Читайте только на Литрес

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Der Graf von Monte Christo», sayfa 103

Yazı tipi:

»Man sage noch einmal, das Drama liege nicht in der Natur!« sprach Beauchamp.

»Meiner Treue,« versetzte Chateau-Renaud, »ich würde noch lieber wie Herr von Morcerf endigen ein Pistolenschuß erscheint sanft gegen eine solche Katastrophe.«

»Und dann tötet er,« bemerkte Beauchamp.

»Und ich, der ich einen Augenblick den Gedanken hatte, seine Tochter zu heiraten!« sagte Debray.« »Das arme Kind hat wohl daran getan, daß es gestorben ist.«

»Die Sitzung ist aufgehoben, meine Herren, und die Sache aus die nächste Session verschoben,« sprach der Präsident. Der Proceß muß aufs Neue eingeleitet und einem anderen Beamten anvertraut werden.«

Andrea verließ den Saal, stets gleich ruhig, und noch viel interessanter als zuvor, geleitet von Gendarmen, welche ihm unwillkürlich eine gewisse Achtung zollten.

»Nun, was denken Sie davon, mein braver Mann?« fragte Debray den Stadtsergenten, indem er ihm einen Louisd’or in die Hand drückte.

»Es werden mildernde Umstände obwalten!« antwortete dieser.

Sechzehntes Kapitel,
Sühnung

Herr von Villefort sah die Reihen der Menge vor sich öffnen, so gedrängt sie auch waren. Die großen Schmerzen sind so ehrwürdig, daß es selbst in den unglücklichsten Zeiten kein Beispiel gibt, wobei die erste Bewegung der versammelten Menge nicht eine Bewegung des Mitleids für eine große Katastrophe gewesen wäre. Viele verhaßte Leute sind in einem Aufruhr ermordet worden, nur selten wurde ein Unglücklicher, und war er auch ein großer Verbrecher, durch die Menschen beleidigt, welche seinem Todesurteile beiwohnten.

Villefort schritt durch die Reihen der Zuschauer, der Wachen, der Leute des Palastes, und entfernte sich durch sein eigenes Geständnis als schuldig erkannt, aber beschützt durch seinen Schmerz.

Es gibt Lagen, welche die Menschen mit ihrem Instinkte auffassen, mit ihrem Geiste jedoch nicht zu erklären vermögen; der größte Dichter ist in diesem Falle derjenige, welcher den, heftigsten und natürlichsten Schrei ausstößt. Die Menge nimmt diesen Schrei für eine ganze Erzählung, und sie hat Recht, sich damit zu begnügen, und noch viel mehr Recht, ihn erhaben zu finden, wenn er wahr ist.

Es wäre indessen schwierig, den Zustand der Betäubung zu nennen, in welchem sich Herr von Villefort befand, als er den Palast verließ, das Fieber zu schildern, das jede Arterie schlagen. jede Faser seines Leibes erstarren machte, jede Vene zum Zerspringen anschwoll und jeden Punkt seines Körpers in Millionen von Leiden zerschnitt.

Villefort schleppte sich, nur geleitet durch die Gewohnheit, die Gänge entlang; er warf die Toga des Beamten von seinen Schultern, nicht als hätte er gedacht, er müßte sie der Schicklichkeit wegen ablegen, sondern weil es für seine Schultern eine niederdrückende Last, eine an Qualen furchtbare Tunica des Nessus war.

Er kam wankend bis zu der Cour Dauphiné, erblickte seinen Wagen, weckte den Kutscher, öffnete selbst den Schlag und sank, mit dem Finger die Richtung des Faubourg Saint-Honoré andeutend, auf die Kissen.

Das ganze Gewicht seines zusammengestürzten Glückes war auf sein Haupt gefallen; dieses Gewirkt drückte ihn nieder, ohne daß er genau die Folgen davon kannte; er hatte diese nicht ermessen, er fühlte sie; er setzte sich nicht sein Gesetzbuch aus einander, wie der kalte Mörder, der einen bekannten Artikel erläutert.

Er hatte Gott im Grunde seines Herzens.

»Gott!« murmelte er, ohne nur zu wissen, was er sagte, »Gott! Gott!«

Er sah nur Gott hinter dem Einsturze, der ihn so eben getroffen hatte.

Der Wagen rollte rasch fort; heftig sich aus den Kissen hin und her bewegend, fühlte Villefort einen Gegenstand, der ihn belästigte.

Er suchte mit der Hand diesen Gegenstand: es war ein Fächer, den Frau von Villefort zwischen dem Kissen und der Rückenlehne des Wagens hatte liegen lassen; dieser Fächer erweckte eine Erinnerung, und diese Erinnerung war wie ein Blitz mitten in der Nacht.

Villefort dachte an seine Frau.

»Oh! oh!« rief er, als ob ein glühendes Eisen sein Herz durchdränge.

Seit einer Stunde hatte er in der Tat nur eine Seite seines Unglücks unter den Augen, und nun bot sich seinem Geiste plötzlich eine andere, nicht minder furchtbare.

»Diese Frau! er war gegen sie kurz zuvor als unerbittlicher Richter verfahren, er hatte sie zum Tode verurteilt; und vom Schrecken ergriffen, von den Gewissensbissen niedergeschmettert, in den Abgrund der Schande gestürzt, den er durch die Beredsamkeit seiner vorwurfsfreien Tugend vor ihr geöffnet hatte, schwach und wehrlos gegen eine unumschränkte, oberste Gewalt, schickte sich die arme Frau in diesem Augenblick vielleicht an, zu sterben!

Eine Stunde war seit ihrer Verurteilung abgelaufen; ohne Zweifel durchging sie in dieser Minute in ihrem Gedächtnis alle ihre Verbrechen, bat Gott um Gnade und schrieb einen Brief, um aus den Knien die Verzeihung ihres tugendhaften Gatten anzuflehen, eine Verzeihung, die sie mit ihrem Tode erkaufte.

Villefort stieß ein zweites Gebrülle des Schmerzes und der Wut aus.

»Ah!« rief er, sich auf dem Atlaßkissen seiner Carrosse wälzend, »diese Frau ist nur Verbrecherin geworden, weil sie mich berührt hat. Ich schwitze das Verbrechen aus, und sie hat es geerbt, wie man den Typhus erbt, wie man die Cholera erbt, wie man die Pest erbt, und ich bestrafe sie! Oh! nein! nein! sie wird leben . . . sie wird mir folgen . . . Wir fliehen, verlassen Frankreich und wandern fort und fort, so lange uns die Erde trägt. Ich sprach zu ihr vom Schafott! . . Großer Gott! wie konnte ich es wagen, dieses Wort auszusprechen! Auch mich erwartet das Schafott! . . . Wir werden fliehen . . . Ja, ich will ihr beichten: ja, jeden Tag will ich mich demütigen, ihr sagen, daß ich auch ein Verbrechen begangen habe. Oh! herrliche Verbindung des Tigers und der Schlange! Oh! würdige Frau eines Mannes, wie ich bin! Sie soll leben, meine Schande soll die ihrige erbleichen machen!«

Villefort ließ heftig das Vorderfenster seines Coupé herab und rief mit einer Stimme, welche den Kutscher aus seinem Sitze auffahren machte:

»Vorwärts! geschwinder, geschwinder!«

Von der Furcht angetrieben, flogen die Pferde bis an sein Haus.

»Ja! ja!« wiederholte sich Villefort, während er sich seiner Wohnung näherte, »ja, diese Frau soll leben, sie soll bereuen und meinen Sohn erziehen, mein armes Kind, das einzige Wesen, das mit dem unzerstörbaren Greise der Vernichtung meiner Familie entgangen ist. Sie liebte den Knaben; für ihn hat sie Alles getan. Man darf nie an dem Herzen einer Mutter verzweifeln, die ihr Kind liebt; sie wird bereuen: Niemand wird erfahren, daß sie schuldig war; die in meinem Hause verübten Verbrechen, um welche sich die Welt bereits bekümmert, werden mit der Zeit vergessen, oder erinnern sich einige Feinde derselben, so nehme ich sie aus das Register meiner Frevel. Einer, zwei, drei mehr, was ist daran gelegen! Meine Frau wird sich, Geld und besonders ihren Sohn mitnehmend, fern von dem Abgrunde flüchten, in den, wie es mir scheint, die ganze Welt mit mir zu stürzen im Begriffe ist. Sie wird leben, sie wird noch glücklich sein, weil sich ihre ganze Liebe in ihrem Sohne zusammendrängt und ihr Sohn sie nicht verläßt. Ich werde eine gute Handlung verrichtet haben, und das erleichtert das Herz.«

Und der Staatsanwalt atmete freier, als er es seit langer Zeit getan.

Der Wagen hielt im Hof des Hotel an.

Villefort stürzte von dem Fußtritt auf die Freitreppe; er sah, wie die Diener darüber staunten, daß er so schnell zurückkam. Er las nichts Anderes auf ihrem Antlitz; keiner richtete das Wort an ihn; man blieb vor ihm stehen, wie gewöhnlich, um ihn vorbeigehen zu lassen: mehr nicht.

Er kam an dem Zimmer von Noirtier vorüber und erblickte durch die halb offene Thüre etwas wie zwei Schatten, doch er bekümmerte sich nicht um die Person, welche bei seinem Vater war: seine Unruhe trieb ihn mächtig vorwärts.

»Gut,« sagte er, die kleine Treppe hinaufsteigend, welche zu dem Ruheplatze führte, aus den die Wohnung seiner Frau und das leere Zimmer von Valentine gingen; »gut, es hat sich nichts hier geändert.«

Er schloß vor Allem die Thüre des Ruheplatzes.

»Niemand darf uns stören,« sagte er; »ich muß frei mit ihr sprechen, mich vor ihr anklagen, ihr Alles mitteilen können.«

Er näherte sich der Thüre, legte die Hand aus den kristallenen Knopf. die Thüre gab nach.

»Nicht geschlossen! oh! gut, sehr gut!« murmelte er.

Und er trat in den kleinen Salon, wo man jeden Abend ein Bett für Eduard bereitete; denn obgleich in der Kostschule, kehrte Eduard doch jeden Abend zurück; eine Mutter hatte sich nie von ihm trennen wollen.

Er umfaßte mit einem Blicke den ganzen Salon.

»Niemand,« sagte er; »ohne Zweifel ist sie in ihrem Schlafzimmer.«

Er eilte nach der Thüre.

Hier war der Riegel vorgeschoben.

Schauernd blieb er stehen und rief:

»Heloise!«

Es kam ihm vor, als verrückte man einen Schrank. <

»Heloise!« wiederholte er.

»Wer ist da?« fragte die Stimme der Gerufenen. Er glaubte, diese Stimme wäre schwächer als gewöhnlich.

»Öffnen Sie, öffnen Sie,« rief Villefort, »ich bin es.«

Doch trotz dieses Befehles, trotz des ängstlichen Tones, mit dem er gegeben wurde, öffnete man nicht.

Villefort stieß die Thüre mit einem Fußtritte ein.

Am Eingang des Zimmers, das in ihr Boudoir ging, stand Frau von Villefort, bleich, das Gesicht zusammengezogen, und schaute ihn mit furchtbar starren Augen an.

»Heloise!« rief er, »Heloise, was haben Sie? sprechen Sie!«

Die junge Frau streckte ihre starre, leichenblasse Hand gegen ihn aus.

»Es ist geschehen, mein Herr,« sprach sie mit einem Röcheln, das ihren Schlund zu zerreißen schien; »was wollen Sie noch mehr von mir?«

Und sie stürzte von ihrer ganzen Höhe aus den Boden.

Villefort lief aus sie zu und faßte sie bei der Hand. Diese Hand preßte krampfhaft ein kristallenes Fläschchen mit goldenem Stöpsel.

Frau von Villefort war tot.

Außer sich vor Schrecken, wich Villefort bis auf die Schwelle des Zimmers zurück, und schaute die Leiche an.

»Mein Sohn!« rief er plötzlich, »wo ist mein Sohn? Eduard! Eduard!«

Und er stürzte aus dem Zimmer und schrie:

»Eduard! Eduard!«

Dieser Name wurde mit einem solchen Tone der Angst ausgerufen, daß die Bedienten herbeiliefen.

»Mein Sohn! wo ist mein Sohn?« fragte Villefort, »man entferne ihn von dem Hause, er soll nicht sehen . . . «

»Herr Eduard ist nicht unten,« antwortete der Kammerdiener.

»Er spielt ohne Zweifel im Garten; seht nach! seht nach!«

»Nein, Herr Staatsanwalt, Madame hat ihren Sohn vor ungefähr einer halben Stunde gerufen: Herr Eduard ist zu Madame hineingegangen und seitdem nicht mehr herausgekommen.«

Ein eiskalter Schweiß überströmte die Stirne von Villefort; seine Beine strauchelten auf den Platten, seine Gedanken fingen an, sich wie das in Unordnung gebrachte Räderwerk einer zerbrechenden Uhr in seinem Kopfe zu drehen.

»Zu Madame!« murmelte er, »zu Madame!« Und er kehrte langsam um, und wischte sich mit einer Hand den Schweiß ab, während er sich mit der andern an die Wand stützte.

In das Zimmer zurückkehrend, mußte er abermals den Leichnam der unglücklichen Frau sehen.

Um Eduard zu rufen, mußte er das Echo dieses in einen Sarg verwandelten Gemaches wecken: sprechen hieß die Stille des Grabes verletzen.

Villefort fühlte seine Zunge in seinem Schlunde gelähmt.

»Eduard! Eduard!« stammelte er.

Das Kind antwortete nicht: wo mochte das Kind sein, das nach der Aussage der Diener zu seiner Mutter hineingegangen und nicht wieder herausgekommen war?

Villefort machte einen Schritt vorwärts.

Der Leichnam von Frau von Villefort lag quer vor der Thüre des Boudoir, in welchem sich Eduard notwendig befinden mußte; dieser Leichnam schien mit starren, offenen Augen, mit einer gräßlichen, geheimnisvollen Ironie aus den Lippen an der Schwelle zu wachen.

Hinter dem Leichnam ließ der halbaufgehobene Thürvorhang einen Teil des Boudoir, ein Clavier und das Ende eines Divan von blauem Atlaß erschauen.

Villefort machte ein paar Schritte vorwärts und sah aus dem Canapé sein Kind liegen.

Das Kind schlief ohne Zweifel.

Der Unglücklich« hatte eine Regung der Freude, ein reiner Lichtstrahl drang in diese Hölle, in der er sich zerarbeitete.

Es handelte sich nur noch darum, über den Leichnam zu steigen, in das Boudoir zu dringen, das Kind in seine Arme zu nehmen und mit ihm zu fliehen, weit, weit zu fliehen.

Villefort war nicht der Mensch, auf dem seine Verdorbenheit den Typus des civilisirten Mannes machte: er war ein auf den Tod verwundeter Tiger, der ferne gebrochenen Zähne in seiner letzten Wunde zurückläßt.

Er hatte nicht mehr bange vor den Vorurteilen, sondern vor den Gespenstern. Er setzte an und sprang über den Leichnam, als hätte er müssen über eine verzehrende Flamme springen.

Er nahm das Kind in seine Arme, preßte es, schüttelte es, rief es: das Kind antwortete nicht. Er drückte seine gierigen Lippen aus des Kindes Wangen; diese Wangen waren bleich und eisig; er rieb seine starren Glieder, er legte seine Hand aus sein Herz, das Herz schlug nicht mehr.

Das Kind war tot.

Ein viereckig zusammengelegtes Papier fiel aus der Brust von Eduard.

Wie vom Blitze getroffen, sank Villefort auf seine Knie; das Kind entschlüpfte seinen trägen Armen und rollte an die Seite seiner Mutter.

Villefort hob das Papier aus,«kannte die Schrift seiner Frau und durchlief es gierig.

Es enthielt folgende Worte:

»Sie wissen, ob ich eine gute Mutter war, da ich mich für meinen Sohn zur Verbrecherin gemacht habe.

»Eine gute Mutter reist nicht ohne ihren Sohn!«

Villefort wollte seinen Augen nicht trauen: Villefort wollte seiner Vernunft nicht glauben: er schleppte sich zu dem Körper von Eduard und untersuchte ihn noch einmal mit der ängstlichen Aufmerksamkeit, mit der die Löwin ihr totes Junges betrachtet.

Ein herzzerreißender Schrei drang aus seiner Brust hervor.

»Gott!« murmelte er, »immer Gott!«

Diese zwei Opfer erschreckten ihn; er fühlte, wie sich der Schauer der von zwei Leichnamen bevölkerten Einsamkeit seiner bemächtigte.

Kurz zuvor noch hatte ihn die Wut, diese ungeheure Kraft starker Menschen, hatte ihn die Verzweiflung, diese höchste Macht des Todeskampfes aufrecht erhalten, diese Macht, welche die Titanen antrieb, den Himmel zu erstürmen, und Ajax, den Göttern die Faust zu zeigen.

Villefort beugte sein Haupt unter dem Gewichte der Schmerzen, er erhob sich aus seine Knie, schüttelte seine von Schweiß feuchten, vor Schrecken empor starrenden Haare, und derjenige, welcher nie Mitleid mit Jemand gehabt hatte, suchte den Greis, seinen Vater, auf, um in seiner Schwäche Jemand zu haben, dem er sein Unglück erzählen, bei dem er weinen könnte.

Er stieg die uns bekannte Treppe hinab und trat bei Noirtier ein.

Dieser schien aufmerksam und so freundlich, als es ihm seine Unbeweglichkeit erlaubte, aus den wie gewöhnlich ruhigen und kalten Abbé Busoni zu hören.

Als Villefort den Abbé erblickte, fuhr er mit der Hand nach seiner Stirne. Die Vergangenheit kehrte zu ihm zurück, wie eine von jenen Wellen, deren Zorn mehr Schaum auftreibt, als die andern Wellen.

Er erinnerte sich des Besuches, den er dem Abbé zwei Tage nach dem Mittagsmahle in Auteuil gemacht, und des Besuches, den der Abbé ihm am Todestag von Valentine gemacht hatte.

»Sie hier, mein Herr!« sagte er; »Sie erscheinen also immer nur in diesem Hause, um den Tod zu geleiten?«

Busoni richtete sich auf; als er die verstörten Gesichtszüge des Beamten, den wilden Glanz seiner Augen wahrnahm, begriff er, oder glaubte er zu begreifen, daß die Szene der Assisen in Erfüllung gegangen war; das Übrige wußte er nicht.

»Ich bin damals gekommen, um bei dem Leichname Ihrer Tochter zu beten,« antwortete Busoni.

»Und warum kommen Sie heute hierher?«

»Ich komme, um Ihnen zu sagen, daß Sie Ihre Schuld hinreichend bezahlt haben, und daß ich von diesem Augenblicke an Gott bitten werde, er möge zufrieden sein, wie ich.«

»Mein Gott!« rief Villefort, Schrecken auf der Stirne und zurückweichend, »diese Stimme ist nicht die des Abbé Busoni!«

»Nein.«

Der Abbé riß seine falsche Tonsur ab, schüttelte den Kopf, und seine langen schwarzen Haare fielen, vom Zwange befreit, auf seine Schultern herab und umrahmten sein männliches Antlitz,

»Es ist das Gesicht von Herrn von Monte Christo,« rief Villefort mit stieren Augen.

»Auch das ist es nicht, Herr Staatsanwalt, suchen Sie besser und ferner.«

»Diese Stimme! diese Stimme! wo habe ich sie zum ersten Male gehört?«

»Sie haben sie zum ersten Male gehört in Marseille vor ein und zwanzig Jahren, am Tage Ihrer Verlobung mit Fräulein von Saint-Meran. Suchen Sie in Ihren Akten.«

»Sie sind nicht Busoni? Sie sind nicht Monte Christo? Mein Gott, Sie sind jener verborgene Todfeind! Ich habe in Marseille etwas gegen Sie getan, oh! wehe mir!«

»Ja, Du hast Recht,« sprach der Graf, die Arme über seiner breiten Brust kreuzend; »suche! suche!«

»Aber was habe ich Dir denn getan?« rief Villefort, dessen Geist bereits aus der Grenze schwebte, wo sich Vernunft und Unvernunft in jenem Nebel vermengen, der nicht mehr Traum und noch nicht das Erwachen ist, »was habe ich Dir getan? sage! sprich!«

»Sie haben mich zu einem langsamen, abscheulichen Tod verurteilt, Sie haben meinen Vater getötet, Sie haben mir die Liebe mit der Freiheit und das Glück mit der Liebe geraubt!«

»Wer sind Sie? mein Gott! wer sind Sie denn?«

»Ich bin das Gespenst eines Unglücklichen, den Sie in den Kerkern des Schlosses If begraben haben. Diesem aus seinem Grabe hervorgegangenen Gespenste hat Gott die Maske des Grafen von Monte Christo gegeben, er hat es mit Diamanten und Gold bedeckt, damit Sie es erst heute erkennen würden.«

»Ah! ich erkenne Dich, ich erkenne Dich!« sprach der Staatsanwalt; »Du bist . . . «

»Ich bin Edmond Dantes!«

»Du bist Edmond Dantes!« rief der Staatsanwalt, den Grafen beim Handgelenke fassend; »so komm!«

Und er zog ihn nach der Treppe, zu der ihm Monte Christo erstaunt, ohne zu wissen, wohin ihn der Staatsanwalt führte, aber eine neue Katastrophe ahnend, folgte.

»Sieh, Edmond Dantes,« sagte er, dem Grafen den Leichnam seiner Frau und den Körper seines Sohnes zeigend; »steh hierher! bist Du gerächt?«

Monte Christo erbleichte bei diesem furchtbaren Schauspiel; er begriff, daß er die Rechte der Rache überschritten hatte; er begriff, daß er nicht mehr sagen konnte: Gott ist für mich und mit mir.«

Er warf sich mit einer Empfindung unaussprechlicher Angst aus den Körper des Kindes, öffnete seine Augen, befühlte seinen Puls, und stürzte mit ihm in das Zimmer von Valentine, das er doppelt schloß!

»Mein Kind!« rief Villefort; »er trägt den Leichnam meines Kindes fort! Oh! Fluch! Unglück! Tod über Dich.«

Und er wollte Monte Christo nachstürzen; aber er fühlte seine Füße wie in einem Traume Wurzel fassen, seine Augen erweiterten sich, als wollten sie ihre Höhlen sprengen, seine aus das Fleisch seiner Brust gekrümmten Finger preßten sich stufenweise hinein, bis das Blut seine Nägel röthete, die Adern seiner Schläfe schwollen von brausenden Geistern an, welche das zu enge Gewölbe seines Schädels hoben und sein Gehirn in ein Feuermeer tauchten.

Diese Starrheit dauerte mehrere Minuten, bis die gräßliche Umwälzung der Vernunft vollbracht war.

Dann stieß er einen Schrei aus, schlug ein langes Gelächter aus und stürzte nach der Treppe.

Eine Viertelstunde nachher öffnete sich das Zimmer von Valentine wieder, und der Graf von Monte Christo erschien aus der Schwelle.

Er war bleich, sein Auge finster, seine Brust gepreßt. Alle Züge dieses sonst so ruhigen, so edlen Gesichtes waren vom Schmerz verstört.

Er hielt in seinen Armen das Kind, dem keine Hilfe das Leben hatte zurückgeben können.

Der Graf setzte ein Knie aus die Erde und legte den Knaben mit frommer Gebärde neben seine Mutter so nieder, daß sein Kopf aus ihrer Brust ruhte.

Dann stand er auf, ging hinaus und fragte einen Bedienten, den er aus der Treppe traf:

»Wo ist Herr von Villefort?«

Der Bediente streckte, ohne zu antworten, die Hand nach dem Garten aus.

Monte Christo stieg die Treppe hinab, schritt auf den bezeichneten Ort zu, und sah mitten unter seinen Dienern, welche einen Kreis um ihn bildeten, Villefort, der, einen Spaten in der Hand, die Erde mit einer Art von Wut durchwühlte.

»Es ist noch nicht hier,« sagte er; »es ist noch nicht hier!«

Und er wühlte weiter.

Monte Christo näherte sich ihm und sprach ganz leise, mit beinahe demütigem Tone:

»Mein Herr, Sie haben einen Sohn verloren;

Doch . . . «

Villefort unterbrach ihn; er hatte weder gehört, noch gesehen.

»Oh! ich werde ihn wiederfinden.« sagte er: »Sie mögen immerhin behaupten, er sei nicht da, ich werde ihn wiederfinden, und müßte ich bis zum Tage des jüngsten Gerichtes suchen.«

Monte Christo wich voll Schrecken zurück.

»Ha! er ist wahnsinnig,« murmelte er.

Und als hätte er befürchtet, die Mauern des verfluchten Hauses könnten über ihm einstürzen, lies er aus die Straße, zum ersten Male zweifelnd, ob er das Recht gehabt, zu tun, was er getan.

»Oh! genug, genug damit,« sagte er, »retten wir den letzten.«

Monte Christo kam nach Hause und traf Morrel, der in dem Hotel der Champs-Elysées umherirrte, schweigsam wie ein Schatten, welcher den von Gott bestimmten Augenblick, um in sein Grab zurückzukehren, erwartet.

»Treffen Sie Ihre Vorkehrungen, Maximilian,« sagte er mit einem Lächeln zu ihm, »wir verlassen morgen Paris.«

»Haben Sie nichts mehr hier zu tun?« fragte Morrel.

»Nein,« antwortete Monte Christo, »und Gott wolle, daß ich nicht zu viel getan habe.«

Am andern Tage reisten sie wirklich nur von Baptistin allein begleitet ab. Hayde hatte Ali mitgenommen, Bertuccio blieb bei Noirtier.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
10 aralık 2019
Hacim:
1870 s. 17 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 3,8, 4 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre