Kitabı oku: «Der Bastard von Mauléon», sayfa 38
Einundsechzigstes Kapitel.
Wie der Gouverneur, statt einen Gefangenen zurückzugeben, eine ganze Armee freimachte
Der Engländer hatte sich nicht getäuscht, er kannte seinen Gefangenen.
Kaum hatte der Sire von Laval die Aufforderung erhalten, in das Schloß einzutreten, kaum hatte er sich in die Arme des Connetable geworfen, kaum war dieser erste Augenblick gegenseitiger Freude vorüber, als der Connetable die Kisten, welche die Maulthiertreiber auf den Ruheplatz vor das Zimmer gebracht hatten, betrachtend ausrief:
»Wie viel Geld, mein lieber Freund!«
»Nie ist eine Steuer leichter erhoben worden,« antwortete der Sire von Laval, der, stolz auf seinen Landsmann, nicht wußte, wie er ihm seine Achtung und seine Freundschaft bezeigen sollte.
»Das sind meine braven Bretagner,« sprach der Connetable, »und Ihr habt Euch zu aller erst beraubt.«
»Man mußte sehen, wie es Goldstücke in die Börse der Sammler regnete rief der Sire von Laval, glücklich, durch diese Begeisterung dem englischen Gouverneur zu mißfallen, der von seinem Besuch beim Prinzen zurückgekehrt war und unempfindlich horchte.
»Siebzigtausend Goldgulden, welche Summe!« wiederholte der Connetable.
»Welche große Summe, wenn es sich darum handelt, sie zu erheben, wie klein, wenn sie erhoben und man im Begriff ist, sie hinzugeben!«
»Mein Freund,« sprach Duguesclin, »ich bitte, setzt Euch: Ihr wißt, daß hier zwölfhundert Landsleute gefangen sind, wie ich.«
»Ach! ja, ich weiß es.«
»Nun wohl! ich habe das Mittel gefunden, ihnen die Freiheit zu verschaffen. Durch meinen Fehler sind sie gefangen genommen worden, ich werde heute meinen Fehler wieder gut machen.«
»Wie dies?« fragte der Sire von Laval.
»Habt Ihr die Gefälligkeit gehabt, Herr Gouverneur, den Schreiber heraufkommen zu lassen?«
»Er ist vor der Thüre, Sire Connetable, und wartet auf Eure Befehle,« antwortete der Engländer.
»Er trete ein.«
Der Gouverneur klopfte dreimal mit dem Fuß, und der Kerkermeister führte den Schreiber ein, der ohne Zweifel zuvor benachrichtigt, Pergament, Feder, Tinte und fünf lange, magere Finger zurichtete.
»Schreibt, was ich Euch dictiren werde, mein Freund,« sagte der Connetable.
»Ich warte, Monseigneur.«
»Ich dictire:
»Wir, Bertrand Duguesclin, Connetable von Frankreich und Castilien, Graf von Soria, thun durch Gegenwärtiges kund und zu wissen, daß wir es ungemein bereuen, an einem Tage wahnsinnigen Stolzes unsern persönlichen Werth zum Preise von zwölfhundert guten Christen und braven Rittern, welche sicherlich mehr werth sind, als wir, angeschlagen zu haben.«
Hier hielt der gute Connetable inne, ohne auf den Gesichtern die Wirkung dieses Eingangs zu studiren.
Der Schreiber schrieb getreulich:
»Wir bitten Gott und unsere Brüder demüthig um Verzeihung,« fuhr der Connetable fort, »und um unsere Thorheit wieder gut zu machen, verwenden wir die Summe von siebzigtausend Gulden zur Loskaufung unserer zwölfhundert Gefährten, welche Seine Hoheit der Prinz von Wales in Navarrete, unseligen Andenkens, gefangen genommen hat.«
»Ihr verpfändet Eure Güter!« rief der Sire von Laval; »das ist ein ausgezeichneter Mißbrauch der Großmuth.«
»Nein, mein Freund, meine Güter sind schon verschleudert, und ich kann Frau Tiphaine nicht zur Dürftigkeit verurtheilen; sie hat schon nur zu sehr durch meine Handlungsmeise gelitten.«
«Was wollt Ihr denn sonst machen?«
»Das Geld, das Ihr bringt, gehört wohl mir?«
»Gewiß, aber. . .«
»Schon genug. . . wenn es mir gehört, verfüge ich nach meinem Belieben darüber. Fahrt fort, Herr Schreiber:
»Ich verwende zu dieser Loskaufung die siebenzigtausend Gulden, die mir der Sire von Laval bringt.«
»Aber, Herr Connetable,« rief Laval erschrocken, »Ihr bleibt Gefangener. . .«
»Und bedeckt mit einem unsterblichen Ruhm,« unterbrach ihn der Gouverneur.
»Das ist unmöglich,« fuhr Laval fort; »bedenkt doch!«
»Habt Ihr geschrieben?« fragte der Connetable den Schreiber.
»Ja, gnädigster Herr.«
»Gebt, daß ich unterzeichne.«
Der Connetable nahm die Feder und unterzeichnete rasch.
In diesem Augenblick verkündigten die Trompeten die Ankunft des Prinzen von Wales.
Schon hatte sich der Gouverneur des Pergaments bemächtigt.
Als der Sire von Laval den englischen Prinzen erblickte, lief er auf ihn zu, beugte ein Knie und sagte:
»Hoher Herr, hier ist das für den Herrn Connetable verlangte Lösegeld; nehmt Ihr es an?«
»Nach meinem Wort, und von Herzen gern,« sprach der Prinz.
»Hoheit, dieses Geld gehört Euch, nehmt es,« fuhr der Graf fort.
»Einen Augenblick Geduld,« sagte der Gouverneur.
»Eure Hoheit ist nicht von dem, was so eben vorgefallen, unterrichtet: sie wolle die Gnade haben, dieses Pergament zu lesen.«
»Um es zu vernichten rief Laval.
»Um es vollziehen zulassen,« sagte der Connetable.
Der Prinz warf einen Blick auf die Schrift und rief:
»Das ist ein schöner Zug, und ich möchte ihn gemacht haben.«
»Für Euch, der Ihr der Sieger seid, war das unnöthig,« sagte Duguesclin.
»Eure Hoheit wird den Connetable nicht zurückhalten!« rief Laval.
»Nein, gewiß nicht, wenn er weggehen will,« sprach der Prinz.
»Aber ich will bleiben, Laval, ich muß es; fragt diese Herren, was sie davon denken.«
Chandos, Albret und die Anderen äußerten laut ihre Bewunderung.
»Nun!« sagte der Prinz,«man zähle das Geld, und Ihr, meine Herren, setzt die bretagnischen Gefangenen in Freiheit.«
Da gingen die englischen Kapitäne hinaus; da erinnerte sich Laval, halb wahnsinnig vor Schmerz, der finsteren Vorhersagung des unbekannten Ritters, und lief aus dem Schloß, um ihn zu Hilfe zu rufen.
Schon rief im Schloß ein Officier die Gefangenen auf, schon waren die Kisten leer, schon hatte man das Geld in Stößen aufgehäuft, als Laval mit dem Unbekannten zurückkam.
»Sagt nun dem Connetable, was Ihr ihm zu sagen habt,« flüsterte Laval dem Ritter in's Ohr, während der Prinz vertraulich mit Duguesclin plauderte, »und da Ihr so viel magische oder natürliche Gewalt besitzt, so überredet ihn, daß er das Lösegeld für sich nimmt, statt es den Andern zu geben.«
Der Unbekannte bebte.
Er machte zwei Schritte vorwärts, und sein goldener Sporn klirrte auf den Platten.
Der Prinz wandte sich bei diesem Geräusch um.
»Wer ist der Ritter?« fragte der Gouverneur.
»Ein Gefährte von mir,« sagte Laval.
»Er schlage sein Visir auf und sei willkommen,« sprach der Prinz.
»Hoher Herr,« erwiderte der Unbekannte mit einer Stimme, welche Duguesclin beben machte, »ich habe ein Gelübde gethan, mein Gesicht bedeckt zu halten; erlaubt mir, es zu erfüllen.«
»Es sei, Herr Ritter; doch Ihr beabsichtigt wohl nicht, für den Connetable unbekannt zu bleiben
»Für ihn wie für Alle, hoher Herr.«
»In diesem Fall,« rief der Gouverneur, »in diesem Fall werdet Ihr Euch aus dem Schloß entfernen, wo ich nur Leute, die ich kenne, einzulassen Befehl habe.«
Der Ritter verbeugte sich, um zu bezeigen, er sei geneigt, zu gehorchen.
»Die Gefangenen sind frei,« sprach Chandos in den Saal zurückkehrend.
»Gott befohlen, Laval, Gott befohlen!« rief der Connetable mit gepreßtem Herzen, was Laval nicht entging, denn er ergriff die Hände von Bertrand und sagte:
»Um Gotteswillen! es ist noch Zeit, steht ab.«
»Nein, bei meinem Leben, nein,« erwiderte der Connetable.
»Seid Ihr denn seiner Ehre so gram?« sagte der Gouverneur; »wenn er heute nicht frei ist, kann er es in einem Monat sein: das Geld findet sich, Gelegenheiten aber, sich Ruhm zu erwerben, wie diese, finden sich nicht zweimal.«
Der Prinz spendete diesen Worten Beifall, seine Kapitäne ahmten ihn nach.
Der unbekannte Ritter ging sogleich ernst auf den Gouverneur zu und sprach mit majestätischem Tone:
»Ihr selbst, Sire Gouverneur, seid dem Ruhm Eures Herrn gram, indem Ihr ihn thun laßt, was er thut.«
»Was sagt Ihr, Messire?« rief der Gouverneur erbleichend, »Ihr beleidigt mich; ich sollte der Ehre Seiner Hoheit gram sein? Beim Tod! Ihr habt gelogen!«
»Werft Euren Handschuh nicht hin, ohne zu wissen, ob es meiner würdig ist, ihn aufzuheben, Messire; ich spreche laut und wahr: Seine Hoheit der Prinz von Wales handelt gegen seinen Ruhm, wenn er Duguesclin in diesem Schloß zurückhält.«
»Du lügst! Du lügst!« riefen zornige Stimmen, während Schwerter sich in den Scheiden bewegten.
Der Prinz war erbleicht wie die Andern, so hart und ungerecht schien der Angriff zu sein.
»Wer sollte mich hier bewegen, seinen Willen zu thun?« sagte er. . . »Ist es zufällig ein König, daß er so mit einem Königssohn spricht? Der Connetable kann sein Lösegeld bezahlen und weggehen. Bezahlt er nicht, so bleibt er . . . Warum diese feindseligen Klagen?«
Der Unbekannte fuhr unstörbar fort:
»Hoheit, vernehmt, was ich auf meinem ganzen Wege habe sagen hören:
»»Man ist im Begriff, das Lösegeld für den Connetable zu bezahlen, doch die Engländer fürchten ihn zu sehr, um ihn ziehen zu lassen.««
»Wahrhaftiger Gott! man sagt das?« murmelte der Prinz.
»Ueberall, Hoheit.«
«Ihr seht, daß man sich täuscht, da es dem Connetable frei steht, abzuziehen . . . Nicht wahr, Connetable?«
»Es ist wahr, hoher Herr,« antwortete Bertrand, den eine unerklärliche, seltsame Unruhe seit einigen Augenblicken bewegte.
»Da aber,« sagte der Gouverneur, »da der Connetable über die für seine Loskaufung bestimmte Summe verfügt hat, so müßte man warten, bis eine ähnliche Summe ankäme . . .«
Der Prinz blieb einen Augenblick träumerisch.
»Nein,« sagte er endlich, »der Connetable wird nicht warten. Ich bestimme sein Lösegeld auf hundert Livres.«
Ein Gemurmel der Bewunderung durchlief die Versammlung.
Bertrand wollte sich sträuben, doch der unbekannte Ritter stellte sich zwischen ihn und den Prinzen, hielt seine Hand zurück und sprach:
»Frankreich kann, Gott sei Dank l für seinen Connetable zweimal bezahlen; Duguesclin soll Niemand verpflichtet sein: hier in dieser Rolle sind Wechsel auf den Lombarden Agosti in Bordeaux: sie belaufen sich auf achtzigtausend Gulden, zahlbar nach Sicht: ich gehe, um die Summe zu erheben, welche binnen zwei Stunden hier sein wird.«
»Und ich.« rief der Prinz zornig, »ich erkläre Euch, daß der Connetable dieses Schloß gegen Bezahlung von hundert Livres verläßt, oder daß er es gar nicht verläßt! Wenn Messire Bertrand sich dadurch, daß ich sein Freund bin, beleidigt fühlt, so sage er es! Ich erinnere mich übrigens, daß er mir eines Tags erklärte, ich sei ein ebenso guter Ritter als er.«
»Oh! hoher Herr,« rief der Connetable, vor dem Prinzen von Wales niederknieend, »ich nehme Euer Anerbieten so dankbar an, daß ich, um die hundert Limes zu bezahlen, von den Kapitänen entlehne.«
Chandos und die anderen Officiere beeilten sich, ihm ihre Börsen zu reichen, aus denen er die hundert Livres nahm, die er dem Prinzen brachte; dieser umarmte ihn und sprach:
»Ihr seid frei, Messire Bertrand. Man öffne die Thüren! und man sage nicht, der Prinz von Wales fürchte irgend Jemand auf dieser Welt.«
Der bestürzte Gouverneur ließ sich diesen Befehl wiederholen; der Unglückliche hatte so schlecht gespielt, daß er statt eines Gefangenen ein ganzes Heer nebst dem Feldherrn verlor.
Während der Prinz seine Officiere und Laval selbst über den geheimnißvollen Urheber dieses Staatsstreichs befragte, näherte sich der Unbekannte Duguesclin und sagte mit leiser Stimme zu ihm:
»Eine falsche Großmuth hielt Euch in Gefangenschaft, eine falsche Großmuth entzieht Euch derselben; Ihr seid nun frei; auf Wiedersehen in vierzehn Tagen vor Toledo.«
Und er verbeugte sich tief vor dem Prinzen von Wales, ließ Bertrand ganz erstaunt zurück und verschwand.
Eine Stunde nachher durchzog der Connetable frei und freudig die Stadt im Triumph mit seinen Bretagnern, welche ihren Jubel bis zum Himmel erhoben.
Eine einzige Person vielleicht schloß sich dem Zug nicht an, der Duguesclin in seiner Huldigung folgte.
Dies war einer von den Officieren des Prinzen von Wales, einer von den Anführern der großen Compagnien, welche man Kapitäne nannte und die Stimme im Rathe hatten, obgleich ihre Ansicht nicht zählte.
Es war dies mit einem Wort ein Bekannter von uns, mit beständig geschlossenem Visir, der, als er mit Chandos in das Zimmer von Bertrand eintrat, die Stimme des unbekannten Ritters hörte und so gewaltig davon gerührt war, daß er ihn nicht einen Moment mehr aus dem Blicke verlor.
Kaum war der Ritter verschwunden, als dieser Kapitän einige von seinen Leuten sammelte, sie zu Pferde steigen ließ, um die Spur des Flüchtigen zu entdecken, und selbst, nachdem er Erkundigungen eingezogen, auf dem Weg nach Spanien forteilte.
Zweiundsechzigstes Kapitel.
Die Politik von Musaron
Durch die unvertilgbare Angst des Liebenden, der keine Nachricht hat, angetrieben, rückte Agenor mit raschen Schritten in den Staaten von Don Pedro vor.
Auf dem Wege schloßen sich ihm in Folge eines gewissen Rufes, den ihm seine Reise nach Frankreich erworben, die Bretagner an, welche, nachdem die Auslösung geschehen, Duguesclin aufsuchen und mit ihm kämpfen wollten.
Er traf auch eine große Anzahl spanischer Ritter, welche nach dem von Enrique von Transtamare bestimmten Sammelplatz zogen, denn dieser sollte nach Spanien zurückkehren und knüpfte, wie man sagte, eine Verbindung mit dem Prinzen von Wales an, der mit Don Pedro unzufrieden war.
So oft er in einer Stadt oder in einem Flecken von einiger Bedeutung Nachtlager hielt, erkundigte er sich nach Hafiz und Gildaz, sowie nach Maria Podilla, fragte, ob man nicht einen Eilboten, der einen Franzosen gesucht, oder eine junge, schöne Maurin, gefolgt von zwei Dienern und nach der Grenze von Frankreich reisend, gesehen.
So oft eine verneinende Antwort an sein Ohr traf, stieß der junge Mann mit vermehrter Heftigkeit seine Sporen seinem Pferd in den Bauch.
Dann sprach Musaron mit seinem philosophischen Tone:
»Herr, das ist eine junge Frau, die Ihr lieben müßt, denn sie kostet uns viele Mühe.«
Durch rasches Marschiren legte Agenor viel Raum zurück, durch häufiges Erkundigen erhielt er Auskunft.
Zwanzig Meilen trennten ihn noch vom Hof von Burgos.
Er wußte, daß eine sehr ergebene, sehr an den Krieg gewöhnte, sehr frische und folglich für Don Pedro sehr gefährliche Armee nur auf ein Zeichen wartete, um sich zu verbinden, und dem Sieger von Navarrete einen neuen, noch beißenderen, noch giftigeren Kopf einer Hydra entgegenzustellen.
Agenor fragte sich und fragte Musaron, ob es nicht ersprießlicher wäre, ehe man irgend eine politische Unterhandlung fortsetzte, Liebesunterhandlungen mit Maria Padilla anzuknüpfen.
Musaron gestand, die Diplomatie sei gut, doch wenn man Don Pedro, Maria, Mothril und Spanien nehme, würde man auch Burgos nehmen, in welchem Burgos man unfehlbar Dona Aissa nehmen müßte, wenn sie noch dort wäre.
Dies tröstete Agenor ungemein, und er legte noch einige Meilen zurück.
So verengte sich allmälig der Kreis, der Don Pedro ersticken sollte, den das Gluck blendete, den die Intriguen seiner Günstlinge mit Nichtswürdigkeiten beschäftigten, während es sich um seine Krone handelte.
Musaron, der Eigensinnigste der Menschen, besonders seitdem er reich war, duldete nicht, daß sich sein Herr nur ein einziges Mal gen Burgos wagte, um sich dort einzuschließen und mit Dona Maria zu besprechen. Er benutzte im Gegentheil die Niedergeschlagenheit und Gleichgültigkeit des Verliebten, um ihn unter den Bretagnern und den Parteigängern von Transtamare zurückzuhalten, so daß der junge Ritter sich bald zum Anführer einer beträchtlichen Partei sowohl durch den Glanz seiner Sendung nach Frankreich, als durch die Beharrlichkeit, mit der er das Element des Krieges nährte, emporschwang.
Er empfing die Ankömmlinge, hielt offene Tafel, und stand im Briefwechsel mit dem Connetable und seinem Bruder Olivier, der sich anschickte, mit fünftausend Bretagnern die Grenze zu überschreiten, um seinem Bruder beizustehen und ihm die erste Schlacht gewinnen zu helfen.
Musaron wurde Taktiker: er brachte ganze Tage damit hin, daß er Schlachtpläne zeichnete und die Zahl der Thaler berechnete, welche Caverley seit seinem letzten Treffen aufgehäuft haben könnte, damit ihm die Befriedigung zu Theil würde, sich nicht zu täuschen, wenn man zum ersten Mal ihn schlüge.
Unter diesen Kriegsrüstungen traf eine wichtige Nachricht bei Agenor ein: trotz der Wachsamkeit von Musaron, meldete ein gewandter Emissär Agenor die Abreise von Don Pedro nach einem Lustschloß und das mit der Reise des Königs zusammentreffende Verschwinden von Aissa und Maria.
Derselbe Eilbote wußte, daß Gildaz auf dem Wege umgekommen, und daß Hafiz allein wieder bei Dona Maria erschienen war.
Um so viele Dinge und so gute Dinge zu erfahren,, brauchte Agenor nur dreißig Thaler einem Bauern aus der Gegend zu geben, der sich mit der Amme von Maria, der Mutter des armen Gildaz, besprach.
Als Agenor wußte, woran er sich zu halten hatte, warf er sich, trotz Musaron, trotz seiner Waffengefährten, auf das beste von seinen Pferden und schlug den Weg nach dem Schlosse ein, das Don Pedro zum Aufenthalt gewählt hatte.
Musaron fluchte und tobte, doch er brach ebenfalls nach diesem Schlosse auf.
Dreiundsechzigstes Kapitel.
Wie das Verbrechen von Mothril einen glücklichen Erfolg hatte
Im Schlosse von Don Pedro verbreitete sich die Trauer furchtbarer und geräuschvoller, als der Tag das Gemach von Dona Maria beleuchtet hatte.
Don Pedro hatte nicht schlafen können, und seine Diener behaupteten, sie haben ihn weinen hören.
Mothril hatte die Nacht auf eine für seine Interessen vortheilhaftere Weise hingebracht. Als er mit Aissa allein war, behandelte er sie mit einem Aufwand der zartesten Fürsorge und mit der Geschicklichkeit des erfahrensten Arztes, und schon am Anfang seiner Unterredung mit ihr formte er wie weiches Wachs den noch schwebenden Geist des Mädchens.
Da Aissa, als sie den Leichnam von Dona Maria erblickte, laut aufschrie, so stellte sich Mothril, als erfaßte ihn ein unwillkührlicher Schauer, und er warf rasch einen Mantel auf die leblosen Ueberreste der Geliebten des Königs.
Dann, als ihn Aissa erschrocken anschaute, sagte Mothril:
»Armes Kind, danke Gott, der Dich gerettet hat!«
»Mich gerettet?« fragte das Mädchen.
»Von einem gräßlichen Tod, ja, liebes Kind.«
»Wer hat mich denn geschlagen?. . .«
»Diejenige, welche noch Deinen Dolch in der Hand hält.«
»Dona Maria! sie, die so gut, so edelmüthig war! unmöglich.«
Mothril lächelte mit jenem verächtlichen Mitleid, das immer Eindruck auf die Geister macht, welche von irgend einem großen Interesse erfüllt sind.
»Die Geliebte des Königs edelmüthig und gut gegen Aissa, die der König anbetet!. . . Du glaubst das nicht, meine Tochter?«
»Aber sie wollte mich entfernen?« versetzte Aissa.
»Nicht wahr, um Dich mit jenem französischen Ritter zu vereinigen?« fragte Mothril mit seinem ruhigen, wohlwollenden Ton.
Aissa erhob sich ganz bleich, als sie so das Geheimniß ihrer Liebe in den Händen eines Mannes sah, der am meisten bei Bekämpfung derselben interessirt war.
»Sei unbesorgt,« fuhr der Maure fort, »was Maria wegen der Eifersucht und der Liebe des Königs nicht thun konnte, werde ich thun. Aissa, Du liebst, sagst Du; wohl! ich verspreche Dir, Dich hierin zu unterstützen; wenn nur die Tochter meiner Königin lebt und glücklich lebt, so wünsche ich nichts mehr auf Erden,«
Wie versteinert, daß sie Mothril so sprechen hörte, schaute diesen Aissa unabläßig mit Augen an, die noch vom Todesschlaf müde waren.
»Er hintergeht mich,« sagte sie zu sich selbst.
Dann an den Leichnam von Dona Maria denkend, wiederholte sie ganz verwirrt:
»Dona Maria ist todt!«
»Höre die Ursache, meine liebe Tochter; der König liebt Dich leidenschaftlich, und er hat es gestern Dona Maria erklärt. . . Diese ist trunken vor Wuth und Eifersucht in ihre Wohnung zurückgekehrt. Don Pedro beabsichtigte, sich mit Dir durch die Bande der Heirath zu vereinigen, was immer das ehrgeizige Streben von Dona Maria gewesen war. . . Da verzichtete sie auf das Leben und leerte ihren Ring in die silberne Schale, und um Dich nicht triumphirend und als Königin zurückzulassen, um sich zugleich an Don Pedro und an mir zu rächen, die wir Dich Beide, obwohl unter verschiedenen Titeln, so sehr lieben, nahm sie Deinen Dolch und stieß ihn Dir in den Leib.«
»Das muß während meines Schlafes geschehen sein, denn ich kann mich durchaus nicht erinnern; eine Wolke bedeckte mein Gesicht, ich hörte etwas wie dumpfe Schläge und ein unterdrücktes Röcheln. . . Ich glaube, ich stand auf, fühlte Hände auf den meinigen, und alsbald die zerfleischende Kälte des Stahls.«
»Das war die letzte Anstrengung Deiner Feindin, welche neben Dir niederfiel: nur war das Gift stärker für sie, als der Dolch für Dich. . . Ich fand in Dir einen Lebensfunken, ich sachte ihn an, und hatte das Glück, Dich zu retten.«
»Oh! Maria, Maria,« murmelte das Mädchen, »Du warst doch so gut!«
»Du sagst das, weil sie Deine Liebe für Agenor von Mauléon begünstigt hat, meine Tochter,« erwiderte Mothril ganz leise und mit einem Wohlwollen, das zu absichtlich war, um nicht eine dumpfe Wuth zu verbergen; Du sagst das, weil sie ihn in Deine Wohnung in Soria gelangen ließ. . .«
»Ihr wißt es?. . .«
»Ich weiß Alles. . . Der König weiß es auch. Maria hat Dich bei Don Pedro entehrt, ehe sie Dich zu ermorden suchte. Doch sie befürchtete, die Verleumdung könnte an der Seele des Königs abgleiten, und er könnte Dir verzeihen, daß Du einem Andern gehört habest; man ist nachsichtig, wenn man liebt!. . . sie wandte auch den Stahl an, um Dich von der Welt der Lebendigen zu trennen.«
»»Der König weiß, daß Agenor?. . .«
»Der König ist wahnsinnig vor Zorn und Liebe. . . Der König, der schon Hafiz bestochen hatte, um Dich in's Schloß zu locken, während ich durchaus nichts wußte, der König, sage ich, wartet nur auf Deine Wiedergenesung, um Dich abermals an sich zu locken. . . Das ist entschuldbar, er liebt Dich.«
»Ich werde diesmal sterben,« sprach Aissa, »denn meine Hand wird nicht zittern, wird nicht an meinem Busen abgleiten, wie es die von Maria Padilla gethan hat.«
»Du sterben! Du, mein Idol! Du, mein angebetetes Kind!« rief der Maure, niederknieend. »Nein, Du wirst leben, sage ich Dir, Du wirst glücklich und meinen Namen auf ewig segnend leben!«
»Ohne Agenor werde ich nicht leben.«
»Er hat eine andere Religion als Du, meine Tochter.«
»Ich werde seine Religion annehmen.«
»Er haßt mich.«
»Er wird Euch verzeihen, wenn er Euch nicht mehr zwischen ihm und mir sieht. Was ist übrigens mir daran gelegen? . . . Ich liebe und kenne auf der ganzen Welt nur den Gegenstand meiner Liebe.«
»Nicht einmal denjenigen, welcher Dich für Deinen Geliebten gerettet hat?« sagte Mothril demüthig mit einem geheuchelten Schmerz, der das Herz des Mädchens tief rührte. »Du opferst mich auf, während ich mich der Gefahr, für Dich zu sterben, preisgebe!«
»Wie so?«
»Gewiß, Aissa, Du willst mit Don Agenor leben, und ich werde Dich dabei unterstützen.«
»Ihr!«
»Ich,Mothril; ja, Aissa.«
»Ihr hintergeht mich.«
»Warum?«
»Beweist mir Eure Aufrichtigkeit.«
»Das ist leicht. . . Du fürchtest den König; wohl! ich werde es verhindern, daß Du den König siehst. Stellt Dich das zufrieden?«
»Nicht ganz.«
»Ich begreife. . . Du wünschest den Franzosen wiederzusehen.«
»Vor Allem.«
»Warten wir, bis Du im Stande bist, die Reise zu ertragen, und ich führe Dich zu ihm und übergebe ihm mein Leben.«
»Maria wollte mich auch zu ihm führen.«
»Allerdings, sie hatte ein Interesse, sich Deiner zu entledigen, und sie hätte sich gern einen Mord erspart. . . Es ist an dem Tag, wo man vor dem Gericht Gottes erscheint, der Mord eine schwere Last.«
Als Mothril diese furchtbaren Worte sprach, ließ er auf einen Augenblick auf seinem bleichen Gesicht jenes Leiden der Verdammten sehen, welche keine Rast und keine Hoffnung bei ihren Qualen mehr haben.
»Nun! was werdet Ihr thun?« fragte Aissa.
»Ich werde Dich verbergen, bis Du geheilt bist, dann vereinige ich Dich, wie ich Dir gesagt habe, mit dem edlen Herrn von Mauléon.«
»Das ist Alles, was ich verlange, und wenn Ihr dies thut, werdet Ihr in der That ein göttliches Wesen für mich. Aber! der König. . .«
»Oh! er würde sich mit allen seinen Kräften widersetzen, wenn er unser Vorhaben erführe, . . Mein Tod wäre das beste Mittel. . . sobald ich gestorben, würdest Du ihm gehören, Aissa.«
»Oder ich wäre genöthigt zu sterben.«
»Willst Du lieber sterben, als für den Franzosen leben?«
»Nein. . . oh nein! sprecht! sprecht!«
»Liebes Kind, sollte Dich zufällig Don Pedro sehen, mit Dir sprechen, Dich über Mauléon von Agenor befragen, so mußt Du kühn behaupten, Maria habe gelogen, als sie versichert, Du liebest diesen Franzosen, und besonders, daß Du ihm den Besitz Deiner Liebe gegeben. . . Auf diese Art wird der König dem Franzosen nicht mehr mißtrauen, er wird unser Benehmen nicht mehr überwachen, er wird uns frei und glücklich machen. . . Du mußt auch, mein Kind, das ist die Hauptsache, Deine Erinnerungen zurückrufen und sagen, Du findest darin, Dona Maria habe mit Dir gesprochen, ehe sie Dich geschlagen, sie habe Dich überreden wollen, dem König Deine Schande zu gestehen. . . Du habest Dich dessen geweigert, und dann erst seist Du vom Dolch getroffen worden.«
»Ich erinnere mich nicht!« rief Aissa von Furcht erfüllt, wie es jeder redliche, einfache Geist bei der Auseinandersetzung dieser höllischen Theorie von Mothril gewesen wäre; »ich will mich nicht erinnern. Ich will auch nicht meine Liebe für Mauléon verleugnen. Diese Liebe ist mein Licht und meine Religion! sein Name ist der Stern, der mich im Leben leitet!. . . Stolz, ihm anzugehören, bin ich so weit entfernt, ihn zu verheimlichen, daß ich ihn gern vor allen Königen der Erde laut ausrufen möchte; zählt nicht auf mich für diese Lüge. Spricht Don Pedro mit mir, so werde ich antworten.«
Mothril erbleichte. Dieses letzte, dieses schwache Hinderniß vernichtete das Resultat eines Mordes; das einfache Widerstreben eines Kindes band an Händen und Füßen den starken Mann, der eine Welt in seinem Gange fortgerissen hätte.
Der Maure begriff, daß er nicht auf seinem Willen bestehen durfte. Er hatte die Arbeit von Sisyphus gethan. . . er hatte den Felsen bis zum Gipfel des Berges gewälzt; aber der Felsen stürzte abermals herab.
Mothril hatte weder Zeit, noch Kräfte, um wieder anzufangen.
»Meine Tochter,« sagte er, »Du wirst handeln, wie es Dir beliebt. Dein Interesse, von Dir gedeutet nach Deinem Herzen, nach Deiner Laune, ist mein einziges Gesetz. Du willst das. . . ich will es. . . Antworte also dem König nur, was Du willst. . . Ich weiß wohl, daß Dein Geständniß meinen Kopf fallen machen wird, denn ich mußte immer Deine Unschuld, Deine Reinheit behaupten, ich habe nie eingewilligt, einen Verdacht über Dir schweben zu lassen; mein Kopf bezahle Deinen Fehler, das heißt Dein Glück,. . Allah will es. . . sein Wille geschehe!«
»Ich kann nicht lügen,« sprach Aissa. »Warum gestattet Ihr aber, daß der König mich spricht? Entfernt ihn. . . Das ist leicht; könnt Ihr mich nickt an einen einsamen Ort bringen, mich mit einem Worte verbergen?. . . Sind meine Gesundheit, meine Wunde nicht genügende Vorwände? Hierbei unterstütze ich Euch genug durch meine Lage. Lügen, oh! nie! Agenor verleugnen, nie!«
Mothril suchte vergebens die Freude zu verbergen, welche die Worte von Aissa in seine Seele brachten. . . Mit Aissa abreisen, sie auf einige Zeit den Fragen von Don Pedro entziehen, so den Zorn, den Haß, das Beklagen. . . die Erinnerung an Maria schwächen . . einen Monat gewinnen, hieß Alles gewinnen. . . Diese Aussicht auf Rettung bot ihm Aissa selbst. . . Mothril griff glühend darnach.
»Du willst es, meine Tochter, und wir werden reisen,« sagte er. »Hast Du einen Widerwillen gegen das Schloß Montiel, zu dessen Gouverneur mich der König ernannt hat?«
»Mir ist nur die Gegenwart von Don Pedro zuwider, und ich gehe, wohin Ihr wollt.«
Mothril küßte Aissa die Hand und das Kleid, und trug sie sachte bis in das anstoßende Zimmer . . . Er ließ den Leichnam von Maria wegnehmen rief zwei Frauen seiner Nation, auf deren Treue er sich verlassen konnte, als Wärterinnen zu dem verwundeten Mädchen und befahl ihnen bei ihrem Leben, nicht mit Aissa zu sprechen und es nicht zu dulden, daß irgend Jemand das Wort an sie richte.
Als alle Dinge so geordnet waren, begab er sich zum König, nachdem er zuvor seinem Geist und seinem Gesicht eine Haltung den Umständen gemäß gegeben hatte.
Don Pedro hatte verschiedene Briefe aus der Stadt erhalten. Man meldete ihm, Abgesandte von Bretagne und England seien in der Gegend erschienen. . . Kriegsgerüchte seien im Umlauf, der Prinz von Wales schließe um die neue Hauptstadt seinen ehernen Cordon, um durch den Druck eines unbesiegbaren Heeres seinen Schützling von Navarrete zu zwingen, die Kriegskosten zu bezahlen.
Diese Nachrichten betrübten Don Pedro, schlugen ihn aber nicht nieder. Er schickte einen Diener ab, um Mothril zu holen, welcher in das königliche Zimmer in dem Augenblick eintrat, wo sich der Wunsch des Königs kundgab.
»Aissa?« fragte Don Pedro voll Bangigkeit.
»Hoheit, ihre Wunde ist gefährlich, tief; wir werden dieses Opfer nicht retten.«
»Abermals ein Unglück!. . .« rief Don Pedro.
»Oh! das wäre zu viel auf einmal . . . Dona Maria verlieren, die mich so sehr liebte, Aissa verlieren, die ich bis zum Wahnsinn liebe, einen erbitterten, und versöhnlichen Krieg wiederbeginnen, das ist zu viel, Mothril, zu viel für das Herz eines einzigen Menschen.«
Nach diesen Worten zeigte Pedro dem Minister die Meldungen, die er vom Gouverneur von Burgos und von den benachbarten Städten erhalten hatte.
»Mein König,« sprach Mothril, »Ihr müßt für einen Augenblick die Liebe vergessen und Tuch für den Krieg vorbereiten.«
»Der Schatz ist leer.«
»Eine Steuer wird ihn füllen . . . unterzeichnet den Befehl, die Steuer zu erheben, die ich Euch vorgeschlagen habe.«
»Ich werde es wohl thun müssen . . Kann ich Aissa sehen? . . .«
»Aissa hängt wie eine Blume über dem Abhang. Ein Hauch kann sie in den Tod werfen.«
»Hat sie gesprochen?«
»Ja, hoher Herr.«
»Was hat sie gesagt?«
»Einige Worte, welche Alles erklären. Es scheint, Dona Maria wollte sie zwingen, sich durch ein Geständniß zu entehren, um sie in Eurer Achtung zu verderben. Das muthige Kind weigerte sich, und Dona Maria hat Aissa niedergestoßen.«
»Aissa hat dies gesagt?«
»Sie wird es wiederholen, sobald ihre Kräfte wiederhergestellt sind. Doch ich befürchte, man wird ihre Stimme nie mehr auf der Welt hören.«