Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 20
VIII
Der Tag fing an zu grauen, als die Patache zu dem Dorf gelangte, welchen unfern von der Insel lag, auf die man sich begab. Canolles fühlte, daß der Wagen anhielt, und streckte seinen Kopf durch das Loch, welches mit seiner Klappe dazu bestimmt war, den freien Leuten Luft zu verschaffen, und zugleich auf eine bequeme Weise dazu diente, den Gefangenen dieselbe abzuschneiden.
Ein hübschen Dörfchen, bestehend aus etwa hundert um eine Kirche gruppierten Häusern auf dem Abhange einen Hügels und beherrscht von einem Schlosse, hob sich in der durchsichtigen Morgenluft hervor, überströmt von den Sonnenstrahlen, welche Dunstflocken, schwimmenden Gasen ähnlich, vor sich hertrieben. In diesem Augenblick fuhr der Wagen eine Anhöhe hinan, und der Kutscher, welcher von seinem Sitze abgestiegen war, ging neben demselben.
»Mein Freund,« fragte Canolles, »seid Ihr nun dieser Gegend?«
»Ja, Herr, ich bin aus Libourne.«
»Dann müßt Ihr dieses Dorf kennen. Was für ein Haus ist das? Was für reizende Hütten sehe ich hier?«
»Mein Herr,« antwortete der Bauer, »dieses Schloß ist die Domäne Cambes, und das Dorf gehört zu der Herrschaft.«
Canolles bebte und ging in einem Augenblick von dem dunkelsten Purpur zur Leichenblässe über.
»Mein Herr,« sagte Barrabas, dessen runden Auge nichts entging, »solltet Ihr Euch zufällig an dieser Oeffnung verwundet haben?«
»Nein . . . Ich danke.«
Dann fuhr Canolles den Bauern befragend fort:
»Wem gehört diesen Gut?«
»Der Vicomtesse von Cambes.«
»Einer jungen Wittwe?«
»Sehr hübsch und sehr reich.«
»Und folglich sehr von Bewerbern umschwärmt?«
»Allerdings: Schöne Mitgift, schöne Frau; dabei fehlt es nie an Bewerbern.«
»Guter Ruf?«
»Ja, aber wüthend für die Herren Prinzen.«
»In der That, ich glaube ich habe dies gehört.«
»Ein Teufel, mein Herr, ein wahrer Teufel.«
»Ein Engel,« murmelte Canolles, der so oft er auf Claire zurückkam, mit dem Entzücken der Anbetung zu ihr zurückkehrte. »Ein Engel.«
Dann fügte er laut bei:
»Wohnt sie zuweilen hier?«
»Selten, mein Herr, aber sie hat sich lange hier aufgehalten. Ihr Gemahl hatte sie hier gelassen, und die ganze Zeit, die sie im Schlosse zubrachte, war sie der Segen der Gegend. Jetzt ist sie bei den Herren Prinzen, wie man sich erzählt.«
Der Wagen hatte die Anhöhe erreicht und sollte nun auf der andern Seite hinabfahren; der Führer bat mit einem Zeichen der Hand um Erlaubniß, wieder auf seinen Bock steigen zu dürfen. Canolles befürchtete durch das Fortsetzen seiner Fragen Verdacht zu erregen, zog seinen Kopf in die Patache zurück, und das schwere Gefährt wurde wieder im kurzen Trabe, dem höchsten Maße seiner Eile, fortgezogen.
Nach einer Viertelstunde, während welcher Canolles, immer unter dem Blicke von Barrabas, in das tiefste Nachdenken versenkt geblieben war, machte die Patache Halt.
»Halten wir an, um zu frühstücken?« fragte Canolles.
»Wir halten hier ganz an, mein Herr, denn wir sind an Ort und Stelle. Dort ist die Insel Saint-George, und wir haben nur noch über den Fluß zu setzen.«
»Es ist wahr,« murmelte Canolles. »So nahe und so fern!«
»Mein Herr, man kommt uns entgegen,« sprach Barrabas; »wollt Euch zum Aussteigen bereit halten.«
Der zweite Wächter von Canolles, welcher auf dem Bocke neben dem Kutscher saß, stieg ab und öffnete den verschlossenen Schlag, wozu er den Schlüssel hatte.
Canolles wandte seine Blicke von dem kleinen weißen Schlosse, das er nicht aus dem Auge verloren hatte, nach der Festung, welche sein Wohnort werden sollte. Er gewahrte zuerst jenseits eines ziemlich raschen Flußarmes eine Fähre, und bei der Fähre einen Posten von acht Mann.
Hinter dem Posten erhoben sich die Werke der Citadelle.
»Gut,« sagte Canolles zu sich selbst, »man hat mich erwartet und die gewöhnlichen Maßregeln getroffen. »Das sind meine neuen Wächter?« fragte er laut seinen Begleiter Barrabas.
»Gerne würde ich dem Herrn gehörig antworten,« erwiederte Barrabas, »aber in der That, ich weiß nicht.«
In diesem Augenblick, nachdem sie ein Signal gegeben hatten, welchen von der Schildwache am Thore den Fort wiederholt wurde, stiegen die acht Soldaten und der Sergent in das Schiff, fuhren über die Garonne und landeten in der Sekunde, wo Canolles den Fußtritt verließ.
Als der Sergent einen Officier erblickte, näherte er sich sogleich, grüßte militärisch und fragte:
»Habe ich die Ehre mit dem Herrn Baron von Canolles, Kapitän im Regimente Navailles, zu sprechen?«
»Mit ihm selbst,« antwortete Canolles, erstaunt über die Höflichkeit dieses Menschen.
Der Sergent wandte sich gegen seine Leute, commandierte: Gewehr auf die Schulter, und bezeichnete sodann Canolles mit dem Ende seiner Pike das Schiff. Canolles nahm seinen Platz zwischen den zwei Wächtern; die acht Soldaten und der Sergent stiegen nach ihm ein, und das Fahrzeug entfernte sich vom Ufer, während Canolles einen letzten Blick auf Cambes warf, das allmählich durch die Veränderung des Terrain verschwand.
Beinahe die ganze Insel war bedeckt mit äußeren und inneren Böschungen, mit Glacis und Basteien; ein kleinen Fort in ziemlich gutem Zustande beherrschte die Gesamtheit dieser Werke. Man gelangte in das Innere durch ein gewölbtes Thor, vor welchem eine Schildwache auf und ab ging.
»Wer da, rief diese.«
Die kleine Treppe machte Halt, der Sergent entfernte sich von derselben, rückte gegen die Schildwache vor und sagte ihr einige Worte.
»Ins Gewehr!« rief die Schildwache.
Sogleich kamen etwa zwanzig Mann, aus denen der Posten bestand, aus der Wachtstube hervor und stellten sich in aller Eile vor dem Thore in Reih und Glied auf.
»Kommt, mein Herr!« sagte der Sergent zu Canolles.
Der Trommler schlug den Marsch.
»Was soll das bedeuten?« fragte sich der junge Mann.
Und er marschierte vorwärts, ohne zu begreifen, was hier verging, denn alle diese Vorbereitungen glichen mehr einem hohen Officier erwiesenen militärischen Honneurs als Vorsichtsmaßregeln gegen einen Gefangenen.
Das war noch nicht Alles, Canolles hatte nicht wahrgenommen, daß sich in dem Augenblick, wo er aus dem Wagen stieg, ein Fenster in der Wohnung des Gouverneurs öffnete, und daß ein Officier aufmerksam die Bewegungen des Schiffes und die Aufnahme beobachtete, die dem Gefangenen und seinen zwei Wächtern bereitet wurde.
Als dieser Officier sah, daß Canolles den Faß aus die Insel setzte, stieg er rasch herab und kam ihm entgegen.
»Ah! Ah!« sagte Canolles zu sich selbst, »das ist der Commandant des Platzes, der seinen Miethsmann in Augenschein nehmen will.«
»In der That,« sprach Barrabas, »Ihr werdet nicht verschmachten, wie gewisse Personen, welche man acht volle Tage in einem Hausgange läßt; man wird Euch sogleich in die Gefangenenliste eintragen.«
»Desto besser,« erwiederte Canolles.
Mittlerweile näherte sich der Officier. Canolles nahm die stolze, würdige Haltung einen verfolgten Mannes an.
Einige Schritte vor Canolles zog der Officier den Hut ab und fragte:
»Habe ich die Ehre mit dem Herrn Baron von Canolles zu sprechen?«
»Mein Herr,« antwortete Canolles, »Eure Artigkeit macht mich in der That verwirrt. Ja, ich bin der Baron von Canolles, ich bitte Euch, behandelt mich mit der Höflichkeit eines Officiers gegen einen andern Officier, und weist mir ein Quartier so wenig schlecht als möglich an.«
»Mein Herr,« sprach der Officier, »der Aufenthalt hier ist eigener Art; um jedoch Euren Wünschen zuvorzukommen, hat man alle mögliche Verbesserungen vorgenommen.«
»Und wem habe ich diese ungewöhnlichen Maßregeln zu verdanken?« fragte Canolles lächelnd.
»Dem König, der Alles was er thut, gut thut.«
»Ganz gewiß, ganz gewiß, mein Herr. Gott soll mich behüten, daß ich den König verleumde, besondere bei dieser Gelegenheit; es wäre mir indessen nicht unangenehm, einige Auskunft zu erhalten.
»Befehlt, mein Herr, ich stehe zu Eurer Verfügung; aber ich nehme mir die Freiheit, Euch zu bemerken, daß die Garnison Euch erwartet, um Euch zu empfangen.«
»Pest!« murmelte Canolles, »eine ganze Garnison, um einen Gefangenen zu empfangen, den man einsperrt, mir scheint, das sind gar zu viele Umstände.« Dann fügte er laut bei: »Ich bin zu Euren Befehlen, mein Herr, und bereit, Euch zu folgen, wohin Ihr mich führen wollt,«
»Erlaubt mir also, Euch voran zu gehen, um Euch die Honneurs zu machen.«
Canolles folgte ihm, sich im Stillen Glück wünschend, daß er in die Hände eines so höflichen Mannes gefallen war.
»Ich glaube, Ihr kommt mit der gewöhnlichen Folter davon, nur vier Flaschenkessel,« flüsterte ihm Barrabas zu.
»Desto besser!« sprach Canolles, »ich werde um die Hälfte weniger anschwellen.«
Als Canolles in den Hof der Citadelle kam, fand er einen Theil der Garnison unter den Waffen. Der Officier, der ihn führte, zog nun den Degen und verbeugte sich vor ihm.
»Mein Gott, was für Umstände!« murmelte Canolles.
In demselben Augenblick ertönte die Trommel unter dem Gewölbe; Canolles wandte sich um, zweite Reihe von-Soldaten, welche aus diesem Gewölbe hervormarschirte, stellte sich hinter der ersten auf.
Zugleich überreichte der Officier Canolles zwei Schlüssel.
»Was ist das?« fragte der Baron, »was macht Ihr denn?«
»Wir erfüllen das gewöhnliche Ceremoniel nach den strengsten Regeln der Etiquette«
»Für wen haltet Ihr mich denn?« fragte der Baron im höchsten Maße erstaunt.
»Für den, der Ihr seid, wie mir scheint, für den Herrn Baron von Canolles.«
»Weiter?«
»Gouverneur der Insel Saint- George.«
Canolles war so geblendet, daß er beinahe zu Boden sank.
Der Officier fuhr fort:
»Ich werde sogleich die Ehre haben, dem Herrn Gouverneur die Ernennung zu übergeben, welche mir diesen Morgen in Begleitung eines Briefes zugekommen ist, der mir seine Ankunft auf heute ankündigte.«
Canolles schaute Barrabas an, dessen Augen mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke von Verwunderung auf ihn geheftet waren.
»Ich bin also Gouverneur der Insel Saint-George?« stammelte Canolles.
»Ja, mein Herr,« antwortete der Officier, »und Seine Majestät hat uns durch diese Wahl sehr glücklich gemacht.«
»Ihr seid ganz sicher, daß kein Irrthum obwaltet?«
»Mein Herr, folgt mir in Eure Wohnung und Ihr werdet dort Euer Patent finden.«
Ganz verblüfft über ein Ereigniß, das entfernt nicht demjenigen gleicht, welches er erwartet hatte, setzte sich Canolles in Marsch und folgte, ohne ein Wort zu sagen, dem Officier, der ihm den Weg zeigte, mitten durch die Trommeln, die man nun wieder rührte, durch die Soldaten, welche ihre Gewehre präsentierten, und durch alle Bewohner der Festung, die ihn mit freudigem Zuruf empfingen; bleich und zitternd grüßte er rechte und linke und befragte Barrabas mit verwirrten Blicken.
Als er in einem hübschen Zimmer angelangt war, von dessen Fenstern man, wie er sogleich wahrnahm, das Schloß Cambes erschaute, las er sein Patent, das in gehöriger Form abgefaßt, von der Königin unterzeichnet und von dem Herzog von Epernon contrasignirt war.
Bei diesem Anblick brachen Canolles die Beine, und er fiel ganz bestürzt in einen Lehnstuhl.
Doch nach allen diesen Fanfaren, nach dem Musketenfeuer, nach den geräuschvollen Kundgebungen militärischer Huldigung, und besondere nach dem ersten Erstaunen, das diese Kundgebungen in ihm hervorgebracht hatten, wünschte Canolles zu wissen woran er sich in Beziehung auf den ihm von der Königin übertragenen Posten zu halten hätte, und schlug die Augen wieder auf, die er eine Zeit lang auf den Boden geheftet hatte.
Er sah nun seinen Exkerkermeister, nicht minder erstaunt als er selbst, mit dem Wesen seines gehorsamsten Dieners vor sich stehen.
»Ah! Ihr seid es, Meister Barrabas,« sagte er zu ihm.
»Ja, Herr Gouverneur.«
»Könnt Ihr mir erklären, was vorgefallen ist? Ich habe alle Mühe, es für etwas Anderes, als für einen Traum zu halten,«
»Ich erkläre Euch, gnädiger Herr, daß ich, als ich von der außerordentlichen Folter, das heißt von den acht Flaschenkesseln sprach, Euch, so wahr ich Barrabas heiße, die Pille noch zu vergolden glaubte.«
»Ihr wart also überzeugt?«
»Daß ich Euch zum Rädern hierher führte.»
»Ich danke,»sprach Canolles unwillkürlich schaudernd: »habt Ihr eine bestimmte Ansicht über das, was mir begegnet?«
»Ja, mein Herr.«
»Habt die Güte, mir dieselbe auseinanderzusetzen.«
»Hört also. Die Königin wird eingesehen haben, wie schwierig die Sendung war, mit der sie Euch beauftragt hatte. Als die erste Bewegung den Zornes vorüber war, hat sie wohl bereut, und der Ihr im Ganzen kein hasseswerther Mann seid, so hat Euch Ihre allergnädigste Majestät für die zu harte Bestrafung wieder entschädigt.«
»Unzulässig,« erwiederte Canolles.
»Unzulässig, Ihr glaubt?«
»Wenigstens unwahrscheinlich.«
»Unwahrscheinlich?«
»Ja.«
»Mein Herr Gouverneur, dann habe ich Euch nur noch meine unterthänige Reverenz zu machen. Ihr könnt auf der Insel Saint-George glücklich sein wie ein König. Vortrefflicher Wein, Wildpret, das die Ebene liefert, Fische, welche bei jeder Fluth die Barken von Bordeaux und die Weiher von Saint-George bringen; gnädiger Herr, oh! das ist wundervoll.«
»Seht gut, ich werde Euren Rath zu befolgen suchen; nehmt diese Anweisung und geht zu dem Zahlmeister, der Euch zehn Pistolen dagegen einhändigen wird. Ich würde sie Euch selbst gehen, da Ihr mir aber aus Klugheit mein Geld genommen habt . . .«
»Und daran habe ich wohl gethan,« rief Barrabas; »denn hättet Ihr mich bestochen, so wäret Ihr geflohen, und wäret Ihr geflohen, so hättet Ihr ganz natürlich die hohe Stellung verloren, zu der Ihr nun gelangt seid, was mich für immer untröstlich gemacht haben würde.«
»Vortrefflich geschlossen, weißer Barrabas. Ich habe bereits bemerkt, daß Ihr große Stärke in der Logik besitzt. Mittlerweile nehmt diesen Papier als ein Zeugniß Eurer Beredsamkeit. Die Alten stellten, wie Ihr wißt, die Beredsamkeit mit goldenen Ketten dar, welche aus ihrem Munde hervorkamen.«
»Gnädiger Herr,« versetzte Barrabas, »dürfte ich es wagen, Euch zu bemerken, daß ich es für unnöthig halte, zu dem Zahlmeister zu gehen . . .«
»Wie! Ihr schlagt es aus?« rief Canolles erstaunt.
»Nein, Gott soll mich bewahren! Dem Himmel sei es gedankt, ich habe keinen solchen falschen Stolz. Aber ich bemerke, daß aus einem Kistchen, welches auf Eurem Kamin steht, gewisse Schnüre hervorstehen, welche ganz den Eindruck von Börsenschnüren auf mich machen.«
»Ihr versteht Euch auf Schnüre, Meister Barrabas,« sagte Canolles ganz erstaunt; denn es stand wirklich auf dem Kamin ein Kistchen von alter Fayence mit Silber incristirt und mit Schmelzwerk der Reniassance. »Wir wollen sehen, ob Eure Ahnungen richtig sind.«
Canolles hob den Deckel des Kistchens auf und fand in der That eine Börse und in der Börse tausend Pistolen mit folgendem Billet:
»Für die Privatkasse des Herrn Gouverneur der Insel Saint-George.«
»Bei Gott,« sprach Canolles erröthend, »die Königin macht ihre Sachen gut.«
Und unwillkürlich kam ihm die Erinnerung an Buckingham in den Kopf; vielleicht hatte die Königin hinter irgend einem Vorhange das siegreiche Antlitz des schönen Kapitäns erschaut, vielleicht begünstigte sie ihn mit einer zärtlichen Theilnahme; vielleicht . ., man erinnert sich, daß Canolles ein Gascogner war.
Leider zählte die Königin damals zwanzig Jahre mehr, als zur Zeit von Buckingham.
Wie dem sein mochte und von welcher Seite ihm das Geschenk auch zukam, Canolles tauchte seine Hand in die Börse, nahm zehn Pistolen heraus und übergab sie Barrabas, der sich hiernach unter wiederholten ehrfurchtsvollen Bücklingen entfernte.
IX
Als Barrabas weggegangen war, rief Canolles den Officier und bat diesen, ihn zu der Revue zu führen, die er mit seinen neuen Staaten vornehmen wollte.
Der Officier unterzog sich sogleich seinen Befehlen. An der Thüre fand Canolles eine Art von Generalstab, bestehend aus den übrigen Hauptpersonen der Citadelle; er plauderte mit ihnen, ließ sich alle Mittel und Quellen erklären, welche die Oertlichkeit bot, und beschaute unter ihrer Führung die Basteien, die Glacis, die Halbmonde, die Keller und Speicher. Er lehrte endlich um elf Uhr, nachdem er Alles gesehen hatte, zurück. Sein Gefolge zerstreute sich, und Canolles blieb allein mit dem ersten Officier, den er Anfangs getroffen hatte.
»Nun,« sprach dieser sich ihm geheimnisvoll nähernd, »nun hat der Herr Gouverneur nur noch ein Zimmer und eine Person zu sehen.«
»Was beliebt?« fragte Canolles.
»Das Zimmer dieser Person ist dort,« erwiederte der Officier, den Finger nach einer Thüre ausstreckend, welche Canolles wirklich noch nicht geöffnet hatte.«
»Ah! es ist dort?« sagte Canolles.
»Ja.«
»Und die Person auch?«
»Ja,«
»Sehr gut. Doch verzeiht: ich bin sehr müde, da ich Tag und Nacht reisen mußte, und mein Kopf ist diesen Morgen nicht ganz gesund; ich bitte daher, erklärt Euch ein wenig deutlicher.«
»Wohl,« fuhr der Officier mit seinem feinsten Lächeln fort, »das Zimmer . . .«
»Die Person . . .« versetzte Canolles.
»Welche Euch erwartet, ist dort. Ihr begreift nun, nicht wahr?«
Canolles machte eine Bewegung, als käme er aus dem Lande der Abstractionen zurück, und sprach:
»Ja, ja, sehr gut; und ich kann dort eintreten?«
»Allerdings, denn man ermattet Euch.«
»Vorwärts,« sagte Canolles.
Sein Herz pochte, um die Brust zu zersprengen; er sah nicht mehr, er fühlte nur, wie sich seine Furcht und sein Verlangen in einem Grade vermischtem daß er ein Narr zu werden bange hatte, stieß in diesem Zustande eine zweite Thüre auf und erblickte hinter einem Vorhange die lachende, muthwillige Nanon, welche einen gewaltigen Schrei ausstieß, als wollte sie ihm Angst machen, und dann rasch ihre beiden Arme um den Hals des Barons schlang.
Canolles blieb unbeweglich, mit hängenden Armen und blicklosem Auge.
»Ihr!« stammelte er.
»Ich!« sprach sie, ihr Lachen und ihre Küsse verdoppelnd.
Die Erinnerung an sein Unrecht durchzuckte den Geist von Canolles, der, sogleich die neue Wohlthat seiner treuen Freundin errathend, von dem Gewichte der Reue und der Dankbarkeit niedergeschmettert blieb.
»Ah!« sagte er, »Ihr habt mich also gerettet, während ich mich wie ein Wahnsinniger zu Grunde richtete; Ihr wacht über mir, Ihr seid mein Schutzengel,«
»Nennt mich nicht Euren Engel, denn ich bin ein Teufel; doch erscheine ich nur im geeigneten Augenblick, das müßt ihr gestehen?«
»Ihr habt Recht, teure Freundin, denn in der That, ich glaube, Ihr errettet mich vom Schaffot.«
»Ich glaube es auch. Ah! Baron, wie kam es, daß Ihr, der Scharfsichtige, der Schlaue, Euch, durch diese Zieraffen von Prinzessinnen bethören ließet?«
Canolles erröthete bis unter das Weiße der Augen, aber Nanon war entschlossen, nichts von dieser Verlegenheit zu bemerken.
»In der That,« sagte er, »ich weiß es nicht, ich begreife es selbst nicht.«
»Oh! sie sind sehr verschmitzt. Ah! meine Herren, Ihr wollt mit den Frauen den Krieg fuhren. Was hat man mir doch erzählt? Man zeigte Euch statt der jungen Prinzessin ein Ehrenfräulein, eine Kammerfrau, irgend ein unbedeutendes Geschöpf . . . was?«
Canolles fühlte, wie das Fieber aus seinen zitternden Fingern in sein ausgetrocknetes Gehirn stieg.
»Ich glaubte die Prinzessin zu sehen,« sagte er, denn ich kannte sie nicht,«
»Und wer war es denn?«
»Ich denke eine Ehrendame.«
»Armer Junge, daran ist dieser Verräther Mazarin Schuld. Den Teufel! wenn man den Leuten eine so schwierige Sendung überträgt, gibt man ihnen, auch ein Portrait. Hättet Ihr nur ein Portrait der Frau Prinzessin gehabt oder gesehen, so würdet Ihr sie sicherlich erkannt haben. Sprechen wir übrigens nicht mehr hiervon. Wisst Ihr, daß Euch dieser abscheuliche Mazarin, unter dem Vorwande, Ihr hättet den König verrathen, zu den Kröten werfen wollte?«
»Ich vermuthete es.«
»Ich aber sagte: »»Wir wollen ihn zu den Nanons werfen lassen.«« Sprecht, habe ich wohl daran gethan.
Obgleich ganz eingenommen von der Erinnerung an die Vicomtesse, obgleich er das Portrait der Vicomtesse auf seinem Herzen trug, konnte Canolles doch nicht gegen die außerordentliche Güte, gegen diesen in den schönsten Augen der Welt strahlenden Geist Stand halten: er neigte das Haupt und drückte seine Lippen auf die hübsche Hand, die man ihm reichte.
»Und Ihr seid hierher gekommen, um mich zu erwarten?«
»Ich war im Begriff, Euch in Paris aufzusuchen, um Euch hierher zu führen. Ich brachte Euch Euer Patent; diese Abwesenheit währte mir zu lang; Herr von Epernon fiel allein mit seinem ganzen Gewicht auf mein einförmigen Leben zurück. Da erfuhr ich Euer Mißgeschick . . . Doch ich vergaß, Euch zu sagen: Ihr wißt Ihr seid mein Bruder?«
»Ich vermuthete es, als ich Euren Brief las,«
»Man hatte Euch ohne Zweifel verrathen. Der Brief, den ich Euch schrieb, war in schlechte Hände gefallen. Der Herzog kam wüthend an. Ich ernannte Euch zu meinem Bruder, armer Canolles, und wir werden durch die legitimste Verbindung beschützt. Ihr seid nun beinahe verheirathet, mein armer Freund,«
Canolles ließ sich durch die unglaubliche Gewalt dieser Frau hinreißen. Nachdem er ihre weißen Hände geküßt hatte, küßte er ihre schwarzen Augen. Der Schatten von Frau von Cambes mußte, traurig das Haupt verhüllend, entfliehen,«
»Von da an,« fuhr Nanon fort, »habe ich für Alles gesorgt, Alles geordnet; ich machte aus Herrn von Epernon Euren Beschützer oder vielmehr Euren Freund; ich beschwichtigte den Zorn von Mazarin. Dann wählte ich als Zufluchtsort Saint-George, denn Ihr wißt lieber Freund, man will mich immer noch steinigen. Nur Ihr allein in der Welt liebtet mich ein wenig, teurer Canolles. Sprecht, sagt mir,daß Ihr mich liebet.«
Und die reizende Nation schlang ihre Arme abermals um den Hals von Canolles und tauchte ihren glühenden Blick in die Augen des jungen Mannes, als wollte sie seinen Gedanken in der tiefsten Tiefe seines Herzens suchen.
Canolles fühlte in diesem Herzen, worin Nanon zu lesen suchte, daß er gegen so große Ergebenheit nicht unempfindlich bleiben konnte. Eine geheime Ahnung sagte ihm, es läge etwas mehr als Liebe in Nanon, es läge Großmuth in ihr, sie liebte nicht nur, sondern sie vergäbe auch.
Der junge Mann machte ein Zeichen mit dem Kopfe, um die Frage von Nanon zu beantworten, denn er hätte es nicht gewagt, ihr mit dem Munde zu sagen, daß er sie liebte, obgleich im Grunde seiner Brust alle Erinnerungen zu ihren Gunsten sprachen.
»Ich wählte also die Insel Saint-George, fuhr es sie fort, »nur mein Geld, meine Juwelen und meine Person in Sicherheit zu bringen. Welcher Andere, sagte ich mir, als der Mann, der mich liebt, kann mein Leben vertheidigen? Welcher Andere, als mein Geliebter kann mir meine Schätze bewahren? Alles ist in Euren Händen, Leben und Reichthum: teurer Freund, werdet Ihr sorgfältig über Alles wachen, werdet Ihr ein treuer Freund und treuer Wächter sein?«
In diesem Augenblick erklang eine Trompete im Hofe, und sie vibrierte in dem Herzen von Canolles; er hatte vor sich die Liebe beredter, als sie je gewesen war, er hatte hundert Schritte von sich den drohenden Krieg, den entflammenden, berauschenden Krieg.
»Oh! ja, Nanon,« rief er, »Eure Person und Eure Habe sollen bei mir in Sicherheit sein, und ich, schwöre Euch, ich werde sterben, um Euch vor der geringsten Gefahr zu retten,«
»Ich danke Euch, mein wackerer Ritter, ich bin von Eurer Tapferkeit eben so sehr, als von Eurem Edelmuth überzeugt. Ach!« fügte sie lächelnd bei, wäre ich auch Eurer Liebe so gewiß!«
»Oh!« murmelte Canolles, »seid versichert . . .«
»Gut, gut,« sprach Nanon, »die Liebe beweist sich nicht durch Schwüre, sondern durch Handlungen; nach dem, was Ihr thun werdet, mein Freund, wollen wir Eure Liebe beurtheilen.«
Und die schönsten Arme der Welt um den Hals von Canolles schlingend, neigte sie ihr Haupt auf die pochende Brust des jungen Mannes.
»Nun muß er vergessen,« sagte sie zu sich selbst, »und er wird vergessen.«