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Kitabı oku: «Der Geflügelschütze», sayfa 3

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Drittes Kapitel.
Alain Montplet’s erste Waffen

Als Alain Montplet einmal diesen Weg der thörichten Ausgaben und der wucherischen Anleihen betreten hatte, konnte er nicht mehr anhalten.

Bei jedem dieser ohne Aufhören wiederkehrenden Bedürfnisse wendete er sich an Thomas Langot.

Die Anforderungen dieser Art erneuerten sich so oft, daß der Wucherer, sei es nun wirkliche Erschöpfung oder Berechnung, eines schönen Tages seinem Clienten im Vertrauen zu verstehen gab, daß er Unrecht thue, nicht von Jean Montplet den Antheil zu verlangen, der ihm von einem mütterlichen Erbe zukomme.

Diesmal erbebte Alain, als wenn ihn ein Viper gestochen hätte.

Er dachte einen Augenblick nach und antwortete dann, daß seine Mutter als einfache Bäuerin ihrem Manne nichts zugebracht habe und daß ein Anspruch an Gütergemeinschaft von einer Seite nicht gerechtfertigt sein würde.

Langot mochte, wie er wollte, die hübsche runde Summe, welche die Theilung ihm einbringen würde, vor den Augen des jungen Mannes funkeln lassen; er mochte ihm das Verlangen einflößen, Paris zu sehen und sich den zahllosen Vergnügungen hinzugeben, die man dort findet, wenn man ein hübsches Gesicht und eine wohl gefüllte Börse hat. Alain widerstand fortwährend diesen glänzenden Vorspiegelungen.

Ungeachtet seiner Leichtigkeit war Alain von keiner üblen Gemüthsart. Er liebte seinen Vater und war unfähig zu einer überlegten Absicht, ihm, ohne durch irgend eine Leidenschaft dazu getrieben zu werden, einen so großen Kummer zu verursachen.

Aber die Umstände zogen ihn wider seinen Willen zu dem Abhange hin, zu welchem Langot ihn hinschob.

In Folge einer kleinen Anforderung, wo der brutale Gläubiger mit Execution und Verkauf gedroht hatte, wurde der Erbe der Meyerei – nachdem Jean Montplet dem Anforderer ins Gesicht gelacht und ihm gesagt hatte, daß sein Sohn ein Lump sei, ohne Geld oder Geldeswerth, von dem er nicht mehr, als von einer Eierschale würde herunterscheeren können – so erbittert von diesen Worten, die er gehört hatte, daß er, als der Gläubiger fort war, seinerseits eintrat und ganz einfach zu Jean Montplet sagte, daß er, Alain, noch kein so großer Lump sei, als wofür sein Vater ihn ausgeben wolle, da er noch das Vermögen seiner Mutter habe, wovon man ihm noch nie gesprochen.

Da Jean Montplet schon sehr aufgebracht war, so kannte sein Zorn keine Grenzen, als er diese Anforderung aussprechen hörte, die er nicht erwartet hatte und die durch die Art, wie sie gemacht wurde, zugleich etwas Vorwurfsvolles und Drohendes an sich hatte.

Alain, der vielleicht das Gefühl der kindlichen Liebe hatte, dem aber der Zauber derselben fehlte, antwortete auf diesen Ausbruch des väterlichen Zornes mit einigen unpassenden Worten, und der alte Landmann, aufgebracht von dieser Undankbarkeit, verfluchte seinen Sohn und jagte ihn aus dem Hause.

Zu Thomas Langot ging Alain Montplet, um ihm seinen Kummer mitzutheilen.

Er fand den Wucherer selbst in einem lebhaften Kummer.

Langot hatte sein Vermögen nicht so verbergen können, daß es nicht durch die rissigen Wände und die trüben Fensterscheiben seines Hauses gestrahlt.

Die Folge von diesem Mangel an Verschwiegenheit der Wände und Fensterscheiben war, daß die Anforderungen der arm gebliebenen Familie zu ihm drangen.

Langot hatte bis dahin heroisch dem Andringen widerstanden, welches ein wirkliches Elend vor den Augen der Welt rechtfertigte, aber nicht vor den seinigen, die durchdringender und schwerer zu rühren waren, als plötzlich der Mann einer seiner Nichten, ein armer Fischer von der Küste, in einem Sturme umgekommen war und seine Frau als Wittwe und ohne Hilfsmittel mit einem Kinde von sieben bis acht Jahren hinterlassen hatte. Der Maire von Maisy, von diesem großen Mißgeschicke gerührt, war in Person gekommen, um Langot in seinem Laden aufzusuchen und ihn im Namen der Familienbande und der christlichen Liebe aufzufordern, irgend Etwas für die arme Jeanne Marie zu thun. – Dies war der Name der Wittwe.

Der Materialhändler, der in diesem Augenblicke nach der Würde eines Gemeinderathes strebte, hatte nicht gewagt, sich zu weigern, wie er zu thun große Lust hatte. Nur hatte er es so eingerichtet, diese Großmuth so wenig lästig wie möglich werden zu lassen.

Bis dahin hatte er die Geschäfte seines kleinen Haushalts und eines vielseitigen Handels allein besorgt, und es war ein Wunder, zu begreifen, wie er, da er weder lesen noch schreiben und nur einen Namen unterzeichnen konnte, dahin gelangt war.

So machte Thomas Langot, vermöge eines bewunderungswürdigen Mechanismus des Gedächtnisses, alle seine Berechnungen im Kopfe.

Freilich, da er bei dem täglichen Verkaufe an die Bewohner von Maisy keinen Credit gab, so bedurfte er auch keines Rechnungsbuches, und was seine Schuldscheine und Wechsel betraf, so waren sie von Dem unterschrieben, der sie ihm ausstellte.

Aber wir begreifen wohl, daß Dies alles, so wie sich die Geschäfte vervielfachten, eine kopfbrechende Arbeit war.

Uebrigens wurde Thomas Langot alt; er fühlte das Bedürfniß eines Beistandes hinsichtlich der materiellen Seite seiner Haushaltung; und als ihm die Aufforderung des Maire kam, war er beinahe entschlossen, sich den Luxus einer Magd zu gestatten.

Thomas Langot hatte also eben feierlich der Behörde angekündigt, daß er seine Nichte Jeanne Marie und das verwaiste Kind bei sich aufnehmen wolle.

Es waren zwei Personen zu ernähren, aber es war eine Entschädigung dabei – er durfte keinen Lohn ausgeben; und doch, ungeachtet dieser Entschädigung, von der wir sprechen, die ihm aber wahrscheinlich nicht recht einleuchten wollte, fand der Materialhändler den Handel nicht sehr vortheilhaft, denn wir haben gesagt, daß er in sehr übler Laune war, als Alain Montplet die Thür seines Ladens öffnete.

Ein ärmlicher Laden war es, mit dem Ladentische zur Rechten des Einganges; dann kam der Kamin ohne Feuer – im Winter wie im Sommer, das Bett im Schatten der Tiefe und über die ganze übrige Wand Regale und Schubfächer mit Aufschriften.

In diesem Laden verschimmelte Thomas Langot, indem er sich wie ein Pilz abrundete.

Uebrigens war es eine gute Neuigkeit, die ihm sein Client Alain brachte, indem er ihm ankündigte, daß er sich mit seinem Vater entzweit habe.

Auch war sie genügend, den Aerger des Wucherers zu beseitigen. Thomas ließ sich den Streit von dem jungen Manne zweimal umständlich erzählen, dann rieb er sich geräuschlos die Hände, indem er Grimassen schnitt:

»Es ist ärgerlich, es ist Schade, es ist widerwärtig, einen Sohn und einen Vater so auf’s Aeußerste kommen zu sehen!«

Aber dieses Aeußerste war gerade eine Angelegenheit für Thomas Langot; und vermöge der Vorschüsse, die er dem Sohne bereits gemacht, und die er ihm noch zu machen gedachte, sah er sich schon im Traum am Winkel des großen Kamins im Meyerhause, einen Becher Cider von dem berühmten Obstgarten in kleinen Zügen nippend; und um diesen Traum zu verwirklichen, begann er, während er sich stellte, als bedauere er seine Lage, den Sohn zum Kriege zu treiben.

Wie alle Männer von sanguischem Temperamente, die gewöhnlich heftig und gute Menschen sind, hatte Jean Montplet, als der Anfall eines Zornes sich besänftigt hatte, bedauert, wohin ihn derselbe geführt. Er hatte einen Fluch so schnell zurückgenommen, daß der liebe Gott – so hoffte er wenigstens – nicht Zeit gehabt hatte, ihn in die Tafeln seines Gerichts einzutragen; dann, als er seinen Fluch zurückgenommen hatte, als wenn ein Sohn hätte fühlen müssen, daß er nicht mehr über einem Kopfe schwebe, erwartete er Alain, um ihm seine Arme zu öffnen, ihn an sein Herz zu drücken und ihn um Verzeihung zu bitten wegen des Unrechtes, welches ihm das böse Kind zugefügt hatte.

Vielleicht, wäre Thomas Langot nicht gewesen, so hätten diese Arme den Sohn umfaßt und Alles wäre vergessen gewesen.

Aber anstatt Alain’s war es ein Gerichtsdiener, der sich an der Barriere zeigte, welche der Obstgarten auf der Meyerei bildete.

Dieser Gerichtsdiener, an den Thomas Langot den jungen Mann gewiesen, war der Ueberbringer einer Vorladung und einer förmlichen Aufforderung Rechenschaft abzulegen.

Jean Montplet war wie vernichtet. Er weinte, er, der seit dem Tode seiner armen Frau keine Thräne vergossen hatte. Dann, als diese Thränen versiegt waren, blieb er zwei Stunden lang vor diesem schlecht geschriebenen Stück Papier sitzen und drehte es beständig zwischen seinen Fingern herum, wie es ein Verurtheilter mit einem Todesurtheile thun würde, und fragte sich, wie so viel Undankbarkeit in so wenigen Zeilen enthalten fein könne.

O! Ich kann Euch versichern, es war ein großer und tiefer Schmerz, den Jean Montplet beim Anblicke dieses Stück Papiers empfand! So groß, so tief, daß er ihn heftig erschütterte und das Nationalgefühl auslöschte.

Der arme Vater vergaß, daß er Normand war, schüttelte den Kopf, um seinen eigenen Gedanken zu antworten, und entsagte der Klage.

Er theilte ein Vermögen in zwei Theile, machte den einen zu Gelde, welches er zu dem Notar eines Sohnes, einem Winkelsachwalt in Isigny, Namens Richard, trug, und beauftragte ihn, Alain zu sagen, wenn er, Jean Montplet darauf bestanden, dieses Geld zu behalten, so sei es nur geschehen, um es ihm eines Tages mit Wucher wiederzugeben.

Dann kehrte Jean Montplet, der diesmal vollständig verwittwet war, da er die Mutter und das Kind verloren hatte, zurück, um sich in die Meyerei einzuschließen, die selbst sehr verändert war, seit der Entfernung des Undankbaren, der die Seele des Hauses und die Freude des Herzens gewesen.

Von jetzt an lebte er in seiner Einsamkeit oder vielmehr in seiner Abgeschiedenheit eben so traurig, eben so düster und eben so verzweifelt, wie er in der Vergangenheit heiter lächelnd und freudig gelebt hatte.

Was Jean Montplet’s Schmerz noch verdoppelte, war, daß er erfuhr, Alain sei nach Paris abgereist.

Und in der That richtete das Leben in der Provinz nicht so schnell zu Grunde, wie es den Wünschen Thomas Langot’s entsprach.

Er bedurfte der Stadt Paris, dieses Strudels und Abgrundes zugleich, dieser Stadt Paris, welche berauscht und verschlingt.

Alain war also in Paris, wo er mit Jean Montplet’s Thalern ein lustiges Leben führte.

Dieses Leben wollen wir nicht zu beschreiben versuchen, übrigens liegt das Herz des Buches, welches wir schreiben nicht hier, und wir sind erst bei der Vorrede, kaum bei der Exposition angekommen.

Die Geschichte aller verlornen Söhne ist dieselbe: da ist die Tafel, das Spiel und die Weiber.

Alain Montplet brachte ein Jahr in Paris zu. Man rechnet vier Monate für die Maison-d’Or, vier Monate für Frascati und vier Monate für das Quartier-Breda, und Ihr habt beinahe die topographische Geschichte seines Lebens während dieses Jahres.

Brutal, absprechend und selbst grob, wie er es war, konnte Alain nicht umhin, häufig in unangenehme Streitigkeiten verwickelt zu werden.

Er hatte zweimal einen ernstlichen Streit. Der eine war auf dem Balle im Opernhause.

Als er betrunken war, beleidigte er einen jungen Mann, an dessen Arme er ein Frauenzimmer zu erkennen glaubte, welches eine Geliebte gewesen.

Alain Montplet verstand sich nur auf Eins, nämlich zuzuschlagen, und er schlug zu.

Er war stark wie ein Stier. Der junge Mann, den er geschlagen hatte, beugte sich unter dem Schlage und versuchte nicht einmal, ihn zurückzugeben.

Aber am folgenden Morgen um sieben Uhr ließen ihm zwei junge Männer, die unserem Helden unbekannt waren, die Karte überreichen.

Alain Montplet stand brummend auf.

Die beiden Unbekannten waren die Zeugen des jungen Mannes, den er auf dem Opernballe beleidigt hatte.

Alain Montplet, der in die Maison-d’Or gegangen war, hatte den Opernball, das masquierte Frauenzimmer und den Streit vergessen.

Die beiden jungen Leute erinnerten ihn höflich an Dies alles; nach und nach wurde es in Alain’s Kopfe hell. Es wurde ihm erklärt, daß es in Paris nicht ganz so sei, wie in Maisy, wo es hinreichend sei, der Stärkste zu sein, um Recht zu haben; es wären unter gebildeten Leuten andere Formen zu beobachten, und um die Ungleichheit der Kräfte auszugleichen, habe die Civilisation kleine Instrumente erfunden, wovon man einige Degen und andere Pistolen nenne, und vermöge welcher der Zwerg dem Riesen, der Schwache dem Starken gleich werde.

In Folge Dessen nahm Monsieur Hector de Ravennes, der die Ueberlegenheit der Stärke des jungen Bauern anerkannte und darauf verzichtete, mit Faustschlägen gegen ihn zu kämpfen, sein Recht in Anspruch, sich auf andere Weise Genugthuung zu verschaffen.

Alain Montplet wurde also aufgefordert, sich zwei Zeugen zu wählen, und sich am folgenden Tage um neun Uhr Morgens in der Allee-de-la-Muette einzufinden.

Er konnte seine Degen mitbringen; sein Gegner brachte auch die einigen mit.

Man wollte durchs Loos entscheiden, welcher man sich bedienen sollte.

Alain begriff während dieser ganzen Auseinandersetzung, daß es eine ernstliche Sache sei, und daß es sich ums Leben handelte.

In Maisy war es bequemer, besonders für ihn.

Wenn er einen Streit gehabt, hatte man sich mit den Fäusten geschlagen; man kam mit einem abgebrochenen Zahne, einer zerquetschten Nase oder einem angelaufenen Auge davon; aber Das war Alles.

In Paris ging es, wie es ihm schien, anders zu.

Nun war man in Paris – und nicht in Maisy; in dem Departement der Seine und nicht im Departement Calvados.

Man mußte sich also der Sitte des Ortes fügen.

Der junge Landmann war tapfer.

Er war also weit entfernt, den Zweikampf, wozu er aufgefordert wurde, auszuschlagen.

Aber er hatte nie einen Degen in der Hand gehabt und es war ihm nie der Gedanke in den Sinn gekommen, daß er einst Veranlassung haben werde, einen zu führen.

Er wußte ebenso wenig mit Pistolen umzugehen; aber er hatte seine Flinte viel gehandhabt und wußte sich derselben auf ausgezeichnete Weise zu bedienen.

Nur sah er ein, daß eine große Aehnlichkeit zwischen der Flinte und der Pistole obwalte, so daß er mit der Pistole wenigstens ein Leben vertheidigen konnte.

Er verlangt also, daß man anstatt des Degens die Pistole anwende.

Aber auf diesen Vorschlag wurde ihm eine zweite Theorie, ebenso logisch wie die erste, auseinandergesetzt.

Nämlich, daß Der, welcher beleidige oder schlage, sich durch die zugefügte Beleidigung oder den gethanen Schlag der gänzlichen Verfügung seines Gegners aussetze; sonst würde der Mann, der eine Ueberlegenheit in irgend einer Waffe zu haben fühle, beleidigen, schlagen und dann seine Waffe bestimmen können.

Diese bewunderungswürdige Erfindung der Degen und Pistolen, welche der physischen Stärke ein Gleichgewicht bildet, würde sonst völlig unnütz werden.

Alain Montplet hatte den Vortheil gehabt, zu beleidigen und zu schlagen. Es blieb dem Monsieur Hector de Ravennes gegen diese beiden Vortheile, die sich ein Gegner angemaßt hatte, der einzige Vortheil, die Waffen zu wählen.

Auf diesen Vortheil machte er Anspruch und wählte den Degen.

Alain Montplet wollte noch einige Bemerkungen machen, aber er erhielt die Antwort, daß man beauftragt sei, Genugthuung von ihm zu verlangen und nicht, seine Erziehung zu vervollständigen; wenn er an der Wahrheit, der ihm mitgetheilten Worte zweifle, könne er sich bei seinen Secundanten erkundigen, und wenn ihm Das noch ungenügend erscheine, könne er die Duellgesetze befragen, die in dem vortrefflichen Buche des Grafen de Chateau-Villars, eines untadelhaften Cavaliers in Hinsicht der Geburt, der Loyalität und des Muthes, enthalten wären.

Es gebe noch ein anderes Mittel, Alles auszugleichen.

Nämlich, sich schriftlich bei dem Herrn Baron Hector de Ravennes zu entschuldigen und Alles dem Zustande der Trunkenheit zuzuschreiben, in welchem sich Monsieur Alain Montplet in dem Augenblicke befunden, als die Beleidigung vorgegangen.

Aber bei diesen Worten, welche Einer von den Zeugen des Monsieur Hector de Ravennes geäußert, stand Alain Montplet mit einer Würde auf, deren man ihn für unfähig gehalten, und kündigte den Zeugen seines Gegners an, daß er den Degen annehme und daß er sich am folgenden Morgen zu der bezeichneten Stunde mit zwei Freunden in der Allee-de-la-Muette einfinden wolle.

Die beiden jungen Leute, die begonnen hatten, Alain Montplet mit einer Unwissenheit auszuspotten, fanden hinter dieser Unwissenheit den Muth und entfernten sich, unseren Helden mit jener respectvollen Höflichkeit begrüßend, welche immer die kräftigen Naturen einflößen.

Alain Montplet erwartete seinerseits gerade zwei Freunde zum Frühstücke.

Diese beiden Freunde kamen zu der verabredeten Stunde.

Der Wirth erzählte ihnen die Geschichte.

Es waren ziemlich gemeine Leute, wie alle Freunde, die unser Landmann sich in Paris erworben hatte; aber es waren Leute, die am Ende mit dergleichen Angelegenheiten bekannt waren und die ihrem Zöglinge die Versicherung gaben, – Alain Montplet hatte sie nämlich gebeten, ihm als Secundanten zu dienen – daß die Secundanten seines Gegners ihm Nichts gesagt hätten, was nicht die vollständige Wahrheit wäre.

Es handelte sich darum zu erfahren, was man mit Alain Montplet anfangen solle, wenn er den Degen in der Hand habe.

Es gibt in Paris einen Fechtmeister, welcher einen Ruf wegen einer sogenannten Vertheidigungslectionen hat, und der mit dieser Art von Lectionen einigen zwanzig Ungeschickten oder Unwissenden das Leben gerettet.

Dieser Fechtmeister ist Grisier.

Nach dem Frühstücke begab man sich in die Vorstadt Montmartre Nr. 4.

Dort ertheilte der berühmte Professor seine Lectionen.

Einer von den beiden Secundanten Montplet’s war ein Schüler Grisier’s.

Er erklärte dem Lehrer die Sache.

»Ah! ah!« sagte Dieser, »und Dies ist unser junger Mann ?«

»Da bin ich,« sagte Montplet.

»Und Sie haben nie ein Fechtrapier in der Hand gehalten?«

»Niemals!«

»Haben Sie Furcht?«

»Vor was?«

»Verwundet zu werden?«

»Ich?« sagte Montplet, indem er mit den Fingern ein Schnippchen schlug; »daran liegt mir Nichts.«

Wir sind nicht ganz gewiß, ob er gerade so sagte, Der Professor war gewohnt, so viele junge Leute im Begriff zu sehen, sich zu schlagen, daß er psychologische Studien über die verschiedenen Temperamente hätte anstellen können.

Er erkannte, wie es der junge Landmann in der That sagte, daß die Gefahr, welche sie auch sein mochte, keinen großen Einfluß auf diese wilde Organisation hatte.

»Sie wünschen,« sagte der Professor, »daß ich Sie in den Stand setze, nicht getödtet zu werden, oder mit einer Schramme davonzukommen?«

»Was die Schramme betrifft,« antwortete Alain, »so zweifle ich, daß es möglich ist, da ich mich auf das Stockfechten verstehe.«

Grisier schüttelte den Kopf.

»Eine schlechte Gewohnheit,« sagte er; »im Allgemeinen berühren die gebildeten Leute einander nur mit dem Degen.«

»Ja, ich weiß Das seit gestern. Aber ich bin kein gebildeter Mann; ich bin ein einfacher Bauer.«

»Teufel! nun, was wollen Sie? Man sagt mir, daß Sie sich mit Monsieur Hector de Ravennes schlagen wollen; es ist ein bekannter Fechter von vorzüglicher Geschicklichkeit. Sie denken doch nicht, daß ich Sie von heute bis morgen in den Stand setzen kann, ihn zu tödten, ihn zu verwunden oder zu entwaffnen?«

»Ich will Nichts weiter, als daß ich mich unter den Waffen nicht lächerlich mache. Stellen Sie mich sogleich in die Parade, Das ist es, was ich von Ihnen verlange.«

»Sie wissen, daß Das, was Sie von mir verlangen, gerade das Mittel ist, sich tödten zu lassen?«

»Wie denn Das?«

»Da Monsieur Hector de Ravennes Ihre Unerfahrenheit im Fechten an Ihrer ungeschickten Parade erkennen muß, so wird er keinen Mord begehen wollen, indem er Sie tödtet. Er wird sich begnügen, Sie zu verwunden oder Sie zu entwaffnen.«

»Ei! zum Henker! Das ist es gerade, was ich nicht will. Er tödte mich, aber er soll nicht meiner spotten. Zeigen Sie mir, wie ich mich in die Parade zu stellen habe, und beschäftigen Sie sich nur damit. Ich will meinen Degen nicht wie eine Wachskerze oder einen Besenstiel in der Hand halten; das Uebrige ist die Sache des Wundarztes, wenn er mich verwundet, und des Todtengräbers, wenn er mich tödtet.«

»Es wäre Schade, wenn er Sie tödtete,« entgegnete Grisier; »denn Sie haben mir das Ansehen eines wackeren Burschen! – Nun, so nehmen Sie ein Rapier, und lassen Sie uns Das einüben.«

Nach einer Viertelstunde war Alain Montplets Auslage so gut, als hätte er seit zehn Jahren den Fechtboden besucht.«

Als er Dies erlangt hatte, ging der Professor zu der Vertheidigung über.

Sie bestand darin, einem Gegner in den Stoß zu fallen und zweimal mit dem Fuße zu stampfen, parierend zurückzuweichen und Gegenstöße zu thun.

Vermöge seiner eisernen Muskeln konnte Alain Montplet eine Lection von zwei oder drei Stunden nehmen.

»Befolgen Sie die Instructionen, die ich Ihnen ertheile,« sagte Grisier, »und Sie werden mit zwei oder drei Schrammen davonkommen.«

Dann wendete er sich zu den Secundanten und sagte:

»Meine Herren, es wird an Ihnen sein, dem Zweikampfe ein Ende zu machen, wenn Sie denken, daß er auf ehrenvolle Weise beendet werden kann.«

Alain bot dem Professor eine Börse an.

»Diese Lection, mein Herr,« sagte der Fechtmeister, »gebe ich unentgeltlich, oder wenigstens lasse ich sie erst nach der Rückkehr von dem Terrain zahlen.«

Alain faßte die Hand des Professors und drückte sie ihm so, daß er sie fast zerbrochen hätte.

»Ein hübscher Händedruck,« sagte Dieser; »wie Schade, daß Sie bei einer so starken Faust sich nicht schon mit zehn oder zwölf Jahren der Fechtkunst gewidmet haben.«

Alain Montplet kaufte, als er von Grisier kam, ein Paar Degen bei Derisme.

Derisme, selber ein vortrefflicher Fechter, hatte diesen Waffen, welche gewöhnlich Colichemardes genannt werden, eine angemessene Biegung und ein schützendes Stichblatt gegeben.

Daraus, daß ein Mann solche Waffen besaß, konnte man schließen, daß er sich ihrer zu bedienen verstehe.

Als Alain Montplet nach Hause kam, stellte er sich vor seinem Spiegel in Parade und war sehr zufrieden mit sich selber.

Am folgenden Morgen um acht Uhr war er auf und erwartete seine beiden Secundanten.

Sie kamen in einem Miethwagen.

Sie hatten einen jungen Eleven der Chirurgie, der ihr Freund war, bei sich.

Um drei Viertel auf Neun fuhren Montplet, seine beiden Secundanten und der Wundarzt in die Allee-de-la-Muette ein.

Das Zusammentreffen war erst auf neun Uhr bestimmt, wie wir es gesagt haben.

Fünf Minuten vor neun Uhr zeigte sich ein Wagen am Ende der Allee.

Er kam rasch näher.

Drei junge Männer stiegen aus.

Die drei jungen Männer waren Monsieur Hector de Ravennes und die beiden Secundanten, welche am Tage zuvor in seinem Namen zu Alain Montplet gekommen waren.

Die Secundanten und die Gegner grüßten einander mit Höflichkeit.

Dann gingen die Secundanten auf einander zu, prüften die beiden Paar Degen, erkannten sie von beiden Seiten für passend und warfen einen Louisdor in die Luft, um zu entscheiden, welches Paar den Vorzug haben solle.

Der Zufall entschied sich für die am Tage zuvor bei Derisme gekauften Waffen.

Einer von den Secundanten reichte beide Degen gekreuzt dem Baron.

Dieser nahm einen; der, den er zurückließ, wurde Alain Montplet zugestellt. Der Baron stellte seinen Degen auf den Stiefel und fuhr dann damit durch die Luft.

Darauf wendete er sich an seine Secundanten.

»Dies ist eine vortreffliche Waffe und hat einen bewunderungswürdigen Griff,« sagte er; »ich ziehe diesen Degen dem meinigen vor.«

»So erlauben Sie, Herr Baron,« sagte Alain Montplet, »ehe wir wissen, was wir mit den unsrigen ausrichten werden, daß ich die Ehre habe, Ihnen das Paar anzubieten?«

Der Baron verbeugte sich ohne zu antworten. Der Faustschlag Montplet’s war zu stark gewesen, als daß er sich zu einer großen Erwiderung der Höflichkeit hätte veranlaßt finden sollen.

Einer von den Secundanten kreuzte die Spitzen der beiden Degen, und als er mit der größten Sorgfalt die Sonne und das Terrain getheilt hatte, trat er einen Schritt zurück und sagte

»Auf die Mensur, meine Herren!«

Die Duellanten legten sich in Parade.

Alain Montplet, der sich der Lection des Professors erinnerte, nahm eine so sichere Auslage an, als wäre er in eben so guter Fechter gewesen, wie der Baron von Ravennes.

Wie Grisier es ihm vorher gesagt hatte, war diese akademische Stellung ein Verderben.

Der Baron von Ravennes trat einen Schritt zurück.

»Was zum Teufel hat man mir denn gesagt,« flüsterte er seinen Secundanten zu, »daß der Herr noch nie einen Degen in der Hand gehalten hätte? Er liegt ja aus wie der heilige Georg!«

Dann legte er sich selber wieder in Parade und sagte:

»Es thut mir leid um ihn; ich war entschlossen, ihn nur zu verwunden; ich werde genöthigt sein, ihn zu tödten.«

Man hörte die Berührung des Stahls, man sah den Degen des Barons wie eine Schlange dahingleiten, und die Klinge seines Gegners umspielend, fiel der Baron weit aus und richtete sich in kürzerer Zeit wieder auf als der Blitz bedarf, um zu glänzen und zu erlöschen.

Das Hemd Alain Montplet’s färbte sich mit Blut; einen Augenblick blieb er noch aufrecht stehen; man hätte denken sollen, daß ein einziger Stoß den Koloß nicht umstürzen könne.

– Endlich schwankte er auf seinen Füßen, streckte die Arme aus, ließ seinen Degen fallen, ein röthlicher Schaum zeigte sich auf einen Lippen und dann stürzte er plötzlich nieder wie eine Eiche, von dem Beil des Holzhauers entwurzelt.

Die Zeugen sahen den Fall des jungen Mannes mit einer Gemüthsbewegung an, welche ein ähnliches Schauspiel immer erregt.

Darauf wendete sich der Baron zu den vier Zeugen und fragte:

»Meine Herren, habe ich als Mann von Ehre gehandelt?«

»Ja,« antworteten die vier Zeugen einstimmig.

»Konnte ich anders handeln, nach einer Beleidigung, wie sie mir zu Theil geworden?«

»Nein,« wurde mit derselben Einstimmung geantwortet.

»In diesem Falle hoffe ich, daß das Blut über das Haupt des Beleidigers kommen wird.«

Die Secundanten gaben ein Zeichen, welches sagen wollte, daß dieser Wunsch völlig erhört zu sein scheine, worauf der Baron mit seinen beiden Zeugen wieder in den Wagen stieg und Alain Montplet leblos wie eine Leiche in den Händen einer beiden Freunde und des jungen Wundarztes zurückließ.