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Kitabı oku: «Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters», sayfa 22

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XXII

Es war der 14. September 1812, Nachmittags zwei Uhr, als die Französische Armee von der Höhe des Heilsberges die heilige Stadt entdeckte. Sogleich, und wie es fünfzehn Jahre zuvor bei dem Anblicks der Pyramiden geschehen war, klatschten hundert und zwanzig tausend Mann in die Hände, indem sie ausriefen: Moskau! Moskau! Nach einer langen Fahrt in diesem Steppenmeere erblickte man endlich das Land. Bei dem Anblicke dieser Stadt mit goldenen Kuppeln war Alles vergessen, selbst der fürchterliche und blutige Sieg an der Moskwa, der die Armee gleich einer Niederlage betrübt hatte. Nachdem es mit einer Hand den indischen Ocean berührt, stand Frankreich demnach nun im Begriffe, mit der andern Hand das Polarmeer zu berühren. Nichts hatte es aufhalten können; weder Sandwüsten, noch Schneewüsten. Es war die wahre Königin der Welt, diejenige, welche sich nach der Reihe in allen Hauptstädten salben ließ.

Auf das Geschrei seiner ganzen Armee, welche die Reihe bricht, sich drängt, jauchzt eilte Napoleon selbst herbei. Sein erstes Gefühl ist eine unbeschreibliche Freude, die seine Stirn gleich einer Morgenröthe erleuchtet. Wie Jedermann, so ruft auch er, sich in seinen Steigbügeln erhebend: Moskau! Moskau! Aber sogleich sieht man etwas gleich dem Schatten einer Wolke über seine Stirn ziehen, und sich wieder in den Sattel niedersetzend, sagt: er: Es war Zeit!

Die Armee hat Halt gemacht; denn Napoleon erwartet, daß aus einem dieser Thore, durch welches seine Blicke begierig in die Stadt zu dringen suchen, irgend eine Deputation von alten Bojaren mit langen Bärten und junge, Zweige haltende Mädchen herauskommen werden, welche ihm auf einer silbernen Schüssel die goldnen Schlüssel der heiligen Stadt überbringen. Ader Alles bleibt schweigend und einsam, als ob die Stadt im Schlaf läge; kein Rauch erhebt sich aus den Schornsteinen, nur große Schwärme Raben schweben kreisend über dem Kreml, und lassen sich auf irgend eine Kuppel herab, deren Gold wie unter einem schwarzen Tuche verschwindet. Nur scheint es, als ob man auf der anderen Seite von Moskau, und als ob sie aus dem uns entgegengesetzten Thore hinauszögen, sich eine Armee bewegen sähe. Das ist nochmals dieser unergreifbare Feind, der uns von dem Niemen die zur Moskwa unter den Händen entschlüpfte, und sich nach Osten hin verliert.

In diesem Augenblicke, als ob die Französische Armee, gleich ihrem Adler, ihre beiden Flügel entfaltet hätte, breiten sich Eugen und Poniatowski zur Rechten aus, und überflügeln die Stadt, während Murat, welchem Napoleon in immer steigender Besorgniß mit den Augen folgt, das äußerste Ende der Vorstädte erreicht, ohne daß sich irgend eine Deputation gezeigt hätte.

Nun drängen sich seine Marschälle, besorgt über seine Besorgniß, um ihn herum. Napoleon sieht alle diese sorgenvollen Stirnen, alle diese starren Blicke; er erräth, daß sein Gedanke, der Gedanke Aller ist. – Geduld, Geduld, sagt er unwillkürlich, diese Leute sind so wild, daß sie sich vielleicht nicht einmal zu ergeben wissen.

Während dieser Zeit ist Murat in die Stadt gedrungen; Napoleon hält es nicht mehr aus, er sendet ihm Gourgaud nach. Gourgaud seht sein Pferd in Galopp, durchsprengt den Raum, und erreicht Murat in dem Augenblicke, wo ein Officier von Miloradowitsch dem Könige erklärt, daß der Russische General die Stadt anzünden wurde, wenn man seiner Arriere-Garde nicht Zeit ließe, sieh zurückzuziehen. Gourgaud sprengt im Galopp zurück, und überbringt Napoleon diese Nachricht. – Laßt sie abziehen, sagt Napoleon, ich habe Moskau ganz nöthig, von seinem reichsten Palaste, bis zu seiner ärmsten Hütte.

Gourgaud überbringt diese Antwort Murat, den er in Mitte von Kosaken findet, die mit Erstaunen die Stickerei seines reichen Polenrocks, und die wallenden Federn seiner Mütze betrachten. Murat übergibt ihnen die Nachricht von dem Waffenstillstande, schenkt seine Uhr einem Hetman, seine Kleinodien einem Anderen, und als er Nichts mehr hat, leihet er Uhren und Ringe von seinen Adjutanten.

Während dieser Zeit, und geschützt durch die mündliche Uebereinkunft fährt die Russische Armee fort, Moskau zu räumen.

Napoleon verweilt vor dem Thore, immer noch in der Erwartung, daß die Einwohner der bezauberten Stadt herauskommen würden. Niemand erscheint, und jeder zurückkehrende Officier hat ihm die befremdenden Worte berichtet: Moskau ist verlassen. Inzwischen kann er nicht daran glauben; er sieht, er heischt, es ist die Einsamkeit der Wüste, es ist das Schweigen des Todes. Er steht an den Thoren der Stadt der Gräber, es ist Pompeji oder Necropolis.

Inzwischen hofft er immer noch, daß er, gleich Brennus, entweder die Armee auf dem Kapitolium, oder die Senatoren auf ihren currulischen Stühlen finden wird. Damit Niemand aus Moskau entwische, als diejenigen, welche das Recht haben, es zu verlassen, läßt er die Stadt von der einen Seite durch den Prinzen Eugen, und den der andern durch den Prinzen Poniatowski umzingeln; die beiden Armeecorbs dehnen sich halbmondförmig aus, und schließen Moskau ein; hierauf, und um in das Herz der Hauptstadt zu dringen, schiebt er den Herzog den Danzig und die junge Garde vor. Endlich, nachdem er, als ob er noch immer an dem Zeugnisse seiner eigenen Augen zweifeln wollte, so Lange als er nur gekonnt, selbst einzuziehen gezögert, entschließt er sich, das Thor den Dorogomitoff zu überschreiten, läßt den Dolmetschersecretair Leborgne, der Moskau kennt, rufen, befiehlt ihm, sich an seiner Seite zu hatten, und während er immer den Kopf nach dieser tiefen Stille, die nur durch den Schall seiner eigenen Schritte unterbrochen ist, vorstreckt, erforscht er vor Allem diese einsamen Denkmäler, der Allem diese leeren Paläste, vor allem diese besseren Häuser.

Dann, als ob er sich fürchtet, sich in dieses neue Theben zu wagen, steigt er von seinem Pferde, und nimmt seine vorläufige Wohnung in einem großen, gleich dem übrigen Theile der Stadt verlassenen Gasthofe.

Kaum hat er sich daselbst eingerichtet, als sich seine Befehle, als ob er sein Zelt auf einem Schlachtfelde aufgeschlagen hätte, einander folgen. Er hat das Bedürfnis diese Einsamkeit und diese Stille, die für ihn viel schrecklicher, als die Gegenwart und das Getümmel einer Armee ist, zu bekämpfen. Der Herzog den Treviso wird zum Gouverneur der Provinz ernannt; der Herzog den Danzig soll sich des Kremls bemächtigen, und wird mit der Polizei dieses Quartiers beauftragt; der König den Neapel soll den Feind verfolgen, ihn nicht aus den Augen verlieren, seine Nachzügler auffangen, und sie Napoleon übersenden.

Die Nacht beginnt, und in dem Maße, als sie hereinbricht, wird Napoleon finster wie sie. Man hat einige Flintenschüsse nach dem Thore den Kolowna zugehört; es ist Murat, der, nachdem er neun Hundert. Meilen gemacht und sechzig Schlachten geliefert, durch Moskau, die Stadt der Czaren, gezogen ist, wie er es mit einem Flecken gemacht haben würde, und die Kosaken auf der Straße nach Wladimir eingeholt – man meldet Franzosen, welche die Gnade ihres eigenen Kaisers anzuflehen kamen. Napoleon läßt sie eintreten, und drängt sie mit Fragen; er ist es nun, der ihnen in einiger Art dankt, daß sie so gefällig gewesen sind, ihn Nachrichten zu bringen. Aber bei den ersten Worten, die sie aussprechen, runzelt Napoleon die Stirn, wird zornig, und behauptet, daß es nicht wahr sei. In der That, sie berichten sonderbare Dinge; nach ihrer Sage ist Moskau den Flammen bestimmt, nach ihnen ist Moskau verdammt, und das den den Russen, von seinen eigenen Söhnen! Es ist unmöglich.

Um zwei Uhr Morgens erfährt man, daß Feuer im Kaufhause ausbricht, das heißt im schönsten Theile der Stadt. Die von Rostopschin zurückgelassene Drohung verwirklicht sich; aber Napoleon zweifelt immer noch daran; die Unvorsichtigkeit einiger Soldaten wird Schuld an dieser Feuersbrunst sein, und er ertheilt Befehl auf Befehl, sendet Eilboten auf Eilboten. Der Tag bricht an, ohne daß die Flamme gelöscht ist, denn sonderbarer Weise findet man nirgends Spritzen. Nun vermag sich Napoleon nicht mehr zu halten, er eilt selbst auf den Schauplatz der Verwüstung. Es ist die Schuld Mortiers, es ist die Schuld der jungen Garde, Alles kommt von der Unvorsichtigkeit der Soldaten. Da zeigt Mortier Napoleon ein verschlossenen Haus, das sich von selbst und wie durch einen Zauber entzündet. Napoleon stößt einen Seufzer aus, und steigt langsam, mit gesenktem Haupte die Stufen hinauf, die nach dem Kreml führen.

Endlich ist er an das so sehr ersehnte Ziel gelangt, vor ihm liegt die alte Wohnung der Czaren, zu seiner Rechten die Kirche, welche ihre Gräber einschließt, zu seiner Linien der Palast des Senats; dann im Hintergrunde der hohe Glockenthurm Iwan Welikois, dessen vergoldetes Kreuz, das er im Voraus dazu bestimmt hat, dasjenige des Invalidenhauses zu ersetzen, alle Kuppeln Moskaus überragt.

Er tritt in den Palast, und weder seine Bauart, welche an die von Venedig erinnert, noch die weiten und glänzenden Gemächer, die er durchschreitet, noch die prachtvolle Aussicht, die er ans den Fenstern seines Zimmers auf die Moskwa hat, und die sich über diese Welt von Häusern mit Tausend Farben, über diese goldenen Dame, über diese silbernen Kuppeln, über diese bronzenen Dächer verbreitet, Nichts vermag ihn seinen Träumereien zu entreißen. Es ist nicht Moskau, das er in seinen Händen hält; es ist sein Schatten, sein Gespenst, sein Trugbild. Wer hat es denn getödtet?

Plötzlich kommt man, ihm zu sagen, daß das Feuer gelöscht ist, und er erhebt das Haupt wieder. Das ist nochmals ein besiegter Feind, sein Glück ist immer das des Cäsar. In der That, ausgenommen die Oede und das Feuer, geschieht Alles, wie es Napoleon berechnet hat.

Die Berichte folgen einander. Das Zeughaus des Kreml enthält vierzig tausend Englische, Oesterreichische und Russische Gewehre, ein hundert Stück Kanonen, Lanzen, Säbel, Rüstungen und den Türken und den Persern abgenommene Trophäen. An der Barrière der Deutschen hat man verlassene Gebäude entdeckt, in welchem hier mal hundert tausend Pfund Pulver, und mehr als eine Million Last Salpeter versteckt gewesen sind. Der Adel hat seine fünfhundert Paläste verlassen, aber diese Paläste sind offen und möbiliert, sie sollen von den Stabsofficieren der Armee eingenommen werden. Einige Häuser, die man für leer hielt, werden geöffnet werden, sie gehören Einwohnern der Mittelklasse an, und indem man diese zutraulich macht, wird man dadurch andere anziehen. Endlich haben wir zweimal hundert fünfzig tausend Mann hinter uns, man kann demnach den Winter abwarten; das zur Eroberung des nordischen Meeres schwimmende Schiff Frankreichs wird während sechs Monaten in dem Eise des Poles eingeschlossen sein, das ist Alles. Mit dem Frühlinge der Krieg, und mit dem Kriege der Sieg.

Auf diese Weise schläft Napoleon, eingewiegt durch die Ebbe und Fluth seiner Befürchtungen und seiner Hoffnungen, ein.

Um Mitternacht läßt sich der Feuerruf von Neuem hören.

Der Wind bläßt aus Norden, und im Norden ist es, wo die Feuersbrunst ausgebrochen. Auf diese Weise unterstützt der Zufall die Flamme, der Wind treibt sie, und sie nähert sich in der Richtung des Kreml wie ein feuriger Fluß; schon fliegen die Funken bis auf die Dächer des Palastes, und fallen in Mitte eines unter seinen Mauern aufgestellten Artillerieparkes, als der Wind nach Westen umspringt. Die Flamme verändert die Richtung; sie breitet sich aus, aber sie entfernt sich.

Plötzlich bricht eine zweite Feuersbrunst in Westen aus, und nähert sieh, von dem Winde getrieben, wie die erste. Man könnte sagen, daß das Feuer den Kreml zum Sammelplatz erkoren, und daß der umsichtige Verbündete der Rassen gerade auf Napoleon losrücke. Es unterliegt keinem Zweifel mehr, es ist ein neuer, von dem Feinde angenommener Zerstörungsplan, und die Ueberzeugung davon, die Napoleon so lange zurückgewiesen, nagt ihm am Herzen.

Bald erheben sieh von Ort zu Ort neue Wirbel von Rauch, welche plötzlich, gleich feurigen Lanzen, die Flammen durchbrechen; da der Wind immer veränderlich ist, und beständig von Norden nach Westen übergeht, so schreitet die Feuersbrunst gleich einer kriechenden Schlange vor; von allen Seiten höhlen sich brennende Furchen aus, die den Kreml einhüllen, und in denen Ströme von Lava zu fließen scheinen. Mit jedem Augenblicke entfließen diesen Strömen Bäche, die nach und nach breiter werden; man möchte sagen, daß sieh die Erde aufthue und Feuer speie; es ist keine Feuersbrunst mehr; es ist ein Meer, eine unermeßliche immer steigende Fluth, die brüllend herannahen um den Fuß der Mauern des Kreml zu peitschen.

Die ganze Nacht betrachtet Napoleon mit Schauder diesen Feuersturm; dort verschwindet seine Macht, sein Genie ist besiegt, hier ist ein verborgener Dämon, der diese Flammen anbläst, und gleich Scipio, wie er dem Brandt von Karthago zusieht, bebt er, indem er an Rom denkt.

Die Sonne geht über diesem feurigen Ofen auf, und der Tag kommt, um die Zerstörungen der Nacht zu beleuchten. Das Feuer hat seinen unermeßlichen Kreis vollendet, indem es die Arbeiter vor sich her jagt, und sich immer mehr und mehr dem Kreml nähert. Nun folgen die Berichte einander, und man fängt an, die Brandstifter zu kennen.

In der Nacht vom 14. auf den 15., das heißt in der Nacht der Besetzung selbst, hat sich eine, einer Bombe ähnliche, feurige Kugel auf den Palast des Fürsten Trubetzkoi gesenkt, und denselben angezündet; wahrscheinlich war das ein Signal gewesen, denn im selben Augenblicke hat sich die Börse entzündet, und auf zwei oder drei Punkten ist die Feuersbrunst angeschürt erschienen durch die getheerten Lanzen der Russischen Polizeisoldaten. Granaten sind in fast allen Ofen versteckt gewesen, und die französischen Soldaten haben sie dadurch, daß sie Feuer hineingemacht, um sich zu wärmen, springen lassen, so daß diese doppelt Unheil dringenden Granaten die Menschen getödtet und die Häuser in Brand gesteckt haben. Die ganze Nacht war für die Soldaten damit hingegangen, von Haus zu Haus zu fliehen, und das Haus, in welchem sie waren, oder dasjenige, in welches sie im Begriffe standen zu gehen, sich plötzlich ohne sichtbare Ursache entzünden zu sehen. Moskau ist, gleich den alten verwünschten Städten der Bibel, gänzlich der Zerstörung geweiht, nur so, daß das Feuer, anstatt vom Himmel zu fallen, aus der Erde zusammen scheint.

Nun ist Napoleon gezwungen, sich zu ergeben, und erkennt, daß diese an Tausend Punkten zu gleicher Zeit angezündeten Feuersbrünste das Werk eines einzigen Willens, wenn nicht ein und derselben Hand sind. Er fährt mit der Hand über seine schweißtriefende Stirn, und indem er einen Seufzer ausstößt, sagt er: »Da sieht man, wie sie den Krieg führen. Die Civilisation von St. Petersburg hat uns getäuscht, und die modernen Russen sind immer noch die alten Skyten.«

Sogleich gibt er den Befehl, Jeden, wer es auch sei, festzunehmen, zu richten und zu erschießen, der beim Anzünden oder entfachen des Feuers ergriffen würde; die alte Garde, welche den Kreml besetzt hat, soll sich unter die Waffen stellen, man soll die Pferde beladen, die Wägen anspannen, kurz, man soll sieh bereit halten, diese Stadt zu verlassen, die man aus so weiter Ferne her aufgesucht, und auf die man so sehr gezählt hatte.

Nach Verlauf einer Stunde kommt man, dem Kaiser zu sagen, daß seine Befehle ausgeführt sind; etliche zwanzig Brandstifter sind ergriffen, verhört und erschossen worden. In dem Verhöre haben sie eingestanden, daß ihrer neunhundert sind, und daß sie der Gouverneur Rostopschin, bevor er Moskau geräumt, in die Keller versteckt hat, damit sie in allen Quartieren Feuer anlegten. Sie haben getreulich gehorcht. Während dieser Stunde haben die Flammen neue Fortschritte gemacht, der Kreml scheint eine, in ein Flammenmeer geworfene Insel zu sein. Die Luft ist mit heißen Dünsten geschwängert, die Scheiben des Kreml, dessen Fenster man geschlossen hat, knistern und springen. Man athmet eine Luft voll Asche.

In diesem Augenblicke läßt sich ein letzter Ruf hören: Feuer im Kreml! Feuer im Kreml!

Napoleon erbleicht vor Zorn. Demnach ist also der alterthümliche Palast, der alte Kreml, die Wohnung der Czaren selbst nicht einmal für diese politischen Herostraten geheiligt; aber zum Mindesten hat man denjenigen gefangen genommen, der das Feuer angelegt, man dringt ihn vor den Kaiser. Es ist ein Russischer Polizeisoldat. Napoleon verhört ihn selbst; er wiederholt das, was gesagt worden ist, Jeder hat sein Werk zugetheilt bekommen, er und acht seiner Gefährten sind mit dem Kreml beauftragt worden. Napoleon jagt ihn mit Abscheu fort, und er wird im Hofe selbst erschossen.

Nun dringt man in den Kaiser, den Palast zu verlassen, in welchen ihn das Feuer verfolgt; aber er sträubt sich gegen die Augenscheinlichkeit, er klammert sich an seinen Willen, er schlägt es weder aus, noch willige er ein, er bleibt taub, unwillig, niedergeschlagen plötzlich kreist ein dumpfes Gemurmel um ihn herum; der Kreml ist unterminiert.

Im selben Augenblicke hört man das Geschrei der Grenadiere, die nach ihm verlangen; diese Nachricht hat sich auch unter sie verbreitet; sie wollen ihren Kaiser; wenn er einen Augenblick zögert, so werden sie ihn selbst holen.

Napoleon entschließt sich endlich; aber, auf welchem, Wege hinauskommen? Man hat so lange gewartet, daß es keinen Ausweg mehr gibt. Napoleon befiehlt Gourgaud und dem Fürsten von Neuschatel auf die Terrasse des Kreml zu steigen, um zu versuchen, einen Durchgang zu zu entdecken, und zu gleicher Zeit befiehlt er mehreren Ordonanz-Officieren, sich in der Umgebung des Palastes zu denselben Zwecke zu verbreiten; alle beeifern sich zu gehorchen, die Officiere eilen rasch auf allen Treppen herab, Berthier und Gourgaud steigen auf die Terrasse.

Kaum befinden sie sich daselbst, als sie gezwungen sind, sich einer an den anderer zu klammern; die Heftigkeit des Windes, die Verdünnung der Luft, verursacht ein so fürchterliche Pein, daß der Wirbel, welcher unaufhörlich hin und her saust, sie beinahe mit fortgerissen hätte; übrigens ist es von da aus, wo sie sind, ohnmöglich etwas Anderen, als einen Ocean von Flammen ohne Ausgang und ohne Gränzen zu sehen.

Sie steigen wieder hinab, und melden dem Kaiser diese Nachricht.

Nun zögert Napoleon nicht mehr; auf die Gefahr hin, blindlings in die Flamme zu gehen, steigt er rasch die nördliche Treppe hinab, auf deren Stufen die Strelitzen niedergemetzelt worden sind, aber in dem Hofe angelangt, findet man keinen Ausweg mehr, die Flammen belagern alle Thore, man hat zu lange gewartet, es ist zu spät.

In diesem Augenblicke eilt ein Officier atemlos, mit Schweiß auf der Stirn, die Haare halb verbrannt, herbei; er hat einen Durchgang gefunden, es ist ein geschlossenes Ausfallthor das auf die Moskwa führen muß; vier Sappeure stürzen hin, das Thor wird mit Axthieben zerschmettert, Napoleon geht zwischen zwei Felsenmauern hinein, seine Officiere, seine Marschälle, seine Garde folgen ihm; wenn er jetzt Umkehren wüßte, so wäre es unmöglich; er muß vorwärts gehen.

Der Officier hat sich geirrt, das Ausfallthor führt nicht auf den Fluß, sondern in eine enge und in Flammen stehende Straße; gleich viel, und führte diese Straße zur Hölle, er muß sie einschlagen; Napoleon gibt das Beispiel, und stürzt zuerst unter eine Feuerhalle; Jedermann folgt ihm, Niemand sucht ein Heil zur Seite oder außerhalb dem seinigen; wenn er stirbt, wird man auch sterben.

Es ist kein Weg, kein Führer, kein Stern mehr da; man schreitet auf gut Glück unter dem Brüllen der Flammen, dem Knistern der Gluth, dem Krachen der Gewölbe; alle Häuser brennen oder sind verbrannt, und aus allen denen, die noch stehen, zischen die Flammen aus den Fenstern und aus den Thüren, wie um die Flüchtlinge zu verfolgen; Balken stürzen herab, geschmolzenes Blei rinnt in den Gossen, Alles ist Feuer, die Luft, die Mauern, der Himmelt einige Flüchtlinge sind auf dem Wege erstickt und Mangel an Luft, oder von Trümmern zerschmettert gefallen.

In diesem Augenblicke erscheinen den Kaiser suchende Soldaten vom ersten Corps in Mitte der Flammen; sie erkennen ihn, und während ihn zehn oder zwölf umringen, als ob es sich darum handelte, ihn gegen einen gewöhnlichen Feind zu vertheidigen, schreiten die andern unter dem Rufe voraus: Hier durch! hier durch!

Napoleon überläßt sich ihnen mit demselben Vertrauen, als wie sie sich gewöhnlich auf ihn verlassen, und fünf Minuten nachher befindet er sich in dem Schutthaufen eines, seit dem Morgen abgebrannten Quartiers in Sicherheit.

Nun verliert er sich in einer doppelten Reihe von Wagen, er fragt, was das für Packwägen und Karren sind, man antwortete ihm, daß es die Munition des ersten Armeecorps sei, die man gerettet hat; jeder Wagen enthält Tausende von Pfunden Pulver, und die Feuerbrände glühen noch zwischen seinen Rädern.

Napoleon gibt den Befehl, die Straße von Petroskoi einzuschlagen; es ist dies ein außerhalb der Stadt, eine halbe Stunde vor dem Thore von St. Petersburg, in Mitte der Kantonirungen den Prinzen Eugen gelegenen kaiserliches Schloß; dort wird von nun an das kaiserliche Hauptquartier sein.

Moskau brennt noch während zwei Tagen und zwei Nächten fort, endlich, am Morgen des dritten Tages ist die Flamme gänzlich verschwunden, und durch den Rauch, der es wie ein dichter Nebel bedeckt, kann Napoleon das geschwärzte und halb verzehrte Gerippe der heiligen Stadt sehen.

Einige letzte Spuren der Feuersbrunst abgerechnet, die ausdrücklich gleich finsteren Erinnerungen jener schrecklichen Zeit gelassen zu sein scheinen, ist ganz Moskau wieder glänzender, prachtvoller und reicher vergoldet, als es jemals gewesen ist, aus seiner Asche hervorgegangen. Der Kreml allein, der gleich einem alterthümlichen und unzerstörbaren Zeugen der vergangenen Dinge stehen geblieben, hat seinen Byzantinischen Charakter bewahrt, der ihn beim ersten Anblick dem Dogenpalaste von Venedig gleichen läßt. Mein Besuch galt bei meiner Ankunft diesem Gebäude, und von den fünf, in seine hohen, mit Zinnen versehenen Mauern gebrochenen Thoren wählte ich das Thor von Spaskoi, oder das heilige Thor, und trat dem Gebrauche gemäß mit entblößtem Haupte in den alterthümlichen Palast, Inn welchen sich die Geschichte des alten Moskovitischen Reiches gedreht.

Der Kreml leitet seinen Namen, wie man sagt, von dem Worte Kremle, was so viel sagen will als Peter, her. Er enthält das Senatsgebäude, das Zeughaus, die Kirche Maria Verkündigung, die Kathedrale der Himmelfahrt, wo die Feierlichkeit der Krönung geschieht, und wo in der That der Kaiser Nikolaus kürzlich gekrönt worden war, die Sankt Michaelskirche in welcher sich die Gräber der ersten Herrscher des Reiches befinden, den Palast der Patriarchen und den Palast der früheren Czaren. In diesem Granitneste wurde Peter I. geboren.

Durch Iwan, der den kaiserlichen Befehl, vor welchem sich übrigens Jedermann verbeugte, zu Allem dienen lief, konnte ich den Palast in allen seinen Einzelheiten besuchen. Zuvörderst ließ ich rnir das kleine Ausfallthor zeigen, durch welches Napoleon hinausgegangen war, dann das Gemach, welches er bewohnt, und in welchem er während einer Nacht und einem Tage mit gekreuzten Armen an dem Fenster stehend, diesen neuen, unbekannten, unwiderstehbaren und nicht zu bändigenden Feind, der ihn Fuß vor Fuß aus seiner neuen Eroberung vertrieben, gegen sich hatte anrücken sehen. Von diesem Zimmer stieg ich bis auf die Terrasse, von deren Höhe Gourgaud und Berthier beinahe herabgestürzt waren, und von da aus erblickte ich Moskau, nicht mehr in seinem Todeskampfe und sich in seinem Feuertode windend, sondern jung, heiter, lachend, gang besäet mit grünen Gärten, ganz schimmernd von vergoldeten Kuppeln.

Moskau schreibt seinen Ursprung ohngefähr von der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts her. Wie man sieht, gehört es nicht zu den sehr alten Brüdern, so daß sein Alter kaum einem Großen aus der Zeit Ludwig XIV. genügt hätte, um die Kutsche des Königs zu besteigen. Vielleicht bestand es schon lange Zeit zuvor arm, unbekannt und niedrig; aber erst von diesem Zeitraume an wurde es zum Fürstenthume erhoben, und durch Michael den Tapferen regiert, den Bruder Alexander: Newskis, denselben, welcher, nachdem er gegen das Ende seines Lebens das härene Gewand angelegt, in die Reihe der Heiligen versetzt wurde, und einer der wunderthätigsten Schutzpatrone der Stadt St. Petersburg geworden ist. Der Ursprung des Namens Moskau erhebt nicht dieselben Zweifel, als der Name des Kreml. Seine Pathin ist die Moskwa, ein armseliger und demüthiger schlammiger Fluß, der am Giah entspringt, und noch ganz erstaunt, in seinem Laufe von wenigen Stunden einer Königin zum Gürtel gedient zu haben, oberhalb Riazan in die Oka fällt.

Der Kreml liegt im Mittelpunkte von Moskau, und auf dem am höchsten liegenden Theile der Stadt, so daß man von der Höhe der Terrasse des Palastes die ganze Stadt übersieht. Von dort aus übersieht man nicht die Unregelmäßigkeit von Moskau, welches der launenhaften und fantastischen Stadt irgend eines Baumeisters aus Tausend und einer Nacht gleicht, in seiner ganzen sonderbaren Mannigfaltigkeit, mit seinen Mosaikdächern, seinen byzantinischen Minarets, seinen chinesischen Pagoden, seinen italienischen Terrassen, seinen indischen Kiosks und seinen holländischen Pachthöfen. Von dort aus sieht man in den drei Quartieren, in die es sieh theilt, und vor Allem in dem Kitaigarod, oder dem Kaufmannsquartiere, die Abgeordneten aller Völker der Erde sich drängen, und wo man den Türken an seinem Turban, den Armenier an seinem langen Gewande, den Mongolen an seiner spitzigen Mütze, den Moujick an seinem leinenen Kittel, und den Franzosen an seinem engen Frack erkennt. Was die Straßen anbelangt, so sind sie gewunden, wie der sie durchschneidende Fluß, dessen Name, wie man sagt, von einem sarmatischen Worte herrührt, das Schlange bedeutet; aber sie haben den Vortheil, gegen den Wind und gegen die Sonne zu schützen, und bieten nirgends dem erschreckten Auge jene langen geraden Fernen, die dem unglücklichen Fußgänger ohne Ende scheinen.

Herabgestiegen von der Terrasse, wo ich länger als eine Stunde verweilte, ohne der Betrachtung dieses prachtvollen Panoramas müde zu werden, ging ich nach dem Senatspallast, einem unermeßlichen, unter der Regierung Katharinens ausgeführten Gebäude, das auf den vier Seiten des auf seiner Kuppel befindlichen Würfels mit großen Buchstaben in russischer Sprache das Wort Gesetz trägt. Da mir der Sitzungssaal wenig Interesse bot, und mir außerdem die Zeit meines Aufenthaltes in Moskau zugemessen war, so wanderte ich nach dem Zeughause, einem weiten, im Jahre 1702 unter der Regierung Peter 1. begonnenen Gebäude. Im Jahre 1812, im Augenblicke des Rückzuges der Französischen Armee unterminiert, trägt es noch die Spuren jener fürchterlichen Explosion, die es zum größten Theile sprengte ohne daß die Glasscheibe gesprungen war, wende sich vor dem Bilde des heiligen Nikolaus befindet; ein Ereigniß, das, wie es eine darunter eingegrabene Inschrift bestätigt, einem Wunder des Heiligen zugeschrieben wurde. Eine andere Probe eines nicht minder großen Wunders, dessen Urheber aber der Winter ist, eines wohl noch viel mächtigen Heiligen, als der heilige Alexander Newski, sind die den Franzosen und ihren Verbündeten abgenommenen achthundert und siebzig Stück Kanonen, die man auf den Heerstraßen, an den Flüssen und in den Hohlwegen auf der Straße von Moses kau nach Wilna aufgefunden hat. Diese Stücke sind vor der Fronte des Gebäudes aufgestellt. Jedes von ihnen trägt in seiner Gefangenschaft noch stolzer Weise den Namen, mit welchem es der Gießer in seiner Unwissenheit über dessen Zukunft getauft hat, als da sind: »der Unbesiegbare, der Unnehmbare, der Rächer.« Der Platz, auf dem sie sich befinden, beweiset, daß das Erz die Gewohnheit zu lügen nicht allein auf den Denksäulen und den Grabmälern angenommen hat.

Vor einer der Seitenfacaden steht die berühmte, im Jahre 1694 gegossene Kanone, deren Gewicht sechs und neunzig tausend Pfund und dreizehn Unzen, deren Länge siebzehn Fuß, und deren Durchmesser vier Fuß drei Zoll ist; sie ist von mehreren anderen Türkischen und Persischen Stücken ausgehen, deren Großmutter sie zu sein scheint, obgleich das kleinste von ihnen, allein genommen, ungeheuer scheinen muß. Sie sind mit wunderlichen orientalischen Verzierungen, die aber köstlich in ihren Einzelheiten, überladen, und jedes von ihnen trüge als einen Beweis seiner Kraft die Zahl seines Gewichtes an der Stückkammer eingegraben. Verglichen mit dem kleinsten dieser Stücke, scheint das größte der unseren ein Kinderspielwerk.

Wir hatten nun den Glockenthurm Iwan Welikoi vor uns, der gegen das Jahr 1600 erbauet worden war, um des Andenken einer Hungersnoth zu verewigen, die Moskau in Verzweiflung setzte. Die Gestalt des Thurmes ist achteckig, und die Kuppel, wie man versichert, ganz mit Dukatengold gedeckt. Des die Kirche krönende Kreuz wurde im Augenblicke des Rückzuges durch Napoleon herabgenommen, der es für den Dom der Invaliden bestimmte, und diejenigen, weiche mit seiner Bewachung beauftragt waren, warfen es in die Beresina, da sie es nicht weiter fortbringen konnten. Die Russen baden es durch ein hölzernes, mit vergoldeten Kupfer beschlagenes Kreuz ersetzt.

Am Fuße dieser Kirche liegt in einer zirkelrunden mit Brettern bedeckten Höhle die berühmte ewige Glocke, welche von Nowgorod nach Moskau gebracht, daselbst die Königin neu zwei und dreißig anderen Glocken, die das Glockenspiel der Kirche Iwan des Großen bilden, sein sollte. Während einiger Zeit herrschte sie in der That sowohl durch ihre Größe, wie durch ihren Klang über sie; aber eines Tages zerriß sie ihre Banden, fiel, und grub sich in ihrem Felle mehrere Fuß tief ein. Durch eine Fallthüre und indem wir eine Treppe von einigen zwanzig Stufen, welche von einer Schildwache bewacht ist, die Jedermann warnt, nicht den Hals zu brechen, herunter stiegen, gelangten wir an den Fuß dieses Berges von Erz, den man umkreist, indem man auf einer kleinen, zu seiner Unterstützung erbaueten, Backsteinmauer hingeht. Der Umfang der Glocke ist sieben und sechzig Fuß vier Zoll, was einen Durchmesser von zwei und zwanzig Fuß vier ein Drittel Zoll gibt; ihre Höhe ist ein und zwanzig Fuß vier und einen halben Zoll; an dem Orte, wo der Klöppel anschlägt, ist sie drei und zwanzig Zoll dick, und sie wiegt viermal hundert drei und vierzig tausend sieben hundert zwei und siebzig Pfund, was nach dem einfachen Metallwerthe, das heißt das Pfund zu drei Franken fünfzehn Sous, ohngefähr eine Summe den sechs und sechzig tausend und fünf hundert Louisd’or ausmacht. Aber der Werth der Glocke steigt um mehr als das Dreifache, wenn man erfährt, daß der Adel und das Volk in dem Augenblicke, wo sie gegossen worden ist, herbeikam, um begierig ihr Gold, ihr Silber und ihr Tafelgeschirr in den Schmelzofen zu werfen. Das sind demnach ohngefähr vier Millionen siebenmal hundert zwei und vierzig tausend Franken, die in dieser Art von Keller ohne Nutzen wie ohne Ertrag begraben wurden.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
10 aralık 2019
Hacim:
470 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain