Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 27

Yazı tipi:

Siebentes bis achtes Bändchen

I

Während Canolles am anderen Tage seine Morgenrunde machte, näherte sich ihm Vibrac und übergab ihm ein Billet nebst einem Schlüssel; Beiden hatte in der Nacht ein Unbekannter gebracht und dem Lieutenant von der Wache mit der Bemerkung, es bedürfe keiner Antwort, eingehändigt.

Canolles bebte, als er die Handschrift von Frau von Cambes erkannte, und vermochte nur zitternd das Billet zu öffnen.

Es enthielt folgende Worte:

»In meinem letzten Schreiben benachrichtigte ich Euch, daß das Fort Saint-George in der Nacht angegriffen werden würde; in diesem sage ich Euch, daß das Fort Saint-George morgen genommen sein wird; als Mann, als Soldat des Königs seid Ihr keiner anderen Gefahr preisgegeben, als der Gefangener zu werden; Fräulein von Lartigues aber befindet sich in einer ganz andern Lage; der Haß, den man gegen sie hegt, ist so groß, daß ich nicht für ihr Leben stehen würde, wenn sie in die Hände der Bordelesen fiele. Bestimmt sie, zu fliehen, ich gebe Euch die Mittel dazu.

»Oben an Eurem Bette, hinter einer Tapete mit dem Wappen der Herren von Cambes, denen einst die Insel Saint-George als ein Theil ihres Grundbesitzes gehörte, womit mein verstorbener Gemahl den König beschenkt hat, findet Ihr eine Thüre, zu der ich Euch hiermit den Schlüssel schicke. Diese Thüre ist eine von den Oeffnungen eines unterirdischen Ganges, welcher sich unter dem Flusse durchzieht und in dem Herrenhause von Cambes ausmündet, Laßt Fräulein Nanon von Lartigues durch diesen Hang fliehen, und wenn Ihr sie liebt . . . flieht mit ihr.

»Ich stehe mit meiner Ehre für ihr Leben.

»Gott befohlen. Wir sind quitt.«

Vicomtesse von C a m b e s.«

Canolles las dieses Billet wieder und wieder, schauerte vor Schrecken bei jeder Zeile, erbleichte bei jedesmaligem Lesen; er fühlte, ohne dieses Geheimniß ergründen zu können, daß eine fremde Macht ihn umhüllte und über ihn verfügte. Der unterirdische Gang, welcher von seinem Bette aus mit dem Schlosse Cambes zusammenhing, hätte er nicht dazu dienen können, wenn das Vorhandensein desselben bekannt gewesen wäre, Saint-George in die Hände des Feindes zu liefern?

Vibrac folgte auf dem Gesichte des Gouverneur den letzten Bewegungen, welche sich darauf abspiegelten, und frage:

»Schlimme Nachrichten, Commandant?«

»Ja, es scheint, man wird uns in der nächsten Nacht angreifen.«

»Die Starrköpfe!« rief Vibrac; »ich hätte geglaubt, sie könnten sich für gehörig gestriegelt halten, und mir würden vor mindestens acht Tagen nicht mehr von ihnen sprechen hören.«

»Ich brauche Euch nicht die strengste Wachsamkeit zu empfehlen,« sagte Canolles.

»Seid unbesorgt, Commandant. Ohne Zweifel werden sie uns zu überrumpeln suchen, wie das letzte Mal.«

»Ich weiß es nicht, aber wir wollen uns für jeden Fall bereit halten und dieselben Vorsichtsmaßregeln nehmen, wie jüngst. Vollendet die Runde an meiner Stelle; ich kehre in meine Wohnung zurück, wo ich einige Befehle auszufertigen habe.«

Vibrac machte ein Zeichen der Beistimmung und entfernte sich mit der ganzen militärischen Sorglosigkeit die den Männern eigenthümlich ist, welche bei jedem Schritte der Gefahr zu begegnen ausgesetzt sind.

Canolles kehrte in seine Wohnung zurück und ging mit aller möglichen Behutsamkeit zu Werk, um von Nanon nicht gesehen zu werden; nachdem er sich versichert hatte, daß er allein war, schloß er sich ein.

Oben an seinem Bette erblickte er das Wappen der Herren von Cambes aus einem von einem goldenen Band umgebenen Stück Tapete.

Canolles hob das Band auf, das, sich von der Tapete losmachend, den Rand einer Thüre zeigte.

Diese Thüre öffnete sich mit dem Schlüssel, den die Vicomtesse dem jungen Mann zugleich mit dem Billet hatte zustellen lassen, und die Mündung eines unterirdischen Ganges bot sich, gähnend und sichtbar in der Richtung des Schlosses Cambes sich vertiefend, den Augen von Canolles.

Canolles blieb einen Augenblick stumm und der Schweiß lief von seiner Stirne. Dieser geheimnisvolle Gang, der nicht der einzige sein konnte, erschreckte ihn unwillkürlich.

Er zündete eine Kerze an, um denselben zu untersuchen.

Zuerst stieg er zwanzig steile Treppen hinab, dann fuhr er auf einem sanfteren Abhange fort, in die Tiefe der Erde einzudringen.

Bald hätte er ein dumpfes Geräusch, das ihm Anfangs bange machte, da er nicht wußte, welche Ursache er dasselbe zuschreiben sollte; aber weiter vorrückend erkannte er über seinem Haupte das ungeheure Tosen des sein Gewässer nach dem Meere wälzenden Flusses.

Mehre Spalten hatten sich in dem Gewölbe gebildet, durch welche in verschiedenen Perioden Wasser eingedrungen sein mußte, aber ohne Zweifel zu rechter Zeit wahrgenommen, hatte man diese Spalten mit einem Cement verstopft, das später härter geworden war, als der Stein, den es befestigte.

Beinahe zehn Minuten lang hörte Canolles das Rollen des Wassers über seinem Kopfe; dann verminderte sich das Geräusch allmälig und bald war es nur noch ein Gemurmel. Endlich erlosch das Gemurmel ebenfalls, Stillschweigen trat ein, und nachdem er fünfzig Schritte unter diesem Stillschweigen gemacht hatte, gelangte Canolles zu einer Treppe, der ähnlich, auf welcher er herabgestiegen war; diese Treppe schloß auf ihrer letzten Stufe eine massive, durch eine eiserne Platte feuerfeste, Thüre, welche zehn Mann mit vereinigten Kräften nicht zu erschüttern im Stande gewesen wären.

»Nun begreife ich,« sagte Canolles; »man wird Nanon an dieser Thüre erwarten und sie retten.«

Canolles kehrte um, ging unter dem Wasser durch, fand seine Treppe wieder, stieg in sein Zimmer hinauf, befestigte das Band und begab sich äußerst nachdenkend zu Nanon.

Nanon war, wie gewöhnlich, umgeben von Karten, Briefen und Büchern. Die arme Frau führte auf ihre Weise den Bürgerkrieg für den König. Sobald sie Canolles gewahrte, reichte sie ihm entzückt die Hand und sprach:

»Der König kommt, und in acht Tagen sind wir außer Gefahr.«

»Er kommt immer,« erwiederte Canolles, »doch leider trifft er nie ein.«

»Oh! dießmal bin ich gut unterrichtet, lieber Baron, und er wird vor acht Tagen hier sein.«

»So sehr er sich auch beeilen mag, Nanon, so wird er doch für uns zu spät kommen.«

»Was sagt Ihr?«

»Ich sage, daß Ihr, statt Euch auf diesen Karten und Papieren zu erhitzen, wohl daran thun würdet, an Mittel zur Flucht zu denken.«

»Fliehen! und warum?«

»Weil ich schlimme Kunde habe, Nanon.« Eine neue Expedition bereitet sich vor: dießmal kann ich unterliegen.«

»Wohl, mein Freund, ist es nicht abgemacht, daß Euer Geschick das meinige, daß Euer Glück das meine ist?«

»Nein, das kann nicht sein; ich wäre zu schwach, wenn ich für Euch zu befürchten hätte. Wollten sie Euch nicht in Agen im Feuer sterben lassen? Wollten sie Euch nicht in den Fluß stürzen? Hört, Nanon, aus Mitleid für mich besteht nicht darauf hier zu bleiben, Eure Gegenwart würde mich irgend eine Feigheit begehen lassen.«

»Mein Gott, Canolles, Ihr erschreckt mich.«

»Nanon, ich flehe Euch an, schwört mir, wenn man mich angreift, das zu thun, was ich befehlen werde.«

»Oh! mein Gott, wozu soll dieser Eid nützen?«

»Um mir die Kraft zum Leben zu geben. Nanon, wenn Ihr mir nicht blindlings zu gehorchen gelobt, so schwöre ich Euch, daß ich mich bei der nächsten Gelegenheit tödten lasse.«

»Ah! ich schwöre Euch bei unserer Liebe, ich werde Alles thun, was Ihr wollt.«

»Gott sei Dankt theuere Nanon, nun bin ich ruhig. Packt Eure kostbarsten Juwelen zusammen. Wo ist Euer Gold?«

»In einem in Eisen gebundenen Faß.«

»Haltet Alles bereit, damit man es mit Euch fortnehmen kann.«

»Oh! Canolles, Ihr wißt wohl, daß der wahre Schatz meines Herzens weder in meinem Geld, noch in meinen Juwelen besteht. Canolles, soll alles Dieß nicht dazu dienen, mich von Euch zu entfernen?«

»Nanon, nicht wahr, Ihr haltet mich für einen Mann von Ehre? Wohl, bei meiner Ehre, was ich thue, wird mir einzig und allein von der Furcht vor der Gefahr, der Ihr preisgegeben seid, eingegeben.«

»Und Ihr glaubt im Ernste an diese Gefahr?«

»Ich glaube, daß die Insel Saint-George morgen genommen sein wird.«

»Aber wie?«

»Ich weiß nicht, aber ich glaube es.«

»Und wenn ich zur Flucht einwillige?«

»So werde ich Alles thun, um zu leben, Nanon, das schwöre ich Euch.«

»Ihr befehlt, Freund, und ich gehorche,« sagte Nanon, ihm die Hand reichend, und sie vergaß in ihrem Eifer, ihn anzuschauen, die zwei schweren Thränen, welche an ihren Wangen herabliefen.

Canolles drückte Nanon die Hand und ging hinaus. Wäre er noch einen Augenblick geblieben, so würde er diese zwei Perlen mit seinen Lippen aufgefaßt haben, aber er legte die Hand auf den Brief der Vicomtesse, und dieser Brief verlieh ihm, einem Talisman ähnlich, die Kraft, sich zu entfernten.

Der Tag war grausam. Die so bestimmte Drohung: »Morgen wird die Insel Saint-George genommen sein« toste unablässig in den Ohren von Canolles. Wie? durch welches Mittel? welche Gewißheit hatte die Vicomtesse, um so zu ihm zu sprechen? Würde er zu Wasser, würde er zu Lande angegriffen werden? Von welchem Punkte aus sollte diesen unsichtbare, aber dennoch gewisse Unglück, über ihn einbrechen? Es war, um verrückt zu werden.

So lange der Tag währte, verbrannte Canolles, überall seine Feinde suchend, die Augen in der Sonne. Am Abend gebrauchte Canolles seine Augen, um die Tiefen des Waldes, die Horizonte der Ebene, die Krümmungen des Flusses zu sondieren. Alles vergebens, er sah nichts.

Und als es völlig Nacht geworden war, erleuchtete sich ein Flügel des Schlosses Cambes: es war das erste Mal, daß Canolles daselbst Licht erblickte, seitdem er sich auf der Insel Saint-George befand.

»Ah!« sagte er, »die Retter von Nanon sind an ihrem Posten.«

Und ein tiefer Seufzer entstieg seiner Brust.

Welch ein seltsames, geheimnisvolles Räthsel umschließt das menschliche Herz! Canolles liebte Nanon nicht mehr, Canolles betete Frau von Cambes an, und dennoch fühlte Canolles seine Seele in dem Augenblick brechen, wo er sich von derjenigen, welche er nicht mehr liebte, trennen sollte; nur fern von ihr und wenn er sie zu verlassen im Begriffe war, fühlte er die wahre Kraft der sonderbaren Zuneigung, die er für dieses reizende Geschöpf hegte.

Die ganze Garnison war auf den Wällen, um zu wachen. Des Schauens müde, befragte Canolles die nächtliche Stille. Nie war eine Finsternis stummer gewesen, kein Geräusch störte diese Ruhe, welche die einer Wüste zu sein schien.

Plötzlich kam Canolles der Gedanke, der Feind würde vielleicht durch den von ihm durchforschten unterirdischen Gang in das Fort dringen. Es war dies nicht sehr wahrscheinlich, denn in diesem Falle würde man ihn nicht zum Voraus darauf aufmerksam gemacht haben; nichtsdestoweniger beschloß er, diesen Gang zu bewachen. Er ließ ein Pulverfaß mit einer Lunte bereit halten, wählte den Bravsten von seinen Sergenten, wälzte das Faß auf die letzte Stufe des unterirdischen Gewölbes, zündete eine Fackel an und gab sie dem Sergenten in die Hand. Zwei Soldaten standen in seiner Nähe.

»Wenn sich mehr als sechs Menschen in diesem Gange zeigen,« sagte er zudem Sergenten, »so fordere sie zuerst auf, sich zurückzuziehen; weigern sie sich, so zünde die Lunte an und wälze das Faß fort; da der Gang abgängig ist, so wird es mitten unter ihnen zerspringen.«

Der Sergent nahm die Fackel; die zwei Soldaten blieben beleuchtet von dem röthlichen Reflexe hinter ihm stehen, während zu ihren Füßen das Pulverfaß lag.

Canolles stieg, wenigstens von dieser Seite beruhigt, wieder hinauf; aber in sein Zimmer zurückkehrend, erblickte er Nanon, die ihm, da sie ihn hatte vom Walle herabsteigen und in seine Wohnung gehen sehen, gefolgt war, um Kunde zu erhalten. Erschrocken schaute sie die ihr unbekannte gähnende Oeffnung an.

»Ah! mein Gott,« fragte sie, »was bedeutet diese Thüre?«

»Es ist die des Ganges, durch welchen Du fliehen sollst, theuere Nanon.«

»Du hast mir versprochen, ich würde Dich nur im Falle eines Angriffs zu verlassen haben.«

»Und ich verspreche es Dir abermals.«

»Alles scheint ruhig um die Insel her, mein Freund.«

»Auch innerhalb des Fort scheint Alles ruhig, nicht wahr? Dennoch sind zwanzig Schritte von uns ein Pulverfaß, ein Mann und eine Fackel. Näherte der Mann die Fackel dem Pulverfaß, so wurde in einer Sekunde in diesem ganzen Schloß kein Stein mehr auf dem andern bleiben. So ist Alles ruhig, Nanon!«

Die junge Frau erbleichte.

»Ah! Ihr macht mich beben,« rief sie.

»Nanon,« sprach Canolles, »ruft Eure Frauen, sie mögen mit Euren Schmuckkästchen hierher kommen, Euren Kammerdiener, er komme mit Eurem Gelde. Vielleicht habe ich mich getäuscht, vielleicht wird diese Nacht nichts vorfallen; aber gleichviel, wir wollen uns bereit halten.«

»Wer da?« rief die Stimme des Sergenten in dem unterirdischen Gewölbe.

Eine andere Stimme antwortete, aber ohne einen feindlichen Ton.

»Hört,« sagte Canolles, »man kommt, um Euch zu holen.«

»Man greift noch nicht an, mein Freund, Alles ist ruhig; laßt mich bei Euch bleiben, sie werden nicht kommen.«

Als Nanon diese Worte vollendete, erscholl der Ruf: »Wer da?« dreimal in dem innern Hof, und das dritte Mal folgte darauf der Knall einer Muskete.

Canolles eilte an das Fenster und öffnete es.

»Zu den Waffen!« rief die Schildwache, »zu den Waffen!«

Canolles sah in einer Ecke eine schwarze, bewegliche Masse; es war der Feind, welcher aus einer niedrigen, gewölbten Pforte hervorströmte, die sich nach einem Keller öffnete, welcher als Holzkammer benützt wurde; ohne Zweifel war in diesem Keller eine geheime Oeffnung, wie oben an dem Bette von Canolles.

»Hier sind sind sie!« rief Canolles; »beeilt Euch, hier sind sie.«

In demselben Augenblick erwiederte das Feuer von etwa zwanzig Musketen den Schuß der Schildwache. Ein paar Kugeln zerschmetterten die Scheiben des Fensters, welches Canolles rasch wieder schloß.

Er wandte sich um, Nanon lag auf den Knieen.

Durch die innere Thüre liefen die Frauen und ihr Lackei herbei:

»Es ist kein Augenblick zu verlieren, Nanon,« rief Canolles; »kommt! Kommt!«

Und er zog die junge Frau in seine Arme empor, wie er es mit einer Feder gethan hätte, drang in den unterirdischen Gang und rief den Leuten von Nanon zu, sie sollten ihm folgen.

Der Sergent war, die Fackel in der Hand, an seinem Posten, die zwei Soldaten hielten sich, die Lunte angezündet bereit, Feuer auf eine Gruppe zugeben, in deren Mitte bleich und unter vielen Freundschaftsversicherungen unser alter Bekannter, Meister Pompée, erschien.

»Oh! Herr von Canolles,« rief er, »sagt ihnen doch, wir seien die Leute, die Ihr erwartet; was Teufels! man macht keine solche Späße mit Freunden.«

»Pompée,« sprach Canolles, »ich empfehle Euch diese Dame; es hat mir Jemand, den Ihr kennt, bei seiner Ehre für sie gebürgt. Ihr haftet nur für sie mit Eurem Kopfe.«

»Ja, ja, ich hafte für Alles,« erwiederte Pompée.

»Canolles, Canolles, ich verlasse Euch nicht,« rief Nanon, sich an den Hals des jungen Mannen anklammernd; »Canolles, Ihr habt mir versprochen, mir zu folgen.«

»Ich habe gelobt, das Fort Saint-George zu verteidigen, so lange ein Stein auf dem andern stünde, und ich werde mein Versprechen halten.«

Und trotz des Geschreis, des Flehens, der Bitten von Nanon übergab er sie den Händen von Pompée, der, unterstützt von zwei oder drei Lackeien von Frau von Cambes und der eigenen Dienerschaft der Flüchtigen, diese in die Tiefe des unterirdischen Ganges fortzog.

Canolles folgte mit den Augen einige Sekunden dem zarten, weißen Phantome, das sich, die Arme nach ihm ausgestreckt, entfernte. Plötzlich aber erinnerte er sich, daß er anderswo erwartet wurde, und eilte mit dem Sergenten und den zwei Soldaten nach der Treppe.

Vibrac war in seinem Zimmer, Ohne Hut, bleich und den Degen in der Hand.

»Commandant,« rief er, als er Canolles erblickte, »der Feind, . . .der Feind!«

»Ich weiß es.«

»Was ist zu thun?«

Bei Gott! eine schöne Frage; wir müssen uns tödten lassen.«

»Canolles eilte nach dem Hofe. Unterwegs bemerkte er eine Schanzgräberaxt und ergriff dieselbe.

Der Hof war voll von Feinden; sechzig Soldaten der Garnison versuchten es, in einer Gruppe vereinigt die Thüre der Wohnung von Canolles zu vertheidigen. Geschrei und Flintenschüsse von der Seite des Walles verkündigten, daß man überall handgemein war.

»Der Commandant! der Commandant!« riefen die Soldaten, sobald sie Canolles gewahr wurden.

»Ja! Ja!« antwortete dieser, »der Commandant kommt, um mit Euch zu sterben. Muth! Freunde! Muth! man hat Euch durch Verrath gefaßt, da man Euch nicht besiegen konnte.«

»Alles ist gut im Kriege,« sprach die spöttische Stimme von Ravailly, der, den Arm in der Binde, seine Leute anfeuerte, Canolles zu ergreifen. »Ergib Dich, Canolles, ergib Dich, und Du sollst eine gute Capitulation bekommen.«

»Ah! Du bist es, Ravailly,« rief Canolles. »Ich glaubte doch, die Schuld der Freundschaft an Dich abgetragen zu haben? Du bist nicht zufrieden, warte. . .!«

Und Canolles sprang fünf bis sechs Schritte vor, und schleuderte die Axt, welche er in der Hand hielt, mit solcher Gewalt nach Ravailly, daß sie neben dem Kapitän von Navailles den Helm und den Hausse-col eines Bürgerofficiers spaltete, welcher todt niederstürzte.

»Pest!« sprach Ravailly, »so erwiederst Du die Höflichkeiten, die man Dir erzeigt? Ich sollte übrigens an Deine Manieren gewöhnt sein. Freunde, er ist rasend, Feuer auf ihn! Feuer!«

Auf diesen Befehl brach ein kräftiges Gewehrfeuer aus den feindlichen Reihen hervor, und fünf bis sechs Mann fielen neben Canolles.

»Feuer!« rief dieser ebenfalls, »Feuer!«

Aber es antworteten kaum ein paar Musketenschüsse. In dem Augenblick überrumpelt, wo sie es am wenigsten erwarteten, und durch die Nacht beängstigt, hatten die Soldaten von Canolles den Muth verloren.

Canolles sah, daß nichts mehr zu thun war.

»Geht herein,« sagte er zu Vibrac, »geht herein, und laßt Eure Leute ebenfalls hereingehen; wir verrammeln uns und ergeben uns nur, wenn sie unsere Stellung im Sturme erobert haben.«

»Feuer!« wiederholten zwei andere Stimmen, die von d’Espagnet und Larochefoucault. »Erinnert Euch, daß Eure todten Kameraden Rache fordern. Feuer!«

Und der Eisenorkan pfiff abermals um Canolles, ohne ihn zu treffen, aber er decimirte zum zweiten Male seine kleine Truppe.

»Zurück!« rief Vibrac, »zurück!«

»Frisch auf!« schrie Ravailly; »vorwärts! Freunde, vorwärts!«

Die Feinde rückten vor; Canolles hielt mit höchstens zehn Mann den Angriff auf; er hatte die Flinte eines todten Soldaten aufgehoben und bediente sich derselben als einer Keule.

Seine Gefährten zogen sich zurück und er selbst zog sich zuletzt mit Vibrac in das Innere.

Beide stemmten sich nun gegen die Thüre an; es gelang ihnen, dieselbe, trotz der Anstrengungen des Feindes, zuzudrücken und mittelst einer ungeheuren eisernen Stange zu befestigen.

Die Fenster waren vergittert.

»Aexte, Hebeeisen, Kanonen, wenn es sein muß!« rief die Stimme des Herzogs von Larochefoucault; »wir müssen sie Alle haben, todt oder lebendig.«

Ein furchtbares Feuer folgte auf diese Worte; mehre Kugeln durchlöcherten die Thüre, eine derselben zerschmetterte Vibrac den Schenkel.

»Meiner Treue, Commandant,« sagte dieser, »ich habe meine Rechnung, sucht nun die Eure in Ordnung zu bringen; das geht mich nichts mehr an.«

Und er sank an der Mauer hin, da er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.

Canolles schaute umher; ein Dutzend Soldaten war noch im Vertheidigungsstande; der Sergent, den er in dem unterirdischen Gewölbe als Wache aufgestellt hatte, befand sich unter ihnen.

»Die Fackel,« sagte er zu ihm, »was hast Du mit der Fackel gemacht?«

»Meiner Treue, Commandant, ich habe sie neben das Faß geworfen.«

»Brennt sie noch?«

»Wahrscheinlich.«

»Gut. Laß alle diese Leute durch die Thüren, durch die hinteren Fenster hinaus. Erlange für sie und für Dich die beste Capitulation, die Du zu erzielen vermagst; das Uebrige geht mich an.«

»Aber, mein Commandant. . . «

»Gehorche.«

Der Sergent beugte das Haupt und machte seinen Soldaten ein Zeichen, ihm zu folgen. Sogleich verschwanden Alle durch die inneren Gemächer: sie hatten die Absicht von Canolles begriffen und verspürten keine große Lust in sich, mit ihm in die Luft gesprengt zu werden.

Canolles horchte einen Augenblick; man bearbeitete die Thüre mit Axtstreichen, ohne daß das Gewehrfeuer deßhalb aufhörte; man schoß auf den Zufall und nach den Fenstern, in der Vermuthung die Belagerten könnten hinter denselben im Hinterhalte liegen.

Plötzlich verkündigte ein gewaltiges Geräusch, daß die Thüre nachgegeben hatte, und Canolles hörte, wie die Menge mit Freudengeschrei in das Schloß stürzte.

»Gut, gut,« murmelte er, »in fünf Minuten wird dieses Freudengeschrei in ein Geheule der Verzweiflung verwandelt sein.«

Und er eilte in den unterirdischen Gang.

Aber auf dem Fasse saß ein junger Mann, die Fackel zu seinen Füßen, den Kopf auf seine beiden Hände gestützt.

Bei dem Geräusche erhob der junge Mann das Haupt, und Canolles erkannte Frau von Cambes.

»Ah!« rief sie aufstehend, »du bist es endlich.«

»Claire,« murmelte Canolles, »was wollt Ihr hier?«

»Mit Euch sterben, wenn Ihr sterben wollt.«

»Ich bin entehrt, verloren, ich muß wohl sterben.«

»Ihr seid gerettet und glorreich, gerettet durch mich!«

Verloren durch Euch! Hört ihr sie? sie kommen, hier sind sie! Flieht, Claire, flieht durch diesen unterirdischen Gang; Ihr habt fünf Minuten, das ist mehr, als Ihr braucht.«

»Ich fliehe nicht, ich bleibe.«

»Aber wißt Ihr, warum ich hier herabgestiegen bin? wißt Ihr, was ich thun will?«

Frau von Cambes hob die Fackel auf, näherte sich dem Pulverfaß und erwiederte:

»Ich vermuthe es.«

»Claire,« rief Canolles erschrocken, »Claire!«

»Wiederholt nach einmal, daß Ihr sterben wollt, und wir sterben mit einander.«

Das bleiche Antlitz der Vicomtesse deutete eine solche Entschlossenheit an, daß Canolles begriff, sie würde thun, was sie sagte: er hielt inne.

»Aber, was wollt Ihr denn?« fragte er.

»Daß Ihr Euch ergebt.«

»Nie!« rief Canolles.

»Die Zeit ist kostbar,« sprach die Vicomtesse, »ergebt Euch, Ich biete Euch das Leben, ich biete Euch die Ehre an, indem ich Euch die Entschuldigung des Verrathes gebe.«

»So laßt mich fliehen, ich lege mein Schwert vor die Füße des Königs und verlange Gelegenheit, mir Genugthuung zu verschaffen.«

»Ihr werdet nicht fliehen.«

»Warum?«

»Weil ich nicht so leben kann; weil ich nicht von Euch getrennt leben kann; weil ich Euch liebe.«

»Ich ergebe mich, ich ergebe mich,« rief Canolles, vor Frau von Cambes auf die Kniee stürzend und die Fackel, welche er in der Hand hielt, weit von sich schleudernd.

»Ah!« murmelte die Vicomtesse, »dießmal halte ich ihn, und man wird ihn mir nicht mehr nehmen.«

Es lag hierin etwas Seltsames und doch Erklärliches: die Liebe wirkte auf eine entgegengesetzte Weise auf diese zwei Frauen.

Zurückhaltend, sauft, schüchtern, war Frau von Cambes entschieden, kühn und stark geworden.

Launenhaft, eigensinnig, glühend, war Nanon schüchtern, sanft und zurückhaltend geworden.

So kam es, weil Frau von Cambes sich immer mehr von Canolles geliebt fühlte.

So, weil Nanon fühlte, daß die Liebe von Canolles jeden Tag mehr abnahm.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
04 aralık 2019
Hacim:
670 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 3,8, 4 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre