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Kitabı oku: «Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2», sayfa 52

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LXXXIII.
Worin es sich erklärt, warum der Baron fett wurde

Während die Königin über das Schicksal des Fräuleins von Taverney in Saint-Denis entschied, beschleunigte Philipp, auf den Tod betrübt über Alles was er erfahren und entdeckt hatte, die Vorkehrungen zu seiner Abreise.

Ein Soldat, der in der Welt umherzulaufen gewohnt ist, braucht nie lange, um zu packen und seinen Reisemantel anzuziehen. Aber Philipp hatte mächtigere Beweggründe, als jeder Andere, um sich rasch von Versailles zu entfernen; er wollte nicht Zeuge der wahrscheinlichen und nahe bevorstehenden Schande der Königin, seiner einzigen Leidenschaft, sein.

Man sah ihn daher eifriger als je beschäftigt, seine Pferde satteln zu lassen, seine Gewehre zu laden, in einem Mantelsack das Vertrauteste zusammenzuhäufen, was er besaß, um das Leben der Gewohnheit fortzuführen, und als er dieß Alles beendigt, ließ er Herrn von Taverney, Vater, melden, er habe mit ihm zu sprechen.

Der kleine Greis kam von Versailles zurück; er schüttelte nach besten Kräften seine mageren Waden, die einen rundlichen Bauch trugen. Der Baron wurde seit drei bis vier Monaten fett, was ihm einen Stolz verlieh, der sich leicht begreifen läßt, wenn man bedenkt, daß die große Rundung des Leibes bei ihm das Merkmal einer vollkommenen Zufriedenheit sein mußte.

Die vollkommene Zufriedenheit Taverney's ist ein Wort, das mancherlei Sinn in sich schließt.

Der Baron kam also ganz heiter von seiner Promenade nach dem Schloß zurück. Er hatte am Abend seinen Theil an dem Scandal des Tages genommen. Er hatte Herrn von Breteuil gegen Herrn von Rohan zugelächelt; Herrn von Soubise und Herrn von Guéménée gegen Herrn von Breteuil; Herrn von Provence gegen die Königin; Herrn von Artois gegen Herrn von Provence; er hatte hundert Personen gegen hundert zugelächelt, und nicht einer einzigen für Jemand. Er hatte seine Vorräthe an Bosheiten und kleinen Schändlichkeiten eingesammelt und kehrte ganz glücklich mit dem vollen Korbe zurück.

Als er von seinem Bedienten erfuhr, sein Sohn wünsche ihn zu sprechen, durchschritt er, statt auf Philipps Besuch zu warten, einen ganzen Ruheplatz, um den Reisenden aufzusuchen.

Er trat, ohne sich melden zu lassen, in das Zimmer ein, das von jener Unordnung voll war, welche einer Abreise vorhergeht.

Philipp erwartete keine Ausbrüche von Empfindsamkeit, wenn sein Vater seine Abreise erfahren würde, aber er erwartete auch keine allzu große Gleichgültigkeit. In der That, Andrée hatte schon das väterliche Haus verlassen, das war eine Existenz weniger, die er quälen konnte; der Baron mußte die Leere fühlen, und wenn diese Leere durch die Abwesenheit des letzten Märtyrers vollständig gemacht wurde, konnte der Baron, den Kindern ähnlich, denen man ihren Hund und ihren Vogel nimmt, wohl wimmern, und wäre es nur aus Selbstsucht.

Aber Philipp war sehr erstaunt, als er den Baron mit einem jubelnden Gelächter ausrufen hörte:

»Ah! mein Gott! er reist …«

Philipp hielt inne und schaute seinen Vater ganz verwundert an.

»Ich war dessen sicher,« fuhr der Baron fort!, »ich hätte darauf gewettet. Gut gespielt, Philipp, gut gespielt.«

»Wie beliebt, mein Herr,« sagte der junge Mann, »ich bitte, was ist gut gespielt?«

Der Greis trällerte auf einem Beine hüpfend und seinen zunehmenden Bauch mit beiden Händen haltend.

Er blinzelte zu gleicher Zeit Philipp angestrengt mit den Augen zu, damit dieser seinen Kammerdiener entließe.

Philipp begriff dieß und gehorchte. Der Baron schob Champagne hinaus und schloß die Thüre hinter seinen Fersen. Dann kehrte er zu seinem Sohn zurück und sagte mit leiser Stimme:

»Bewunderungswürdig! bewunderungswürdig!«

»Sie spenden mir viel Lob, mein Herr, ohne daß ich weiß, wodurch ich es verdient habe,« erwiderte Philipp mit kaltem Tone.

»Ah! ah! ah!« rief der Greis, sich auf den Hüften wiegend.

»Wenn nicht etwa diese Heiterkeit durch meine Abreise verursacht wird, die Sie von mir befreit, mein Herr.«

»Oh! oh! oh! …« lachte der alte Baron aus einer andern Tonart. »La! la! ärgere Dich nicht vor mir, es ist nicht der Mühe werth, Du weißt wohl, daß ich mich nicht von Dir bethören lasse … Ah! ah! ah!«

Philipp kreuzte die Arme und fragte sich, ob dieser Greis nicht verrückt würde.

»Bethören, wodurch?« fragte er.

»Durch Deine Abreise, bei Gott! bildest Du Dir etwa ein, ich glaube an Deine Abreise?«

»Sie glauben nicht daran?«

»Ich wiederhole Dir, Champagne ist nicht mehr hier, ärgere Dich nicht mehr; überdies; gestehe ich, daß Du keinen andern Entschluß zu fassen hattest, und Du fassest ihn, das ist gut.«

»Mein Herr, Sie setzen mich dermaßen in Erstaunen …«

»Ja, es ist ziemlich wunderbar, daß ich dieß errathen habe; aber was willst Du, Philipp? es gibt keinen Menschen, der neugieriger ist, als ich, und wenn ich neugierig bin, suche ich; es gibt keinen Menschen, der glücklicher im Finden ist, als ich, wenn ich suche; ich habe also gefunden, daß Du Dir den Anschein gibst, als wolltest Du abreisen, und ich wünsche Dir Glück hiezu.«

»Ich gebe mir den Anschein?« rief Philipp ärgerlich.

Der Greis näherte sich ihm, berührte die Brust des jungen Mannes mit seinen Fingern, welche so knochig waren wie die eines Todtengerippes, und sprach immer vertraulicher:

»Bei meinem Ehrenwort, ich bin fest überzeugt, ohne dieses Auskunftsmittel war Alles entdeckt. Du greifst die Sache zur rechten Zeit an. Höre, morgen wäre es zu spät gewesen. Geh geschwind, mein Sohn, geh geschwind.«

»Mein Herr,« sprach Philipp mit eisigem Tone, »ich betheure Ihnen, daß ich nicht ein Wort, nicht ein einziges Wort von Allem dem, was Sie mir zu sagen mich beehren, verstehe.«

»Wo wirst Du Deine Pferde verbergen?« fuhr der Greis fort, ohne unmittelbar zu antworten; »Du hast eine Stute, welche sehr leicht zu erkennen ist; nimm Dich in Acht, daß man sie nicht hier sieht, während man glauben wird, Du seist … Ah! wohin reisest Du dem Anschein nach?«

»Ich gehe nach Taverney Maison-Rouge, mein Herr.«

»Gut … sehr gut … Du stellst Dich, als gingest Du nach Maison-Rouge … Niemand wird sich hierüber Klarheit verschaffen … Oh! sehr gut. Doch sei vorsichtig; es sind sehr viele Augen auf euch Beide gerichtet.«

»Auf uns Beide! … Wen meinen Sie denn?«

»Sie ist ungestüm, siehst Du,« fuhr der Greis fort. »Sie hat Ausbrüche des Zorns, durch welche sie Alles zu Grunde zu richten im Stande ist. Nimm Dich in Acht, sei vernünftiger als sie.«

»Ah! in der That,« lief Philipp mit einem dumpfen Zorn, »ich denke, Sie belustigen sich auf meine Kosten, was nicht liebreich ist, das schwöre ich Ihnen, was nicht gut ist, denn Sie setzen mich, betrübt und gereizt wie ich bin, der Unannehmlichkeit aus, die Achtung gegen Sie zu verletzen.«

»Ah! ja wohl, die Achtung; ich spreche Dich davon frei, Du bist groß genug, um unsere Angelegenheiten zu betreiben, und Du entledigst Dich derselben so gut, daß Du mir Achtung einflößest. Du bist der Geronte, ich bin der Etourdi; gib mir eine Adresse, an welche ich Dir eine Nachricht zukommen lassen kann, im Fall sich etwas Dringendes ereignet.«

»Nach Taverney, mein Herr,« sprach Philipp im Glauben, der Greis kehre endlich zu seinem gesunden Verstande zurück.

»Ei! Du gibst mir eine schöne Adresse! … nach Taverney, auf achtzig Meilen. Du bildest Dir ein, wenn ich Dir einen wichtigen, dringenden Rath zukommen zu lassen habe, werde ich mich damit belustigen, daß ich Couriere auf der Landstraße nach Taverney der Wahrscheinlichkeit wegen umbringe? Ich sage nicht, Du sollst mir die Adresse von Deinem Hause im Park geben, weil man meinen Emissären dahin folgen oder meine Livreen erkennen könnte, aber wähle eine dritte Adresse, in der Entfernung von einer Viertelstunde; Du hast Einbildungskraft… was Teufels, hat man für seine Liebschaft gethan, was Du gethan hast, so ist man ein Mann von Mitteln.«

»Ein Haus im Park, Liebschaft, Einbildungskraft! Mein Herr, wir spielen Räthsel, nur behalten Sie die Schlüssel für sich.«

»Ich kenne kein schrofferes und verschlossenes Thier, als Du bist,« rief der Vater voll Aerger, »ich kenne keines, dessen Zurückhaltung verletzender ist. Sollte man nicht glauben, Du habest bange, von mir verrathen zu werden? Das wäre seltsam!«

»Mein Herr!« rief Philipp außer sich.

»Es ist gut! es ist gut! behalte Deine Geheimnisse für Dich; behalte das Geheimniß der von Dir gemietheten alten Jägermeisterei für Dich.«

»Ich habe die Jägermeisterei gemiethet? ich!«

»Behalte das Geheimniß Deiner nächtlichen Spaziergänge, die Du zwischen zwei anbetungswürdigen Freundinnen gemacht hast.«

»Ich!… ich bin spazieren gegangen?« murmelte Philipp erbleichend.

»Bewahre das Geheimniß der honigsüßen unter den Blumen und dem Thau gewechselten Küsse.«

»Mein Herr,« brüllte Philipp, trunken vor wüthender Eifersucht, »mein Herr, werden Sie schweigen?«

»Es ist gut, sage ich Dir noch einmal. Alles was Du gethan, habe ich erfahren. Du hast nur bezweifelt, daß ich es wüßte. Alle Teufel! das müßte Dir Vertrauen geben. Dein inniges Verhältniß mit der Königin, Deine begünstigten Unternehmungen, Deine Ausflüge in die Apollo-Bäder, mein Gott! das bringt uns Allen Leben und Glück. Habe also nicht bange vor mir, Philipp … Vertraue Dich mir an.«

»Mein Herr, Sie sind Entsetzen erregend,« rief Philipp, indem er sein Gesicht in seine Hände verbarg.

Es war allerdings ein Entsetzen, was der unglückliche Philipp gegen den Mann empfand, der seine Wunden entblöste und, nicht zufrieden sie entblöst zu haben, sie vergrößerte und mit einer Art von Wuth auseinanderriß. Es war Entsetzen, was er gegen den Mann empfand, der ihm das ganze Glück eines Andern zuschrieb und ihn, im Glauben, er liebkose, mit dem Glück eines Andern geißelte.

Alles was der Vater erfahren, Alles was er errathen hatte, Alles was die Böswilligen auf Rechnung des Herrn von Rohan, die besser Unterrichteten auf Rechnung des Herrn von Charny setzten, berichtete der Baron seinem Sohn. Für ihn war es Philipp, den die Königin liebte und allmälig im Schatten auf die höchsten Stufen des Günstlingthums emporhob. Daher die Zufriedenheit, welche seit einigen Wochen den Bauch des Herrn von Taverney rundete.

Als Philipp diesen neuen Sumpf von Schändlichkeit entdeckt hatte, schauderte er, da er sich durch das einzige Wesen darein versenkt sah, das mit ihm gemeinschaftliche Sache für die Ehre hatte machen müssen; doch der Schlag war so heftig gewesen, daß er betäubt, stumm blieb, wahrend der Baron eifriger als je schwatzte.

»Siehst Du, Du hast da ein Meisterstück gemacht,« sagte er, »Du hast alle Welt von der Fährte abgebracht. Diesen Abend sagten mir fünfzig Augen: Es ist Rohan. Hundert sagten mir: Es ist Charny! Zweihundert sagten mir: Es ist Rohan und Charny! Nicht ein einziges hat mir gesagt: Es ist Taverney. Ich wiederhole Dir, Du hast ein Meisterstück gemacht, und es ist das Wenigste, daß ich Dir mein Kompliment hierüber ausspreche… Uebrigens gereicht es Dir wie ihr zur Ehre, mein Lieber. Ihr, weil sie Dich genommen hat, Dir, weil Du sie festhältst.«

In dem Augenblick, wo Philipp, durch diesen letzten Zug wüthend gemacht, mit einem verzehrenden, Sturm verkündenden Blick den unbarmherzigen Greis niederschmetterte, vernahm man das Rasseln eines Wagens im Hof des Hotels, und gewisse Geräusche, ein gewisses Hin- und Hergehen von seltsamem Charakter lenkten die Aufmerksamkeit nach Außen.

Man hörte Champagne rufen.

»Das Fräulein! es ist das Fräulein!«

Und mehrere Stimmen wiederholten:

»Das Fräulein!«

»Wie, das Fräulein?« fragte Taverney, »welches Fräulein ist da?«

»Es ist meine Schwester,« murmelte Philipp, als er Andrée erkannte, die aus dem durch das Licht des Portier beleuchteten Wagen stieg.

»Deine Schwester!« wiederholte der Greis … »Andrée … ist es möglich?«

Champagne trat ein, um zu bestätigen, was Philipp angekündigt hatte.

»Gnädiger Herr,« sagte er zu Philipp, »das Fräulein, Ihre Schwester, ist im Boudoir neben dem großen Salon: sie erwartet den gnädigen Herrn, um mit ihm zu sprechen.«

»Gehen wir ihr entgegen,« rief der Greis.

»Mit mir will sie sprechen,« erwiderte Philipp, sich vor dem Greise verbeugend; »ich werde zuerst gehen, wenn Sie mir erlauben.«

In demselben Augenblick fuhr ein zweiter Wagen geräuschvoll in den Hof.

»Wer Teufels kommt noch!« murmelte der Baron, »das ist eine Stunde der Abenteuer.«

»Der Graf Olivier von Charny!« rief die mächtige Stimme des Portier den Bedienten zu.

»Führen Sie den Grafen in den Salon,« sagte Philipp zu Champagne, »der Herr Baron wird ihn empfangen … ich gehe in das Boudoir, um mit meiner Schwester zu sprechen.«

Die zwei Männer stiegen langsam die Treppe hinab.

»Was will der Graf hier?« fragte sich Philipp.

»Warum ist Andrée hierhergekommen?« dachte der Baron.

LXXXIV.
Der Vater und die Braut

Der Salon des Hauses lag im Erdgeschoß; zu seiner Linken war das Boudoir, mit einem Ausgang auf die Treppe, welche nach der Wohnung Andrée's führte.

Zu seiner Rechten war ein anderer Salon, durch den man in den großen eintrat.

Philipp kam zuerst in das Boudoir, wo ihn seine Schwester erwartete. Er hatte in der Flur seine Schritte verdoppelt, um früher in den Armen dieser theuren Gefährtin zu sein.

Sobald er die Doppelthüre des Salons geöffnet hatte, nahm ihn Andrée beim Halse und umarmte ihn mit einer freudigen Miene, an welche dieser traurige Liebende, dieser unglückliche Bruder seit langer Zeit nicht mehr gewöhnt war.

»Gütiger Himmel! was begegnet Dir denn?« fragte der junge Mann Andrée.

»Etwas Glückliches! … oh! etwas sehr Glückliches, mein Bruder!«

»Und Du kommst zurück, um es mir mitzutheilen?«

»Ich komme für immer zurück!« sagte sie mit einem Entzücken des Glücks, das aus ihrem Ausruf einen schallenden Schrei machte.

»Leise, Schwesterchen, leise.« sagte Philipp; »das Täfelwerk dieses Hauses ist nicht an die Freude gewöhnt, und dann ist dort, oder wird sogleich dort in dem Salon Jemand sein, der Dich hören könnte.«

»Jemand, wer denn?« fragte Andrée.

»Horche,« erwiderte Philipp.

»Der Herr Graf von Charny,« meldete der Lakai, Olivier aus dem kleinen Saale in den großen einführend.

»Er! er!« lief Andre«, ihre Liebkosungen bei ihrem Bruder verdoppelnd. »Oh! ich weiß wohl, was er hier will.«

»Du weißt es?«

»Ich weiß es so gut, daß ich die Unordnung in meinem Anzug wahrnehme, und daß ich, da ich den Augenblick vorhersehe, wo ich ebenfalls in den Salon werde eintreten müssen, um dort mit meinen Ohren zu hören, was Herr von Charny zu sagen beabsichtigt …«

»Sprichst Du im Ernste, meine liebe Andrée?«

»Höre, höre, Philipp, und laß mich in mein Zimmer hinaufgehen. Die Königin hat mich ein wenig schnell zurückgeführt; ich will mein Klosternegligee gegen ein Gewand … gegen ein Brautgewand vertauschen.«

Und nach diesen Worten, die sie leise und in Begleitung eines freudigen Kusses zu Philipp sprach, verschwand Andrée leicht und brausend auf der Treppe, die nach ihrer Wohnung führte.

Philipp blieb allein, legte seine Wange an die Thüre, welche das Boudoir mit dem Salon verband, und horchte.

Der Graf von Charny war eingetreten. Er ging langsam auf und ab und schien mehr nachzusinnen, als zu warten.

Herr von Taverney Vater trat ebenfalls ein und begrüßte den Grafen mit ausgezeichneter, wenn auch gezwungener Höflichkeit.

»Welchem Umstand,« sagte er, »verdanke ich die Ehre dieses unerwarteten Besuches, Herr Graf? in jedem Fall glauben Sie mir, daß ich im höchsten Grade darüber erfreut bin.«

»Ich komme, wie Sie sehen, in Ceremonie, mein Herr, und ich bitte Sie, mich zu entschuldigen, wenn ich meinen Oheim, den Herrn Bailli von Suffren, nicht mitgebracht habe, wie ich es hätte thun sollen.«

»Wie!« stammelte der Baron, »ich entschuldige Sie, mein lieber Herr von Charny.«

»Ich weiß, es wäre dieß der Schicklichkeit gemäß gewesen, bei der Bitte, die ich Ihnen vorzutragen im Begriff bin.«

»Eine Bitte?«

»Ich habe die Ehre,« sprach Charny mit einer Stimme, welche seine Aufregung beherrschte, »ich habe die Ehre, um die Hand von Fräulein Andrée von Taverney, Ihrer Tochter, zu bitten.«

Der Baron machte gleichsam einen Sprung in seinem Lehnstuhl. Er riß funkelnd die Augen auf, welche jedes von den Worten, die der Graf von Charny gesprochen, zu verschlingen schienen.

»Meine Tochter!« murmelte er, »Sie verlangen Andrée von mir zur Frau?«

»Ja, Herr Baron; wenn nicht etwa Fräulein von Taverney einen Widerwillen gegen diese Verbindung hegt.«

»Ah!« dachte der Greis, »steht Philipp schon so hoch in der Gunst, daß einer seiner Nebenbuhler diese durch eine Heirath mit seiner Schwester ausbeuten will? Meiner Treu, das ist auch nicht schlecht gespielt, Herr von Charny.«

Und mit einem Lächeln erwiderte er laut:

»Dieses Gesuch ist so ehrenvoll für unser Haus, Herr Graf, daß ich ihm, was mich betrifft, mit großer Freude entspreche, und da mir daran gelegen ist, daß Sie eine vollständige Einwilligung von hier mitnehmen, so werde ich meine Tochter benachrichtigen lassen …«

»Mein Herr,« unterbrach ihn der Graf mit kaltem Tone, »Sie machen sich eine unnöthige Mühe. Die Königin hat die Gnade gehabt, Fräulein von Taverney hierüber zu befragen, und die Antwort des Fräuleins ist günstig für mich gewesen.«

»Ah!« rief der Baron, immer mehr erstaunt, »die Königin ist es …«

»Die sich zu diesem Behufe nach Saint-Denis begeben hat, ja, mein Herr,«

Der Baron stand auf und sprach:

»Herr Graf, ich habe Sie nur noch von den Verhältnissen des Fräuleins von Taverney in Kenntniß zu setzen. Ich habe hier oben die Urkunden vom Vermögen ihrer Mutter. Sie heirathen kein reiches Mädchen, Herr Graf, und ehe Sie abschließen …«

»Unnöthig, Herr Baron,« unterbrach ihn Charny trocken. »Ich bin reich für Zwei, und Fräulein von Taverney gehört nicht zu den Frauen, um die man handelt. Doch es ist für mich unerläßlich, die Frage, die Sie für Ihre Rechnung behandeln wollten, für die meinige zu behandeln.«

Er hatte kaum diese Worte gesprochen, als sich die Thüre des Boudoir öffnete und Philipp bleich, verstört, eine Hand in seiner Weste, die andere krampfhaft geschlossen, erschien.

Charny begrüßte ihn ceremoniös und empfing einen ähnlichen Gruß.

»Mein Herr,« sprach Philipp, »mein Vater hatte Recht, Ihnen eine Unterredung über die Familienrechnungen vorzuschlagen; wir haben Ihnen Beide Aufklärungen zu geben. Während der Herr Baron in sein Zimmer hinauf geht, um die Papiere zu holen, von denen er sprach, werde ich die Ehre haben, die Frage mit Ihnen mehr im Einzelnen zu verhandeln.«

Und mit einem Blicke unabweisbarer Autorität schickte Philipp den Baron weg. der sich mit großem Mißbehagen entfernte, da er einen Querstrich vorhersah.

Philipp begleitete den Baron bis an die Ausgangsthüre des kleinen Salons, um sicher zu sein, daß dieses Zimmer leer blieb. Er schaute auch in das Boudoir, kreuzte, nachdem er sich überzeugt hatte, daß er von Niemand gehört werden konnte, als vom Grafen, diesem gegenüber die Arme und sprach:

»Herr Graf, wie kommt es, daß Sie es wagen, die Hand meiner Schwester zu verlangen?«

Olivier wich zurück und erröthete. Philipp aber fuhr fort:

»Etwa, um besser Ihre Liebschaft mit der Frau zu verbergen, welche Sie verfolgen, mit der Frau, die Sie liebt? Damit man, wenn man Sie verheirathet sieht, nicht sagen könne, Sie haben eine Geliebte?«

»Wahrhaftig, mein Herr …« stammelte Charny schwankend, niedergeschmettert.

»Etwa,« fügte Philipp bei, damit Sie als Gatte einer Frau, welche zu jeder Stunde in der Nähe Ihrer Geliebten kommen wird, bessere Gelegenheit haben, diese angebetete Geliebte zu sehen?«

»Mein Herr, Sie überschreiten die Grenzen.«

»Es geschieht vielleicht, und ich glaube das eher,« fuhr Philipp näher tretend fort, »es geschieht ohne Zweifel, damit ich, Ihr Schwager geworden, nicht enthülle, was ich von Ihren früheren Liebesgeschäften weiß?«

»Was Sie wissen?« rief Charny erschrocken, »nehmen Sie sich in Acht, nehmen Sie sich in Acht!«

»Ja,« sagte Philipp, sich belebend, »das von Ihnen gemiethete Haus des Jägermeisters; Ihre geheimnißvollen Spaziergange im Parke von Versailles … in der Nacht… Ihre Händedrücke… Ihre Seufzer, und besonders jener zärtliche Austausch von Blicken an der kleinen Thüre des Parks …«

»Mein Herr, im Namen des Himmels … mein Herr, Sie wissen nichts, sagen Sie, daß Sie nichts wissen.«

»Ich weiß nichts?« rief Philipp mit einer blutigen Ironie. »Wie sollte ich nichts wissen, ich, der ich im Gesträuche vor der Thüre der Apollo-Bäder verborgen war, als Sie mit der Königin am Arm heraustraten?«

Charny machte zwei Schritte, wie ein Mensch, der auf den Tod getroffen ist und eine Stütze um sich her sucht.

Philipp schaute ihn mit einem finstern Stillschweigen an. Er ließ ihn leiden, er ließ ihn durch diese vorübergehende Marter die Stunden unaussprechlicher Wonne sühnen, die er ihm zum Vorwurf machte.

Charny erhob sich von seinem Zusammensinken und sprach zu Philipp:

»Nun wohl, mein Herr, selbst nach dem, was Sie mir gesagt haben, bitte ich Sie um die Hand des Fräuleins von Taverney. Wäre ich nur ein feiger Berechner, wie Sie dieß vor einem Augenblick vermutheten; heirathete ich meinetwegen, so wäre ich so erbärmlich, daß ich vor dem Mann, der mein Geheimniß und das der Königin in seiner Gewalt hält, bange hätte. Aber die Königin muß gerettet werden, das muß geschehen.«

»In welcher Beziehung ist die Königin verloren?« sagte Philipp. »Weil Herr von Taverney, sie den Arm des Herrn von Charny drücken und vom Glück feuchte Augen zum Himmel aufschlagen sah? In welcher Hinsicht ist sie verloren? weil ich weiß, daß sie Sie liebt? Oh! das ist kein Grund, meine Schwester zu opfern, mein Herr, und ich werde sie nicht opfern lassen.«

»Mein Herr,« erwiderte Olivier, »wissen Sie, warum die Königin verloren ist, wenn diese Heirath nicht zu Stande kommt? Weil diesen Morgen, während man Herrn von Rohan verhaftete, der König mich auf den Knieen vor der Königin überrascht hat.«

»Mein Gott!«

»Und von ihrem eifersüchtigen Gemahl befragt, hat die Königin geantwortet, ich sei vor ihr niedergekniet, um mir die Hand Ihrer Schwester zu erbitten. Darum, mein Herr, ist die Königin, wenn ich Ihre Schwester nicht heirathe, verloren. Begreifen Sie nun?«

Ein doppeltes Geräusch unterbrach hier Olivier: ein Schrei und ein Seufzer; der eine kam aus dem kleinen Salon, der andere aus dem Boudoir.

Olivier lief zum Seufzer; er sah in dem Boudoir Andrée von Taverney, weiß gekleidet wie eine Braut. Sie hatte Alles gehört und war in Ohnmacht gefallen.

Philipp lief zum Schrei in den kleinen Salon. Er erblickte den Leib des Barons von Taverney, den diese Offenbarung der Liebe der Königin für Charny auf den Ruin aller seiner Hoffnungen niedergeschmettert hatte.

Vom Schlage getroffen, hatte der Baron den letzten Seufzer von sich gegeben.

Die Weissagung Cagliostro's war in Erfüllung gegangen.

Philipp begriff Alles, selbst die Schmach dieses Todes, verließ stillschweigend den Leichnam und kehrte in den Salon zu Charny zurück, der dieses kalte, leblose schöne Mädchen, zitternd und ohne daß er es zu berühren wagte, betrachtete.

Die zwei offenen Thüren ließen die zwei Körper erblicken, welche gleichsam symmetrisch an dem Orte lagen, wo der Schlag dieser Enthüllung sie getroffen hatte.

Die Augen angeschwollen, das Herz kochend, hatte Philipp den Muth, das Wort zu nehmen und zu Herrn von Charny zu sagen:

»Der Herr Baron von Taverney ist so eben gestorben. Nach ihm bin ich das Haupt der Familie. Wenn Fräulein von Taverney wieder zum Leben kommt, so gebe ich sie Ihnen zur Frau.«

Charny schaute den Leichnam des Barons mit Entsetzen, den Körper Andrée's mit Verzweiflung an.

Philipp riß sich die Haare mit beiden Händen aus, und schleuderte zum Himmel einen Ausruf, der das Herz Gottes auf seinem ewigen Thron bewegen mußte.

»Graf von Charny,« sagte er, nachdem er den Sturm in seinem Innern beschwichtigt hatte, »ich übernehme diese Verbindlichkeit im Namen meiner Schwester, die mich nicht hört: sie wird ihr Glück unserer Königin geben, und ich werde vielleicht eines Tags glücklich genug sein, für sie mein Leben hinzugeben. Gott befohlen, Herr von Charny; Gott befohlen, mein Schwager.«

Nach diesen Worten grüßte er Olivier, der nicht wußte, wie er sich entfernen sollte, ohne an einem der Opfer vorbeizukommen; er hob Andrée auf, erwärmte sie in seinen Armen und machte so den Weg für den Grafen frei, worauf dieser durch das Boudoir verschwand.