Kitabı oku: «Denkwürdigkeiten eines Fechtmeisters», sayfa 9
– Sire, wie danke ich Ihnen.
– Wollen Sie mir das beweisen?
– O! können. Eure Majestät fragen?
– Nun denn! so sagen Sie. Niemandem, daß Sie mir eine Bittschrift überreicht haben, und daß Sie nicht bestraft worden sind. Adieu, mein Herr.
Der Kaiser entfernte sich; bestürzt über seine schwermüthige Gutmüthigkeit blieb ich zurück. Ich befolgte nichts desto weniger seinen Rath, und legte meine Bittschrift auf die Post. Drei Tage nachher erhielt ich, wie er mir es versprochen hatte, seine Antwort.
Dieses war mein Patent als Lehrer der Fechtkunst bei dem kaiserlichen Genie-Corps, mit dem Range als Hauptmann.
Zweiter Band
VIII
Da meine Stellung jetzt ziemlich fest wenn, so beschloß ich von diesem Augenblicke an, das Hotel von London zu Verlassen, und meinen eigenen Herd zu haben. Dem zu Folge machte ich mich daran, die Stadt nach allen Richtungen zu durchwandern, und bei diesen Ausflügen war es, daß ich Petersburg und seine Bewohner erst wahrhaft kennen zu lernen begann.
Der Graf Alexis hatte mir Wort gehalten. Durch ihn halte ich von meiner Ankunft an einen Kreis von, Schülern bekommen, den ich ohne seine Empfehlungen durch mich selbst gewiß in einem ganzen Jahre nicht erhalten hätte. Es waren der Herr von Narischkin, ein Vetter des Kaisers, Paul von Bobrinski, eingestandenen, wenn auch nicht anerkannten Enkel, Gregor Orloffs und Katharina der Großen, der Fürst Trubetzkoi, Obrist des Regiments Preobrajenski, Herr von Gorgoli, Großmeister der Polizei, mehrere andere Große aus den ersten Familien von St. Petersburg, und endlich drei oder vier polnische, in der Armee des Kaisers dienende Officiere.
Etwas, was mich am meisten bei den russischen Großen überraschte, war ihre gastfreundschaftliche Höflichkeit, diese erste Tugend der Völker, welche so selten ihre Civilisation überlebt, und die sich in Bezug auf mich niemals verleugnete. Freilich hatte der Kaiser Alexander, gleich Ludwig XIV., welcher sechs der ältesten Fechtmeistern von Paris auf ihre Nachkommen übertragbare Adelsbriefe ertheilt hatte, weil er das Fechten als eine Kunst, und nicht als ein Handwerk betrachtete, dadurch, daß er meinen beiden Kollegen und mir mehr oder minder hohe Grade in der Armee ertheilt, dafür gesorgt, das Gewerbe, welches ich ausübte, zu erhöhen. Nichts desto weniger bekenne ich frei, daß ich in keinem anderen Lande der Welt als in St. Petersburg diese aristokratische Vertraulichkeit gefunden hätte, welche, ohne denjenigen, welcher sie bewilligt, zu erniedrigen, denjenigen erhebt, welcher ihr Gegenstand ist.
Diese gute Aufnahme dient dem Vergnügen der Fremden um so mehr, da das häusliche Leben der Familien wegen der Jahres- und hohen Festtage des Kalenders, wozu man noch das des besonderen Schutz-Patrons des Hauses hinzufügen muß, eines der belebtesten ist. Wenn man demnach auch nur einen Kreis von Bekannten von einiger Ausdehnung hat, so gehen wenige Tage hin, ohne daß man nicht eine Einladung zu zwei oder drei Mittagessen und eben so viel Bällen hätte.
Es gibt noch einen anderen Vortheil für die Lehrer in Rußland; nämlich der, daß sie Tischgenossen des Hauses und in einiger Art Mitglieder der Familie werden. Wenn ein Lehrer ein wenig ausgezeichnet ist, so nimmt er zwischen dem Freunde und den Verwandten einen Platz in dem häuslichen Kreise ein, den er so lange behält, als es ihm gefällt, und den er beinahe immer nur durch seine Schuld verliert.
Diese Ehre war es, die einige meiner Schüler mir erzeigten, und unter andern der Großmeister der Polizei, Herr von Gorgoli, der zugleich eines der edelsten und der besten Herzen, die ich je gekannt, besaß. Ein Grieche seiner Geburt nach, schön, groß, wohlgebauet, gewandt zu allen Uebungen, war er mit dem Grafen Alexis Orloff und Herrn von Bobrinski gewiß das Urbild eines wahren Großen. Gewandt in allen Uebungen, vom Reiten bis zum Ballspiel, als Liebhaber von erster Stärke im Fechten, großmüthig wie ein alter Bayard, war er zugleich die Vorsehung für die Fremden wie für seine Mitbürger, für die er immer, zu welcher Stunde des Tages oder der Nacht es auch ein mochte, zu sprechen war. In einer Stadt wie St. Petersburg, das heißt in diesem monarchischen Venedig, wo kein Geschrei ein Echo hat, wo die Kanäle der Mocka und St. Katharina, gleich denen der Giudecca und Orfano ihre Todten zum Schweigen bringen, wo die an jeder Straßenecke wachenden Boutschnicks zuweilen mehr Schrecken einflößen, als sie Besorgniß beruhigen, war der General-Major Gorgoli der Bürge für die öffentliche Sicherheit. Da man ihn ohne Unterlaß in einer mit leichten, Gazellen raschen Pferden, die er vier Mal des Tages wechselte, bespannten Droschke durch alle zwölf Quartiere der Stadt, Märkte und Bazars fahren sah; so schloß jedermann ruhig am Abende die Thüre seines Hauses, instinktmäßig überzeugt, daß diese sichtbare Vorsehung in der Finsterniß über sie wache. Ich gebe nur einen Beweis über diese sichtbare Wachsamkeit. Seit den zwölf Jahren, daß Herr von Gorgoli Großmeister der Polizei war, hatte er St. Petersburg nicht einen einzigen Tag verlassen.
Es gibt demnach vielleicht auch keine Stadt der Welt, wo man des Nachts über eben so in Sicherheit ist, als in St. Petersburg. Die Polizeiwacht zu gleicher Zeit über diejenigen, welche in ihren Wohnungen eingeschlossen sind, wie über die, welche durch die Straßen wandern. Von einem öffentlichen Platz zu dem anderen erheben sich aus Holz gebauete Thürme, welche alle Häuser überragen, die übrigens gewöhnlich nur zwei oder drei Stockwerke hoch sind. Auf der Höhe dieser Thürme wachen ohne Unterlaß zwei Mann; sobald nur ein Funke, ein Schein, ein Rauch ihnen eine Feuersbrunst anzeigt, so ziehen sie eine Schelle, die mit dem Fuße des Thurmes in Verbindung steht, und während dem man an die Spritzen und an die Wasserfässer die beständig geschirrt dastehenden Pferde anspannt, geben sie den Stadttheil an, in welchem sich das Unglück zeigt. Sogleich fahren Spritzenleute und Spritzen im Galop davon. Die Zeit, welche ihnen auf das äußerte nothwendig, ist für jede Entfernung berechnet, und sie müssen auf die vorgeschriebene Minute ankommen, so, daß nicht wie in Frankreich der Eigenthümer die Polizei zu wecken kommt, sondern daß im Gegentheile die Polizei kommt, um dem Eigenthümer zuzurufen: Steht auf, Euer Haus brennt.
Was das Einbrechen anbelangt, so ist es fast niemals zu fürchten. So spitzbübisch das russische Volk auch sein möge, so wird es doch niemals eine Scheibe zerbrechen oder eine Thür sprengen; so daß man dem Moujick, vor dessen Augen man keine Kopecke herumschleifen lassen darf, ohne Besorgniß einen Brief, in den er für zehn Tausend Rubel Bank-Billets hat einsiegeln sehen, anvertrauen darf.
Das für die Ruhe derjenigen, die in ihren Wohnungen bleiben.
Was die durch die Straßen Wandernden anbetrifft, so haben sie eben nichts zu fürchten, als die Boutchnicks, die mit ihrer Beschützung beauftragt sind; diese letzteren sind aber so feig, daß ein einziger Mann mit einem Stocke oder einer Pistole ihrer zehn in die Flucht treiben kann. Diese Elenden sind demnach genöthigt, sich mit irgend einer unglücklichen Dirne zu begnügen, die sich verspätet hat und für welche jeden Falles der Diebstahl kein großer Verlust, oder die Nothzucht kein großer Kummer ist. Uebrigens hat jedes Ding seine gute Seite: während der Winternächte, wo die Dunkelheit trotz der öffentlichen Erleuchtung so groß ist, daß die Pferde jeden Augenblick riskieren, sich die eine oder die andere Rippe zu brechen, benachrichtigt der Boutchnick die Kutscher von Zeit zu Zeit von der Gefahr, in welcher sie schweben. Sein Gesicht ist so sehr an die Finsterniß, in welcher er lebt, gewöhnt, daß er in Mitte der Nacht einen Schlitten, eine Droschke oder eine Kutsche unterscheidet, welche geräuschlos auf dem Schnee herannahet, und ohne seine Warnung an irgend eine andere, wie der Blitz von der entgegengesetzten Seite herbeifliegend, anrennen würde.
Uebrigens wird der immer harte Dienst dieser Unglücklichen, welche, wie man mir versichert, jährlich nicht mehr als ein zwanzig Rubel erhalten, vom Monat November bis März zuweilen tödtlich. Trotz den schweren Kleidern, mit denen sie beladen sind, trotz all den Vorsichtsmaßregeln, welche gegen die Kälte getroffen sind, dringt diese langsam durch die Tücher und Pelze. Nun fehlt dem nächtlichen Wächter die Kraft, es über sich zu gewinnen unaufhörlich herumzugehen; eine gänzliche Entkräftung überfällt ihn, eine hinterlistige Schlafsucht bemächtigt sich feiner, er schläft stehend ein, und wenn in diesem Augenblicke nicht irgend ein Officier der Runde vorüber kommt, der ihn unbarmherzig prügeln läßt, bis daß das Blut unter den Hieben wieder in Umlauf kommt, so ist es um ihn geschehen, er erwacht nicht mehr, und am anderen Morgen findet man ihn steif in seinem Schilderhause. In dem Winter vor meiner Ankunft in St. Petersburg war einer dieser Unglücklichen, den man auf diese Weise todt gefunden und fortschaffen wollte, mit der Stirn gegen einen Eckstein gefallen, so daß der Hals kurz abbrach, und der Kopf gleich einer Kugel bis auf das andere Trottoir davon rollte.
Nach Verlauf einiger Tage des Herumwanderns gelang es mir endlich an dem Ufer des Katharinen-Kanales, das heißt im Mittelpunkte der Stadt, eine passende und ganz möblierte Wohnung zu finden, in welche ich zur Vervollständigung nichts als Matratzen und eine Bettstelle zu bringen brauchte, da das Bett, dessen Gebrauch den Vornehmen überlassen, von den Bauern, welche auf den Oefen lagern, und von den Kaufleuten, welche in Fellen oder in Sesseln schlafen, als ein Gegenstand des Luxus betrachtet wird.
Entzückt über die neue Einrichtung, welche ich getroffen, kehrte ich von dem Katharinen-Kanale nach der Admiralität zurück, als mich, ohne daran zu denken, daß dieser Tag ein heiliger Sonntag war, die Lust ergriff, in ein Dampfbad zu gehen. Ich hatte in Frankreich oft von dieser Art Anstalten reden hören, so daß ich, da ich gerade an einem Badehause vorüber kam, die Gelegenheit zu benutzen beschloß. Ich meldete mich an der Thüre mittelst zwei und eines halben Rubels, das heißt eines halben fünf Frankenthalers, man übergab mir eine Eintrittskarte, und ich wurde in ein Vorzimmer geführt, in welchem man sich entkleidet: dieses Zimmer wird auf gewöhnliche Temperatur geheizt.
Während dem ich mich in Gesellschaft von einem Dutzend anderer Personen entkleidete, kam ein Aufwärter mich zu fragen, ob ich einen Bedienten habe, und auf meine verneinende Antwort erkundigte er sich, von welchem Alter, zu welchem Preise und von welchem Geschlecht ich die Person wünsche, die mich frottiren solle. Eine solche Frage machte eine Erklärung nothwendig, ich veranlaßte dieselbe demnach und erfuhr, daß bei der Anstalt angestellte Knaben und Männer sich immer bereit hielten, diesen Dienst zu erzeigen; und was die Frauen anbelangt, so ließe man sie aus einem benachbarten Hause holen. Sobald die Wahl einmal geschehen, so zieht sich die Person, auf welche die Wahl gefallen, welchem Geschlecht sie auch angehöre, wie der Badende nackend aus, und zieht ihn mit sich in das zweite, nach der Temperatur des Blutes geheizte Zimmer. Ich blieb einen Augenblick lang stumm vor Erstaunen, aber die Neugierde siegte über die Schaam, und ich wählte den Aufwärter selbst, der mich angeredet. Kaum hatte ich ihm meinen Vorzug zu erkennen gegeben, als er eine Handvoll Ruthen von einem Nagel nahm und in einem Augenblicke befand er sich so nackend, als ich.
Nun öffnete er die Thür, und schob mich in das zweite Zimmer. Ich glaube, daß irgend ein neuer Mephistopheles mich unvermuthet zum Sabbath geführt hätte.
Denke man sich drei Hundert durchaus nackte Personen von jedem Alter und von jedem Geschlechte, Männer, Weiber, Kinder, Greise, von denen die eine Hälfte die andere unter Geschrei, Gelächter und sonderbaren Grimassen peitscht, und/das ohne die mindeste Idee von Schaam. Das kommt daher, weil in Rußland das Volk so verachtet ist, daß man seine Gebräuche mit denen des Viehes vermengt, und daß die Polizei in einer Liederlichkeit, die mit der Unzucht beginnt, und selbst nicht bei der Blutschande stehen bleibt, nur eine für die Bevölkerung, und demnach für das Vermögen des Adels vortheilhafte Begattung sieht.
Nach Verlauf von zehn Minuten beklagte ich mich über die Hitze, kehrte in das erste Zimmer zurück, kleidete mich wieder an, und, indem ich meinem Frotteur zwei Rubel hinwarf, entfernte ich mich empört über eine solche Sittenlosigkeit, die in St. Petersburg unter der niederen Klasse so natürlich scheint, daß mir niemand etwas davon erzählt hatte.
Mit ganz befangenem Geiste, über das, was ich so eben gesehen hatte, wanderte ich die Auferstehungsstraße entlang, als ich auf einen ziemlich beträchtlichen Haufe Menschen stieß, die sich drängten, um in den Hof eines prachtvollen Hotels zu dringen. Von der Neugierde getrieben, stellte ich mich in die Reihe, und sah, daß das, was all diese Menge anzog, die Vorbereitungen zu einer Knutenzüchtigung waren, die ein Leibeigener empfangen sollte. Ich war im Begriffe mich zu entfernen, indem ich mich einem solchen Schauspiele beizuwohnen nicht stark genug fühlte, als sich eines der Fenster öffnete und zwei junge Mädchen erschienen, von welchen das eine einen Sessel, und das andere ein Sammetkissen auf den Balkon brachten; hinter den beiden jungen Mädchen erschien bald diejenige, deren zarte Glieder die Berührung mit den Steinen fürchteten, deren Augen aber den Anblick des Blutes nicht scheueten. In diesem Momente lief ein Gemurmel durch die Menge, und das Wort: die Gossudarina! die Gossudarina wurde leise, aber durch hundert Stimmen wiederholt, über deren Betonung man sich nicht im geringsten täuschen konnte.
In der That erkannte ich in Mitte der sie einhüllenden Pelze die schöne Maschinka neben dem Minister. Einer ihrer früheren Gefährten hatte das Unglück gehabt, wie man sagte, in der Ehrerbietung gegen sie zu fehlen, und sie hatte verlangt, daß eine exemplarische Bestrafung die anderen warne, nicht in einen ähnlichen Fehler zu verfallen. Man hatte geglaubt, daß sich ihre Rache darauf beschränken würde, man hatte sich getäuscht: es war nicht genug, daß sie den Schuldigen gezüchtigt wußte, sie wollte ihn auch noch bestrafen sehen. Da ich trotz dem, was mir Louise über ihre Grausamkeit gesagt, glaubte, daß sie nur deshalb gekommen sei, um zu begnadigen, oder zum mindesten die Strafe zu mildern, so blieb ich unter den Zuschauern.
Die Gossudarina hatte das Gemurmel gehört, welches sich bei ihrer Ankunft erhoben; aber anstatt Besorgniß oder Schaam darüber zu empfinden, durchliefen ihre Blicke diese ganze Menge mit einer so hochmüthigen und so unverschämten Miene, als es eine Königin nicht besser hätte thun können; dann sich auf den Sessel setzend, und ihren Ellbogen auf das Kissen stützend, legte sie den Kopf in eine ihrer Hände, während dem daß die andere ein weißes Windspiel liebkosete, welches seinen Schlangenkopf auf den Schooß seiner Herrin streckte.
Es schien übrigens, als ob man nur ihre Gegenwart abgewartet hätte, um mit der Vollstreckung zu beginnen, denn kaum befand sich die schöne Zuschauerin auf dem Balkon, als sich eine Hofthüre öffnete, und der Schuldige, zwischen zwei Moujicks herbeikam, von welchen jeder einen um die Fäuste geschlungenen Strick hielt, und denen zwei andere Scharfrichter, von denen jeder eine Knute in der Hand hielt, folgten. Es war ein junger Mann mit blondem Barte, mit ruhigem Gesicht, mit festen und entschlossenen Zügen. Nun verbreitete sich unter der Menge ein sonderbares Gerücht: einige sagten, daß dieser junge Mann, welcher der Obergärtner des Ministers war, Maschinka als sie noch Leibeigene gewesen sei, geliebt hätte, und daß das junge Mädchen diese Liebe der Art erwiedert, daß sie sich zu heirathen im Begriffe standen, als der Minister seine Blicke auf sie geworfen, und sie zu dem Range seiner Maitresse, wie man will, erhoben oder erniedrigt hatte. Seit dieser Zeit nun hatte die Gossudarina durch eine sonderbare Umgestaltung einen Haß gegen den jungen Mann gefaßt, und schon mehr als einmal hatte er die Wirkungen dieser Veränderung empfunden, als ob sie fürchte, daß ihr Herr sie des Beharrens in irgend einem Gefühle ihres früheren Standes in Verdacht habe. Kurz, am Tage zuvor war sie ihrem Genossen der Leibeigenschaft in einer Allee des Gartens begegnet, und nach einigen zu ihr gesagten Worten hatte sie sich beschwert, daß er sie beschimpft habe, und bei der Rückkunft des Ministers die Bestrafung des Schuldigen verlangt.
Die Vorbereitungen zur Bestrafung waren schon im Voraus getroffen. Sie bestanden aus einem niedergelegten Brette mit einem Halseisen, um den Hals des Sträflinges darin einzuschließen, und zwei zur Rechten und zur Linken angebrachten Pfosten, um die Arme daran festzubinden; was die Knute anbelangt, so war es eine Peitsche, deren Stiel ohngefähr zwei Fuß lang sein konnte; an diesem Stiele war ein Striemen platten Leders befestigt, der doppelt so lang als der Griff war, und an dessen Ende sich ein eiserner Ring befand, an welchem ein anderer um die Hälfte so langer Riemen, als der erste hing, dieser war am Anfange zwei Zoll breit, und wurde aber gegen das Ende hin immer schmäler, bis er in eine Spitze auslief. Diese Spitze taucht man in Milch, und läßt sie in der Sonne trocknen, was sie eben so hart und eben so scharf macht, als die Schneide eines Federmessers. Alle sechs Hiebe wechselt man gewöhnlich den Riemen, denn das Blut erweicht das Leder; aber bei dem gegenwärtigen Falle wurde das unnöthig, da der Verurtheilte nur zwölf Hiebe zu empfangen hatte, und zwei Scharfrichter da waren. Diese beiden Scharfrichter waren übrigens nichts anderes, als die Kutscher des Ministers, welche ihre Gewohnheit die Peitsche zu handhaben zu diesem Range erhoben hatte, was ihnen übrigens nichts von der guten Freundschaft ihrer Kameraden raubte, welche sich bei vorkommender Gelegenheit ihre Revanche nehmen, aber ohne Groll und nur als wie Leute, die gehorchen. Oft ereignet es sich außerdem, daß in ein und derselben Sitzung die Schlagenden Geschlagene werden, und mehr als einmal habe ich während meines Aufenthaltes in Rußland Große gesehen, welche in einer Anwandelung des Zornes gegen ihre Diener, und da sie nichts zum schlagen bei der Hand hatten, denselben sich bei den Haaren zu packen und sich gegenseitig Faustschläge in das Gesicht zu versetzen befahlen. Ich muß gestehen, daß sie anfangs mit Zögern und schüchtern diesem Befehle gehorchten, aber bald brachte sie der Schmerz in Zug, jeder wurde heftig, und schlug nach besten Kräften, während dem daß der Herr nicht aufhörte zu rufen: stärker, Schelme, stärker. Endlich, wenn er die Strafe für hinreichend hielt, brauchte er nur zu sagen: genug, bei diesem Worte hörte der Kampf wie durch einen Zauber auf, die Gegner wuschen ihre blutigen Gesichter an demselben Brunnen, und kehrten Arm in Arm eben so freundschaftlich zurück, als ob nichts unter ihnen vorgefallen wäre.
Dieses Mal sollte der Verurtheilte nicht so guten Kaufs davon kommen; demnach genügten auch schon die Zubereitungen zur Strafe, um mir eine tiefe Rührung einzuflößen, und inzwischen fühlte ich mich durch jenen außerordentlichen Zauber, welcher den Menschen nach der Seite hin zieht, wo der Mensch leidet, wie gebannt auf meinem Platze, so daß ich gestehen muß, ich blieb; außerdem wollte ich sehen, wie weit dieses Weib die Grausamkeit treiben würde.
Die beiden Scharfrichter näherten sich dem jungen Manne, entkleideten ihn bis auf den Gürtel, streckten ihn auf dem Schaffote aus, legten den Hals unter das Halseisen, und banden die Arme an den beiden Pfosten fest; nachdem hierauf der eine Scharfrichter die Menge einen Kreis hatte bilden lassen, um den Handelnden dieses fürchterlichen Auftrittes einen halbrunden Raum zu lassen, der ihnen gestattete sich frei zu bewegen, machte sich der andere bereit, und sich auf den Fußzehen erhebend führte er den Hieb dermaßen, daß der Riemen zwei Mal um den Leib des armen Sünders herumging, wo er eine bläuliche Furche zurückließ. Wie groß auch der Schmerz gewesen sein muß, der Unglückliche stieß keinen Schrei aus.
Bei dem zweiten Hiebe erschienen einige Tropfen Blut auf der Haut.
Bei dem dritten sprang es.
Von diesem Augenblicke an schlug die Peitsche auf das rohe Fleisch, so daß der Scharfrichter nach jedem Hiebe den Riemen durch seine Finger zog, um das Blut herabtröpfeln zu lassen.
Nach dem sechsten Hiebe nahm der andere Scharfrichter den Platz mit einer frischen Knute ein, übrigens gab der arme Sünder von dem fünften bis zum zwölften Hiebe kein anderes Zeichen von Gefühl von sich, als das krampfhafte Zucken seiner Hände, und ohne eine leichte Muskelbewegung, welche bei jedem Schlage seine Finger erbeben ließ, würde man ihn für todt gehalten haben.
Als die Strafe vollzogen, band man den armen Sünder los; er war beinahe ohnmächtig, und konnte sich nicht aufrecht erhalten; inzwischen hatte er keinen Schrei, keinen Seufzer ausgestoßen. Was mich anbetrifft, so gestehe ich, daß ich von dieser Gefühllosigkeit und diesem Muthe nichts begriff.
Zwei Moujicks faßten ihn unter die Arme, und führten ihn wieder nach der Thüre zu, durch welche er gekommen war; in dem Augenblicke, als er eintrat, wandte er sich um, und indem er Maschinka anblickte, murmelte er einige Worte auf russisch, die ich nicht verstehen konnte. Ohne Zweifel waren diese Worte entweder eine Schmähung, oder eine Drohung, denn seine Kameraden stießen ihn rasch unter die Wölbung. Auf diese Worte antwortete die Gossudarina nur durch ein verächtliches Lächeln, und indem sie eine goldene Dose aus ihre Tasche zog, gab sie ihrem Lieblingswindspiele einige Bonbons, rief ihre Sclavinnen, und entfernte sich auf deren Schultern gestützt.
Hinter ihr schlossen sich die Fenster wieder, und die Menge, die sah, daß alles beendigt war, zog sich schweigend zurück. Einige unter ihr schüttelten den Kopf, als ob sie sagen wollten, daß eine solche Unmenschlichkeit bei einer so jungen und so schönen Person früh oder spät die Rache Gottes auf sie ziehen würde.