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Kitabı oku: «Black», sayfa 14

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»Ich fragte nach dem Fräulein Elise de Clermont. Man ließ mich lange warten. So oft als die Türglocke ertönte, bekam ich einen Stich durchs Herz; ich glaubte immer, er sei es.

»Endlich wurde ich vorgelassen. Die Braut mochte etwa vierundzwanzig Jahre alt sein, sie war groß, brünett mager, ihr Gesicht hatte einen boshaften Ausdruck, ihr ganzes Wesen war herrisch. Mein Herz pochte vor Freude: Henri konnte ein solches Weib unmöglich lieben.

»Nachdem ich, um meinen Besuch zu rechtfertigen, zum Schein das Maß zu einigen Gegenständen genommen, entfernte ich mich.

»Auf der Treppe begegnete mir Henri. Wir beide waren sehr betroffen. – »Sie hier, Mademoiselle?« sagte er. – »O verzeihen Sie mir, « erwiderte ich, »ich konnte nicht anders, ich wollte Sie sehen, kennen lernen!« —Ich sank in seine Arme; er drückte mich an sein Herz, seine Lippen fanden die meinigen und ich wähnte in meiner Verblendung, diese mit einem Kuß besiegelte Umarmung habe uns mit unauflöslichen Banden aneinander gefesselt.

»Am folgenden Tage lustwandelten wir mit einander im Boulogner-Wäldchen; er beteuerte mir seine Liebe, ich versicherte ihn meiner Gegenliebe. Zwei Wochen wiederholten sich diese Spaziergänge jeden Abend. Es war die glücklichste Zeit meines Lebens. In meiner Verlassenheit hatte ich Niemand, der mir sagte, ob ich Recht oder Unrecht tat; ich öffnete der Gegenwart mein Herz und schloss der Zukunft meine Augen. Ich fragte ihn nicht, was er zu tun willens sei, ich lebte unbekümmert in den Tag hinein, zufrieden mit dem Glück ihn zu sehen, seinen Worten mit Entzücken lauschend, ohne einen Augenblick zu denken, dass dieses Glück ein Ende nehmen könne.

»Eines Tages kam er nicht. Ich ging in der peinlichsten Unruhe nach Hause. Ich fand einen Brief von Henri – es war ein Scheidebrief.

»Er schrieb mir, er sei entschlossen gewesen, mit seiner Braut zu brechen, aber er habe nicht den Mut dazu gehabt! der Gedanke, ein Mädchen durch das Ärgernis dieses Bruches dem allgemeinen Gespött preiszugeben, habe über seine Liebe den Sieg davongetragen; er könne sich nicht entschließen wortbrüchig zu werden, aber der Gedanke, dass ich für ihn verloren, werde ihn sein Leben lang unglücklich machen; er bitte mich anständigst, ihn zu vergessen, er werde sonst noch unglücklicher durch das Bewusstsein, mich betrübt zu haben.

»Es war ein furchtbarer Schlag für mich! Ich war fast vernichtet. – Ich fragte, wer den Brief gebracht; man sagte mir, ein junger Mann in Uniform, welcher der Beschreibung nach eine so große Ähnlichkeit mit Henri hatte, dass man anfangs geglaubt, er sei es.

»Das Erscheinen des jungen Offiziers gab der ganzen Sache einen seltsam geheimnisvollen Anstrich; aber an der Wirklichkeit meines Unglückes war nicht zu zweifeln; ich hielt ja den Brief in der Hand, ich hatte ihn zu wiederholten malen gelesen – es war wirklich seine Schrift.

»Dieser Brief entschied mein Schicksal, gleichviel wer ihn gebracht hatte.«

X
Verzweiflung und Rettung

»Seitdem ich diesen Unglücksbrief gelesen, war die Welt leer für mich; es schien mir, als ob ich, der Erde entrückt, auf einem großen Friedhof umherirrte. Jedes der mich umgebenden Gräber erinnerte mich an ihn; ich verweilte bei allen und weinte. Es war wie ein düsterer, schwerer Traum.

»Als ich wieder zu mir selbst kam, war es Tag geworden. Das Tageslicht that mir weh,^ und ich wunderte mich, dass die Sonne noch die Erde beleuchten konnte, da Henri mich nicht mehr liebte; dass die Menschen noch leben und singen und sich mit so gleichgültigen Dingen beschäftigen konnten, da mein Herz so trostlos war.

»Ich entschloss mich dieses geräuschvolle Pariser Treiben zu fliehen. Ich verließ fast wahnsinnig das Haus, ohne zu wissen wohin ich mich wenden sollte. Ich ging gedankenlos fort, ohne die Leute, die mich anstießen, zu bemerken; ich nahm den Weg zum Boulogner-Wäldchen, wohin er mich seit vierzehn Tagen jeden Abend geführt hatte.

»Ich irrte lange umher; ich blieb an allen Orten stehen, wo ich mit ihm stillgestanden. Es schien mir, als ob der im Laube rauschende Wind seine zärtlichen Liebesworte wiederholte. Auf einmal glaubte ich seine Stimme zu hören; ich stand still; ich glaubte seine Fußstapfen im Sande zu erkennen; ich sah jeden in einiger Entfernung kommenden Mann für ihn an.

»So ging ich fast den ganzen Tag umher. Ich hatte noch keine Nahrung zu mir genommen, aber ich dachte nicht ans Essen, meine fieberhafte Aufregung erhielt meine Kraft.

»Nach und nach bekam die Verzweiflung die Oberhand über diese eitle Hoffnung, die sich auf eine Sinnestäuschung, auf eine Art Luftspiegelung stützte; ich dachte weniger an ihn und mehr an mich; ich maß meine Verlassenheit wie ein in der Wüste irrender Wanderer den weiten Horizont mit den Blicken misst; ich hielt es nicht für möglich, dass etwas in der Welt mich noch dem Abgrund entreißen, mich trösten mich zum Leben, zum Glück wieder zurückführen könne. Ermattet und trostlos sank ich unter einem Baum auf den Rasen nieder und wurde ohnmächtig.

»Als ich wieder zur Besinnung kam, war ich nicht mehr allein; ein schöner schwarzer Hund stand neben mir und sah mich zärtlich an. Ich hörte einige male in der Ferne den Namen Black rufen, aber der Hund schüttelte den Kopf, als ob er sagen wollte: Ihr möget immerhin rufen, ich komme nicht.

»Ich hatte nicht die Kraft, ihn fortzujagen oder zurückzuhalten. Ich starrte ihn an, denn ich hatte noch nicht völlig meine Besinnung wieder, dann fürchtete ich mich und machte einen Versuch, ihn mit der Hand abzuwehren; aber er leckte so zutraulich die Hand, dass ich ihm unmöglich etwas Arges zutrauen konnte.

»Ich stand auf, er folgte mir. – Nach und nach vermochte ich an die Vergangenheit zurückzudenken.

»Henri! Henri! Ich wiederholte diesen Namen, und jedes mal trat mir mein Unglück deutlicher und greller vor die Seele. Ich fragte mich, ob ich als elternlose Waise, als verlassene Geliebte noch leben können für mich war ja die Liebe der Inbegriff des Lebens.

»Mein Herz antwortete verneinend. Ich begann mich nun nach der andern Welt zu sehnen, deren Geist und Wesen die Liebe ist, und in welcher ich gewiss einst mit ihm vereinigt werden musste. Dort oben wollte ich ihn erwarten.

»Ich war unweit Neuilly; in der Dämmerung bemerkte ich die dunkeln Umrisse der hohen Pappeln, die am Ufer der Seine stehen. Der Fluss, das.ist der Tod, war nur wenige Schritte entfernt. – Gott hatte mich also erhört.

»Ich ging entschlossen auf das Ufer zu, als ob ich den Vorsatz schon längst gehabt hätte. Der Hund folgte mir aber ich beachtete ihn gar nicht. Ich war gleichgültig, teilnahmslos gegen alle mich umgebenden Gegenstände, ich weiß nicht einmal, ob sie meinen Augen in ihrer wahren Gestalt erschienen.

»Plötzlich stand ich still; der Fluss war vor mir, die dunkle Flut rauschte schnell vorbei. Ich war fest entschlossen meinem Leben ein Ende zu machen, und ich würde mich augenblicklich ins Wasser gestürzt haben, wenn mir nicht plötzlich eingefallen wäre, dass ich vor Gott erscheinen müsse.

»Ich fiel am Ufer auf die Knie, und erhob meinen Geist im Gebet. Beruhigt stand ich auf, als ob mich der Finger Gottes berührt hätte; dann trat ich einen Schritt vor, schloss die Augen und stürzte mich in den Fluss.

»Ich fühlte mich sogleich wie von einem nassen Leichentuch eingehüllt. Aber mitten in dem Toben und Brausen des Wassers glaubte ich über meinem Kopfe den Fall eines zweiten Körpers zu hören. Gleich darauf fühlte ich mich heftig am Kleide gezogen. Ich fürchtete den Tod, obschon mein Entschluss gefasst war; ich hatte einmal im Wasser die Augen aufgeschlagen, die dunkle Tiefe machte mir Angst. Ich glaubte, es sei die kalte Hand des Todes, die mich in den Abgrund ziehe; ich tat den Mund auf, um zu schreien, aber der Mund füllte sich mit Wasser, ich sah mich von bläulichen Funken umgeben, und verlor das Bewusstsein.

»Wie lange ich ohnmächtig war, weiß ich nicht. Als ich aus meiner Betäubung erwachte, hörte ich menschliche Stimmen um mich her; ich hielt mich für tot und wähnte, ich sei in der ersehnten Welt.

»Ich war so matt, dass ich kaum ein Glied regen konnte; mit großer Anstrengung schlug ich endlich die Augen auf. – Ich befand mich in der unteren Stube eines Wirtshauses am Wasser. Ich lag auf einer Matratze, die auf einem Tische ausgebreitet lag. Ich glaubte noch zu träumen; aber vor dem Kaminfeuer bemerkte ich den großen schwarzen Hund, der ausgestreckt am Boden lag, und sein langes nasses Haar leckte.

»Es wurde mir nun klar, dass man mich gerettet hatte. Als nach und nach mein Gedächtnis zurückkehrte, flüsterte ich den Namen »Black.« Ob der Hund mich hörte oder erriet, genug, er stand auf, und kam zu mir. Ich fühlte seine warme Zunge auf meiner erstarrten Hand. Dies war mein erstes Gefühl eines äußern Eindrucks.

»Ich machte eine Bewegung und seufzte. Alle Anwesenden umringten mich. Man gab mir einige Tropfen Glühwein zu trinken, und legte mir Polster in den Rücken, um mich aufzurichten.

»Aus dem lebhaften Gespräch, das sich nun entspann, erfuhr ich was geschehen war. Durch das Geheul des Hundes, sowie durch das Geräusch von zwei in’s Wasser fallenden Körpern aufmerksam gemacht, waren die Bewohner dieses Hauses an den Fluss geeilt. Dort hatten sie den schwarzen Hund bemerkt, der mich auf die Oberfläche des Wassers gezogen hatte, aber nicht stark genug war, um mich ans Ufer zu ziehen, und von der Strömung fortgerissen wurde. Da ich nur einige Schritte vom Ufer war, so war ein Steinhauer in’s Wasser gesprungen, und halte mich an’s Ufer gebracht. – Das Übrige erklärte sich von selbst.

»In diesem Augenblicke erschien ein Beamter, ich weiß nicht ob Polizeicommissär oder Friedensrichter. Er sprach in väterlich ermahnendem Tone zu mir, und nahm mir das Versprechen ab, keinen Selbstmordversuch mehr zu machen,

»Man wärmte mir ein Bett, legte mich hinein, und ließ mir alle meinem Zustande angemessene Pflege angedeihen. Erst am folgenden Tage verließ ich das Haus der braven Leute. Ich bot ihnen das wenige Geld, das ich hatte, nicht um den geleisteten menschenfreundlichen Dienst zu bezahlen, sondern um die verursachten Kosten zu ersetzen. Aber der Wirt wies es entschieden zurück. Ich drückte ihm die Hand, und küsste seine Frau.

»Dann stieg ich in einen Fiaker, den man von Neuilly geholt hatte, und so fuhr ich mit meinem Retter Black nach Paris zurück.

»Aber durch meine häufige Abwesenheit hatte ich das Missfallen der Madame Dubois erregt; sie zeigte mir an, dass sie meine Stelle bereits besetzt habe. Ich entschloss mich daher Paris zu verlassen; Paris war mir verhasst geworden.

»Ich war im Haust der Madame Dubois mit Demoiselle Francotte in Chartres bekannt geworden; sie hatte mich oft ersucht, an sie zu denken, wenn ich in die Provinz gehen wollte. Ich begab mich also mit Black nach Chartres, und erhielt sogleich einen Platz in ihrem Magazin.«

»Aber hast Du denn nichts wieder von Henri gehört?« fragte der Chevalier. »Er hat Dich verlassen, der Elende!«

»Sie irren sich, Herr Chevalier. Henri liebte mich zu zärtlich und uneigennützig, als dass er mich nicht geachtet hätte; ich habe ihm nichts vorzuwerfen, denn er verlangte nie mehr von mir, als harmlose Zärtlichkeit.«

»Aber wie konntest Du ihn denn so schnell vergessen?« fragte der Chevalier erstaunt,

»Eben meine Liebe zu ihm war mein Verderben,« erwiderte Therese seufzend; »Sie kennen erst die Hafte meines Unglücks,«

»Erzähle doch, liebes Kind, wenn Du Dich stark genug fühlst, mir diese traurigen Mitteilungen zu machen.«

»Einige Tage nach meiner Ankunft zu Chartres,« fuhr Therese fort, »als ich mit einer Schachtel voll Stickereien ausging, begegneten mir zwei Offiziere, die Arm in Arm gingen und mir zum Scherz in den Weg traten. Ich blickte auf. – »Henri!« rief ich, als ich den einen der beiden Offiziere erblickte. – »Henri!« – ich musste mich an die Wand lehnen, um nicht zu Boden zu fallen.

»Die beiden Offiziere entschuldigten sich, mir einen solchen Schrecken eingejagt zu haben; sie hätten nicht gedacht, versicherte der Eine, den ich immerfort anstarrte, dass ein Harmloser Scherz solche Folgen haben könne.

»Ich konnte meine Blicke nicht von der Erscheinung abwenden. »Henri! Henri!« stammelte ich.

»Mademoiselle,« sagte er endlich lächelnd, »es tut mir unendlich leid, dass ich nicht Henri heiße, da dieser Name so süße Erinnerungen in Ihnen weckt; mein Bruder heißt Henri, ich heiße Gratien, und es würde mich sehr freuen, wenn mein Name ebenfalls in Ihrem Gedächtnis bliebe.«

»Wenn Sie nicht Henri sind,« erwiderte ich, »so bitte ich Sie, mich fortzulassen.«

»Black knurrte und wies den beiden Offizieren die Zähne.

»Mademoiselle,« erwiderte Gratien, »wir haben durchaus nicht die Absicht gehabt, Sie aufzuhalten.«

»Wir sahen ein vor sich nieder blickendes junges Mädchen auf uns zukommen,« setzte der Andere hinzu; »wir dachten: ein so hübsches Mädchen muss sehr schöne Augen haben! Wir traten Ihnen in den Weg, um Sie zum Ausschauen zu zwingen; Sie haben die Augen aufgeschlagen, unsere Erwartungen sind weit übertroffen, Mademoiselle, denn Ihre Augen sind noch schöner als wir vermuteten.«

»Bei diesen Worten drehte sich der junge Offizier den Schnurrbart mit so leichtfertiger Gebärde, dass er mir Angst machte.

»Einige Vorübergehende waren inzwischen stehen geblieben.

»Was tun Sie denn diesem jungen Mädchen?« fragte ein alter schnurrbärtiger Herr.

»Nichts, durchaus nichts,« antwortete Gratiens Freund lachend; »wir haben nur einige Schmeicheleien gesagt.«

»Zu meiner Zeit, meine Herren, und als ich die Ehre hatte die Uniform zu tragen, sagten wir den jungen Mädchen nur solche Schmeicheleien, die sie anhören konnten, ohne zu erschrecken.– Geben Sie mir Ihren Arm, mein Kind,« sagte er sich zu mir wendend.

»Ich war so verlegen, dass ich seinen Arm nahm, und mich so schnell wie es meine zitternden Füße erlaubten, von den beiden Offizieren entfernte.

»Als wir etwa fünfzig Schritte gegangen waren, fragte mich der alte Herr: »Glauben Sie, Mademoiselle, dass Sie meines Schutzes noch bedürfen?«

»Nein, antwortete ich, und ich danke Ihnen verbindlichst. – Und als ob er wusste, was in mir vorging, setzte ich hinzu: »Mein Schrecken kommt von seiner großen Ähnlichkeit mit Henri.«

»Ich dankte ihm noch einmal und entfernte mich.

»Der alte Herr schaute mir erstaunt nach; er musste mich wirklich für närrisch halten.«

XI
Die Überraschung

»Als ich wieder ins Magazin kam, schützte ich heftige Kopfschmerzen vor und bat um Erlaubnis, mich in das Ladenzimmer zurückzuziehen. Ich fühlte das Bedürfnis;, eine Zeit lang allein zu sein und meine Gedanken zu sammeln.

»Ich war so blass, dass man an meinem Unwohlsein keinen Augenblick zweifelte. Demoiselle Francotte selbst wollte mich pflegen, aber ich bat sie nur um ein Glas Wasser.

»Sie ließ mich auf mein Ersuchen allein. Ich konnte mich nun ungestört meinen Gedanken überlassen. Ich erinnerte mich des Briefes, den ein junger Offizier im Magazin der Madame Dubois abgegeben halte; man hatte ihn für Henri gehalten, so groß war die Ähnlichkeit. Ich dachte an die Antwort des Offiziers: ich heiße nicht Henri, sondern mein Bruder. Es war mir auch erinnerlich, dass Henri von einem Zwillingsbruder gesprochen, der ihm so ähnlich sei, dass die Eltern, um die beiden Kinder zu unterscheiden, genötigt gewesen waren, ihnen verschiedene Kleider anzulegen.

»Es ward mir nun Alles klar: Gratien war zur Hochzeit seines Bruders gekommen, und dieser hatte ihn ersucht, jenen Unglücksbrief, der mir fast das Leben gekostet hätte, im Magazin abzugeben. Nach der Hochzeit war Gratien wieder nach Chartres zu seinem Regiment gegangen; er war mir begegnet und ich hatte ihn für Henri angesehen. Diese Erklärung, wie einfach sie war, erfüllte mich in meiner Stimmung mit bangen Ahnungen.

»Während ich nachsinnend.in der Hinterstube saß, hörte ich die Straßentür aufgehen, und durch die Glaswand, die mich von dem Magazin trennte, sah ich einen Offizier erscheinen. Auf den ersten Blick erkannte ich Gratien.

»Er kaufte Handschuhe. Die sonderbare Begegnung hatte ihn ohne Zweifel neugierig gemacht; er war mir in einiger Entfernung gefolgt, und der Ankauf der Handschuhe war nur ein Vorwand, um zu wissen wer ich sei.

»Ich stützte mich zitternd auf eine Kommode, deren Marmorplatte meine heißen Hände abkühlte. Er blieb beinahe eine Viertelstunde im Magazin und sah sich oft unwillig um.

»Demoiselle Francotte wunderte sich übrigens gar nicht über sein langes Verweilen; es arbeiteten vier oder fünf Mädchen im Magazin, und die älteste derselben war noch nicht zwanzig Jahre alt, die Herren von der Garnison machten daher häufige Besuche unter dem Vorwand, Hemden zu bestellen oder Handschuhe zu kaufen. Demoiselle Francotte, die ihre Rechnung dabei fand, empfahl uns Freundlichkeit im Magazin, ernstes, gemessenes Benehmen außer dem Hause.

»Da mir nun Alles klar geworden war, hatte ich keine Ursache mehr in der Hinterstube zu bleiben, ich ging also wieder in das Magazin und nahm meinen gewohnten Platz ein.

»Die Mädchen sprachen von dem schönen Offizier, der eben fortgegangen war. Es war das erste Mal, dass er etwas kaufte, und man kann sich denken, was vier fünfzehn- bis achtzehnjährige Zungen von einem hübschen Offizier von fünfundzwanzig Jahren zu sagen hatten. Man bedauerte mich, dass ich nicht da gewesen sei; aber er würde gewiss bald wieder kommen, er sei eine Viertelstunde geblieben und habe gewiss eine Absicht gehabt.

»Ich hörte dieses Geschwätz schweigend und mit niedergeschlagenen Blicken an; ich allein hätte das Rätsel lösen können, aber ich hütete mich wohl.

»Am andern Morgen musste ich ausgehen. Ich betrat zitternd die Straße; ich fürchtete – und wünschte Gratien zu sehen. Denn nur mit ihm konnte ich ja von Henri sprechen, und mein wundes Herz sehnte sich nach diesem Trost.

»Kaum war ich hundert Schritte vom Hause entfernt, so begegnete mir der junge Offizier.

»Ich war wie vom Donner gerührt. – Er trat auf mich zu.

»Mademoiselle,« sagte er, »entschuldigen Sie, dass wir Ihnen gestern einen so großen Schrecken verursacht haben. Ich habe nicht bis heute gewartet, um mich und meinen Kameraden Louville zu entschuldigen; als ich erfuhr, in welchem Magazin Sie sind, begab ich mich dahin; aber Sie waren nicht da. Ich wusste Ihren Namen nicht und um mich keiner Indiskretion schuldig zu machen, wollte ich nicht nach Ihnen fragen. Ich danke daher dem Zufall, der mich heute mit Ihnen zusammenführt und mir möglich macht, Ihnen über den unangenehmen Eindruck, den meine Gegenwart auf Sie gemacht, mein Bedauern auszudrücken.«

»Sie irren sich, mein Herr.« antwortete ich; »dieser Eindruck, dessen eigentliche Ursache Ihnen unbekannt ist, entstand keineswegs aus Abneigung.«

»Wie!« unterbrach mich Gratien, »Mademoiselle, wäre es möglich?«

»Ich unterbrach ihn ebenfalls. – »Es ist eine Erklärung zwischen uns notwendig; ich würde diese Erklärung nicht gesucht haben, aber ich will ihr auch nicht ausweichen, Sie heißen Gratien d’Elbéne, nicht wahr?«

»Woher wissen Sie meinen Namen?«

»Der Bruder Henris d’Elbéne?« fragte ich weiter.

»Ja wohl.«

»Sie kamen zur Vermählung Ihres Bruders mit dem Fräulein Adele de Clermont nach Paris?«

»Ja.«

»Sie wurden damals beauftragt, an ein junges Mädchen, das er geliebt, einen Brief abzugeben?«

»Das er noch liebt und immer lieben wird!« setzte Gratien hinzu.

»Ist das wirklich wahr?« fragte ich, seine Hände fassend und in Tränen ausbrechend.

»Mein Gott!« sagte Gratien, »sind Sie Therese?«

»Ach ja!«

»Das arme Mädchen, das sich ertränken wollte’«

»Woher wissen Sie das?«

Von ihm, er hat es erfahren, er ist bei Madame Dubois gewesen; aber Sie waren schon abgereist, man wusste nicht wohin. O! mit welcher Freude wird er erfahren, dass Sie noch leben und ihn nicht verwünschen!«

«Ich liebte ihn, zu innig, als dass ich ihn je verwünschen könnte.« erwiderte ich.

»Erlauben Sie mir, dass ich ihm diese Versicherung gebe?«

»Henri kennt mein Herz, und ich hoffe, dass es dieser Versicherung nicht bedarf.«

«Wenn auch, morgen soll er erfahren, dass Sie hier sind und dass ich das Glück hatte Sie zu sehen. – Aber ich muss Sie wiedersehen. Sie liebten ihn?«

»O! von ganzem Herzen!«

»Dann wollen wir von ihm sprechen.«

Es ist mir jetzt nicht mehr erlaubt, ihn zu lieben und von ihm zu sprechen.«

»Es ist immer erlaubt, einen Bruder zu lieben und von ihm zu sprechen; wir wollen von ihm sprechen wie von einem Bruder.«

»O! verlocken Sie mich nicht! – Vergessen kann ich ihn nicht, aber schweigen.«

»Der einzige Trost im Unglück ist, dass man sich ausspricht, einem teilnehmenden Freunde seinen Schmerz mitteilt. Ich werde Ihnen sagen, wie er gelitten, gerungen – wie er Sie noch liebt.«

»O! schweigen Sie!« sagte ich, und hielt die Hände auf die Ohren, um nicht zu hören.

»Ja, Sie haben Recht,« antwortete er; »hier auf offener Straße ist nicht der Ort, solche Erinnerungen zu wecken; ich werde die Ehre haben Ihnen einen Besuch zu machen, und hoffe, dass Sie mich nicht abweisen werden.«

»Er empfahl sich sehr höflich und ging fort, ehe ich ihm antworten konnte.

»Ich kam in sehr unruhiger Stimmung wieder nach Hause; ich erschrak selbst über meinen geheimen Wunsch, Gratien wiederzusehen, um mit ihm von Henri zu sprechen; aber ich sah die Notwendigkeit ein, dieses unwiderstehliche Gefühl zu bekämpfen. Ich fragte daher Demoiselle Francotte, ob sie mir nicht in ihrem Hause ein Zimmer einräumen könne, und erklärte mich für diesen Fall bereit, ihr einen Teil meines Gehaltes dafür zu lassen. Leider war das ganze Haus besetzt und Demoiselle Francotte konnte meinen Wunsch nicht erfüllen.

»Ich bewohnte in der Orleansstraße ein kleines Zimmer im dritten Stocke. Ich ging jeden Abend gegen neun Uhr, sobald das Magazin geschlossen war, nach Hause. Sonntags war ich von zwölf Uhr Mittags frei. Wie Gratien meine Wohnung erfahren hatte, weiß ich nicht; genug, an demselben Abend fand ich ihn vor meiner Haustür.

»Ich sage Ihnen Alles, Herr Chevalier, ich bin Ihnen ein offenes, umfassendes Geständnis schuldig. – Das Gefühl der Bangigkeit und Furcht, mit welchem ich Gratien erkannte, war nicht frei von Freude, die ich nicht ganz zu unterdrücken vermochte.

»Er sah es, und von diesem Augenblicke an mochte er wohl voraussehen, welche Gewalt er über mich bekommen werde. Er redete mich übrigens mit einigen Worten an, die mir allen Mut genommen haben würden, wenn ich auch die Kraft gehabt hätte, ihn kalt zu behandeln,

»Ich habe heute nach unserer Unterredung an Henri geschrieben; ich habe ihn versichert, dass Sie ihn noch lieben; übermorgen werde ich einen Brief von ihm bekommen.«

»Ach! warum wecken Sie solche Erinnerungen in mir!« sagte ich, in Tränen ausbrechend.

»Mademoiselle,« erwiderte er, »Sie sind heute noch zu tief ergriffen, und ich halte es für meine Pflicht, Sie allein zu lassen; aber übermorgen ist Sonntag, das Magazin ist geschlossen, ich werde mir dann die Erlaubnis nehmen, Ihnen einen Besuch zu machen.«

»Nein, es ist unmöglich,« entgegnete ich; »was wird man sagen, wenn man Sie zu mir kommen sieht?«

»Beruhigen Sie sich, Mademoiselle,« sagte er; »unser Eskadronschef wohnt zufällig in demselben Hause wie Sie, der Dienst ruft mich fast täglich zu ihm, und außerdem besuche ich ihn auch als Freund. Er wohnt im zweiten Stocke, Sie im dritten, ich kann daher unbemerkt bei Ihnen aus- und eingehen – ich gehe zum Herrn Lingard oder komme von ihm her, Niemand kann etwas dagegen einwenden.«

»Ohne meine Antwort abzuwarten, empfahl er sich höflich und ging fort.

»Ich erwartete die Stunde, wo ich Gratien sprechen sollte, ebenso ungeduldig, wie ich vormals ein Stelldichein mit Henri erwartete; es war freilich immer noch Henri, den ich erwartete.

»Bald nach zwölf Uhr Mittags war ich zu Hause. Um halb Eins wurde leise an meine Tür geklopft.

»Hat er geantwortet?« fragte ich Gratien, indem ich ihm die Tür öffnete.

»Lesen Sie,« sagte er und reichte mir einen Brief; »Sie werden sehen, ob er Sie noch liebt.«

»Ich nahm den Brief und eilte ans Fenster, um ungestört zu lesen.

»Während ich las, hörte ich Black ein paarmal leise knurren; ich gebot ihm Schweigen, aber zum ersten´Male hörte er nicht.

«Ja. der Brief war zu meinem Unglück so, wie mir ihn Gratien versprochen hatte. Henri liebte mich noch, er liebte nur mich, er war unglücklich und bedauerte, dass er nicht die Kraft gehabt, die Heirat abzubrechen.

Als ich Henri’s Brief zweimal gelesen hatte, wollte ich ihn dem jungen Offizier zurückgeben.

»Behalten Sie ihn nur,« sagte er; »dieser Brief ist ja im Grunde nicht an mich, sondern an Sie adressiert; was sollte ich damit machen?«

»Ich küsste den Brief und steckte ihn in den Busen.

»Gratien sah wohl, dass er nun ein Mittel hatte, seinen Besuch zu verlängern: von Henri zu sprechen.

»So verstrich eine Stunde. Gratien empfahl sich, denn es war um zwei Uhr Parade.

»Ich war im Begriff ihn zu fragen: Wann werde ich Sie wiedersehen? Zum Glück bezwang ich mich.

»Als Gratien fort war, verriegelte ich meine Tür, als ob ich eine Störung fürchtete; aber außer einer Kameradin kam Niemand zu mir.

»Als ich allein war, setzte ich mich ans Fenster und fing wieder an den Brief zu lesen. Black legte den Kopf auf meinen Schoß und sah mich mit seinen klugen Augen an. Sie können leicht denken, dass mich der Brief den ganzen Tag beschäftigte,

»Am folgenden Tage sah ich Gratien nicht wieder. Abends hörte ich zehn, elf, zwölf schlagen, ohne zu Bett zu gehen. Ich wartete; ich konnte nicht glauben, dass ich den ganzen Abend nicht von Henri sprechen würde. Ich nahm den Brief wieder zur Hand, las ihn noch einmal und schlief endlich ein.

»Auch der zweite Tag verging, ohne dass ich Gratien wiedersah. Ich hoffte, er werde mich Abends vor dem Hause erwarten; aber er war nicht da.

»Ich begab mich in mein Zimmer und zündete mein Licht an. Während ich Henri’s Brief zum hundertsten Male las, hörte ich Black knurren – ich ahnte die Nähe Gratiens.

»Gleich darauf wurde an die Tür geklopft.

»Herein!« rief ich mit einer Aufregung, die Gratien unmöglich entgehen konnte,

»Wie kommt es,« sagte ich, meiner ersten Aufregung folgend, »dass ich Sie gestern nicht gesehen habe?

»Ich wagte es nicht,« erwiderte Gratien; »Sie äußerten über meine Besuche Besorgnisse, die ich zu würdigen weiß, obgleich ich sie übertrieben finde. Ich wollte Ihnen beweisen, dass ich Ihr treuergebener Freund sein kann, ohne indiskret zu sein.«

»Ich schlug die Augen nieder, denn ich fühlte wohl, dass Niemand meine Gefühle verstehen und würdigen konnte; aber während ich die Augen niederschlug, bot ich ihm mit stummer Gebärde einen Platz an meiner Seite.

»Der Abend verging, wie der vorgestrige, sehr schnell. es war ja nur von Henri die Rede. Es schlug zwölf, und ich glaubte, Gratien sei erst einige Minuten da.

»Ich ging hinunter, um die Haustür aufzumachen, denn Gratien pflegte sonst nicht so spät von Herrn Lingard fortzugehen, und am andern Morgen konnte eine an die Dienstleute gerichtete Frage Alles entdecken. Ich hatte, wie es in der Provinz üblich, den Hausschlüssel, und konnte Gratien unbemerkt hinauslassen.

»Ich komme jetzt an einen drei Monate langen Abschnitt meines Lebens. Ich muss Gratien die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass er wahrend des ersten Monats nur von seinem Bruder sprach; im zweiten Monate wagte er einige Worte über sich selbst. Ich weiß wohl, dass ich ihn, hätte verbieten sollen, sich selbst in Spiel zu bringen; aber ich stand ja allein in der Welt, ich hatte keinen Freund, den ich um Beistand oder Rat hätte bitten können; ich hatte nichts vor meinen Kameradinnen voraus; die dunkle Erinnerung an eine glückliche Kindheit schwand immer mehr; ich wusste, wie weh ungeteilte Liebe tut, und ich bedauerte Gratien, dass er mich liebte; ihm gegenüber fühlte ich mich ganz sicher, und überdies war ja Black ein sicherer, unbestechlicher Wächter, der weder zu Hause noch auf der Promenade einen Augenblick von meiner Seite ging. Bald hatte ich ihn zu einem kleinen Kunstgriff abgerichtet, der Gratiens Pläne vereitelte; aber eines Abends verließ uns der Hund.«

Der Chevalier de la Graverie schauderte, denn er ahnte die Folgen, die der Raub des Hundes für das arme Mädchen gehabt haben musste. Er fasste ihre Hand und zog sie an seine Lippen.

»Erzählen Sie weiter,« sagte er bewegt; denn Therese sah ihn verwundert an.

»Eines Abends also,« fuhr sie fort, »verließ mich mein, Hund. Gratien schien meinen Schmerz zu teilen; er suchte, wie er wenigstens sagte, ich suchte ebenfalls so eifrig, dass Demoiselle Francotte über mein langes Ausbleiben unzufrieden wurde; aber ich wollte mich lieber der Gefahr aussetzen, sie zu erzürnen, und meinen armen Black wiederfinden! es war mir, als ob ich meinen Wächter verloren hätte und als ob mir, so lange als ich ihn nicht wiedergefunden, ein Unglück bevorstände.

»Eines Abends gegen sechs Uhr erhielt ich einen Brief von unbekannter Hand; er war »Frau Constant« unterzeichnet und lautete folgendermaßen:

»Mademoiselle Therese

»Man sagt, Sie hätten einen Hund verloren, der Ihnen sehr wert ist: einen schwarzen Jagdhund mit einem weißen Fleck vor der Brust. Mein Mann hat vor beinahe acht Tagen einen Hund gefunden, dessen Abzeichen genau zutreffen. Wollen Sie sich diesen Abend überzeugen, dass dieser Hund wirklich der Ihrige ist; in diesem Falle würden wir ihn, wenn auch ungern, seiner rechtmäßigen Eigentümerin zurückgeben.

»Ich habe die Ehre 2c.

Frau Constant.
Badstraße Nr. 17, im 2. Stock.«

»Ich sprang auf, ohne eine Erklärung zu geben, nahm Shawl und Hut und ging fort.

»In wenigen Minuten war ich in dem bezeichneten Hause. Ich zog die Türglocke, eine alle Frau öffnete.

»Madame Constant?« fragte ich.

»Sind Sie Mademoiselle Therese?«

»Ja.«

»Sie kommen wegen eines Hundes?«

»Ja.«

»Gehen Sie in dieses Zimmer, ich will Madame rufen.«

»Kaum hatte ich fünf Minuten gewartet, so ging die Tür auf; ich sah mich um – »Henri!« rief ich und sank dem Eintretenden in die Arme.

»Am andern Morgen war ich noch in seinen Armen, aber ich weinte, ich war untröstlich.

»Gratien, der wohl wusste, dass ich mit treuer Liebe an seinem Bruder hing; Gratien, den ich immer nur in Uniform gesehen hatte, hatte die Kleider seines Bruders angezogen, dieselben, die Henri bei unserer letzten Zusammenkunft getragen hatte.

»Sein Anblick hatte mir meine Kraft geraubt, nur meine Liebe war geblieben.