsicht war der Vicomte ein Muster an Grazie und Vollkommenheit, und er hätte, wie Ludwig XIV., mit der Aussicht, beklatscht zu werden, auf einem Theater tanzen können, obgleich er weder König noch Schauspieler war.

Zum zweiten Mal schaute Pitou seine Beine an, und er war genötigt, sich zu gestehen, wenn nicht eine große Veränderung in diesem Teil seiner Person vorgehe, müsse er darauf verzichten, sich um derartige Siege, die Herr von Charny in diesem Augenblick davontrug, zu bewerben.

Der Kontretanz ging zu Ende; für Katharine hatte er kaum einige Sekunden gedauert, Pitou aber war er wie ein Jahrhundert vorgekommen. Als sie zurückkehrte und den Arm ihres Kavaliers nahm, bemerkte Katharine die Veränderung, die in seiner Physiognomie vorgegangen. Er war bleich; der Schweiß perlte auf seiner Stirne, und eine durch die Eifersucht halb verzehrte Thräne befeuchtete sein Auge.

»Ah! mein Gott!« sagte Katharine, »was haben Sie denn?«

»Ach! erwiderte der arme Junge, ich werde es nie wagen, mit Ihnen zu tanzen, nachdem ich Sie mit Herrn von Charny habe tanzen sehen!«

»Bah! Sie brauchen sich darum nicht zu grämen; Sie werden tanzen, wie Sie können, und es wird mir nicht weniger Vergnügen machen, mit Ihnen zu tanzen.«

»Ah! Sie sagen das, um mich zu trösten; doch ich lasse mir Gerechtigkeit widerfahren, und es wird Ihnen immerhin mehr Vergnügen machen, mit diesem jungen Adeligen, als mit mir zu tanzen.«

Katharine antwortete nichts, denn sie wollte nicht lügen; nur bezeigte sie ihm, da sie ein vortreffliches Geschöpf war und zu bemerken anfing, es gehe etwas Seltsames im Herzen des armen Jungen vor, viel Freundschaft; doch diese Freundschaftsbezeigungen konnten ihm seine verlorene Heiterkeit nicht wiedergeben. Der Vater Billot hatte wahr gesprochen: Pitou fing an ein Mensch zu sein – er litt.

Katharine tanzte noch fünf bis sechs Kontretänze, worunter einen zweiten mit Herrn von Charny. Ohne weniger zu leiden, war Pitou diesmal scheinbar ruhiger. Er folgte mit den Augen jeder Bewegung von Katharine und ihrem Kavalier. Er versuchte es, aus der Bewegung ihrer Lippen zu erraten, was sie sich sagten, und wenn bei den Figuren, die sie ausführten, ihre Hände sich vereinigten, suchte er zu erraten, ob diese Hände nur zusammenkamen oder ob sie, während sie sich vereinigten, sich auch drückten.

Ohne Zweifel wartete Katharine nur diesen zweiten Kontretanz ab, denn kaum war er beendigt, als das Mädchen Pitou mit ihr nach dem Pachthofe zurückzukehren aufforderte. Nie wurde eine Aufforderung mit größerem Eifer angenommen; doch der Schlag war geschehen, und Pitou, während er Schritte machte, die Katharine von Zeit zu Zeit mäßigen mußte, beobachtete das vollkommenste Stillschweigen.

»Was haben Sie denn?« fragte Katharine; »und warum sprechen Sie nicht mit mir?«

»Ich spreche nicht mit Ihnen, Mademoiselle Katharine,« erwiderte Pitou, »weil ich nicht zu sprechen weiß, wie Herr von Charny. Was soll ich Ihnen noch sagen nach all den schönen Dingen, die er Ihnen beim Tanze gesagt hat?«

»Sehen Sie, wie ungerecht Sie sind, Herr Ange; wir sprachen von Ihnen.«

»Von mir, und wie dies?«

»Ah! Herr Pitou, wenn Ihr Gönner sich nicht wiederfindet, wird man wohl einen andern für Sie wählen müssen.«

»Ich bin also nicht mehr dazu gut, die Schreibereien des Pachthofes zu besorgen? fragte Pitou mit einem Seufzer.«

»Im Gegenteil, Herr Ange, ich glaube die Schreibereien des Pachthofes sind nicht gut für Sie. Mit der Erziehung, die Sie erhalten haben, können Sie zu etwas besserem gelangen.«

»Ich weiß nicht, wozu ich gelangen werde, aber ich weiß, daß ich zu nichts gelangen will, wenn ich nur durch den Herrn Vicomte von Charny zu etwas gelangen kann.«

»Und warum sollten Sie seine Protektion ausschlagen? Sein Bruder, der Graf von Charny, ist, wie es scheint, vortrefflich bei Hofe angeschrieben. Er sagte mir, wenn es Ihnen angenehm sein könnte, so würde er Ihnen einen Platz beim Salzsteueramt verschaffen.«

»Sehr verbunden,« Mademoiselle Katharine, »doch ich befinde mich, wie ich Ihnen schon gesagt habe, sehr wohl so, wie ich bin, und wenn Ihr Vater mich nicht fortschickt, werde ich im Pachthofe bleiben.«

»Und warum, des Teufels, sollte ich dich fortschicken?« rief eine gewichtige Stimme, in der Katharine bebend die ihres Vaters erkannte.

»Mein lieber Pitou,« sagte leise Katharine, »ich bitte Sie, sprechen Sie nicht von Herrn Isidor.«

»Wie!« antworte doch!

»Ich weiß nicht,« erwiderte Pitou sehr verlegen, »vielleicht finden Sie mich nicht geschickt genug, um Ihnen nützlich zu sein.«

»Nicht geschickt genug, während du rechnest wie Bareme, und liesest, um unsern Schulmeister zu korrigieren, der sich doch für einen großen Gelehrten hält! Nein, Pitou, der gute Gott führt in mein Haus die Leute, die bei mir eintreten, und sind sie einmal eingetreten, so bleiben sie, so lange es dem guten Gott gefällt.«

Pitou kehrte auf diese Versicherung in den Pachthof zurück; aber obgleich dies etwas war, war es doch nicht viel; eine große Veränderung hatte sich in ihm zwischen seinem Abgang und seiner Rückkehr bewerkstelligt; er hatte eines verloren, was sich, ist es einmal verloren, nicht wiederfindet: das war das Selbstvertrauen; Pitou schlief auch gegen seine Gewohnheit sehr schlecht. In seinen schlaflosen Augenblicken erinnerte er sich des Buches von Doktor Gilbert; dieses Buch war hauptsächlich gegen den Adel, gegen die Mißbräuche der privilegierten Klassen, gegen die Feigheit derjenigen, welche sich dem unterwerfen, gerichtet; es kam Pitou vor, als fänge er erst an, alle die schönen Dinge, die er am Morgen gelesen, zu begreifen, und er nahm sich vor, sobald es Tag wäre, für sich allein und ganz leise das Meisterwerk wiederzulesen, das er laut und vor aller Welt gelesen hatte.

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