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Kitabı oku: «Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2», sayfa 50

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LXXIX.
Eine letzte Anschuldigung

In dem Augenblick, wo der König das Zimmer der Königin verlassen hatte, lief diese nach dem Boudoir, wo Herr von Charny Alles zu hören im Stande gewesen.

Sie öffnete die Thüre, kehrte sogleich wieder zurück und schloß die ihres Gemachs. Dann fiel sie, als wäre sie zu schwach, solchen Stößen zu widerstehen, in einen Lehnstuhl und erwartete stillschweigend, was Herr von Charny, ihr furchtbarster Richter, über sie beschließen würde.

Doch sie wartete nicht lange, der Graf kam trauriger und bleicher, als er je gewesen, aus dem Nebenzimmer heraus.

»Nun?« sagte sie.

»Madame,« erwiderte er, »Sie sehen, daß Alles unserer Freundschaft entgegentritt. Wenn es nicht meine Ueberzeugung ist, was Sie verletzt, so wird es fortan das öffentliche Gerücht sein; bei dem Aergerniß, das heute geschehen, ist keine Ruhe mehr für mich, kein Waffenstillstand mehr für Sie. Erbitterter nach dieser ersten Wunde, die sie Ihnen beigebracht haben, werden die Feinde auf Sie niederstürzen, um Ihr Blut zu trinken, wie die Mücken bei einer verwundeten Gazelle.«

»Sie suchen sehr lange ein natürliches Wort und können keines finden,« sagte schwermüthig die Königin.

»Ich glaubte Eurer Majestät nie Anlaß gegeben zu haben, einen Verdacht gegen meine Offenherzigkeit zu hegen; ist sie zuweilen losgebrochen, so geschah es mit zu viel Härte, und ich bitte deßhalb um Verzeihung.«

»Was ich also gemacht habe,« versetzte die Königin sehr bewegt, »dieser Lärm, dieser gefährliche Angriff gegen einen der vornehmsten Herren des Reiches, die Thatsache, daß ich meine Feindschaft mit der Kirche erklärt, meinen Ruf den Leidenschaften des Parlaments ausgesetzt habe, dieß Alles genügt Ihnen nicht. Ich spreche nicht von dem für immer erschütterten Vertrauen des Königs, Sie dürfen sich nicht darum bekümmern, nicht wahr? Der König! was ist das … ein Gatte!«

Und sie lächelte mit einer solchen Bitterkeit, daß die Thränen ihren Augen entstürzten.

»Oh!« rief Charny, »Sie sind die edelste, die hochherzigste der Frauen. Wenn ich Ihnen nicht auf der Stelle antworte, wie mich mein Herz dazu zwingt, so ist dieß der Fall, weil ich mich Allem untergeordnet fühle, und ich dieses erhabene Herz nicht dadurch, daß ich einen Platz darin verlange, zu entheiligen wage.«

»Herr von Charny, Sie halten mich für schuldig?«

»Madame! …«

»Herr von Charny, Sie haben den Worten des Cardinals Glauben geschenkt?«

»Madame!«

»Herr von Charny, ich fordere Sie auf, mir zu sagen, welchen Eindruck die Haltung des Herrn von Rohan auf Sie gemacht hat?«

»Ich muß sagen, Madame, Herr von Rohan ist weder ein Wahnsinniger gewesen, wie Sie es ihm vorgeworfen, noch ein schwacher Mensch, wie man dieß glauben könnte: er ist ein überzeugter Mann, er ist ein Mann, der Sie liebte, der Sie noch liebt und in diesem Augenblick das Opfer eines Irrthums ist, der ihn zum Untergang führen wird, und Sie …«

»Mich?«

»Sie zu einer unvermeidlichen Schmach.«

»Mein Gott! vor mir erhebt sich ein drohendes Gespenst, jenes verhaßte Weib, Frau von La Mothe, welche verschwunden ist, als ihre Zeugschaft uns Alles, Ruhe, Ehre, Sicherheit für die Zukunft wiedergeben konnte.«

»Diese Frau ist der böse Genius Ihrer Person, sie ist die Geißel des Königreiches; diese Frau, die Sie unkluger Weise zur Theilnahme an Ihren Geheimnissen und leider vielleicht auch an Ihrer innigen Vertraulichkeit zugelassen haben …«

»Meine Geheimnisse, meine Vertraulichkeit, ah! mein Herr, ich bitte Sie!« rief die Königin.

»Madame, der Cardinal hat klar genug gesagt und klar genug bewiesen, daß Sie mit ihm Verabredungen in Bezug auf den Ankauf des Halsbandes getroffen hatten.«

»Ah! … Sie kommen hierauf zurück, Herr von Charny,« sagte die Königin erröthend.

»Verzeihen Sie, Sie sehen wohl, ich bin unwürdig, berufen zu sein, Ihre Gedanken zu kennen. Ich suche zu mildern und ich reize auf.«

»Hören Sie, mein Herr,« sprach die Königin, zu einem mit Stolz gemischten Zorne zurückkehrend, »was der König glaubt, kann alle Welt glauben; ich werde gegen meine Freunde nicht gefälliger sein als gegen meinen Gemahl. Mir scheint, ein Mann kann eine Frau nicht gern sehen, wenn er nicht Achtung vor ihr hegt. Ich spreche nicht in Beziehung auf Sie,« unterbrach sie sich lebhaft; »ich bin kein Weib, ich bin eine Königin, Sie sind für mich kein Mann, sondern ein Richter.«

Charny verbeugte sich so tief, daß die Königin die Genugthuung und die Demüthigung dieses getreuen Unterthans hinreichend finden mußte. Plötzlich sprach sie:

»Ich hatte Ihnen gerathen, auf Ihren Gütern zu bleiben; das war ein weiser Plan. Fern vom Hofe, dem Ihre Gewohnheiten, Ihre Biederkeit, Ihre Unerfahrenheit, erlauben Sie mir dieß zu sagen, widersprechen, fern vom Hofe hätten Sie die Personen, die ihre Rolle auf diesem Theater spielen, besser gewürdigt. Man muß die optische Täuschung wahren, Herr von Charny, man muß seine Schminke und seine hohen Absätze vor der Menge festhalten. Eine zu rasch zur Herablassung geneigte Königin, habe ich es vernachlässigt, bei denjenigen, welche mich liebten, das blendende Zauberwerk des Königthums zu unterhalten. Ah! Herr von Charny, die Glorie, welche eine Krone um die Stirne der Königinnen zeichnet, überhebt sie der Keuschheit, der Sanftmuth, des Geistes und des Herzens besonders. Man ist Königin, mein Herr, man herrscht es, sich Liebe zu erwerben?«

»Ich vermöchte Ihnen nicht zu sagen, Madame, wie weh mir die Strenge Eurer Majestät thut,« erwiderte Charny sehr bewegt. »Ich konnte vergessen, daß Sie meine Königin waren, doch lassen Sie mir die Gerechtigkeit widerfahren, daß ich nie vergessen habe, Sie seien die erste der Frauen, welche würdig meiner Achtung und meiner …«

»Vollenden Sie nicht, ich bettle nicht. Ja, ich habe es gesagt, eine Abwesenheit ist für Sie nothwendig. Es sagt mir etwas, Ihr Name werde am Ende bei dem Allem ausgesprochen werden.«

»Madame, unmöglich!«

»Sie sagen, unmöglich! Ei! denken Sie doch an die Macht derjenigen, welche seit sechs Monaten mit meiner Ruhe, meinem Leben spielen. Sagten Sie nicht, der Herr Cardinal sei überzeugt, er handle in Folge eines Irrthums, in den man ihn versenkt? Diejenigen, welche solche Ueberzeugungen bewerkstelligen, diejenigen, welche solche Irrthümer veranlassen, sind stark genug, Ihnen zu beweisen, Sie seien ein unredlicher Unterthan für den König und für mich ein schmählicher Freund. Diejenigen, welche so glücklich das Falsche ersinnen, entdecken sehr leicht die Wahrheit! Verlieren Sie keine Zeit, die Gefahr ist ernst; ziehen Sie sich auf Ihre Güter zurück, fliehen Sie das Aergerniß, das aus dem Kampfe entspringen muß, den man mit mir beginnen wird; mein Geschick soll Sie nicht fortreißen, Ihre Laufbahn soll nicht verloren gehen. Ich, die ich; Gott sei Dank, die Unschuld und die Stärke habe; ich, die ich keine Flecken an meinem Leben habe; ich, die ich entschlossen bin, nöthigenfalls meine Brust zu öffnen, um meinen Feinden die Reinheit meines Herzens zu zeigen; ich werde widerstehen. Für Sie wäre hier der Ruin, die Verleumdung, der Kerker vielleicht. Tragen Sie dieses so hochherzig gebotene Geld wieder fort; nehmen Sie die Versicherung mit sich, daß keine der edelmüthigen Regungen Ihrer Seele mir entgangen ist; daß keiner Ihrer Zweifel mich verletzte, keines Ihrer Leiden mich kalt gelassen hat; reisen Sie ab und suchen Sie anderswo, was Ihnen die Königin von Frankreich nicht mehr geben kann: den Glauben, die Hoffnung, das Glück. Von jetzt an, bis Paris die Verhaftung des Cardinals weiß, bis das Parlament zusammenberufen ist, bis die Zeugschaften beigebracht sind, rechne ich ungefähr vierzehn Tage. Reisen Sie! Ihr Oheim hat zwei Schiffe in Cherbourg und in Nantes bereit liegen; wählen Sie; aber entfernen Sie sich von mir. Ich bringe Unglück; entfernen Sie sich von mir. Ich hing nur an einer einzigen Sache in dieser Welt, und da sie mir entgeht, so fühle ich mich verloren.«

Nach diesen Worten stand die Königin auf und schien Charny die Entlassung zu geben, welche die Audienzen endigt.

Er näherte sich ihr eben so ehrfurchtsvoll, aber rascher, und sprach mit bebender Stimme:

»Eure Majestät hat mir so eben meine Pflicht vorgeschrieben. Nicht auf meinen Gütern, nicht außerhalb Frankreichs ist die Gefahr; in Versailles werden Sie beargwöhnt, in Paris gerichtet. Es ist von Gewicht, Madame, daß jeder Verdacht verschwinde, daß jeder Spruch eine Rechtfertigung sei, und da Sie keinen redlicheren Zeugen, keine entschlossenere Stütze zu haben vermöchten, so bleibe ich. Diejenigen, welche so viele Dinge wissen, Madame, werden Sie sagen. Aber wir werden wenigstens das für Leute von Herz unschätzbare Glück haben, unsere Feinde von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Sie mögen zittern vor der Majestät einer unschuldigen Königin und vor dem Muthe eines Mannes, der besser ist, als sie. Ja, ich bleibe, Madame, und glauben Sie, Eure Majestät hat nicht nöthig, mir länger ihre Gedanken zu verbergen; sie weiß wohl, daß ich nicht fliehe; sie weiß wohl, daß ich nichts fürchte; sie weiß auch wohl, daß sie, um mich nicht mehr zu sehen, nicht nöthig hat, mich in die Verbannung zu schicken. Oh! Madame, von fern verstehen sich die Herzen, von fern sind die Aufathmungen glühender, als von der Nähe. Sie wollen, daß ich reise, um Ihretwillen, nicht meinetwegen; seien Sie unbesorgt; nahe genug, um Ihnen beizustehen, um Sie zu vertheidigen, werde ich doch nicht im Stande sein, Sie zu beleidigen oder Ihnen zu schaden. Nicht wahr, Sie haben mich nicht gesehen, als ich acht Tage lang hundert Klafter von Ihnen entfernt wohnte, jede Ihrer Geberden belauerte, Ihre Schritte bewachte und in Ihrem Leben lebte? Nun wohl! es wird dießmal ebenso sein, denn ich kann Ihren Willen nicht vollziehen, ich kann nicht reisen! Ueberdieß … was ist Ihnen daran gelegen? Werden Sie an mich denken?«

Sie machte eine Bewegung, welche sie von dem jungen Manne entfernte, und erwiderte:

»Wie es Ihnen beliebt … Doch Sie haben mich begriffen, Sie sollen sich nie in meinem Worte täuschen, ich bin keine Cokette, Herr von Charny; sagen was sie denkt, denken was sie sagt, das ist das Privilegium einer wahren Königin! ich bin so. Eines Tags, mein Herr, habe ich Sie unter Allen auserwählt. Irgend etwas zog mein Herz zu Ihnen hin. Ich dürstete nach einer starken und reinen Freundschaft, ich habe Sie dieß wohl sehen lassen, nicht wahr? Heute ist es nicht mehr ebenso, ich denke nicht mehr, was ich dachte. Ihre Seele ist keine Schwester der meinigen mehr. Ich sage Ihnen ebenso offenherzig: schonen wir einander.«

»Es ist gut, Madame,« sprach Charny, »nie glaubte ich, Sie haben mich erwählt, nie glaubte ich … Ah! Madame, ich widerstehe dem Gedanken nicht, Sie zu verlieren. Madame ich bin trunken vor Eifersucht und Angst. Madame, ich werde es nicht ertragen, daß Sie mir ihr Herz entziehen, es gehört mir, Sie haben es mir geschenkt, nur mit meinem Leben wird man es mir nehmen. Seien Sie Weib, seien Sie gut, mißbrauchen Sie meine Schwäche nicht, denn Sie haben mir so eben meine Zweifel vorgeworfen und schmettern mich in diesem Augenblick mit den Ihrigen nieder.«

»Kinderherz, Weiberherz … ich soll auf Sie zählen! … Was für schöne Vertheidiger sind wir für einander! Schwach! oh! ja, Sie sind es; und ich, ach! ich bin nicht stärker als Sie.«

»Ich würde Sie nicht lieben, wären Sie anders, als Sie sind.«

»Wie!« rief sie mit einem lebhaften, leidenschaftlichen Ausdruck, »diese verfluchte Königin, diese verlorene Königin, diese Frau, über welche ein Parlament richten, welche die öffentliche Meinung verurtheilen und ein König, ihr Gatte, vielleicht fortjagen wird, diese Frau findet ein Herz, das sie liebt!«

»Einen Diener, der sie verehrt und ihr alles Blut seines Herzens für eine Thräne bietet, die sie so eben vergoß.«

»Diese Frau,« rief die Königin »ist gesegnet, sie ist stolz, sie ist die erste der Frauen, sie ist die glücklichste von allen, diese Frau ist zu glücklich, Herr von Charny, ich weiß nicht, wie diese Frau sich beklagen konnte, verzeihen Sie ihr.«

Charny fiel zu den Füßen der Königin und küßte sie in einem religiösen Liebesentzücken.

In diesem Augenblick öffnete sich die Thüre des geheimen Ganges, und der König blieb zitternd und wie vom Blitze getroffen auf der Schwelle stehen.

Er hatte den Mann, den Herr von Provence anschuldigte, zu den Füßen der Königin überrascht.

LXXX.
Die Brautbewerbung

Die Königin und Charny wechselten einen so entsetzten Blick, daß ihr grausamster Feind in diesem Augenblick Mitleid mit ihnen gehabt hätte.

Charny erhob sich langsam und verbeugte sich vor dem König mit tiefer Ehrfurcht.

Man sah das Herz Ludwigs XVI. heftig unter den Spitzen seines Jabot schlagen.

»Oh!« sagte er mit dumpfer Stimme … »Herr von Charny!«

Der Graf antwortete nur durch eine neue Verbeugung. Die Königin fühlte, daß sie nicht sprechen konnte, und daß sie verloren war.

Der König fuhr mit einer unglaublichen Maßhaltung fort:

»Herr von Charny, es ist nichts weniger als ehrenvoll für einen Edelmann, auf dem Verbrechen des Diebstahls ertappt zu werden.«

»Diebstahl!« murmelte Charny.

»Diebstahl!« wiederholte die Königin, welche noch an ihren Ohren die furchtbaren Anschuldigungen in Betreff des Halsbands zischen zu hören glaubte und vermuthete, der Graf sollte befleckt werden, wie sie.

»Ja,« sprach der König, »vor der Frau eines Andern niederknieen, ist ein Diebstahl; und wenn diese Frau eine Königin ist, mein Herr, so nennt man dieß Majestätsverbrechen; ich werde Ihnen das durch meinen Siegelbewahrer sagen lassen.«

Der Graf wollte sprechen, er wollte seine Unschuld betheuern, doch, ungeduldig in ihrer Großmuth, wollte es die Königin nicht dulden, daß man den Mann, den sie liebte, einer Schändlichkeit beschuldige; sie kam ihm zu Hilfe und sagte rasch:

»Sire, Sie sind, wie mir scheint, auf einem Wege schlimmer Verdachte und ungünstiger Muthmaßungen; diese Verdachte, diese vorgefaßten Meinungen treffen falsch, das muß ich Ihnen bemerken. Ich sehe, daß die Ehrfurcht die Zunge des Grafen fesselt; doch ich, die ich sein Herz aus dem Grunde kenne, werde ihn nicht anklagen lassen, ohne ihn zu vertheidigen.«

Hier hielt sie inne, erschöpft durch ihre Aufregung, erschrocken über die Lüge, die sie zu finden genöthigt sein sollte, verwirrt endlich, weil sie dieselbe nicht fand.

Doch dieses Zögern, das ihr, dem stolzen Geiste der Königin, selbst verhaßt vorkam, war ganz einfach die Rettung der Frau. In diesen gräßlichen Treffen, wo häufig um die Ehre und das Leben derjenigen, welche man ertappt, gespielt wird, genügt eine gewonnene Minute, um zu retten, wie eine verlorene Secunde genügt hatte, um in's Verderben zu stürzen.

Einzig und allein durch den Instinkt hatte die Königin die Gelegenheit des Aufschubs ergriffen; sie hatte den Verdacht des Königs plötzlich im Laufe aufgehalten; sie hatte seinen Geist irre geleitet und den des Grafen befestigt. Diese entscheidenden Minuten haben rasche Flügel, auf denen die Ueberzeugung eines Eifersüchtigen so fern weggetragen wird, daß sie sich beinahe nie wieder einfindet, wenn nicht der Schutzdämon der Liebesneidischen sie auf den seinigen zurückträgt.

»Werden Sie mir zufällig sagen,« erwiderte Ludwig XVI., der von der Rolle des Königs in die Rolle des beängstigten Gatten fiel, »werden Sie mir sagen, ich habe Herrn von Charny nicht vor Ihnen knieen sehen, Madame? Um aber niederzuknieen, ohne aufgehoben zu werden, muß …«

»Muß, mein Herr!« sprach die Königin mit strengem Tone, »muß ein Unterthan der Königin von Frankreich eine Gnade von dieser zu erbitten haben … Das ist, glaube ich, ein Fall, der ziemlich häufig bei Hofe vorkommt.«

»Eine Gnade von Ihnen erbitten!« rief der König.

»Und zwar eine Gnade, die ich nicht bewilligen konnte,« fuhr die Königin fort, »sonst wäre Herr von Charny nicht so dringlich gewesen, das schwöre ich Ihnen, und ich hätte ihn sehr rasch mit der Freude aufgehoben, einem Edelmann, den ich ganz besonders hoch schätze, seinen Wunsch zu bewilligen.«

Charny athmete. Das Auge des Königs war unentschieden geworden; seine Stirne entwaffnete sich allmälig von der ungewöhnlichen Drohung, welche diese Ueberraschung zu ihr aufsteigen gemacht hatte.

Mittlerweile besann sich Marie Antoinette, besann sich mit der Wuth, zu einer Lüge genöthigt zu sein, mit dem Schmerz, nichts Wahrscheinliches zu finden.

Indem sie sich unfähig bekannt, dem Grafen die Gnade zu bewilligen, um die er nachsuchte, hatte sie die Neugierde des Königs in Fesseln zu schlagen geglaubt; sie hatte geglaubt, das Verhör würde hiebei stehen bleiben. Sie täuschte sich; jede andere Frau hätte weniger Starrheit und mehr Geschicklichkeit an den Tag gelegt, aber für sie war es eine gräßliche Marter, vor dem Mann, den sie liebte, zu lügen. Sich unter dem elenden und falschen Lichte des Comödienbetrugs zeigen, hieß all diese Falschheiten, all diese Ränke, all diese Manöver der Intrigue des Parks durch eine ihrer Schändlichkeit entsprechende Entwicklung schließen; es hieß beinahe sich strafbar zeigen; es war schlimmer als der Tod.

Sie zögerte noch; sie würde ihr Leben gegeben haben, hätte Charny die Lüge gefunden; doch er, der redliche Edelmann, konnte es nicht, er dachte nicht einmal daran. Er fürchtete in seinem Zartgefühle zu sehr, auch nur einige Geneigtheit zur Vertheidigung der Königin zu verrathen.

Was wir hier in vielen, in zu vielen Zeilen vielleicht, obgleich die Lage furchtbar ist, schreiben, eine halbe Minute genügte für die drei Personen dieser Scene, es zu fühlen und auszudrücken.

Marie Antoinette wartete, an den Lippen des Königs hängend, auf die Frage, welche endlich vortrat.

»Sprechen Sie, Madame, sagen Sie, welche Gnade es ist, die Herr von Charny vergebens nachgesucht und die ihn veranlaßt hat, daß er vor Ihnen niederkniete?«

Und als wollte er die Härte dieser argwöhnischen Frage mildern, fügte der König bei:

»Ich bin vielleicht glücklicher, als Sie, Madame, und Herr von Charny wird nicht nöthig haben, vor mir niederzuknieen.«

»Sire, ich habe Ihnen schon gesagt, Herr von Charny verlange eine unmögliche Sache.«

»Nennen Sie mir dieselbe wenigstens.«

»Was kann man auf den Knieen erbitten?« sagte die Königin zu sich selbst … »was kann man von mir erflehen, was zu bewilligen unmöglich ist? … oh! mein Gott!«

»Ich warte,« sprach der König.

»Sire, die Bitte des Herrn von Charny ist ein Familiengeheimniß.«

»Es gibt keine Geheimnisse für mich, für den König, für ihn, der Herr seines Reiches, Familienvater und interessirt ist bei der Ehre, bei der Sicherheit aller seiner Unterthanen, die seine Kinder sind, selbst,« fügte Ludwig mit einer furchtbaren Würde bei, »selbst wenn diese entarteten Kinder die Ehre und die Sicherheit ihres Vaters antasten.«

Die Königin sprang unter dieser drohenden Gefahr auf.

»Herr von Charny!« rief sie, mit verstörtem Geist und zitternder Hand, »Herr von Charny wollte von mir verlangen …«

»Was denn, Madame?«

»Eine Erlaubniß, um zu heirathen.«

»Wahrhaftig!« rief der König, zuerst beruhigt; dann aber sogleich wieder in seine eifersüchtige Bangigkeit zurücksinkend, sagte er, ohne zu bemerken, wie sehr die arme Frau in Folge ihrer Erklärung litt und wie bleich Charny durch das Leiden der Königin war:

»Nun! inwiefern ist es denn unmöglich, daß Herr von Charny heirathet? Ist er nicht von gutem Adel? Hat er nicht ein schönes Vermögen? Ist er nicht tapfer und schön? Wahrhaftig, um ihm den Zutritt in einer Familie zu verweigern und ihn auszuschlagen, muß eine Dame Prinzessin von Geblüt oder verheirathet sein; ich sehe nur diese zwei Gründe, welche eine Unmöglichkeit denkbar machen. Sagen Sie mir also den Namen der Frau, Madame, welche Herr von Charny gern heirathen möchte, und ist sie weder in dem einen, noch in dem andern Fall, so stehe ich dafür, daß ich die Schwierigkeiten besiegen werde … um Ihnen zu gefallen.«

Hingezogen durch die immer mehr wachsende Gefahr, fortgerissen durch die Folge ihrer ersten Lüge, sprach die Königin mit Kraft:

»Nein, mein Herr, nein es gibt Schwierigkeiten, die Sie nicht besiegen können. Die, welche uns in Anspruch nimmt, ist von dieser Art …«

»Ein Grund mehr, daß ich erfahre, was dem König unmöglich ist,« fiel Ludwig XVI. mit dumpfem Zorn ein.

Charny schaute die Königin an; sie schien dem Wanken nahe. Er hätte einen Schritt gegen sie gemacht, der König hielt ihn durch seine Unbeweglichkeit zurück … Mit welchem Recht hätte er, der nichts für diese Frau war, seine Hand und seinen Beistand derjenigen angeboten, die ihr König und ihr Gatte verließ?

»Welches ist die Macht, gegen die der König keine Wirksamkeit hat?« fragte sie sich. »Mein Gott! noch diese Idee, diese Hülfe!«

Plötzlich durchzuckte ein Lichtstrahl ihren Geist.

»Ah! Gott selbst schickt mir diese Hilfe,« murmelte sie. »Diejenigen, welche Gott gehören, können ihm nicht genommen werden, nicht einmal durch den König.«

»Dann erhob sie das Haupt und sprach zu Ludwig XVI.:

»Sire, diejenige, welche Herr von Charny gern heirathen möchte, ist in einem Kloster.«

»Ah!« rief der König, »das ist ein Grund; es ist in der That schwierig, Gott sein Gut zu nehmen, um es den Menschen zu geben. Aber es ist seltsam, daß Herr von Charny so schnell diese Liebe gefaßt hat: nie hat Jemand mit mir davon gesprochen, nicht einmal sein Oheim, der Alles von mir erlangen kann. Wer ist die Frau, die Sie lieben, Herr von Charny? sagen Sie es mir, ich bitte Sie.«

Die Königin fühlte einen stechenden Schmerz. Sie sollte einen Namen aus Oliviers Munde kommen hören, sie sollte die Qual dieser Liebe erdulden, und wer weiß, ob nicht Charny einen einst geliebten Namen, eine noch blutende Erinnerung an die Vergangenheit, oder einen Namen, der der Keim einer Liebe, eine unbestimmte Hoffnung auf die Zukunft war, zu nennen im Begriff stand? Um diesen furchtbaren Schlag nicht zu empfangen, kam Marie Antoinette zuvor und rief plötzlich:

»Sire, Sie kennen diejenige, welche Herr von Charny zu heirathen verlangt, es ist … es ist Fräulein Andrée von Taverney.«

Charny gab einen Schrei von sich und verbarg sein Gesicht in beiden Händen.

Die Königin drückte ihre Hand an ihr Herz und wäre beinahe ohnmächtig in ihren Lehnstuhl gefallen.

»Fräulein von Taverney,« wiederholte der König, »Fräulein von Taverney, die sich nach Saint-Denis zurückgezogen hat?«

»Ja, Sire,« antwortete die Königin mit schwachem Tone.

»Sie hat aber noch nicht das Gelübde abgelegt, so viel ich weiß?«

»Doch sie muß es thun.«

»Wir werden dabei eine Bedingung stellen,« sagte der König. »Warum sollte sie übrigens das Gelübde ablegen?« fügte er mit einem letzten Sauerteig von Mißtrauen bei.

»Sie ist arm … Sie haben nur ihren Vater bereichert,« sprach Marie Antoinette mit hartem Tone.

»Das ist ein Unrecht, das ich wieder gut machen werde. Herr von Charny liebt sie …«

Die Königin bebte und warf Charny einen gierigen Blick zu, als wollte sie ihn anflehen, daß er leugne.

Charny schaute Marie Antoinette starr an und antwortete nicht.

»Wohl!« sagte der König, der dieses Stillschweigen für eine ehrfurchtsvolle Beistimmung nahm, »und ohne Zweifel liebt Fräulein von Taverney Herrn von Charny? Ich werde Fräulein von Taverney aussteuern; ich gebe ihr die fünfmal hunderttausend Livres, die ich eines Tages für Sie Herrn von Calonne abschlagen mußte. Danken Sie der Königin, Herr von Charny, daß sie die Güte gehabt hat, mir diese Sache zu erzählen und so das Glück Ihres Lebens zu sichern.«

Charny machte einen Schritt vorwärts und verbeugte sich wie eine bleiche Bildsäule, der Gott durch ein Wunder einen Augenblick das Leben gegeben hätte.

»Oh! das ist wohl der Mühe werth, daß Sie noch einmal niederknieen,« sagte der König mit jener leichten Nuance von plattem Spott, der zu oft bei ihm den traditionellen Adel seiner Ahnen verminderte.

Die Königin bebte und reichte mit einer freiwilligen Bewegung dem jungen Mann ihre beiden Hände. Er kniete vor ihr nieder und drückte auf diese schönen eiskalten Hände einen Kuß, in dem er seine Seele aushauchen zu dürfen Gott anflehte.

»Auf!« sprach der König, »überlassen wir nun der Königin die Sorge für ihre Angelegenheiten, kommen Sie, mein Herr, kommen Sie.«

Und er ging sehr rasch voran, so daß sich Charny auf der Schwelle umdrehen und den unaussprechlichen Schmerz dieses ewigen Abschieds sehen konnte, den ihm die Augen der Königin zusandten.

Die Thüre schloß sich wieder zwischen ihnen, eine fortan unübersteigliche Schranke für unschuldige Liebe.