Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 19

Yazı tipi:

VI

»Guten Morgen, Schwesterchen,« sagte Cauvignac zu Nanon, der jungen Frau mit unstörbarem Phlegma die Hand reichend.

»Guten Morgen; Ihr hattet mich also wiedererkannt, nicht wahr?«

»In dem Augenblick, wo ich Euch erblickte; es war nicht hinreichend, Euer Gesicht zu verbergen, Ihr mußtet auch das reizende kleine Mahl und diese Perlzähne verschleiern. Nehmt wenigstens eine ganze Maske vor, wenn Ihr Euch verkleiden wollt, Eitle; aber Ihr, seid nicht vorsichtig . . . et fugi ad salices

»Genug,« sprach gebieterisch Nanon, »sprechen wir im Ernste.«

»Es ist mir ganz lieb; nur wenn man im Ernste spricht, macht man gute Geschäfte.«

»Ihr sagt also, die Vicomtesse von Cambes sei hier?«

»In Person.«

»Und Herr von Canolles trete in diesem Augenblick in das Wirthshaus?«

»Noch nicht. Er steigt vom Pferde und wirft seinem Lackeien die Zügel zu. Ah, er ist von jener Seite auch bemerkt worden. Seht, das Fenster mit den gelben Vorhängen öffnet sich und der Kopf der Vicomtesse kommt hervor. Ah! sie stößt einen Freudenschrei aus. Herr von Canolles stürzt in das Haus; Verbergt Euch, Schwesterchen, oder es ist Alles verloren.«

Nanon warf sich zurück und drückte krampfhaft die Hand von Cauvignac, der sie mit einer Miene väterlichen Mitleids anschaute.

»Und ich, die ich so eben nach Paris reisen wollte,« rief Nanon, »ich, die ich Alles wagte, um ihn wiederzusehen!«

»Ah! Opfer, Schwesterchen, und zwar für einen Undankbaren. Bei meiner Seele, Ihr hättet Eure Wohlthaten besser anbringen können!«

»Was werden sie nun sagen, da sie vereinigt sind? Was werden sie thun?«

»In der That, teure Nanon, Ihr bringt mich, sehr in Verlegenheit, daß Ihr eine solche Frage an mich richtet,« sprach Cauvignac, »bei Gott, sie werden sich ungemein lieben, wie ich vermuthe.«

»Oh,« das wird nicht sein!« rief Nanon und biß sich wüthend in die elfenbeinglatten Nägel.

»Ich glaube im Gegentheil, es wird seyn,« versetzte Cauvignac. »Ferguzon, welcher Befehl erhalten hat, Niemand herauszulassen, ist nicht beauftragt, Niemand hineinzulassen. Alter Wahrscheinlichkeit nach tauschen in diesem Augenblicke die Vicomtesse und Canolles alle Arten von Liebkosungen aus, von denen die einen immer reizender sind, als die andern. Teufel! meine liebe Nanon, Ihr habt Euch zu spät auf den Weg gemacht.«

»Ihr glaubt,« versetzte die junge Frau mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke tiefer Ironie und gehässiger Verschmitztheit, »Ihr glaubt! wohl, steigt zu mir ein.«

Cauvignac gehorchte.

»He, Bertrand,« fuhr Nanon, sich an einen von den Musketenträgern wendend, fort, »sagt dem Kutscher, er solle ohne Geräusch umkehren und sich unter der Baumgruppe ausstellen, welche wir beim Eingange des Dorfes rechts gelassen haben.«

Dann sich gegen Cauvignac umwendend:

»Werden wir dort nicht gut sein, um miteinander zu sprechen?«

»Vollkommen, aber erlaubt mir, ebenfalls meine Vorsichtsmaßregeln zu treffen.« Trefft sie.«

Cauvignac machte vier von seinen Leuten, welche summend und sich ausbreitend, wie Hornisse im Sonnenschein, um das Wirthshaus lungerten, ein Zeichen, ihm zu folgen.

»Ihr thut wohl daran, daß Ihr diese Leute mitnehmt,« sagte Nonen, »und wenn Ihr mir glauben wollt, nehmt lieber sechs als vier, wir könnten Arbeit für sie bekommen.«

»Gut,« sprach Cauvignac, »Arbeit, das ist es,was ich brauche.«

»Dann sollt Ihr befriedigt werden,« erwiederte die junge Frau.

Und der Wagen drehte sich um und nahm Nanon, roth von dem Feuer ihres Gedankens, und Cauvignac mit, welcher scheinbar ruhig und kalt war, darum sich aber nicht minder anschickte, den Eröffnungen, welche ihm seine Schwester machen wollte, eine tiefe Aufmerksamkeit zu schenken.

Mittlerweile war Canolles, angezogen durch, den Freudenschrei, den Frau von Cambes, ihn erblickend, ausgestoßen hatte, in das Wirthshaus geeilt und hatte das Zimmer der Vicomtesse erreicht, ohne auf Ferguzon zu achten, der im Gange stand, aber da er keinen Befehl in Beziehung aus Canolles erhalten hatte, seinem Eintritte auch keine Schwierigkeit entgegensetzte.

»Ah-Herr!« rief Frau von Cambes, als sie ihn gewahrte, »kommt geschwinde, denn ich erwarte Euch mit der größten Ungeduld.«

»Diese Worte würden mich zum glücklichsten Menschen der Welt machen, Madame, wenn Eure Blässe und Eure Unruhe mir nicht deutlich sagten, daß Ihr mich nicht meinetwegen allein erwartet.«

»Ja, Herr, Ihr habt Recht,« versetzte Claire mit ihrem reizenden Lächeln, »ich will eine Verbindlichkeit mehr gegen Euch haben.«

»Welche?«

»Die, daß Ihr mich irgend einer Gefahr entzieht, welche mich bedroht.«

»Einer Gefahr?«

»Ja. Wartet.«

Claire ging an die Thüre und stieß den Riegel vor.

»Ich bin erkannt worden,« sagte sie zurückkehrend.

»Von wem?«

»Von einem Manne, dessen Namen ich nicht weiß, dessen Gesicht und Stimme mir aber nicht fremd sind. Mir däucht, ich habe seine Stimme an dem Abend gehört, an welchem Ihr in diesem Zimmer den Befehl erhieltet, sogleich nach Mantes zu reisen. Es scheint mir, ich habe sein Gesicht auf der Jagd in Chantilly an dem Tage gesehen, wo ich die Stelle von Frau von Condé einnahm.«

»Für wen haltet Ihr diesen Menschen?«

»Für einen Agenten des Herrn Herzogs von Epernon, folglich für einen Feind.«

»Teufel!« rief Canolles; »und Ihr sagt, man habe Euch erkannt?. . .«

»Ich bin dessen gewiß: er nannte mich bei meinem Namen und behauptete nur ich wäre ein Mann. Es sind überall hier in der Gegend Offiziere der königlichen Partei. Man weiß, daß ich zu der Partei der Prinzen gehöre, und gedachte mich zu beunruhigen; aber Ihr seid hier, und ich fürchte nichts mehr. Ihr seid selbst Offizier, Ihr gehört zu derselben Partei wie sie, Ihr werdet mir als Schutzwache dienen.«

»Ach, ich fürchte sehr, Euch nichts Anderes zu Schutz und Vertheidigung bieten zu können, als meinen Degen.«

»Wie so?«

»Von diesem Augenblick an, Madame, bin ich nicht mehr im Dienste des Königs.«

»Sprecht Ihr wahr?« rief Claire voll Freude.

»Ich habe mir gelobt, meine Entlassung, datiert von dem Orte aus einzugeben, wo ich Euch treffen würde. Ich habe Euch getroffen, meine Entlassung wird von Jaulnay datiert sein.«

»Oh, frei! Frei! Ihr seid frei; Ihr könnt Euch der Partei der Gerechtigkeit der Redlichkeit anschließen; Ihr könnt der Sache der Herren Prinzen, das heißt der des ganzen Adels dienen. Oh, ich wußte wohl, daß Ihr ein zu würdiger Edelmann wäret, um nicht auf diese Seite zu treten.«

Und sie reichte Canolles eine Hand, die er mit Entzücken küsste.

»Wie hat sich das gemach?« rief Claire, »wie ist das gegangen? Erzählt mir die Sache in allen ihren Einzelheiten.«

»Oh, das wird nicht lange währen. Ich schrieb zum Voraus an Herrn von Mazarin, um ihm zu melden, was vorgefallen war. In Mantes anlangend, erhielt ich Befehl, mich zu ihm zu begeben. Er nannte mich ein armseliges Gehirn, ich nannte ihn einen armseligen Kopf; er lachte, ich ärgerte mich. Er erhob hie Stimme, ich schickte ihn über alle Berge. Ich kehrte in mein Hotel zurück und wartete, ob es ihm belieben würde, mich in die Bastille zu werfen; er erwartete, daß die Überlegung mich bewegen würde, Mantes zu verlassen. Nach Verlauf von vierundzwanzig Stunden kam mir die Überlegung, und auch diese habe ich Euch zu verdanken, denn ich erinnerte mich dessen, was Ihr mir versprochen hattet, und dachte, Ihr könntet auf mich warten, und wäre es auch nur eine Secunde. Die freie Luft athmend, von jeder Verantwortlichkeit; von jeder Partei losgebunden, ohne Verbindlichkeit und ohne Bevorzugung, stellte sich nur Eines vor mein Gedächtnis: daß ich Euch liebte, Madame, und daß ich es Euch nun laut und unumwunden sagen könnte.«

»Ihr habt also für mich Euren Grad verloren, Ihr seid für mich in Ungnade gefallen, für mich zu Grunde gerichtet! Lieber Herr von Canolles, wie soll ich je meine Schuld gegen Euch abtragen, wie soll ich Euch je meine Dankbarkeit beweisen?«

Und mit einem Lächeln und einer Thräne, welche ihm hundertmal ersetzten, was er verloren hatte, machte Frau von Cambes Canolles zu ihren Füßen sinken.

»Ah! Madame,« sprach er, »von diesem Augenblick an bin ich im Gegentheil reich und glücklich, denn ich werde Euch folgen, ich werde Euch nicht mehr verlassen; denn ich werde glücklich sein durch Euren Anblick, reich durch Eure Liebe.«

»Es hält Euch also nichts zurück?«

»Nein!«

»Ihr gehört ganz mein, und indem ich Euer Herz behalte, kann ich Euren Arm der Frau Prinzessin anbieten?«

»Ihr könnt es.«

»Ihr habt also Eure Entlassung abgeschickt?«

»Noch nicht; ich wollte Euch zuvor wiedersehen; aber wie gesagt, nun da ich Euch gesehen habe, werde ich sie sogleich hier schreiben. Ich hatte mir das Glück, Euch zu gehorchen, vorbehalten.«

»So schreibt denn, schreibt vor Allem! Wenn Ihr nicht schreibt, wird man Euch als Überläufer betrachten. Ihr müßt sogar warten, ehe Ihr einen entscheidenden Schritt thut, bis diese Entlassung angenommen ist.«

»Lieber kleiner Diplomat, fürchtet nichts, sie werden sie mir bewilligen und zwar gern. Meine Ungeschicklichkeit in Chantilly läßt sie meinen Verlust nicht sehr bedauern. Haben sie nicht gesagt, ich wäre ein armseliges Gehirn?»fügte Canolles lachend bei.

»Ja, doch seid unbesorgt, wir werden uns für die Meinung, die sie von Euch gefaßt haben, entschädigen. Eure Sache in Chantilly wird einen günstigeren Erfolg in Bordeaux haben, als in Paris. Doch schreibt, Baron, schreibt geschwinde, damit wir reisen können; denn ich gestehe Euch, der Aufenthalt in diesem Wirthshause beruhigt mich nicht im Mindesten.«

»Sprecht Ihr von der Vergangenheit und ängstigen Euch Erinnerungen- so sehr?« sagte Canolles, indem er die Augen voll Liebe umherlaufen ließ und dann auf den kleinen Alkoven mit zwei Betten heftete, der bereits seinen Blick wiederholt angezogen hatte.

»Nein, ich spreche von der Gegenwart- und es handelt sich nicht mehr um Euch bei meinem Schrecken. Heute fürchte ich Euch nicht mehr.«

»Und wen fürchtet Ihr denn? was habt Ihr zu, befürchten?«

»Ei, mein Gott, wer weiß!«

In diesem Augenblick, als sollte die Bangigkeit, der Vicomtesse gerechtfertigt werden, erschollen drei Schläge mit feierlichem Ernste an der Thüre.

Canolles und die Vicomtesse schwiegen und schauten einander unruhig und fragend an.

»Im Namen des Königs« sprach eine Stimme, öffnet!«

Und plötzlich flog die zerbrechliche Thüre in Stücke. Canolles wollte nach seinem Degen eilen, aber bereits hatte sich ein Mann zwischen diesen und ihn geworfen.

»Was soll das bedeuten?« fragte der Baron.

»Ihr seid Herr von Canolles, nicht wahr?«

»Allerdings.«

»Kapitän im Regiment Navailles?«

»Ja.«

»Abgesandter im Auftrage des Herrn Herzogs von Epernon?«

Canolles machte ein Zeichen mit dem Kopfe.

»So verhafte ich Euch im Namen des Königs und Ihrer Majestät der Königin Regentin.«

»Euer Befehl?«

»Hier ist er.«

»Aber mein Herr,« sprach Canolles, das Papier zurückgebend, nachdem er einen raschen Blick darauf geworfen hatte, »mir scheint, ich kenne Euch.«

»Bei Gott, ich glaube wohl, daß Ihr mich kennt! Habe ich Euch nicht in diesem Dorfe, wo ich Euch heute verhafte, von Seiten des Herrn Herzogs von Epernon den Auftrag überbracht, an den Hof abzureisen? Euer Glück lag in diesem Auftrage, mein edler Herr; Ihr habt ihn verletzt; desto schlimmer für Euch!«

Claire erbleichte und fiel weinend auf einen Stuhl. Sie hatte den unbescheidenen Frager ebenfalls erkannt.

»Herr von Mazarin rächt sich,« murmelte Canolles.

»Vorwärts, mein Herr, vorwärts,«– sprach Cauvignac.

Claire rührte sich nicht. Canolles schien nahe daran, verrückt zu werden. Sein Unglück war so groß, so schwer, so unerwartet, daß er unter seinem Gewichte niedersank: er beugte das Haupt und fügte sich.

Ueberdies hatten zu jener Zeit die Worte: Im Namen des Königs! noch ihren ganzen Zauber, und Niemand wagte es, zu widerstehen.

»Wohin führt Ihr mich, mein Herr?« sprach er; »oder ist es Euch vielleicht verboten, mir den Trost zu geben, daß ich weiß, wohin ich gehe?.«

»Nein, mein Herr, »ich will es Euch sagen. Wir führen Euch nach der Festung der Insel Saint-George.«

»Gott befohlen, Madame,« sprach Canolles, sich ehrfurchtsvoll vor Frau von Cambes vorbeugend, »Gott befohlen.«

»Sieh, sieh,« sagte Cauvignac zu sich selbst, »die Dinge sind weniger vorgerückt, als ich glaubte. Ich will es Nanon sagen und das wird ihr Vergnügen machen.«

Dann auf die Thürschwelle tretend, rief er:

»Vier Mann, um den Kapitän zu geleiten, und vier Mann voraus.«

»Und ich!« rief Frau von Cambes, die Arme gegen den Gefangenen ausstreckend, »wohin führt man mich? Denn wenn der Baron schuldig ist, oh! so bin ich es noch viel mehr,«

»Ihr, Madame,« antwortete Cauvignac, »Ihr, könnt Euch entfernen, Ihr seid frei.«

Und er ging, den Baron mit sich nehmend, hinaus.

Frau von Cambes erhob sich, belebt durch einen Hoffnungsstrahl, und traf Vorkehrungen zu ihrer schleunigen Abreise, damit nicht entgegengesetzte Befehle dem guten Stande der Dinge für sie in den Weg treten möchten.

»Frei,« sagte sie, »ich kann also über ihm wachen. Vorwärts!«

Und an das Fenster eilend, erblickte sie den Reiterzug, der Canolles fortschleppte, tauschte mit ihm ein letztes Lebewohl mit der Hand, rief Pompée, der sich in der Hoffnung einen Aufenthaltes von zwei bis drei Tagen bereite in dem besten Zimmer, das er gefunden, eingerichtet hatte, und gab ihm Befehl, Alles für, ihre Abreise vorzubereiten.

VII

Der Weg gestaltete sich für Canolles noch trauriger, als er sich vorgestellt hatte. Auf das Pferd, welches selbst dem scharf bewachten Gefangenen das falsche Aussehen der Freiheit verleiht, folgte der Wagen – ein schlechtes, ledernes Ding, einem Wachtschiffe ähnlich, Patache genannt, wie man es in der Touraine nach seiner Form und seiner schlagenden Bewegung noch finden kann; überdies hatte Canolles seine Kniee in die eines Menschen mit einer Adlernase verhalftert, dessen Hand mit einer Art von Eitelkeit an dem Kolben einer eisernen Pistole lag. Zuweilen in der Nacht – bei Tag schlief er – hoffte der Gefangene die Wachsamkeit des neuen Argus zu überlisten; aber neben der Adlernase glänzten zwei große, runde, flammende, zu nächtlichen Beobachtungen besonders geeignete Augen, so daß Canolles, auf welche Seite er sich auch wandte, stete diese runden Augen in der Richtung seines Blickes funkeln sah.

Während er schlief, schlief eines von diesen Augen ebenfalls, aber nur eines: die Natur hatte diesem Menschen die Gabe verliehen, nur mit einem Auge zu schlafen.

Zwei Tage und zwei Nächte vergingen Canolles in traurigen Betrachtungen; denn die Festung der Insel Saint-George, eine im Ganzen unschuldige Festung, nahm in den Augen den Gefangenen einen immer gräßlicheren Charakter an, je tiefer sich Furcht und Gewissensbisse in sein Herz eingruben.

Gewissensbisse, weil er einsah, daß seine Sendung an die Frau Prinzessin eine Vertrauenssendung gewesen war, die er um einen geringen Preis an seine Liebe verkauft hatte, und daß die Folge des Fehlers, den er begangen, unberechenbar war. In Chantilly war Frau von Condé nur eine flüchtige Frau. In Bordeaux war Frau von Condé eine rebellische Prinzessin.

Die Furcht, weil er aus der Überlieferung die finsteren Rachewerke einer zornigen Anna von Oesterreich kannte.

Hierzu kam noch ein anderer Gewissensbiß, der vielleicht heftiger in seinem Gemüthe brannte, als die so eben erwähnten. Es gab in der Welt eine Frau, jung, schön, geistreich, die ihren Einfluß nur benutzt hatte, um ihn vorwärts zu bringen, eine Frau, die sich ihren Ansehens nur bedient hatte, um ihn zu beschützen, eine Frau, welche aus Liebe für ihn zwanzigmal ihre Lage, ihre Zukunft, ihr Glück gewagt hatte, diese Frau nun, nicht nur die Reizendste der Geliebtinnen, sondern auch die Ergebenste der Freundinnen, hatte er auf eine rohe Weise, ohne Entschuldigung, ohne Ursache, in dem Augenblick verlassen, wo sie an ihn dachte, und statt sich zu rächen, hatte sie ihn mit neuer Huld verfolgt, und ihr Name, statt sich mit dem Tone den Vorwurfs bei ihm einzufinden, hatte mit der schmeichelnden Süßigkeit einer beinahe königlichen Gunst an sein Ohr geklungen. Diese Gunst war allerdings in einem schlimmen Augenblick erschienen, in einem Augenblick, wo Canolles sicherlich eine Ungnade vorgezogen hätte, aber war dies der Fehler von Nanon? Nanon hatte in der Sendung zu Ihrer Majestät nur eine Vergrößerung von Glück und Ehre für den Mann erblickt, an welchen sie beständig dachte.

Alle Diejenigen, welche zwei Frauen zugleich geliebt haben – ich bitte meine Leserinnen um Verzeihung, dieses für sie, welche immer nur eine Liebe hegen, unbegreifliche Phänomen ist bei uns Männern ein gewöhnliches, – alle Diejenigen, sage ich, welche zwei Frauen zugleich geliebt haben, werden auch begreifen, daß Nanon, je mehr sich Canolles in diese Betrachtungen vertiefte, immer mehr auf seinen Geist den Einfluß wiedergewann, den er bereits für sie verloren geglaubt hatte. Die rauhen Ecken des Charakters, welche bei den Reibungen des innigen Umgangs verletzen und vorübergehenden Verdruß erzeugen, verschwinden in der Entfernung, während im Gegentheil gewisse süße Erinnerungen in der Einsamkeit an Stärke gewinnen. Die ätherische Liebe endlich, die nur Gunstbezeugungen versprach – es ist dies eine traurige Wahrnehmung – verflüchtigt sich in der Abgeschiedenheit; während sich im Gegentheil in der Abgeschiedenheit, die materielle Liebe dem Gedächtniß, bewaffnet mit ihren irdischen Genüssen, welche auch ihren Werth haben, darstellt. Schön und verloren, gut und hintergangen, so erschien nun Nanon dem gefangenen Canolles.

Canolles stieg in sein Inneres mit einer gewissen Naivität, und nicht mit dem bösen Willen der Angeklagten hinab, welche man zu einem allgemeinen Geständniß nöthigt. Was hatte ihm Nanon gethan, daß er sie verließ? Was hatte ihm Frau von Cambes gethan, daß er ihr folgte? Was leg denn so Wünschenswerthes, so Liebreizendes in dem kleinen Cavalier des Wirthshauses zum Goldenen Kalbe? Gebührt Frau von Cambes auf eine so siegreiche Weise der Vorzug vor Nanon? Haben die blonden Haare so sehr den Vorrang vor den schwarzen, daß man sich meineidig und undankbar gegen seine Geliebte, verrätherisch und unredlich gegen seinen König nur in der Absicht benehmen dürfte, die schwarzen Flechten gegen blonde zu vertauschen? Und dennoch, o Elend der menschlichen Organisation! Canolles stellte, wie man sieht, alle diese sinnreichen Betrachtungen an . . . und überzeugte sich nicht.

Das Herz ist voll solcher Geheimnisse, welche das Glück der Liebenden und die Verzweiflung der Philosophen bilden.

Dies hielt jedoch Canolles nicht ab, sich selbst zu grollen und ganz kräftig mit sich zu zanken.

»Man wird mich bestrafen,« sagte er, von dem Gedanken ausgehend, die Strafe tilge den Fehler; »man wird mich bestrafen, desto besser! Es wird dort irgend ein guter, rauhborstiger, sehr grober Kapitän sein, der mir von der Höhe feiner Würde als Oberkerkermeister herab einen Befehl von Mazarin vorliest; der mir mit dem Finger ein Kerkerloch anweist und mich fünfzehn Fuß unter der Erde mit den Ratten und Kröten verfaulen läßt, während ich hätte am hellen Tage leben, in der Sonne blühen und mich meines Daseins in den Armen einer Frau erfreuen können, welche mich liebte, welche ich liebte und meiner Treue! vielleicht noch liebe.

»Verdammter, kleiner Vicomte, warum dientest Du einer so reizenden Vicomtesse als Hülle?

»Ja, aber gibt es auf der Welt eine Vicomtesse, welche wert wäre, was diese mich kosten wird?

»Denn es ist nicht genug mit dem Gouverneur und dem Kerker fünfzehn Fuß unter der Erde; hält man mich für einen Verräther, so wird man die Dinge nicht halb aufgeklärt lassen; man wird mit mir anbinden wegen meines Aufenthalts in Chantilly, den ich, ich muß es gestehen, nicht genug sühnen würde, wenn er fruchtbarer für mich gewesen wäre, der mir aber im Ganzen, wenn ich die Rechnung schließe, nur drei Küsse auf die Hand eingetragen hat. Dreifacher Thor, der die Macht besaß, sie mißbrauchen konnte, und nicht einmal Gebrauch davon gemacht hat! Armseliges Gehirn, wie Herr von Mazarin sagte, daß verrathen hat, und sich nicht einmal für seinen Verrath bezahlt machte! Wer wird ihn mir nun bezahlen?«

Verächtlich durch eine Bewegung die Frage seines Geistes beantwortend, zuckte Canolles dies Achseln.

Der Mann mit den runden Augen, der, so hellsehend er auch war, diese Pantomime doch nicht verstehen konnte, schaute ihn erstaunt an.

»Wenn man fragt,« fuhr Canolles fort, werde ich nicht antworten, denn was hätte ich zu antworten? Daß ich Herrn von Mazarin nicht liebte? Dann mußte ich ihm nicht dienen. Daß ich Frau von Cambes liebte? Ein schöner Grund einer Königin und einem ersten Minister gegenüber! Aber die Richter, sind sehr empfindliche Menschen; wenn sie fragen, wollen sie, daß man ihnen antworte; es giebt rohe Keile in den Provinzkerkern; man wird mir diese kleinen Kniee brechen, auf die ich so stolz war, und mich ganz verkrümmt zu meinen Ratten und Kröten zurückschicken. Ich werde mein ganzes Leben krummbeinig; bleiben, wie der Herr Prinz von Conti, und das ist sehr häßlich, vorausgesetzt sogar, daß mich die Gnade Ihrer Majestät unter ihre Fittiche nimmt, was sie zu thun sich wohl hüten wird.«

Es gab außer diesem Gouverneur, diesen Ratten, diesen Kröten, diesen Ketten, gewisse Schaffotte, auf denen man die Rebellen enthauptet, gewisse Galgen, um die Verräther daran zu hängen, gewisse Paradeplätze, denen man die Deserteurs erschießt. Aber dies war, wie man leicht begreift für einen hübschen Jungen, wie Canolles, nichts im Vergleich mit krummen Beinen.

Er beschloß also, sich einen klaren Blick zu verschaffen und seinen Reisegefährten in dieser Hinsicht zu befragen.

Die runden Augen, die Adlernase und das verdrießliche Aussehen dieses Menschen ermuthigten Canolles nicht besonders, ein solches Gespräch zu wagen. So unempfindlich jedoch ein Gesicht sein mag, so giebt es doch Momente, wo es sich ein wenig entrunzelt, und Canolles benützte eine Secunde, in der eine Grimasse, welche einem Lächeln glich, über das Gesicht des Gefreiten hinzog, der ihn so gut bewachte.

»Mein Herr?« sagte er.

»Mein Herr . . .« antwortete der Gefreit.

»Entschuldigt mich, wenn ich Euch Euren Betrachtungen entreiße.«

»Es bedarf keiner Entschuldigung; ich stelle nie Betrachtungen an.«

»Ah, Teufel! da seid Ihr mit einer glücklichen Natur begabt.«

»Ich beklage mich auch nicht.«

»Das ist nicht wie bei mir, denn ich habe große Lust, mich zu beklagen.«

»Worüber?«

»Daß man mich in einem Augenblick, wo ich am wenigsten daran dachte, fortnimmt, um mich ich weiß nicht wohin zu führen.«

»Doch, mein Herr, Ihr wißt es, denn man hat es Euch gesagt.«

»Richtig. Nicht wahr, wir gehen nach der Insel Saint-George?«

»Allerdings.«

»Glaubt Ihr, ich werde lange dort bleiben?«

»Ich weiß es nicht, mein Herr; aber nach der Art und Weise, wie Ihr mir empfohlen seid, denke ich ja.«

»Ah! Ah! Die Insel Saint-George ist sehr häßlich?«

»Kennt Ihr die Festung nicht?«

»Im Innern, nein; ich hin nie hineingekommen.«

»Mein Herr, es ist nicht schön dort, und abgesehen von den Zimmern des Gouverneur, die man neu hat herstellen lassen, wodurch sie sehr angenehm geworden sind, bildet das Uebrige einen ziemlich traurigen Aufenthalt.«

»Gut. Glaubt Ihr, daß man mich verhört?«

»Es ist so gebräuchlich.«

»Und wenn ich nicht antworte?«

»Wenn Ihr nicht antwortet?«

»Ja.«

»Teufel! Ihr wißt, dann gibt es die Folter.«

»Die ordentliche?«

»Die ordentliche oder die außerordentliche, je nach der Anschuldigung. Welches Verbrechens bezichtigt man Euch?«

»Ich befürchte, einen Staatsverbrechens.«

»Ah! dann bekommt Ihr die außerordentliche Folter zu kosten . . . Zehn Krüge.«

»Wie, zehn Krüge?«

»Ja.«

»Was sagt Ihr?«

»Ich sage, daß Ihr die zehn Flaschenkessel bekommen werdet.«

»Auf der Insel Saint-George besteht also das Wasser in Kraft?«

»Verdammt! Herr, Ihr begreift, an der Garonne . . .«

»Das ist richtig; man hat die Sache bei der Hand. Und wie viel Eimer machen zehn Flaschenkessel?«

»Drei Eimer, drei und einen halben Eimer.«

»Ich werde aufschwellen.«

»Ein wenig. Aber wenn Ihr so vorsichtig seid, Euch mit dem Kerkermeister gut zu stellen. . .«

»Nun?«

»Er wird mit sich handeln lassen.«

»Habt die Güte, mir zu sagen: worin besteht der Dienst, den der Kerkermeister mir leisten kann?«

»Er kann Euch Oel trinken lassen.«

»Den Oel ist also ein Specificum?«

»Vortrefflich, Herr.«

»Ihr glaubt?«

»Ich spreche aus Erfahrung, denn ich habe getrunken . . .«

»Ihr habt getrunken?«

»Um Vergebung, ich wollte sagen, ich habe es gesehen. Die Gewohnheit, mit Gascognern zu reden, macht, daß ich zuweilen ein Wort falsch ausspreche oder gar verwechsele.«

»Ihr sagtet also,« versetzte Canolles, der sich trotz des Ernstes seiner Unterredung eines Lächelns nicht enthalten konnte, »Ihr sagtet also, Ihr hättet gesehen . . .«

»Ja, mein Herr, ich habe einen Mann die zehn Flaschenkessel mit der größten Leichtigkeit trinken sehen, weil die Sache durch Oel auf die gehörige Weise vorbereitet war. Er schwoll allerdings auf, wie das gewöhnlich ist; aber mit einem guten Feuer bewirkte man, daß er ohne großen Verlust abschwoll. Das ist das Wesentliche bei dem zweiten Theile der Operation. Behaltet wohl die Worte: Warmen ohne zu brennen.«

»Ich begreife,« sagte Canolles. »Der Herr war vielleicht Scharfrichter?«

»Nein, nein, Herr,« erwiederte der Andere mit bescheidenem Tone.

»Oder Gehilfe?«

»Nein, nur wißbegieriger Liebhaber.«

»Ah! Ah! und der Herr heißt?«

»Barrabas.«

»Ein schöner Name, ein alter Name, rühmlichst in der Schrift bekannt.«

»In der Passion, mein Herr.«

»So wollte ich sagen, aber alte Gewohnheit bediente ich mich des andern Ausdrucks.«

»Der Herr zieht die Schrift vor, der Herr ist also Hugenott?»

»Ja, aber ein sehr unwissender Hugenott. Solltet Ihr wohl glauben, daß ich kaum dreitausend Verse aus den Psalmen auswendig weiß?«

»In der That, das ist sehr wenig.«

»Die Musik behielt ich besser . . . Man hat in meiner Familie viel gehenkt und verbrannt.«

»Ich hoffe, es wird den Herrn kein solchen Schicksal treffen.«

»Nein, man ist heut zu Tage viel duldsamer; man wird mich höchstens ertränken.«

Barrabas brach in ein Gelächter aus.

Das Herz von Canolles jauchste vor Freude. Er hatte seinen Wächter gewonnen. Würde der Interimsgefangenenwärter sein bleibender Kerkermeister, so hatte er alle Hoffnung, das Oel zu erhalten; er beschloß daher, das Gespräch wieder, aufzunehmen, wo er es abgebrochen hatte.

»Herr Barrabas,« sagte er, »sind wir bestimmt, uns bald zu trennen, oder wird mir länger die Ehre Eurer Gesellschaft zu Theil werden?«

»Mein Herr, ich werde es bei meiner Ankunft auf der Insel Saint-George lebhaft bedauern, Euch verlassen zu müssen; ich habe Befehl, zu meiner Compagnie zurückzukehren.«

»Seht gut. Ihr gehört dann zu einer Compagnie Bogenschützen?«

»Nein, mein Herr, zu einer Compagnie Soldaten.«

»Durch den Minister errichtet?«

»Nein, durch den Kapitän Cauvignac, welcher Euch zu verhaften die Ehre gehabt hat.«

»Und Ihr dient dem König?«

»Ich glaube ja, mein Herr.«

»Was Teufels sagt Ihr da! seid Ihr dessen nicht gewiß?«

»Man ist auf dieser Welt keiner Sache gewiß.«

»Wenn Ihr einen Zweifel habt, so müßt Ihr, um Euch Sicherheit zu verschaffen, Einen thun.

»Was?«

»Mich gehen lassen.«

»Unmöglich, Herr.«

»Ich werde Euch Eure Gefälligkeit anständig bezahlen.«

»Womit?«

»Mit Geld, bei Gott!«

»Der Herr hat keines?«

»Wie, ich habe keines?«

»Nein.«

Canolles durchsuchte seine Taschen.

»In der That,« sagte er, »meine Börse ist verschwunden; wer bat mir meine Börse genommen?«

»Ich, mein Herr,« antwortete Barrabas mit einer ehrfurchtsvollen Verbeugung.

»Und warum dies?

»Damit mich des Herr nicht bestechen kann.«

Canolles schaute den würdigen Wächter mit Bewunderung an, und da ihm das Argument unwiderlegbar vorkam, so entgegnete er auch durchaus nichts.

So kam es, daß die Reisenden wieder in ein Stillschweigen versanken, wodurch die Fahrt gegen das Ende abermals den schwermüthigen Gang nahm, den sie am Anfang gehabt hatte.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
04 aralık 2019
Hacim:
670 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 3,8, 4 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre