Kitabı oku: «Der Bastard von Mauléon», sayfa 39
»Mein Gott!« rief der König.
»Ein einziges Mittel kann sie retten . . . Eine Ueberlieferung meines Landes verheißt das Leben dem Verwundeten, der in der Nacht, bei den Dünsten des Neumonds, mit seiner Wunde ein gewisses Zauberkraut berührt.«
»Dieses Kraut muß man sich verschaffen,« sprach der König mit der Wuth des Aberglaubens und der Liebe.
»Es findet sich nicht in diesem Land, mein König . . . ich habe es nur in Montiel gesehen.«
»In Montiel . . . Schicke »ach Montiel, Mothril.«
»Ich sagte Euch, hoher Herr, die Wunde müßte dieses Kraut noch auf seinem Stängel berühren . . . Oh! das ist ein unfehlbares Mittel! Ich würde Aissa wohl nach Montiel bringen, aber wird sie auch die Reise aushalten können?«
Don Pedro antwortete:
»Man wird sie so sanft tragen, als sich der Vogel selbst trägt, wenn er auf dem Schwunge seiner Flügel durch die Luft gleitet. . . Sie reise, Mothril, sie reise! aber Du bleibe bei mir.«
»Nur ich, hoher Herr, kann die Zauberformel während der Operation sprechen.«
»Ich soll also allein bleiben?«
»Nein, Hoheit, denn ist Aissa geheilt, so kommt Ihr nach Montiel und verlaßt sie nicht mehr.«
»Ja, Mothril, ja. Du hast Recht. . . ich werde sie nickt mehr verlassen, und so werde ich glücklich sein. . . Doch was macht man mit dem Leichnam von Dona Maria? Ich hoffe, es werden ihm die größten Ehren erwiesen werden?«
»Hoheit, ich habe sagen hören, bei Eurer Religion werde dem Leichnam des Selbstmörders das Begräbniß verweigert; die Kirche darf also nichts von dem Selbstmord von Dona Maria erfahren.«
»Niemand darf etwas davon erfahren, Mothril.«
»Aber Eure Diener?«
»Ich werde vor dem versammelten Hofe sagen, Dona Maria sei am Fieber gestorben, und wenn ich so gesprochen habe, wird Niemand die Stimme erheben.«
»Blinder! Blinder! Narr!« dachte Mothril.
»Du wirst also mit Aissa abreisen, Mothril?« fragte Don Pedro.
»Noch heute.«
»Ich werde für das Leichenbegängniß von Dona Maria Sorge tragen, das Edict unterzeichnen, einen Aufruf an mein Heer, an meinen Adel ergehen lassen . . . den Sturm beschwören.«
»Und ich werde mich in Sicherheit bringen!« dachte Mothril.
Sechsundsechzigstes Kapitel.
Wie Agenor erfuhr, daß er zu spät gekommen war
Agenor ließ die Soldaten, die Officiere, die Liebhaber des Kriegs sich in Entwürfen, Plänen, Strategien verlieren, und verfolgte sein Ziel, welches darin bestand, daß er Aissa, sein theuerstes Gut, wieder auffinden wollte.
Die Liebe fing an bei ihm die Oberhand über den Ehrgeiz, sogar über die Pflicht zu gewinnen; denn ungeduldig, nach Spanien zu gelangen, um Nachricht von Aissa zu erhalten, hatte es der junge Mann, wie wir gesehen, zugegeben, daß die Abgesandten des Königs von Frankreich und der Graf von Laval nach Bordeaux gingen, um das Lösegeld zu bezahlen, das der Connetable selbst in einem Augenblick heidenmäßigen Stolzes bestimmt hatte.
Da dieses Blatt in unserer Geschichte fehlen würde, insofern es in der von Agenor fehlt, wenn wir es nicht durch die Geschichte selbst ersetzten, so sind wir genöthigt, mit zwei Worten zu sagen, daß die Guienne vor Schmerz an dem Tag zitterte, wo der Prinz von Wales, großmüthig wie immer, seinen mit dem Golde von ganz Frankreich losgekauften Gefangenen aus Bordeaux entließ.
Wir fügen bei, daß Bertrand vor Allem darauf bedacht war, nach Paris zu eilen, um dem König zu danken. Das Uebrige wird man erfahren, wenn man es nicht schon weiß. Wir sind fortan, was den Connetable betrifft, freimüthige und unparteiische Geschichtsschreiber.
Agenor und sein getreuer Musaron ritten in großen Tagemärschen nach dem Schlosse, wo Don Pedro Aissa zu besitzen gehofft hatte.
Agenor ahnete, daß keine Zeit zu verlieren war. Er kannte Don Pedro und Mothril zu genau, um sich an Hoffnungen zu ergötzen.
»Wer weiß,« sagte er zu sich selbst, »wer weiß, ob nicht Maria Padilla selbst aus Schwäche, aus Furcht einen Vergleich mit ihrer Würde getroffen hat, ob sie nicht dachte, ein Bündniß mit dem Mauren Mothril sei der Möglichkeit eines Bruches mit Don Pedro vorzuziehen, und ob die Favoritin nicht, die Rolle einer rachsüchtigen Gattin spielend, die Augen für eine Laune ihres königlichen Liebhabers schließt?«
Diese Gedanken machten das stürmische Blut von Agenor kochen. Er urtheilte nur noch wie ein Verliebter, das heißt, er urtheilte ganz unvernünftig mit allem. Anschein eines gesunden Verstandes.
Er gab unter Weges gewaltige Lanzenhiebe, welche theilweise auf das Maulthier von Musaron, theilweise auf den Rückgrath des guten Knappen fielen; doch das Resultat war dasselbe: durch den Schlag erschüttert, erschütterte Musaron sein Maulthier.
Man machte den Weg unter Reden, aus denen wir das Wesentliche ausziehen wollen, um den Leser zu ergötzen und zu belehren.
»Siehst Du, Musaron,« sagte Agenor, »wenn ich nur eine Stunde mit Dona Maria gesprochen werde ich die ganze Gegenwart kennen und wissen, woran ich mich in Beziehung auf die Zukunft zu halten habe.«
»Aber, gnädiger Herr, Ihr werdet gar nichts erfahren und am Ende in die Hände dieses maurischen Schuftes fallen, der Euch belauert, wie die Spinne ihre Fliege.«
»Du wiederholst immer dasselbe, Musaron; hat ein Saracene den Werth eines Christen?«
»Ein Saracene, wenn er die Dinge im Kopf hat, ist drei Christen werth. Das ist gerade als ob Ihr sagen würdet: »»Hat eine Frau den Werth eines Mannes?«« Und man fleht doch alle Tage Männer, welche von Frauen unterjocht und geschlagen werden. Wißt Ihr warum, gnädiger Herr? Weil die Frauen immer an das denken, was sie thun wollen, während die Männer beinahe nie das thun, woran sie denken sollen.«
»Was schließst Du hieraus?«
»Daß Dona Maria durch irgend eine Intrigue des Saracenen verhindert worden ist, Euch Aissa zu schicken.«
»Hernach?«
»Hernach . . . daß Mothril, der es zu verhindern wußte, daß man Euch Eure Geliebte schickte. Euch an Leib und Seele gut bewaffnet erwartet, daß er Euch im Garne fangen wird, wie man es mit den Lerchen im grünen Felde macht, daß er Euch tödtet, und daß Ihr Aissa nicht bekommen werdet.«
Agenor antwortete nur durch einen Schrei der Wuth und gab seinem Pferd die Sporen.
Er kam so vor das Schloß, dessen Anblick ihn schmerzlich berührte. Die Oertlichkeiten sind beredt, sie sprechen eine für auserkohrene Seelen verständliche Sprache.
Agenor betrachtete bei den ersten Strahlen des Mondes das Gebäude, das seine ganze Liebe, sein ganzes Leben enthielt. Während er es betrachtete, ging in seinem geheimnißvollen, undurchdringlichen Innern, der gräßliche Mord, der Triumph von Mothril in Erfüllung.
Müde, so viel geritten zu sein, so wenig erfahren zu haben, sicher, sich fortan dem, was er suchte, gegenüber zu befinden, erreichte Agenor, nachdem er lange Stunden die Mauern angeschaut hatte, gefolgt von Musaron, ein jenseits des Gebirges liegendes Dörfchen.
Hier wohnten, wie wir wissen, einige Ziegenhirten: Agenor ersuchte sie um eine Lagerstätte, die er großmüthig bezahlte. Es gelang ihm, sich ein Pergament und Tinte zu verschaffen, und er ließ durch Musaron einen Brief an Dona Maria schreiben, einen Brief voll liebevollen Beklagens, voll von Dankbarkeit, aber auch voll von Unruhe und Mißtrauen, ausgedrückt mit allem Zartgefühl eines französischen Geistes.
Um des günstigen Erfolges seiner Botschaft sicherer zu sein, hätte Agenor gern Musaron damit beauftragt; doch dieser bemerkte ihm, da ihn Mothril kenne, so laufe er viel mehr Gefahr, als ein einfacher Abgesandter, den man aus den Hirten des Gebirges wähle, Agenor fügte sich in diesen Grund und schickte einen Hirten zu Verstellung des Briefes ab.
Er selbst legte sich auf Lämmerfelle neben Musaron nieder und wartete. Doch der Schlaf der Verliebten ist wie der der Narren, der Ehrgeizigen und der Diebe, er unterbricht sich leicht.
Zwei Stunden, nachdem er sich niedergelegt, war Agenor wieder auf den Beinen und spähte von dem Abhang des Hügels, von wo aus man ganz klar, obgleich von einer großen Entfernung, das Thor des Schlosses sah, auf die Rückkehr seines Boten.
Man vernehme, was der Brief enthielt.
»Edle, so großmüthige, den Interessen zweier Liebender so ergebene Dame, ich bin nach Spanien zurückgekehrt, wie der Hund, der seine Kette schleppt. Von Euch, von Aissa keine Nachricht mehr; ich bitte, unterrichtet mich. Ich bin im Dorfe Quebra, wohin mir Eure Antwort den Tod oder das Leben bringt. Was ist geschehen? Was darf ich hoffen, oder was muß ich befürchten?«
Der Hirte kam nicht zurück. Plötzlich öffneten sich die Thore des Schlosses, Agenor fühlte sein Herz pochen; aber es war nicht der Ziegenhirte, was herauskam.
Eine lange Reihe von Soldaten, von Frauen und Höflingen erschien, ohne daß man wußte, woher diese kamen, denn der König hatte sich nur mit kleiner Begleitung nach dieser Residenz begeben, mit einem Wort, ein langer Zug folgte einer Sänfte, die einen Todten trug.
Dies ließ sich an den Trauertüchern erkennen, welche die Sänfte umschloßen.
Agenor sagte sich, es sei dies ein unheilvolles Vorzeichen. Kaum hatte er diesen Gedanken vollendet, als sich die Thore wieder schloßen.
»Das sind seltsame Zögerungen,« sagte er zu Musaron, der als Zeichen der Unzufriedenheit den Kopf schüttelte, »Gehe und erkundige Dich.«
Und er setzte sich auf den Abhang des Hügels, unter staubbedecktes Heidekraut.
Es war keine Viertelstunde verlaufen, als Musaron zurückkehrte und einen Soldaten mit sich brachte, der sich, wie es schien, viel bitten ließ, um zu kommen.
»Ich sage Dir,« rief Musaron, »mein Herr wird bezahlen, und freigebig bezahlen.«
»Was wird er bezahlen?« fragte Agenor.
»Die Neuigkeit. . .«
»Welche Neuigkeit?«
»Gnädiger Herr, dieser Soldat gehört zu dem Geleite, das den Leichnam nach Burgos führt.«
»Um Gotteswillen, welchen Leichnam?«
»Ah! Eure Gnaden, ah! mein lieber Herr, einem Andern als mir hättet Ihr nicht geglaubt, doch ihm werdet Ihr vielleicht glauben: der Leichnam, den man nach Burgos führt, ist der von Dona Maria Padilla.«
Agenor stieß einen Schrei der Verzweiflung aus.
»Es ist wahr,« sagte der Soldat, »und ich habe Eile, wieder in meine Reihe im Geleite einzutreten.«
»Wehe! wehe!« rief Mauléon; »aber Mothril ist im Schloß?«
»Ah! gnädiger Herr, Mothril ist nach Montiel abgereist.«
»Abgereist! Er! mit seiner Sänfte?«
»Welche das sterbende Mädchen enthält, ja, gnädiger Herr.«
»Das Mädchen, Aissa! sterbend! Ah! Musaron, ich bin todt,« seufzte der unglückliche Ritter, indem er auf den Boden niederfiel, als ob er wirklich todt wäre, was den guten Knappen, der wenig an Ohnmachten von Seiten seines Herrn gewöhnt war, ungemein erschreckte.
»Herr Ritter,« sagte der Soldat, »das ist Alles, was ich weiß, und ich weiß das nur zufällig. Ich habe heute Nacht das von einem Dolchstoß getroffene Mädchen und die vergiftete Senora Maria aufgehoben.«
»Oh! verfluchte Nacht, oh! Unglück, Unglück!« wiederholte der junge Mann halb wahnsinnig. »Hier, mein Freund, empfangt diese zehn Gulden, als ob Ihr mir nicht das Unglück meines Lebens verkündigt hättet.«
»Ich danke, Herr Ritter, und Gott befohlen,« sagte der Soldat und entfernte sich behenden Schrittes durch das Heidekraut.
Musaron hielt seine Hand über die Augen, befragte den Horizont und rief:
»Seht, dort, sehr fern, mein lieber Herr, seht jene Leute, welche mit einer Sänfte durch die Ebene ziehen! Seht Ihr zu Pferde mit seinem weißen Mantel den Saracenen, unsern Feind?«
»Musaron! Musaron!« sprach der Ritter, von der Wuth des Schmerzes wiederbelebt, »steigen wir zu Pferde, zerschmettern wir den Elenden, und wenn Aissa sterben soll, so will ich wenigstens ihren letzten Seufzer empfangen.«
Musaron erlaubte sich, die Hand auf die Schulter seines Herrn zu legen, und sprach:
»Man urtheilt nie richtig über ein zu neues Ereigniß. Wir sind zu zwei, sie sind zu zwölf; wir sind müde und sie sind frisch. Ueberdies gehen sie nach Montiel, wir wissen das, und werden sie in Montiel einholen. Seht, lieber Herr, vor Allem muß man die Geschichte, die uns der Soldat nicht zu erzählen im Stande war, gründlich kennen; man muß wissen, warum Dona Maria durch Gift gestorben, und warum Dona Alsso durch einen Dolchstoß verwundet worden ist.«
»Du hast Recht, mein getreuer Freund,« sagte Agenor, »mache aus mir, was Du willst.«
»Ich werde einen siegreichen und glücklichen Mann aus Euch machen, gnädiger Herr.«
Agenor schüttelte den Kopf voll Verzweiflung. Musaron wußte daß es kein anderes Mittel für diese Krankheit gab, als eine große körperliche und geistige Aufregung. Er führte seinen Herrn in das Lager zurück, wo schon die Transtamare getreuen Bretagner und Spanier sich minder verbargen und lauter ihre Pläne zugestanden, seitdem sie unbestimmt Nachricht von der Befreiung von Duguesclin erhalten hatten, und besonders seitdem sie von Tag zu Tag ihre Kräfte zunehmen sahen.
Fünfundsechzigstes Kapitel.
Die Pilger
Einige Stunden von Toledo, auf einem sandigen und von einem Walde verkrüppelter Fichten begrenzten Wege ritten Agenor und sein getreuer Knappe Musaron traurig in der Abenddämmerung: sie suchten eine V e n t a, wo sie ihre müden Glieder niederlegen und einen Hasen, den der Pfeil von Musaron im Lager getroffen, braten lassen könnten.
Plötzlich hörten sie hinter ihnen auf dem Sand eine hastige Bewegung: es war der Galopp eines raschen Maulthieres, das auf seinen kräftigen Flanken einen Pilger trug, dessen Kopf durch einen breitkrämpigen Hut und mehr noch durch einen an der Krämpe des Hutes befestigten Schleier bedeckt war.
Dieser Pilger gab dem Maulthier den Sporn und lenkte es wie ein Mensch, der die ganze Gewandtheit eines vollkommenen Reiters besitzt.
Von einer vortrefflichen Race, flog das Thier mehr als daß es lief auf dem Sande hin, und entfernte sich so rasch aus dem Blick unserer Reisenden, daß sie den Ton der Stimme, welche ihnen ein: Vayan ustedes, con Dios (geht mit Gott), zurief, nicht unterscheiden konnten.
Es waren nicht zehn Minuten vorüber, als Musaron ein anderes, dem ersten ähnliches Geräusch vernahm. Er wandte sich um und hatte nur Zeit, das Pferd seines Herrn und das seinige auf die Seite zu lenken, denn vier Reiter jagten wie Blitze heran.
Einer von ihnen, der Vorderste, der Anführer, trug ein Pilgerkleid ähnlich dem des ersten, den die Reisenden hatten vorüberreiten sehen.
Nur verbarg der kluge Pilger unter diesem Kleid eine Rüstung, sogar das Visir war auf seinem Gesicht befestigt, und trotz der Nacht bot dieses Rittergesicht einen seltsamen Anblick unter einem breitkrämpigen Hut.
Der Unbekannte roch gleichsam an unseren Reisenden, wie es ein Leithund gethan hätte! aber Agenor hatte vorsichtiger Weise sein Helmvisir niedergeschlagen und die Hand an das Schwert gelegt.
Musaron hielt sich im Vertheidigungsstand.
»Mein Herr,« sagte in schlechtem Spanisch eine hohle Stimme, welche wie aus einem Schlunde kam, »habt Ihr nicht einen Gefährten vor mir vorüberkommen sehen, einen Pilger, wie ich, der ein schwarzes Maulthier rasch wie der Wind ritt?«
Der Ton dieser Stimme berührte Agenor unangenehm wie eine verworrene Erinnerung, Doch es war seine Pflicht, zu antworten, er that dies höflich und erwiderte ebenfalls spanisch:
»Herr Pilger, oder Herr Ritter, die Person von der Ihr sprecht, ist vor ungefähr zehn Minuten vorübergekommen; sie reitet in der That ein Maulthier, das so schnell ist, daß ihm wenige Pferde in der Welt zu folgen vermöchten.«
Musaron glaubte zu bemerken, daß die Stimme von Agenor ein gewisses Erstaunen bei dem Pilger erregte; denn dieser rückte näher heran und sagte mit einem frechen Wesen:
»Diese Auskunft ist mir kostbarer, als Ihr denkt, Ritter; sie wird mir überdies auf eine so freundliche Weise gegeben, daß ich entzückt wäre, die Bekanntschaft desjenigen zu machen, der mir sie gibt . . . Ich bemerke an Eurem fremden Accent, daß wir Beide vom Norden kommen, und aus diesem Grund müssen wir vertrauter werden. Schlagt also, wenn es Euch beliebt, Euer Visir auf, damit ich die Ehre habe, Euch bei entblößtem Gesichte zu danken.«
»Entblößt Euch selbst, Herr Ritter,« entgegnete Mauléon, den diese Stimme und diese Worte immer unangenehmer berührten.
Der Pilger zögerte und wies am Ende die Aufforderung auf eine Weise zurück, welche offenbarte, wie falsch und eigennützig sein Verlangen war.
Und ohne ein Wort beizufügen, machte er seinen Gefährten ein Zeichen und ritt im Galopp auf der Straße fort, der der erste Pilger gefolgt war.
»Das ist ein Unverschämter!« sagte Musaron, als er ihn aus dem Blick verloren hatte.
»Und eine abscheuliche Stimme, Musaron; ich habe sie, wie mir scheint, in schlimmen Augenblicken gehört.«
»Ich denke wie Ihr, gnädiger Herr, und wenn unsere Pferde nicht so müde wären, würden wir wohl daran thun, diesem Burschen nachzusetzen: es muß dort etwas Seltsames vorgehen.«
»Was ist uns daran gelegen, Musaron?« erwiderte Mauléon wie ein Mensch, der sich um nichts mehr bekümmert. »Wir gehen nach Toledo, wo sich unsere Freunde versammeln sollen. Toledo ist bei Montiel: das ist Alles, was ich weiß. Alles, was ich wissen will.«
»In Toledo erhalten wir Nachricht vom Herrn Connetable.« sagte Musaron.
»Wahrscheinlich auch von Don Enrique von Transtamare. Wir bekommen Befehle, wir werden Maschinen, Automaten, das einzige Hilfsmittel, der einzige mögliche Trost für Leute, welche, nachdem sie ihre Seele verloren, nicht mehr wissen, was sie im Leben sagen oder thun sollen.«
»Nun! nun!« rief Musaron, »es wird immer noch Zeit sein, zu verzweifeln . . . Am letzten Tag der Sieg, wie ein Sprichwort sagt.«
»Oder der Tod . . . nicht wahr? Du fürchtest Dich, dies beizufügen.«
»Ei! gnädiger Herr, man stirbt nur einmal.«
»Glaubst Du, ich habe bange?«
»Oh! Herr, Ihr habt nicht genug bange, und das ist mir ärgerlich.«
So plaudernd, erreichten sie die ersehnte Venta.
Es war ein einsames Haus, wie es in Spanien diese providenziellen Zufluchtstätten sind, welche die Reisenden gegen die Sonne des Tags, gegen die Kälte der Nacht finden, glühend ersehnte Grenzen, häufig unüberschreitbar wie die Oase der Wüste, weil man vor Hunger, Durst und Müdigkeit sterben würde, ehe man eine andere fände.
Als Agenor und Musaron ihre Pferde in den Stall gebracht, oder als vielmehr der würdige Knappe diese Sorge allein übernommen hatte, erblickte Agenor in der unteren Stube der Venta vor einem hellen Feuer und mitten unter Maulthiertreibern, die in tiefem Schlafe lagen, die zwei Pilger, welche, statt mit einander zu sprechen, sich gegenseitig den Rücken zuwandten.
»Ah! ich glaubte, sie wären Kameraden,« sagte Agenor ganz erstaunt.
Der Pilger mit dem Schleier zog sich tiefer in seinen Schatten zurück, als die zwei neuen Reisenden eintraten.
Der Pilger mit dem Visir schien mit unsäglicher Neugierde aus den Augenblick zu lauern, wo sich ein Winkel des Schleiers seines scheinbaren Gefährten lüften würde.
Dieser Augenblick kam nicht. Stumm, unbeweglich, sichtbar ärgerlich, stellte sich der geheimnißvolle Unbekannte endlich, um seinen überlästigen Fragen zu entgehen, als versänke er in tiefen Schlaf.
Allmälig kehrten die Maulthiertreiber in den Hof zurück, um sich in ihre Mäntel gehüllt unter ihren Maulthieren niederzulegen; es blieben beim Feuer nur noch Mauléon, der mit seinem Knappen zu Nacht gespeist hatte, und die zwei Pilger, welche sich einander beständig überwachten.
Der Mann mit dem Visir knüpfte das Gespräch mit Mauléon durch ein paar Alltagsentschuldigungen über die Art und Weise, wie er ihn auf der Straße verlassen hatte, an.
Dann fragte er, ob er sich nicht bald in sein Zimmer zurückzöge, wo er ohne Zweifel besser schlafen würde, als auf diesem Fußschemel.
Beständig verlarvt, wollte Agenor beharrlich bleiben, und wäre es nur, um den Unbekannten zu ärgern, als ihm plötzlich der Gedanke kam, wenn er bliebe, würde er nichts erfahren. Der andere Pilger, das war ihm ganz klar, schlief nicht. Es würde also etwas zwischen den zwei Männern vorgehen, von denen jeder allein zu bleiben wünschte.
Agenor lebte in einer Zeit und in einem Land, wo die Neugierde oft den Neugierigen das Leben rettet.
Er stellte sich seinerseits, als ob er sich in ein Zimmer zurückzöge, das ihm der Wirth angewiesen hatte; doch er blieb hinter der Thüre stehen, welche zwar Solid und massenhaft, aber dennoch schlecht genug zusammengefügt war, daß die Blicke bis an den Kamin dringen konnten.
Er hatte Recht, denn ein seiner Aufmerksamkeit würdiges Schauspiel war ihm vorbehalten.
Als der Pilger mit dem Visir sich mit dem Andern, den er für eingeschlafen hielt, ganz allein sah, stand er auf und machte einige Schritte in der Stube, um die Festigkeit dieses Schlafes zu erproben.
Der eingeschlafene Pilger rührte sich nicht.
Der Mann mit dem Visir näherte sich ihm nun auf den Fußspitzen und streckte die Hand aus, um den Schleier aufzuheben, der seine Züge vor dem Pilger verbarg.
Doch ehe er diesen Schleier berührt hatte, stand der Pilger aufrecht vor ihm und fragte mit zornigem Tone:
»Was wollt Ihr? und warum stört Ihr mich in meinem Schlafe?«
»Der nicht sehr tief ist, Herr Pilger,« sagte der Andere mit spöttischem Ton.
»Der aber geachtet werden muß, Herr Neugieriger mit dem eisernen Gesicht.«
»Ihr habt ohne Zweifel gute Gründe, nicht wissen zu lassen, ob das Eurige von Eisen oder von Fleisch ist, Herr Pilger.«
»Meine Motive gehen Niemand etwas an, und wenn ich mich verschleiere, so geschieht es, weil ich nicht gesehen werden will, das ist klar.«
»Mein Herr, ich bin sehr neugierig und werde Euch sehen,« sagte spottend der Mann mit dem Visir.
D« Pilger hob sogleich seinen Rock aus, zog einen langen Dolch hervor und erwiderte:
»Ihr werdet dieses sehen.«
Der Mann mit dem Visir dachte einen Augenblick nach und schob dann die schweren Riegel der Thüre vor, hinter der Agenor horchte und sah.
Zu gleicher Zelt öffnete er ein Fenster, das nach der Straße ging, und ließ durch dieses vier ganz bewaffnete, ganz bepanzerte Männer ein.
»Ihr seht,« sagte er zum Pilger, »Ihr seht, Herr, die Vertheidigung wäre unnütz, und sogar unmöglich. Wollt also ganz einfach, und um ein Leben zu schonen, das ich für sehr kostbar halte, mir folgende Fragen beantworten.«
Der Pilger zitterte, seinen Dolch in der Hand, vor Wuth und Ungeduld.
»Seid Ihr Enrique von Transtamare, oder seid Ihr es nicht?« fragte der Angreifer.
Bebend erwiderte der Pilger:
»Auf eine solche Frage, in dieser Form und mit diesen Präliminarien gethan, darf mau nicht antworten, wenn man derjenige ist, von dem Ihr sprecht, ohne den Tod zu erwarten. Ich werde also mein Leben vertheidiqen, denn ich bin wirklich derjenige, dessen Narren Ihr genannt habt.«
Und mit einer majestätischen Bewegung entblößte er sein Gesicht.
»Der Prinz!« rief Mauléon hinter der Thüre, die er zerbrechen wollte.
»Er ist es! ich war meiner Sache sicher!« rief der Mann mit dem Visir mit wilder Freude. Gefährten, wir haben ihn lange genug verfolgt! Von Bordeaux, das ist weit! Oh! steckt Euren Dolch wieder ein, mein Prinz; es handelt sich nicht darum, Euch zu tödten, sondern Euch auf Lösegeld zu setzen. Alle Heilige! wir werden uns billig finden; steckt ein, Prinz, steckt ein!«
Agenor klopfte mit verdoppelten Schlägen an die Thüre, um sie in Stücke zerspringen zu machen; doch das Eichenholz widerstand.
»Geht an diese Thüre, um denjenigen, welcher klopft, im Zaume zu halten, und laßt mich den Prinzen überreden,« sagte der Mann mit dem Visir zu seinen Leuten.
»Schuft!« rief Enrique voll Verachtung, »Du willst mich meinem Bruder überliefern.«
»Wenn er mehr bezahlt, als Ihr, ja.«
»Ich sagte doch, es sei besser, hier zu sterben,« rief der Prinz. »Zu Hilfe! zu Hilfe!«
»Ah! gnädigster Herr!« erwiderte der Bandit, »wir werden genöthigt sein, Euch zu tödten: es wird vielleicht weniger für Euren Kopf bezahlt, als wenn ich Eure Person ganz und unversehrt überlieferte, doch man muß sich am Ende begnügen, und wir werden Euren Kopf Don Pedro überbringen.«
»Das wollen wir sehen!« rief Agenor, der mit einer äußersten Anstrengung die Thüre zerschmettert hatte und mit wüthenden Hieben über die vier Leute des Räubers herfiel.
»Daraus folgt, daß wir ihn tödten müssen,« sagte der Letztere, indem er seinen Degen zog, um Enrique anzugreifen. »Mein Prinz, Ihr habt da einen sehr ungeschickten Freund: befehlt ihm doch, ruhig zu bleiben.«
Aber der Bandit hatte diese Worte nicht beendigt, als von Außen ein dritter Pilger eintrat, den man nicht erwartete.
Dieser trug weder Larve, noch Schleier. Er glaubte sich genug gekleidet, genug bedeckt durch sein Pilgergewand. Seine breiten Schultern, seine ungeheuren Arme, sein großer gescheiter Kopf verkündigten einen kräftigen, unerschrockenen Kämpen.
Er erschien auf der Thürschwelle und betrachtete erstaunt, ohne Furcht und ohne Zorn, die Zerstörung in der Wirthsstube.
»Man schlägt sich hier,« sagte er. »Hollah!l Christen, wer hat Recht, oder wer hat Unrecht?«
Und seine männliche, gebieterische Stimme beherrschte den Lärmen, wie die des Löwen den Sturm in den Schlünden des Atlas beherrscht.
Die Kämpfenden nahmen, als sie nur diese Stimme hörten, eine seltsame Stellung.
Der Prinz stieß einen Schrei der Freude und des Erstaunens aus; der Mann mit dem Visir wich voll Schrecken zurück. Musaron rief:
»Bei meinem Leben, das ist der Herr Connetable!« »Connetable! Connetable!« rief der Prinz, »herbei, man will mich ermorden!«
»Euch, mein Prinz?« brüllte Duguesclin, indem er sein Kleid zerriß, um sich freier bewegen zu können, »wer will Euch ermorden?«
»Freunde!« sprach der Räuber zu seinen Gefährten, »wir müssen diese Menschen tödten, oder hier sterben. Wir sind bewaffnet, sie sind es nicht, der Teufel liefert sie in unsere Hände; statt hunderttausend Gulden erwarten uns zweimal hunderttausend. Vorwärts!«
Mit einer unvergleichlichen Kaltblütigkeit streckte der Connetable, ehe der Räuber seinen Satz vollendet hatte, den Arm aus; er packte ihn so leicht bei der Gurgel, als ob er es mit einem Lamm zu thun gehabt hätte, schleuderte ihn unter seine Füße und zertrat ihn auf den Platten. Dann entriß er ihm sein Schwert und rief:
»Ich bin nun bewaffnet! wir sind Drei gegen Drei; herbei, Ihr Strauchdiebe!«
»Wir sind verloren,« murmelten die Gefährten des Banditen und entflohen durch das noch offene Fenster.
Agenor hob indessen das Visir des niedergeworfenen Räubers, auf und rief: »Caverley! ich hatte es vermuthet.«
»Das ist ein giftiges Thier, das man hier zermalmen muß,« sprach der Connetable.
»Ich übernehme es sagte Musaron, bereit, ihm mit seinem Messer den Garaus zu machen.
»Gnade!« murmelte der Räuber, »Gnade! mißbraucht nicht Euren Sieg.«
»Ja,« sprach der Prinz, indem er Duguesclin mit freudigem Entzücken umarmte, »ja, Gnade. Wir haben Gott, der uns vereinigt, zu viel Dank zu sagen, um uns mit diesem Elenden zu beschäftigen; er lebe und lasse sich anderswo hängen.«
Caverley küßte im Erguß seiner Dankbarkeit dem großmüthigen Prinzen die Füße.
»Er entfliehe also!« sagte Duguesclin.
»Hinaus, Bandit,« brummte Musaron, und öffnete ihm die Thüre.
Caverley ließ sich das nicht zweimal sagen; er lief so leicht weg, daß ihn die Pferde nicht eingeholt hätten, wenn der Prinz anderen Sinnes geworden wäre.
Nachdem man sich gegenseitig Glück gewünscht, besprachen sich der Connetable, der Prinz und Agenor über die Ereignisse des bevorstehenden Krieges.
»Ihr seht,« sagte der Connetable, »ich bin pünktlich beim Rendezvous; ich war auf dem Wege nach Toledo, wie Ihr es mir in Bordeaux vorgeschrieben.
Ihr rechnet also auf Toledo?«
»Ich habe viel Hoffnung, wenn mir Toledo seine Thore öffnet,« antwortete der Prinz.
»Aber das ist nicht gewiß;« entgegnete der Connetable. »Seitdem ich unter diesem Gewande reise, nämlich seit vier Tagen, weiß ich mehr, als ich seit zwei Jahren erfahren hatte. Die Toledaner hatten zu Don Pedro, und man wird eine Belagerung unternehmen müssen.«
»Lieber Connetable, Ihr setzt Euch für mich so vielen Gefahren aus!«
»Theurer Sire, ich habe nur ein Wort. Ich versprach, Ihr sollet in Castilien herrschen; das wird geschehen, oder ich sterbe. Und dann habe ich eine Genugthuung zu nehmen. Kaum hattet Ihr mich durch Eure Geistesgegenwart in Bordeaux frei gemacht, als ich in zehn Tagen den König Karl gesehen und die Grenze wieder erreicht hatte. Seit acht Tagen durchwandere ich Spanien auf Eurer Spur, denn Olivier, mein Bruder, und der Stammler von Villaines hatten Nachricht erhalten, Ihr seid durch Burgos gekommen, um Euch nach Toledo zu begeben.«
»Das ist wahr; unter den Mauern von Toledo erwarte ich die hohen Officiere meines Heeres. Ich habe mich nur in Burgos verkleidet.«
»Sie auch, gnädigster Herr, und sie haben mir den Gedanken gegeben. Die Anführer kommen so unbemerkt durch, um die Wohnungen der Soldaten bereit zu halten. Das Pilgerkleid ist in der Mode, Jeder will heut zu Tage eine Pilgerfahrt in Spanien machen. So hatte dieser Schuft Caverley, dasselbe Gewand angelegt wie wir. Nun aber sind wir vereinigt. Ihr werdet eine Residenz wählen und alle Spanier Eurer Partei zu Euch rufen; ich rufe alle Ritter und Soldaten aller Länder. Verlieren wir keine Zeit. Don Pedro schwebt noch; er hat seinen besten Rath verloren, Dona Maria, das einzige Geschöpf, das ihn auf dieser Welt liebte. Benutzen wir seine Bestürzung und liefern wir ihm eine Schlacht, ehe er Zeit gehabt hat, sich zu sammeln.«
»Dona Maria ist todt!« sagte Enrique; »ist man dessen sicher?«
»Ich bin dessen sicher, denn ich habe ihren Leichnam vorüberziehen sehen,« antwortete Agenor traurig.
»Und was macht Don Pedro?«
»Man weiß es nicht. Er hat die arme Frau, sein Opfer, in Burgos beerdigen lassen.«
»Verschwunden? Ist das möglich! Ihr sagt, Dona Maria sei sein Opfer: erzählt mir das, Connetable, ich habe seit acht Tagen mit keiner Seele zu sprechen gewagt.«
»Hört, was geschehen ist, meine Spione haben ei mir mitgetheilt: Don Pedro liebte ein, Maurin, die Tochter des verfluchten Mothril; Dona Maria vermuthete es; sie entdeckte sogar ein Einverständnis; zwischen dem König und der Maurin; außer sich vor Wuth, vergiftete sie sich, nachdem sie zuvor ihrer Nebenbuhlerin das Herz durchbohrt hatte.«
»Oh!« rief Agenor, »oh! das ist nicht möglich, Herr . . . Das wäre ein so schändliches Verbrechen, ein so schwarzer Verrath, daß die Sonne vor Abscheu zurückgewichen sein müßte.
»Der König und der Connetable schauten ganz erstaunt den jungen Mann an, der sich so ausdrückte . . . aber sie konnten keine Erklärung von ihm erhalten.