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Kitabı oku: «Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2», sayfa 53

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LXXXV.
Nach dem Drachen die Natter

Es ist Zeit für uns, daß wir zu den Personen unserer Geschichte zurückkehren, welche die Notwendigkeit und die Intrigue sowohl, als die historische Wahrheit auf den zweiten Plan verwiesen haben.

Oliva schickte sich an, für Rechnung Jeanne's zu fliehen, als Beausire, der nach der Wiedererlangung Nicole's keuchte, durch eine anonyme Nachricht in Kenntniß gesetzt, sich bis in ihre Arme geleitet sah und sie von Cagliostro entführte, während Herr Reteau von Villette vergebens in der Rue du Roi-Doré wartete.

Um das glückliche Liebespaar, das zu entdecken Herr von Crosne ein so großes Interesse hatte, wieder aufzufinden, ließ Frau von La Mothe alle ihre vertrauten Leute in's Feld ziehen.

Sie wollte lieber, wie man leicht begreift, selbst über ihrem Geheimniß wachen, als es den Händen Anderer überlassen, und zur guten Durchführung der Angelegenheit, die sie vorbereitete, war es unerläßlich, daß Nicole nicht aufgefunden werden konnte.

Unbeschreiblich war ihre Angst, als jeder von ihren Emissären bei seiner Rückkehr ihr meldete, die Nachforschungen seien vergeblich gewesen.

Dabei erhielt sie in ihrem Versteck Befehl auf Befehl, vor der Königin zu erscheinen und über ihr Benehmen in Beziehung auf das Halsband Rede zu stehen.

Verschleiert, reiste sie nächtlicher Weile nach Bar-sur-Aube ab, wo sie ein Absteigequartier hatte, und als sie auf Umwegen unerkannt dort anlangte, nahm sie sich Zeit, ihre Lage unter ihrem wahren Lichte in's Auge zu fassen.

Sie gewann so zwei bis drei Tage, nur mit sich allein, und sie gab sich die Zeit und mit der Zeit die Stärke, durch eine solide innere Befestigung das Gebäude ihrer Verleumdungen zu behaupten.

Zwei Tage der Einsamkeit waren für diese tiefe Seele der Kampf, nach dessen Beendigung Körper und Geist gebändigt sein müßten, nach dem das gehorsame Gewissen sich nicht mehr, ein gefährliches Werkzeug, gegen die Schuldige umkehren würde, nach dem das Blut die Gewohnheit angenommen hätte, um das Herz zu kreisen, ohne je zum Gesicht aufzusteigen, um hier die Scham oder die Ueberraschung zu verrathen.

Der König und die Königin erfuhren ihren Aufenthalt in Bar-sur-Aube erst in dem Augenblick, wo sie schon zum Kriegführen vorbereitet war. Sie schickte einen eigenen Boten ab, um sie zu holen. Da erfuhr sie die Verhaftung des Cardinals.

Jede Andere als sie wäre durch diese kräftige Offensive niedergeschmettert worden; doch Jeanne hatte nichts mehr zu schonen. Was war eine Freiheitsfrage in der Wagschale gegen Fragen über Leben und Tod, die sich jeden Tag darin anhäuften?

Als sie die Einkerkerung des Kardinals und den Lärm erfuhr, den die Königin gemacht hatte, berechnete sie kalt:

»Die Königin hat ihre Schiffe verbrannt, sie kann unmöglich die Vergangenheit zurücknehmen. Indem sie sich weigert, sich mit dem Cardinal zu vergleichen und die Juweliere zu bezahlen, spielt sie quitt oder doppelt. Das beweist, daß sie ohne mich rechnet und nicht vermuthet, welche Kräfte ich zu meiner Verfügung habe.«

Aus diesen Stücken war die Rüstung gemacht, welche Jeanne trug, als ein Mann, halb Gefreiter, halb Bote, plötzlich vor ihr erschien und ihr ankündigte, er sei beauftragt, sie an den Hof zurückzubringen.

Der Bote, welcher beauftragt war, sie an den Hof zurückzubringen, wollte sie unmittelbar zum König führen; doch mit jener uns bekannten Gewandtheit sagte Jeanne:

»Mein Herr, nicht wahr, Sie lieben die Königin?«

»Zweifeln Sie daran, Frau Gräfin?« erwiderte der Bote.

»Nun wohl! im Namen dieser redlichen Liebe und der Ehrfurcht, welche Sie für die Königin hegen, beschwöre ich Sie, mich zuerst zu der Königin zu führen.«

Der Officier wollte Einwendungen machen.

»Sie wissen sicherlich besser als ich, um was es sich handelt,« sprach die Gräfin. »Sie werden daher begreifen, daß eine geheime Unterredung der Königin mit mir unerläßlich ist.«

Ganz zusammengeknetet von den verleumderischen Ideen, welche die Luft von Versailles seit mehreren Monaten verpesteten, glaubte der Bote, der Königin wirklich einen Dienst zu leisten, wenn er Frau von La Mothe zu ihr führte, ehe er sie dem König zeigte.

Man denke sich den Hochmuth, das stolze Bewußtsein der Königin, als sie diesem Dämon gegenüber stand, den sie noch nicht kannte, dessen schändlichen, treulosen Einfluß auf ihre Angelegenheiten sie aber wohl muthmaßte. Man denke sich Marie Antoinette, eine noch trostlose Wittwe ihrer Liebe, die dem Aergerniß unterlegen war, Marie Antoinette niedergeschmettert durch die Beleidigung einer Anklage, die sie nicht widerlegen konnte; man denke sich Marie Antoinette endlich, wie sie sich nach so vielen Leiden anschickte, den Fuß auf den Kopf der Schlange zu setzen, welche sie gebissen hatte.

Die erhabenste Verachtung, der schlecht bewältigte Zorn, der Haß der Frau gegen die Frau, das Gefühl eines unvergleichlichen Uebergewichts der Lage, dieß waren die Waffen einer der Gegnerinnen. Ein Herz voll von Geheimnissen, ein Geist voll von Ideen, die Verzweiflung als letzte Triebfeder, dieß war die zweite Person des Kampfes. Die Königin begann damit, daß sie als Zeugen zwei von ihren Frauen, mit gesenkten Augen, geschlossenen Lippen und langsamer feierlicher Vernetzung, eintreten ließ. Frau von La Mothe sagte, sobald sie die zwei Frauen erblickte, zu sich selbst:

»Gut, das sind zwei Zeugen, die man sogleich wegschicken wird.«

»Ah! endlich sind Sie da, Madame!« rief die Königin, »man findet Sie endlich!«

Jeanne verneigte sich zum zweiten Mal.

»Sie verbergen sich also?« fragte die Königin voll Ungeduld.

»Mich verbergen, Madame! nein, Madame,« erwiderte Jeanne mit einer sanften, kaum tönenden Stimme, als ob die durch die königliche Majestät hervorgebrachte Gemüthsbewegung allein ihren gewöhnlichen Klang dämpfte; »wenn ich mich verborgen hätte, so würde man mich nicht gefunden haben.«

»Sie sind aber doch davon gelaufen? Nennen Sie das, wie es ihnen beliebt.«

»Das heißt, ich habe Paris verlassen, ja, Madame.«

»Ohne meine Erlaubniß?«

»Ich befürchtete, Ihre Majestät würde mir den kleinen Urlaub nicht bewilligen, dessen ich bedurfte, um meine Angelegenheiten in Bar-sur-Aube zu ordnen, wo ich mich seit sechs Tagen aufhielt. Außerdem, ich muß es sagen, glaubte ich nicht, Eurer Majestät so nothwendig zu sein, daß ich genöthigt wäre, Sie wegen einer Abwesenheit von acht Tagen in Kenntniß zu setzen.«

»Sie haben Recht, Madame; warum haben Sie eine Verweigerung des Urlaubs von mir gefürchtet? Welchen Urlaub haben Sie von mir zu verlangen? Welchen Urlaub habe ich Ihnen zu bewilligen? Nehmen Sie eine Stelle hier ein?«

Es lag zu viel Verachtung in diesen letzten Worten. Verletzt, aber ihr Blut zurückhaltend, wie die von einem Pfeil verwundete Tigerkatze, erwiderte Jeanne demüthig:

»Madame, es ist wahr, ich habe keine Stelle bei Hofe, doch Eure Majestät beehrte mich mit einem so kostbaren Vertrauen, daß ich mich viel mehr bei ihr durch die Dankbarkeit gebunden glaubte, als Andere es durch die Pflicht sind.«

Jeanne hatte lange gesucht, sie hatte das Wort Vertrauen gefunden und legte einen Nachdruck darauf.

»Dieses Vertrauen,« wiederholte die Königin mit noch niederschmetternderer Verachtung, als bei ihrer ersten Anrede, »wir werden die Rechnung darüber sogleich in Ordnung bringen. Haben Sie den König gesehen?«

»Nein, Madame.«

»Sie werden ihn sehen.

Jeanne verbeugte sich und erwiderte:

»Das wird eine große Ehre für mich sein.«

Die Königin suchte ein wenig Ruhe, um ihre Fragen mit Vortheil zu beginnen.

Jeanne benützte diese Frist und sagte:

»Aber, mein Gott! Madame! wie streng zeigt sich Eure Majestät gegen mich! Ich zittere ganz.«

»Sie sind noch nicht beim Ende!« rief die Königin voll Ungestüm, »wissen Sie, daß Herr von Rohan in der Bastille ist?«

»Man hat es mir gesagt, Madame.«

»Sie errathen wohl, warum?«

Jeanne schaute die Königin fest an, wandte sich dann gegen die Frauen, deren Gegenwart sie zu beengen schien, und erwiderte:

»Ich weiß es nicht, Madame.«

»Sie wissen jedoch, daß Sie uns von einem Halsband gesprochen haben, nicht wahr?«

»Von einem Diamantenhalsband; ja, Madame.«

»Und daß Sie mir von Seiten des Cardinals ein Abkommen vorgeschlagen haben, um das Halsband zu bezahlen?«

»Das ist wahr, Madame.«

»Habe ich das Abkommen angenommen oder ausgeschlagen?«

»Eure Majestät hat es ausgeschlagen.«

»Ah!« machte die Königin mit einer Mischung von Zufriedenheit und Erstaunen.

»Ihre Majestät hat sogar eine Abschlagszahlung von zweimal hunderttausend Livres gegeben,« fügte Jeanne bei.

»Gut … und hernach?«

»Hernach hat Ihre Majestät, da sie nicht bezahlen konnte, weil Herr von Calonne ihr das Geld verweigerte, das Etui den Juwelieren Böhmer und Bossange zurückgeschickt.«

»Durch wen zurückgeschickt?«

»Durch mich.«

»Und Sie, was haben Sie gethan?«

»Ich,« erwiderte langsam Jeanne, die das ganze Gewicht der Worte fühlte, welche sie auszusprechen im Begriffe war, »ich habe die Diamanten dem Herrn Cardinal gegeben.«

»Dem Herrn Cardinal!« rief die Königin, »und warum, wenn's beliebt, statt sie den Juwelieren zuzustellen?«

»Madame, weil ich Herrn von Rohan, der sich für diese Sache, die Eurer Majestät gefiel, interessirte, verletzt hätte, wenn ich ihm nicht die Gelegenheit bot, sie selbst zu beendigen.«

»Aber wie kommt es, daß Sie einen Empfangsschein von den Juwelieren erhalten haben?«

»Herr von Rohan hat mir denselben übergeben.«

»Doch der Brief, den Sie dem Juwelier, als von meiner Hand kommend, eingehändigt haben sollen?«

»Herr von Rohan bat mich, ihn zu bestellen.«

»Herr von Rohan hat sich also überall und immer in diese Sache gemischt?« rief die Königin.

»Ich weiß weder, was Eure Majestät hiemit sagen will, noch in was Herr von Rohan sich gemischt hat,« erwiderte Jeanne mit zerstreuter Miene.

»Ich sage, der Empfangschein der Juweliere sei falsch!«

»Falsch!« rief Jeanne voll Unschuld, »oh! Madame!«

»Ich sage, die vorgebliche Verschreibung für das Halsband, welche ich unterzeichnet haben soll, sei falsch.«

»Oh!« rief Jeanne, scheinbar noch mehr erstaunt, als das erste Mal.

»Ich sage endlich,« fuhr die Königin fort, »es sei nothwendig, Sie mit Herrn von Rohan zu confrontiren, damit wir Aufklärung über diese ganze Sache erhalten.«

»Confrontiren! Warum ist es nothwendig, Madame, mich mit dem Herrn Cardinal zu confrontiren?«

»Er selbst hat es verlangt.«

»Er?«

»Er suchte Sie überall.«

»Madame, das ist unmöglich.«

»Er wollte Ihnen, wie er sagte, beweisen, daß Sie ihn hintergangen haben.«

»Oh! Madame, zu diesem Ende verlange ich die Confrontation.«

»Sie wird stattfinden, Madame, das dürfen Sie glauben. Sie leugnen also, zu wissen, wo das Halsband ist?«

»Wie sollte ich es wissen?«

»Sie leugnen, den Herrn Cardinal bei gewissen Intriguen unterstützt zu haben?«

»Eure Majestät hat jedes Recht, ihre Ungnade auf mich zu werfen, aber keines, mich zu beleidigen. Ich bin eine Valois, Madame.«

»Der Herr Kardinal hat vor dem König Verleumdungen behauptet, die er gebührend zu begründen hofft.«

»Ich verstehe nicht.«

»Der Cardinal hat erklärt, er habe mir geschrieben.«

Jeanne schaute der Königin in's Gesicht und antwortete nichts.

»Hören Sie mich?« sagte die Königin.

»Ich höre, ja, Eure Majestät.«

»Und was antworten Sie?«

»Ich werde antworten, wenn man mich mit dem Herrn Cardinal confrontirt hat.«

»Bis dahin, wenn Sie die Wahrheit wissen, helfen Sie uns.«

»Die Wahrheit ist, daß Eure Majestät mich ohne Anlaß erniedrigt und ohne Grund mißhandelt.«

»Das ist keine Antwort.«

»Ich werde hier keine andere geben, Madame.«

Jeanne schaute die zwei Frauen noch einmal an.

Die Königin begriff, aber sie gab nicht nach. Die Neugierde konnte nicht die Oberhand über die menschliche Achtung gewinnen. In den Halbsagereien Jeanne's, in ihrer zugleich demüthigen und frechen Haltung drang die Dreistigkeit durch, welche aus einem erlangten Geheimnisse entspringt. Dieses Geheimniß hätte die Königin vielleicht durch Milde erkaufen können. Aber sie wies ein solches Mittel als ihrer unwürdig von sich.

»Herr von Rohan ist in die Bastille gebracht worden, weil er zu viel sprechen wollte,« sagte Marie Antoinette: »nehmen Sie sich in Acht, Madame, daß Sie nicht dasselbe Schicksal erfahren, weil Sie nichts sprechen wollen.«

Jeanne preßte ihre Nägel in ihre Hände, aber sie lächelte.

»Was kümmert sich ein reines Gewissen um die Verfolgung?« sagte sie; »wird die Bastille mich eines Verbrechens überweisen, das ich nicht begangen habe?«

Die Königin schaute Jeanne mit zornigem Auge an und rief:

»Werden Sie sprechen, Madame?«

»Ich habe nichts zu sagen, Madame, außer Ihnen.«

»Nun! sprechen Sie etwa nicht mit mir?«

»Nicht mit Ihnen allein.«

»Ah! steht es so?« rief die Königin, »Sie wollen verschlossene Thüren. Sie fürchten das Aergerniß des öffentlichen Geständnisses, nachdem Sie mir das Aergerniß des öffentlichen Verdachtes auferlegt hatten.«

Jeanne richtete sich auf und erwiderte:

»Sprechen wir nicht mehr davon; was ich gethan, habe ich für Sie gethan.«

»Welche Frechheit!«

»Ich unterwerfe mich in Ehrfurcht den Beleidigungen meiner Königin,« sagte Jeanne, ohne die Farbe zu wechseln.

»Sie werden diesen Abend in der Bastille schlafen, Frau von La Mothe.«

»Es sei, Madame. Doch ehe ich mich schlafen lege, werde ich meiner Gewohnheit gemäß zu Gott beten, er möge Eurer Majestät die Ehre und die Freude erhalten,« erwiderte die Angeklagte.

Die Königin stand wüthend auf, ging in das anstoßende Zimmer und schlug voll Heftigkeit die Thüren zu.

»Nachdem ich den Drachen besiegt habe, werde ich wohl die Natter zertreten,« sagte sie.

»Ich kann ihr Spiel auswendig, und ich glaube, daß ich gewonnen habe,« dachte Jeanne.

LXXXVI.
Wie es kam, daß Herr von Beausire, während er den Hasen jaget, selbst von den Agenten des Herrn von Crosne gejagt wurde

Frau von La Mothe wurde nach dem Willen der Königin eingesperrt.

Kein Ersatz konnte angenehmer für den König sein, der diese Frau instinctartig haßte. Der Proceß über das Halsband wurde mit all der Wuth instruirt, womit zu Grunde gerichtete Kaufleute, die sich aus der Verlegenheit zu ziehen hoffen, Angeklagte, die der Anklage entgehen wollen, und volksthümliche Richter zu Werke gehen können, welche in den Händen die Ehre oder das Leben einer Königin haben, abgesehen von der Eitelkeit oder dem Parteigeist.

Es war nur ein Schrei durch ganz Frankreich. An den Nuancen dieses Schreies vermochte die Königin ihre Parteigänger oder ihre Feinde zu erkennen und zu zählen.

Herr von Rohan verlangte seit seiner Einsperrung dringend, mit Frau von La Mothe confrontirt zu werden. Diese Befriedigung wurde ihm gewährt. Der Prinz lebte in der Bastille wie ein vornehmer Herr in einem Hause, das er gemiethet. Außer der Freiheit wurde ihm auf sein Verlangen Alles bewilligt.

Der Proceß hatte im Anfang geringfügige Verhältnisse angenommen, wenn man den Stand der angeschuldigten Personen in's Auge faßt. Man wunderte sich, wie ein Rohan des Diebstahls angeklagt werden konnte. Die Officiere und der Gouverneur der Bastille bezeigten auch dem Cardinal jede Ehrfurcht, jede dem Unglück schuldige Achtung. Für sie war er kein Angeklagter, sondern ein in Ungnade Gefallener.

Das wurde noch ganz anders, als es sich im Publicum verbreitete, Herr von Rohan falle als Opfer von Hofintriguen. Es war nicht mehr Sympathie für den Prinzen, sondern Begeisterung.

Und Herr von Rohan, einer der Ersten unter den Edlen des Reiches, begriff nicht, daß ihm die Liebe des Volks einzig und allein dadurch zukam, daß er durch Edleres als er verfolgt wurde. Herr von Rohan, das letzte Opfer des Despotismus, war factisch einer der ersten Revolutionäre von Frankreich.

Seine Unterredung mit Frau von La Mothe ward durch einen merkwürdigen Umstand bezeichnet. Der Gräfin, der man, so oft es sich um die Königin handelte, leise zu sprechen gestattete, gelang es, zum Cardinal zu sagen:

»Entfernen Sie Jedermann und ich werde Ihnen die Aufklärungen geben, die Sie haben wollen.«

Da verlangte Herr von Rohan allein zu sein und leise zu fragen.

Man verweigerte es ihm, aber man ließ seinen Consulenten sich mit der Gräfin besprechen.

Was das Halsband betrifft, so erwiderte sie, sie wisse nicht, was daraus geworden, aber man hätte es wohl ihr geben können.

Und als der Consulent, betäubt von der Frechheit dieser Frau, darüber aufschrie, fragte sie ihn, ob der Dienst, den sie der Königin und dem Cardinal geleistet, nicht eine Million werth sei.

Der Advocat wiederholte diese Worte dem Cardinal. Dieser erbleichte, neigte das Haupt und errieth, daß er in die Schlinge dieser höllischen Vogelfängerin gerathen war.

Doch wenn er schon daran dachte, den Lärm dieser Angelegenheit, welcher die Königin zu Grunde richtete, zu ersticken, so trieben ihn seine Freunde an, die Feindseligkeiten nicht zu unterbrechen.

Man wandte ihm ein, seine Ehre sei im Spiel; es handle sich um einen Diebstahl; ohne einen Spruch des Parlaments wäre die Unschuld nicht erwiesen.

Um aber diese Unschuld zu beweisen, mußte man die Beziehungen des Cardinals zu der Königin und folglich das Verbrechen dieser Letzteren beweisen.

Bei dieser Betrachtung erwiderte Jeanne, sie würde die Königin eben so wenig anklagen, als den Cardinal; wenn man sie aber beharrlich für das Halsband verantwortlich mache, so würde sie thun, was sie nicht thun wollte, das heißt, sie würde beweisen, daß die Königin und der Cardinal ein Interesse dabei haben, sie der Lüge zu beschuldigen.

Als man diese Schlüsse dem Cardinal mittheilte, bezeigte der Prinz seine ganze Verachtung gegen diejenige, welche davon sprach, ihn opfern zu wollen. Er fügte bei, er begreife bis auf einen gewissen Grad das Benehmen Jeanne's, aber er begreife das der Königin durchaus nicht.

Der Königin überbracht und mit Commentaren versehen, erzürnten diese Worte Marie Antoinette dermaßen, daß sie von ihrem Sitz auffuhr. Sie wollte dann, daß ein besonderes Verhör auf die geheimnißvollen Theile dieses Processes gelenkt werden sollte. Der große Beschwerdepunkt der nächtlichen Zusammenkünfte erschien nun enthüllt im breitesten Lichte vor den Verleumdern und Neuigkeitskrämern.

Da sah sich aber die unglückliche Königin schwer bedroht … Jeanne behauptete, das, wovon man ihr sprach, nicht zu kennen, und zwar vor den Leuten der Königin; doch den Leuten des Cardinals gegenüber war sie nicht so discret, und sie wiederholte immer:

»Man lasse mich in Ruhe, sonst werde ich sprechen.«

Diese Halbsagereien, diese Bescheidenheiten hatten ihr die Stellung einer Heldin gegeben und verwirrten den Proceß dergestalt, daß die muthigsten Actenklauber beim Studium der Beweisstücke erbebten und daß kein Instructionsrichter es wagte, die Verhöre der Gräfin fortzusetzen.

War der Cardinal schwächer, war er offenherziger? gestand er einem Freunde, was er sein Liebesgeheimniß nannte? Man weiß es nicht; man darf es nicht glauben. Denn der Prinz war ein edles, ein sehr ergebenes Herz. Aber so loyal er auch in seinem Stillschweigen gewesen war, so verbreitete sich doch das Gerücht von seiner Unterredung mit der Königin. Alles, was der Graf von Provence gesagt, Alles, was Charny und Philipp erfahren oder gesehen hatten, alle diese Heimlichkeiten, welche für jeden Andern, als einen Prätendenten, wie der Bruder des Königs, oder für Liebesnebenbuhler, wie Philipp und Charny, unverständlich blieben, dieses ganze Geheimniß der so sehr verleumdeten und so keuschen Liebesangelegenheit verdunstete wie ein Wohlgeruch und verlor, zerschmolzen in der gemeinen Atmosphäre, das herrliche Aroma seines Ursprungs.

Man kann sich denken, ob die Königin warme Vertheidiger, ob Herr von Rohan eifrige Streiter fand.

Die Frage war nicht mehr: Hat die Königin das Diamanten-Halsband gestohlen, oder hat sie es nicht gestohlen?

Eine doch an und für sich genugsam entehrende Frage; aber das genügt nicht einmal. Die Frage war:

Hat die Königin das Halsband durch Jemand stehlen lassen, der in das Geheimniß ihrer ehebrecherischen Liebschaft eingedrungen war?

So hatte Frau von La Mothe die Schwierigkeit zu drehen gewußt. So fand sich die Königin auf einem Wege eingeschlossen, der keinen andern Ausgang hatte als die Schande.

Sie ließ sich niederschlagen; sie beschloß zu kämpfen; der König unterstützte sie.

Das Ministerium unterstützte sie auch und zwar mit allen seinen Kräften. Die Königin erinnerte sich, daß Herr von Rohan ein ehrlicher Mann und unfähig war, eine Frau zu Grunde zu richten. Sie erinnerte sich seiner Sicherheit, als er schwur, zu den Rendezvous in Versailles zugelassen worden zu sein.

Sie schloß daraus, der Cardinal sei nicht ihr unmittelbarer Feind, und er habe wie sie nur ein Interesse der Ehre bei der Frage.

Man lenkte von da an den Proceß mit aller Anstrengung gegen die Gräfin; und man suchte auf's Eifrigste die Spuren des verlorenen Halsbands.

Der Debatte über die Beschuldigung ehebrecherischer Schwäche anwohnend, warf die Königin auf Jeanne die niederschmetternde Anklage des Betrugs und des Diebstahls zurück.

Alles sprach gegen die Gräfin, die Vorgänge in ihrem früheren Leben, ihre erste Armuth, ihre seltsame Erhebung; der Adel nahm diese Zufallsprinzessin nicht an, das Volk konnte sie nicht als sein Eigenthum zurückfordern; das Volk haßt instinctartig die Abenteurer, es verzeiht ihnen nicht einmal den glücklichen Erfolg.

Jeanne bemerkte, daß sie einen falschen Weg eingeschlagen hatte, und daß die Königin, indem sie sich der Anklage unterzog, indem sie der Furcht vor dem Lärmen nicht wich, den Cardinal aufforderte, sie nachzuahmen: daß diese zwei redlichen Personen am Ende sich verständigen und das Licht finden würden, und daß, selbst wenn sie unterlägen, dieß in einem so furchtbaren Sturze geschehen müßte, daß sie, die arme kleine Valois, diese Prinzessin einer gestohlenen Million, die sie nicht einmal mehr bei der Hand hatte, um ihre Richter zu bestechen, unter sich zermalmten.

Man war so weit, als eine neue Episode eintrat, die das Angesicht der Dinge veränderte.

Herr von Beausire und Mademoiselle Oliva lebten glücklich und reich in einem Landhause, als eines Tages der gnädige Herr, der Madame allein gelassen hatte, um auf die Jagd zu gehen, in die Gesellschaft zweier Agenten gerieth, welche Herr von Crosne über ganz Frankreich aussandte, um eine Entwicklung dieser Intrigue zu erlangen.

Die zwei Liebenden wußten nichts von dem, was in Paris vorging; sie dachten nur an sich selbst. Mademoiselle Oliva wurde fett wie ein Wiesel auf einem Speicher, und Herr von Beausire hatte, mit dem Glück, jene unruhige Neugierde verloren, die das unterscheidende Merkmal der Raubvögel wie der Raubmenschen bildet, den Charakter, welchen die Natur den Einen und den Andern für ihre Erhaltung gegeben hat.

Beausire war, wie gesagt, an diesem Tage auf die Hasenjagd gegangen. Er stieß auf einen Flug Rebhühner, was ihn veranlaßte, quer über eine Straße zu gehen. So fand er, etwas Anderes suchend, als er hätte suchen sollen, das was er nicht suchte.

Auch die Agenten suchten Oliva, und sie fanden Beausire. Das sind die gewöhnlichen Launen der Jagd.

Einer von diesen Spürhunden war ein Mensch von Geist. Als er ihn erkannt hatte, machte er, statt ihn ohne alles Weitere zu verhaften, was nichts eingetragen haben würde, folgenden Entwurf mit seinem Gefährten:

»Beausire jagt, er ist also ziemlich reich und ziemlich frei; er hat vielleicht fünf oder sechs Louisd'or in seiner Tasche, aber er kann möglicher Weise drei- bis vierhundert Louisd'or in seiner Behausung haben: dringen wir dort ein und setzen wir ihn auf Lösegeld. Nach Paris zurückgebracht, wird uns Beausire nur hundert Livres eintragen, wie jeder gewöhnliche Fang; man wird uns noch ausschelten, daß wir das Gefängniß wegen einer unbedeutenden Person überfüllt haben. Machen wir aus Beausire eine persönliche Speculation.«

Sie fingen an, Rebhühner zu jagen wie Herr Beausire, Hasen wie Herr Beausire, und indem sie den Hund aufmunterten, wenn es dem Hasen galt, und durch den Klee trieben, wenn es dem Rebhuhn galt, verließen sie ihren Mann nicht um eine Sohle.

Als Beausire die Fremden sah, die sich in die Jagd mischten, war er Anfangs sehr erstaunt, dann sehr zornig. Er war eifersüchtig auf sein Wildpret geworden, wie jeder gute Strohjunker; er war aber auch argwöhnisch in Betreff neuer Bekanntschaften. Statt diese Jünger, die ihm der Zufall gab, selbst zu befragen, ging er gerade auf einen Feldschützen zu, den er auf der Ebene fand, und beauftragte ihn, die Herren zu fragen, warum sie auf diesem Gute jagten.

Der Feldschütz erwiderte, er kenne die Herren nicht als in der Gegend zu Hause, und fügte bei, es sei sein Wunsch, sie in ihrer Jagd zu unterbrechen, was er auch that. Doch die zwei Fremden erwiderten, sie jagen mit ihrem Freunde, dem Herrn dort.

So bezeichneten sie Beausire. Der Feldschütze führte sie zu ihm, trotz alles Verdrusses, den diese Confrontation dem edlen Jäger bereitete.

»Herr von Linville,« sagte er, »diese Herren behaupten, sie jagen mit Ihnen.«

»Mit mir!« rief Beausire aufgebracht; »ah! ja wohl.«

»Wie!« sagte einer von den Agenten leise zu ihm, »Sie heißen also auch Herr von Linville, mein lieber Beausire?«

Beausire bebte; er hatte seinen Namen in dieser Gegend so gut verborgen.

Er schaute den Agenten, dann dessen Gefährten betreten an, glaubte unbestimmt diese Gesichter zu erkennen, und entließ, um die Dinge nicht zu verschlimmern, den Feldschützen mit der Bemerkung, er nehme die Jagd dieser Herren auf sich.

»Sie kennen sie also?« fragte der Feldschütze.

»Ja, wir haben uns erkannt,« erwiderte einer der Agenten.

Beausire fand sich nun, sehr verlegen, wie er mit ihnen sprechen sollte, ohne sich zu gefährden, den zwei Jägern gegenüber.

»Bieten Sie uns ein Frühstück an, Beausire,« sagte der Gewandtere von den beiden Agenten; »in Ihrem Hause.«

»In meinem Hause! aber …« rief Beausire.

»Sie werden nicht so unhöflich gegen uns sein, Beausire …«

Beausire hatte den Kopf verloren, er ließ sich mehr führen, als er führte.

Die Agenten, sobald sie das kleine Haus erblickten, lobten seine Eleganz, seine Lage, die Bäume, die Aussicht, wie es Leute von Geschmack thun mußten, und Beausire hatte auch in der That einen reizenden Ort gewählt, um sein Liebesnest darein zu setzen.

Es war ein Thal mit vielen Baumgruppen und von einem Flüßchen durchschnitten; das Haus erhob sich auf einer Anhöhe gegen Osten. Ein Schilderhaus, eine Art von Glockenthurm ohne Glocke, diente Beausire als Observatorium, um die Gegend an Tagen der Schwermut zu überschauen, wenn seine rosigen Ideen verwelkten und er in jedem über seinen Pflug gebückten Ackersmann einen Alguazil erblickte.

Nur auf einer Seite war dieses Gebäude lachend und sichtbar, auf der andern verschwand es unter den Baumgruppen und den Erhöhungen des Terrain.

»Wie gut ist man da innen verborgen!« sagte einer der Agenten mit Bewunderung zu ihm.

Beausire bebte bei dem Scherz und trat zuerst in sein Haus, unter dem Gebell der Hofhunde.

Die Agenten folgten ihm mit vielen Ceremonien.