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Kitabı oku: «Der Graf von Monte Christo», sayfa 104

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Siebzehntes Kapitel.
Die Abreise

Diese Ereignisse beschäftigten ganz Paris. Emmanuel und seine Frau erzählten sich dieselben mit einem ganz natürlichen Erstaunen in ihrem kleinen Salon der Rue Meslay; sie stellten diese drei eben so plötzlichen, , als unerwarteten Katastrophen von Morcerf, Danglars und Villefort zusammen.

Maximilian, der ihnen einen Besuch machte, hörte ihnen zu, oder wohnte vielmehr, in seine gewöhnliche Unempfindlichkeit versunken, ihrem Gespräche bei.

»In der Tat,« sagte Julie, »sollte man nicht glauben. Emmanuel, alle diese gestern noch so reichen, so glücklichen Leute hätten bei der Berechnung, aus welche sie ihr Vermögen, ihr Glück und ihre Ehre gegründet, den Teil des bösen Geistes vergessen, nur dieser wäre, wie die schlimmen Feen in den Märchen von Perrault, die man zu irgend einer Hochzeit oder einer Taufe einzuladen vergessen, plötzlich erschienen, um sich für das unselige Vergessen zu rächen!«

»Wie viele Unglücksfälle!« sprach Emmanuel, an Morcerf und Danglars denkend.

»Welche Leiden!« rief Julie, sich Valentinens erinnernd, welche sie aus einem weiblichen Instinkte nicht in Gegenwart ihres Bruders nennen wollte.

»Wenn Gott sie geschlagen hat,« sprach Emmanuel, »so geschah es, weil Gott, die höchste Güte, in der Vergangenheit dieser Leute nichts fand, was eine Milderung dieser Strafe verdiente, weil diese Leute verflucht waren.«

»Bist Du nicht sehr vermessen in deinem Urteil?« sprach Julie. »Wenn Jemand, als mein Vater, die Pistole in der Hand, im Begriff war, sich zu erschießen, gesagt hätte, wie Du zu dieser Stunde sagst: dieser Mensch hat seine Strafe verdient, hätte sich dieser Jemand nicht getäuscht?«

»Ja, aber Gott gestattete nicht, daß Abraham seinen Sohn opferte; dem Patriarchen, wie uns, schickte er einen Engel, der aus halbem Wege die Flügel des Todes abschnitt.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als das, Geräusch der Glocke ertönte.

Dies war das Signal, durch welches der Concierge einen Besuch ankündigte.

Beinahe in demselben Augenblick öffnete sich die Thüre, und der Graf von Monte Christo erschien aus der Schwelle.

Ein doppelter Freudenschrei drang aus dem Munde der jungen Leute.

Maximilian hob das Haupt und ließ es wieder fallen.

»Maximilian/’ sprach der Graf, ohne daß es schien, als bemerkte er die verschiedenen Eindrücke, welche seine Gegenwart aus seine Wirthe hervorbrachte, »Maximilian, ich komme, um Sie zu holen.«

»Mich holen?« fragte Maximilian, wie aus einem Traume erwachend.

»Ja, ist es nicht unter uns verabredet, daß ich Sie mitnehme, und habe ich Ihnen nicht gestern gesagt, Sie mögen sich bereit halten?«

»Hier bin ich,« sagte Maximilian, »ich ging nur hierher, um von ihnen Abschied zu nehmen.«

»Und wohin reisen Sie, Herr Graf?« fragte Julie.

»Zuerst nach Marseille, Madame.«

»Nach Marseille?« wiederholten gleichzeitig die zwei jungen Leute.

»Ja, und ich nehme Ihnen Ihren Bruder.«

»Ach! Herr Graf,« erwiderte Julie, »geben Sie ihn uns geheilt zurück.«

Morrel wandte sich ab, um eine lebhafte Röte zu verbergen.

»Sie haben also bemerkt, daß er leidet?« fragte der Graf.

»Ja,« antwortete die junge Frau, »und ich befürchte, er langweilt sich bei uns.«

»Ich werde ihn zerstreuen,« versetzte der Graf.

»Ich bin bereit, mein Herr,« sprach Maximilian,

»Lebt wohl, meine Freunde, Gott besohlen, Emmanuel. Gott besohlen, Julie!«

»Wie! lebt wohl?« rief Julie, »Du reisest also auf der Stelle, ohne Vorbereitungen, ohne Paß?«

»Das sind Dinge, welche den Kummer der Trennung verdoppeln,« sagte Monte Christo, »und ich bin fest überzeugt, Maximilian ist meiner Empfehlung gemäß so vorsichtig gewesen, für Alles zu sorgen.«

»Ich habe meinen Paß, und mein Koffer ist gepackt,« sprach Morrel mit seiner eintönigen Ruhe.

»Sehr gut,« versetzte Monte Christo lächelnd, »man erkennt hierin die Pünktlichkeit eines guten Soldaten.«

»Und Sie verlassen uns aus diese Art?« sagte Julie. »Sie verlassen uns aus der Stelle, Sie schenken uns nicht einen Tag, nicht eine Stunde?«

»Mein Wagen ist vor der Thüre, Madame; ich muß in fünf Tagen in Rom sein,«

»Doch Maximilian geht nicht nach Rom!« entgegnete Emmanuel.

»Ich gehe, wohin es dem Grafen mich zu führen belieben wird,« sprach Morrel mit einem traurigen Lächeln: »ich gehöre ihm noch für einen ganzen Monat.«

»Oh! mein Gott, wie er das sagt, Herr Graf!«

»Maximilian begleitet mich,« sprach der Graf mit seiner überzeugenden Freundlichkeit, »beruhigen Sie sich also über Ihren Bruder.«

»Gott befohlen, meine Schwester!« wiederholte Morrel: »lebe wohl, Emmanuel,«

»Er verwundet mir das Herz mit seiner Gleichgültigkeit,« sagte Julie; »oh l Maximilian, Maximilian, Du verbirgst uns etwas!«

»Bah!« rief Monte Christo, »Sie werden, ihn lachend und freudig zurückkommen sehen.«

Maximilian schleuderte Monte Christo einen bei nahe verächtlichen, beinahe zornigen Blick zu.

»Vorwärts!« sagte der Graf.

»Ehe Sie von uns gehen, Herr Graf,« sprach Julie, »erlauben Sie uns, Alles das auszudrücken, was einst .. .«

»Madame,« erwiderte der Graf, sie bei beiden Händen fassend, »Alles, was Sie mir sagen würden, käme nicht dem gleich, was ich in Ihren Augen lese; was Ihr Herz gedacht, hat das meinige empfunden. Wie die Wohlthäter der Romane, hätte ich, ohne Sie wiederzusehen, abreisen müssen: doch diese Tugend ging über meine Kräfte, weil ich ein schwacher und eitler Mensch bin, weil der feuchte, freudige, zärtliche Blick von meines Gleichen mir wohltut . . . Nun reise ich ab, ich treibe die Selbstsucht so weit, daß ich sage: Meine Freunde vergeßt mich nicht, denn Ihr werdet mich wahrscheinlich nie wiedersehen.«

»Nicht wiedersehen!« rief Emmanuel, während zwei schwere Tränen über die Wangen von Julie rollten; »nicht wiedersehen! es ist also kein Mensch, sondern ein Gott, der uns verläßt, und dieser Gott will zum Himmel aufsteigen, nachdem er aus der Erde erschienen ist, um hier Gutes zu tun!«

»Sagt das nicht,« versetzte lebhaft Monte Christo, »sagt das nie, meine Freunde; die Götter tun nie das Böse, die Götter bleiben stehen, wo sie stehen bleiben wollen, der Zufall ist nicht stärker als sie, und sie sind es im Gegenteil, welche den Zufall beherrschen. Nein, ich bin ein Mensch, Emmanuel, und Ihre Bewunderung ist eben so ungerecht, als Ihre Worte gotteslästerlich sind.«

Und an seine Lippen die Hand von Julie drückend, die sich in seine Arme stürzte, reichte er die andere Hand Emmanuel; dann entriß er sich diesem Hause, einem sanften Neste, dessen Wirth das Glück war, und zog durch ein Zeichen den seit dem Tode von Valentine stets unempfindlichen, leidenden, in tiefe Gedanken versunkenen Maximilian nach sich.

»Geben Sie meinem Bruder die Freude wieder!« flüsterte Julie Monte Christo zu.

Monte Christo drückte ihr die Hand, wie er sie ihr elf Jahre vorher aus der Treppe. welche zu dem Cabinet von Morrel führte, gedrückt hatte.

»Vertrauen Sie Simbad dem Seefahrer?« fragte sie lächelnd der Graf.

»Oh ja!«

»Wohl! so schlafen Sie im Frieden und im Glauben an den Herrn.«

Die Postchaise wartete, wie gesagt, vier kräftige Pferde sträubten die Mähnen und stampften voll Ungeduld das Pflaster.

Unten an der Freitreppe wartete Ali, das Gesicht von Schweiß glänzend; er schien von einem langen Gange zu kommen.

»Nun?« fragte ihn der Graf in arabischer Sprache, »bist Du bei dem Greise gewesen?«

Ali machte ein bejahendes Zeichen.

»Und Du hast ihm den Brief vor die Augen gelegt, wie ich Dir befohlen?«

»Ja,« machte ehrfurchtsvoll der Sklave.

»Und was hat er gesagt, oder vielmehr getan?«

Ali stellte sich so unter das Licht, daß ihn sein Herr sehen konnte, und schloß, mit seinem so treuen Verstande das Gesicht des Greises nachahmend, die Augen, wie dies Noirtier that, wenn er ja sagen wollte.

»Gut! er nimmt es an,« sprach Monte Christo: »brechen wir auf.«

Kaum hatte er dieses Wort entschlüpfen lassen, als bereits der Wagen rollte und die Pferde aus dem Pflaster eine, Funkenmasse hervorspringen machten.

Maximilian legte sich in seine Ecke, ohne ein Wort zu sprechen.

Es verging eine halbe Stunde: der Wagen hielt plötzlich an; der Graf hatte an der seidenen Schnur gezogen, welche mit dem Finger von Ali in Verbindung stand.

Der Nubier stieg ab und öffnete den Schlag. Die, Nacht funkelte von Sternen. Man war oben an der Anhöhe von Billedejuif, aus dem Plateau, von wo aus Paris wie ein düsteres Meer seine Millionen von Lichtern bewegt, welche phosphoreszierende Wellen zu sein scheinen, Wellen, geräuschvoller, leidenschaftlicher, wütender, gieriger, als die des ausgebrachten Ozeans, Wellen, die nicht, die Ruhe kennen, wie die der weiten See, Wellen, welche beständig an einander stoßen, stets schäumen, immer verschlingen.

Der Graf blieb allein, und aus ein Zeichen seiner Hand fuhr der Wagen ein paar Schritte weiter. Lange betrachtete er mit gekreuzten Armen diesen Schmelzofen, in welchem sich alle die Ideen vermengen, krümmen, drehen und gestalten, alle diese Ideen, welche aus dem kochenden Schlunde hervorstürzen, um die Welt in Bewegung zu setzen. Als er seinen mächtigen Blick aus dieses Babylon geheftet hatte, das die religiösen Dichter, wie die materialistischen Spötter träumen macht, sprach er den Kopf neigend und die Hände wie zum Gebete faltend:

»Große Stadt! es sind weniger als sechs Monate, daß ich durch deine Thore eingetreten bin. Ich glaube, daß mich der Geist Gottes zu dir geführt hatte, triumphierend führt er mich von dir zurück. Das Geheimnis meiner Gegenwart in deinen Mauern habe ich diesem Gotte anvertraut, der allein in meinem Herzen zu lesen vermochte: er allein weiß, daß ich mich ohne Haß und ohne Stolz, doch nicht ohne Bedauern entferne; er allein weiß, daß ich nicht meinetwegen und nicht um eitler Ursachen willen von der Macht, die er mir anvertraut, Gebrauch gemacht habe. Oh! große Stadt! in deinem zitternden Schooße habe ich gefunden, was ich suchte; ein geduldiger Gräber, durchwühlte ich deine Eingeweide, um das Böse daraus hervorzutreiben; nun ist mein Werk erfüllt, meine Sendung beendigt; nun kannst Du mir weder mehr Freude, noch Schmerzen bieten, Gott besohlen, Paris!«

Sein Blick schwebte noch einmal wie der eines Geistes der Nacht über die Ebene hin; dann fuhr er mit der Hand nach der Stirne, stieg wieder in seinen Wagen, dieser schloß sich hinter ihm und verschwand bald aus der andern Seite der Anhöhe in einem Wirbel von Staub und Geräusch.

Achtzehntes Kapitel.
Das Haus der Allées de Meillan

Sie legten zehn Stunden zurück, ohne ein Wort zu sprechen, Morrel träumte, Monte Christo schaute den Träumer an.

»Morrel,« sagte der Graf endlich zu diesem, »sollten Sie es bereuen, daß Sie mir gefolgt sind?«

»Nein, Herr Graf, doch Paris verlassen . . . «

»Hätte ich geglaubt, das Glück erwarte Sie in Paris, so würde ich Sie dort gelassen haben.«

»In Paris ruht Valentine, und von Paris scheiden heißt sie zum zweiten Male verlieren.«

»Maximilian,« sprach der Graf, »Freunde, welche wir verloren haben, ruhen nicht in der Erde: sie sind in unserem Herzen begraben, und Gott hat es so gewollt, damit wir stets begleitet wären. Ich habe zwei Freunde, welche mich aus diese Art beständig begleiten: der eine ist derjenige, welcher mir das Leben, der andere der, welcher mir den Verstand gegeben hat. Der Geist von Beiden lebt in mir. Ich befrage sie im Zweifel, und wenn ich etwas Gutes getan, so habe ich es ihren Rathschlägen zu verdanken. Berathen Sie sich mit der Stimme Ihres Herzens, Morrel, und fragen Sie dieselbe, ob Sie mir fortwährend dieses böse Gesicht machen sollen.«

»Mein Freund,« sprach Morrel, »die Stimme meines Herzens ist sehr traurig und verheißt mir nur Unglück.«

»Es ist’ das Eigentümliche geschwächter Geister, daß sie alle Dinge nur durch einen schwarzen Flor sehen; es ist die Seele, die sich selbst ihre Horizonte bildet: Ihre Seele ist düster, und sie ist es, die Ihnen einen stürmischen Himmel macht.«

»Das mag, wahr sein,« sagte Maximilian; und er verfiel wieder in seine Träumerei.

Die Reise ging mit der wunderbaren Schnelligkeit vor sich, welche in der Macht des Grafen lag: die Städte zogen wie Schatten aus ihrem Wege vorüber. Bon den ersten Winden des Herbstes geschüttelt, schienen ihnen die Bäume wie zerzauste Riesen entgegenzukommen und entflohen rasch, sobald sie dieselben erreicht hatten. Am andern Morgen kamen sie in Câlons an, wo sie das Dampfboot des Grafen erwartete: ohne einen Augenblick zu verlieren, wurde der Wagen an Bord gebracht; die zwei Reisenden waren bereits eingeschifft.

Das Fahrzeug war vortrefflich für den raschen Laus gebaut, man hätte glauben sollen, es wäre eine indische Pirogue; seine zwei Räder schienen zwei Flügel, mit denen es das Wasser streifte wie ein Wandervogel; Morrel selbst empfand jene Berauschung der Geschwindigkeit, und zuweilen war der Wind, der seine Haare flattern machte, nahe daran, für einen Augenblick die Wolken von seiner Stirne zu zerstreuen.

Was den Grafen betrifft, so schien ihn, je mehr er sich von Paris entfernte, eine beinahe Übermenschliche Heiterkeit wie eine Glorie zu umgeben; es war, als kehrte ein Verbannter in sein Vaterland zurück.

Marseille, weiß, warm, lebendig: Marseille, die jüngere Schwester von Tyrus und Carthago, die ihnen in der Herrschaft aus dem mittelländischen Meere folgte; Marseille, immer jünger, je mehr es altert, erschien bald vor ihren Augen. Sie boten den Reisenden einen an Erinnerungen fruchtbaren Anblick, dieser runde Thurm, dieses Fort Saint-Nicolas, das Stadthaus des Puget, der Hafen mit den Quais von Backsteinen, wo Beide als Kinder gespielt hatten.

Beide blieben im Einklang aus der Cannebière stehen.

Ein Schiff ging nach Algier ab; die Ballen, die auf dem Verdecke aufgehäuften Passagiere, die Menge der Verwandten, der Freunde, die hier Abschied nahmen, weinten und schrien, ein stets rührendes Schauspiel, selbst für diejenigen, welche demselben jeden Tag beiwohnen, diese ganze Bewegung vermochte Maximilian einem Gedanken nicht zu entreißen, der ihn ergriff, sobald er den Fuß aus die breiten Platten des Quai setzte.

»Sehen Sie, ’ sagte er, Monte Christo beim Arme fassend, »dies ist der Ort, wo mein Vater stand, als der Pharaon in den Hasen einlief: hier warf sich der brave Mann, den Sie vom Tode und von der Schande erretteten, in meine Arme; ich fühle noch seine Tränen aus meinem Antlitz, und er weinte nicht allein, sondern es weinten noch viele Leute, die uns sahen.«

Monte Christo lächelte und sprach, aus eine Straßenecke deutend:

»Ich war dort.«

Als er dies sagte, hörte man in der von ihm angegebenen Richtung ein schmerzliches Seufzen, und man sah eine Frau, welche einem Passagier des abgehenden Schiffes Zeichen machte. Diese Frau war verschleiert: Monte Christo schaute sie mit einer Erschütterung an, welche Morrel leicht wahrgenommen hätte, wären seine Augen nicht aus das Schiff geheftet gewesen.

»Oh, mein Gott!« rief Morrel, »ich täusche mich nicht! jener junge Mann mit der Contreépaulette des Unterlieutenant ist Albert von Morcerf!«

»Ja,« sprach Monte Christo, »ich habe ihn erkannt.«

»Wie kann dies sein? Sie schauten aus die entgegengesetzte Seite?«

Der Graf lächelte, wie er es machte, wenn er nicht antworten wollte.

Und seine Augen kehrten zu der verschleierten Frau zurück, welche an der Straßenecke verschwand. Dann wandte er sich um und sagte zu Maximilian:

»Lieber Freund, haben Sie nichts in dieser Gegend zu tun?«

»Ich habe aus dem Grabe meines Vaters zu weinen,« antwortete Morrel mit dumpfem Tone.

»Es ist gut, gehen Sie und erwarten Sie mich dort, ich werde Sie abholen.«

»Sie verlassen mich?«

»Ja . . . ich habe auch einen frommen Besuch zu machen.«

Morrel ließ seine Hand in die Hand fallen, die ihm der Graf reichte; dann entfernte er sich von diesem mit einer Bewegung des Kopfes, deren schwermütiger Ausdruck sich nicht schildern läßt, und wandte sich nach dem Osten der Stadt.

Monte Christo ließ Maximilian weggehen und blieb aus derselben Stelle, bis er verschwunden war; dann erst wanderte er nach den Allées de Meillan, um das kleine Haus auszusuchen, mit dem unsere Leser am Anfange dieser Geschichte vertraut geworden sind.

Es erhob sich noch im Schatten der großen Lindenallee, die den müßigen Marseillern als Spaziergang dient, tapezirt mit großen Vorhängen von Weinreben, welche aus dem durch die glühende Sonne des Süden vergelbten Gesteine ihre geschwärzten und durch das Alter ausgezackten Arme kreuzten.

Zwei steinerne, durch das Reiben der Füße abgenutzte Stufen führten zu der Hausthüre, welche aus drei Brettern bestand, die trotz ihrer jährlichen Trennung nie den Mastir oder den Anstrich kennen gelernt hatten und stets geduldig warteten, bis die Feuchtigkeit ihre Wiederannäherungen bewerkstelligte.

Dieses trotz seines Alters ganz reizende, trotz seiner scheinbaren Armseligkeit ganz heitere Haus war dasselbe, welches einst der Vater Dantes bewohnte. Nur bewohnte der Greis die Mansarde, während der Graf das ganze Haus zur Verfügung von Mercedes gestellt hatte.

Hier trat die Frau mit dem langen Schleier ein. welche Monte Christo von dem abgehenden Schiffe sich entfernen sah; sie schloß die Thüre in der Secunde, wo er an der Straßenecke erschien, so daß sie beinahe in dem Augenblick verschwand, in welchem er sie wiederfand.

Für ihn waren die ausgetretenen Stufen alte Bekannte; er verstand es besser, als irgend Jemand, diese Thüre zu öffnen, deren innere Klinke ein Nagel mit breitem Kopfe hob.

Er trat auch ein, ohne zu klopfen, ohne sich melden zu lassen, wie ein Freund, wie ein Gast.

Am Ende eines mit Backsteinen gepflasterten Ganges, öffnete sich, reich an Wärme, an Sonne und an Licht, ein kleiner Garten, derselbe, wo an dem bezeichneten Orte Mercedes die Summe gesunden hatte, deren Verwahrung der Graf aus Zartgefühl vierundzwanzig Jahre zurückdatierte; von der Schwelle der Hausthüre erblickte man die ersten Bäume dieses Gartens.

Aus die Schwelle gelangt, hörte Monte Christo ein Seufzen, das einem Schluchzen glich. Dieses Seufzen leitete seinen Blick, und unter einer Laube von virginischem Jasmin mit dickem Blätterwerk und Purpurnen Blüthen gewahrte er Mercedes, welche mit gesenktem Kopfe und weinend aus einer Bank saß.

Sie hatte ihren Schleier zurückgeschlagen, und allein unter dem Auge des Himmels, das Gesicht mit beiden Händen bedeckend, ließ sie ihren durch die Gegenwart des Sohnes so lange zurückgehaltenen Tränen und Seufzern freien Lauf.

Monte Christo machte einige Schritte; der Sand krachte unter seinen Füßen.

Mercedes hob das Haupt und stieß einen Schrei des Schreckens aus, als sie einen Mann vor sich sah.

»Madame,« sprach der Graf, »es liegt nicht mehr in meiner Gewalt, Ihnen das Glück zu bringen, doch ich biete Ihnen den Trost: wollen Sie ihn als von einem Freunde kommend annehmen?«

»Ich bin in der Tat sehr unglücklich,« erwiderte Mercedes; »allein aus der Welt . . . Ich besaß nur meinen Sohn, und er hat mich verlassen.«

»Und er hat wohl daran getan, Madame, Ihr Sohn ist ein edles Herz,« versetzte der Graf. »Er hat begriffen, daß jeder Mensch dem Vaterlande einen Tribut schuldig ist: die einen ihre Talente, die andern ihren Gewerbsfleiß; diese ihre Nachtarbeiten, jene ihr Blut. Bei Ihnen verweilend, würde er sein unnütz gewordenes Leben verbraucht haben; er hätte sich an Ihre Schmerzen nicht gewöhnen können. Er wäre feindselig durch Ohnmacht geworden: im Kampfe gegen sein Mißgeschick, das er sicherlich in Glück verwandelt, wird er groß und stark werden. Lassen Sie ihn Ihrer Beider Zukunft wiederherstellen, Madame; ich wage Ihnen zu versprechen, daß sie in sicheren Händen ist.«

»Oh! dieses Glück,« sagte die arme Frau, traurig den Kopf schüttelnd, »dieses Glück, das ich ihm zu bewilligen Gott aus dem Grunde meines Herzens bitte, werde ich nicht genießen. Es sind so viele Dinge in mir und um mich her in Trümmer gegangen, daß ich mich meinem Grabe nahe fühle. Sie haben wohl daran getan, Herr Graf, mich an einen Ort zu versetzen, wo ich so glücklich gewesen bin. Da, wo man glücklich gewesen ist, muß man sterben.«

»Ach! alle Ihre Worte, Madame, fallen bitter und brennend aus mein Herz, um so bitterer und um so brennender, als Sie Recht haben, wenn Sie mich hassen: ich habe Ihr ganzes Unglück verursacht. Warum werfen Sie mir meine Schuld nicht vor, warum klagen Sie mich nicht an?«

»Sie hassen, Sie anschuldigen; Sie, Edmond . . den Mann, der meinem Sohne das Leben gerettet hat, hassen, anschuldigen, denn nicht wahr, es ist Ihre unselige, blutige Absicht gewesen, Herrn von Morcerf den Sohn zu töten, auf den er so stolz war? Oh! schauen Sie mich an, und Sie werden sehen, ob an mir auch nur ein Schein von Vorwurf wahrzunehmen ist.«

Der Graf schlug seine Augen aus und betrachtete Mercedes, welche, halb stehend, ihre Hände gegen ihn ausstreckte.

»Oh! schauen Sie mich an,« fuhr sie mit einem Gefühle tiefer Schwermut fort; »man kann den Glanz meiner Augen heute ertragen, es ist nicht mehr die Zeit wo ich Edmond Dantes zulächelte, der mich dort an dem Fenster jener von seinem alten Vater bewohnten Mansarde erwartete . . . Seit damals sind viele schmerzliche Tage verlaufen und haben einen Abgrund zwischen mir und jener Zeit gegraben. Sie anklagen, Edmond, Sie hassen, mein Freund, nein! mich klage ich an, mich hasse ich! Oh! ich Elende!« rief sie die Hände faltend und die Augen zum Himmel ausschlagend. »Bin ich bestraft worden!. . Ich hatte die Religion, die Unschuld, die Liebe, dieses dreifache Glück, das die Engel bildet, und ich Elende zweifelte an Gott.«

Monte Christo ging einen Schritt auf sie zu und reichte ihr schweigend die Hand.

»Nein, sprach sie, sachte die ihrige zurückziehend, nein, mein Freund, berühren Sie mich nicht. Sie haben mich verschont, und dennoch war ich von allen denjenigen, welche Sie geschlagen, die Schuldigste. Alle Andere haben aus Haß, aus Habgier, aus Selbstsucht gehandelt, ich handelte aus Feigheit; sie begehrten, ich hatte Furcht, Nein, drücken Sie meine Hand nicht, Edmond. Sie sinnen aus ein liebevolles Wort, ich fühle dies, sagen Sie es nicht, behalten Sie es für eine Andere, ich bin dessen nicht würdig. Sehen Sie . . . (sie entblößte ihr Gesicht völlig) sehen Sie, das Unglück hat meine Haare grau gemacht; meine Augen haben so viele Tränen vergossen, daß sie von blauen Adern umzogen sind; meine Stirne runzelt sich, Sie, Edmond, sind im Gegenteil immer jung, immer schön, immer stolz. Das kommt davon her, daß Sie den Glauben, daß Sie die Kraft gehabt haben, daß Sie aus Gott bauten, und daß Gott Sie unterstützte. Ich bin feig gewesen, ich habe Gott verleugnet, Gott hat mich verlassen, und so bin ich nun.«

Mercedes zerfloß in Tränen; das Herz der Frau brach unter dem gewaltigen Stoße der Erinnerungen.

Monte Christo nahm ihre Hand und küßte sie ehrfurchtsvoll; aber sie fühlte selbst, daß dieser Kuß ohne Glut war, wie der, den Graf aus die marmorne Hand der Bildsäule einer Heiligen gedrückt hätte.

»Es gibt prädestinierte Wesen,« fuhr sie fort, »Wesen, deren ganze Zukunft ein erster Fehler zertrümmert. Ich hielt Sie für tot und hätte sterben sollen; denn wozu nützte es, daß ich die Trauer um Sie ewig in meinem Herzen trug? nur dazu, daß aus einer Frau von neun und dreißig Jahren eine Frau von fünfzig wurde. Wozu hat es genützt, daß ich Sie allein unter Allen erkannte und allein meinen Sohn rettete? Mußte ich nicht den Mann, den ich als Gatten angenommen, so schuldig er auch war, ebenfalls retten! Doch ich ließ ihn sterben; mein Gott! was sage ich, ich trug durch meine feige Unempfindlichkeit, durch meine Verachtung zu seinem Tode bei, indem ich mich nicht erinnerte, nicht erinnern wollte, daß er sich meinetwegen zum Verräter und Meineidigen gemacht hatte! Wozu nützt es endlich, daß ich meinen Sohn bis hierher begleitet habe, da ich mich hier von ihm trenne, da ich ihn allein abreisen lasse, da ich ihn dem verzehrenden Boden von Afrika preisgebe! Oh! ich bin feig gewesen, sage ich Ihnen, ich habe meine Liebe verleugnet und bringe, wie die Abtrünnigen, Allem, was mich umgibt, Unglück!«

»Nein, Mercedes,« sprach Monte Christo, »nein! fassen Sie eine bessere Meinung von sich selbst. Nein, Sie sind eine edle, fromme Frau und haben mich durch Ihren Schmerz entwaffnet; doch unsichtbar, unbekannt, aufgebracht, war hinter mir ein Gott, in dessen Auftrag ich handelte, und der den Blitz, welchen ich geschleudert hatte, nicht zurückhalten wollte. Oh! ich beschwöre diesen Gott, zu dessen Füßen ich mich seit zehn Jahren jeden Tag niederwerfe, ich rufe diesen Gott zum Zeugen an, daß ich Ihnen dieses Leben, und mit diesem Leben die Pläne, die damit verbunden waren, zum Opfer gebracht hatte. Doch ich sage es mit Stolz. Mercedes, Gott bedurfte meiner, und ich starb nicht. Prüfen Sie die Vergangenheit, prüfen Sie die Gegenwart, suchen Sie die Zukunft zu erraten und sehen Sie, ob ich nicht das Werkzeug des Herrn bin: das gräßlichste Unglück, die grausamsten Leiden, der Abfall aller derjenigen, weiche mich liebten, die Verfolgung der Menschen, die mich nicht kannten, dies ist der erste Teil meines Lebens: dann plötzlich, nach der Gefangenschaft, nach der Einsamkeit, nach dem Elend, die Luft, die Freiheit, ein so glänzendes, so wunderbares, so maßloses Glück, daß ich, ohne blind zu sein, denken mußte, Gott habe es mir in großen Absichten geschickt. Von da an erschien mir dieses Glück als ein Priestertum, von da an war nicht ein Gedanke mehr in mir für dieses Leben, dessen Süßigkeit Sie, arme Frau, zuweilen genossen haben: keine Stunde der Ruhe, nicht eine einzig, ; ich fühlte mich fort getrieben wie die feurige Wolke, welche am Himmel hinzieht, um die verfluchten Städte in Asche zu legen. Wie jene abenteuerlichen Kapitäne, die sich zu einer gefahrvollen Reise einschiffen und aus eine gewagte Expedition sinnen, kaufte ich den Proviant ein, lud ich die Gewehre, häufte ich die Mittel zum Angriff und zur Verteidigung ans, gewöhnte ich meinen Körper an die heftigsten Anstrengungen, meine Seele an die härtesten Dinge, unterrichtete ich meinen Arm im Töten, meine Augen im Leiden sehen, meinen Mund im Lächeln bei dem gräßlichsten Anblick; früher gut, vertrauensvoll, vergessend, machte ich mich rachsüchtig, heuchlerisch, böse, oder vielmehr unempfindlich, wie das taube und blinde Verhängnis. Dann warf ich mich aus den mir geöffneten Pfad, ich durchschnitt den Raum, ich berührte. das Ziel: wehe denen, welche ich aus meinem Wege traf!«

»Genug!« sagte Mercedes, »genug Edmond; glauben Sie mir, daß diejenige, welche Sie allein zu erkennen vermochte, auch allein Sie verstehen konnte. Edmond, hätten Sie diejenige, welche Sie zu erkennen, zu begreifen vermochte, auf Ihrem Wege getroffen und wie ein Glas zerbrochen, sie hätte Sie bewundern müssen, Edmond! Wie eine Kluft zwischen mir und der Vergangenheit befestigt ist, so besteht auch eine Kluft zwischen Ihnen und den andern Menschen: und meine schmerzlichste Qual, ich sage es Ihnen, ist es zu vergleichen: denn es gibt nichts aus der Welt, was Ihnen an Wert gleichkommt, nichts, was Ihnen ähnlich ist. Nun sagen Sie mir Lebewohl, Edmond, und trennen wir uns.«

»Ehe ich Sie verlasse: was wünschen Sie, Mercedes?« fragte Monte Christo.

»Ich wünsche nur Eines, Edmond, daß mein Sohn glücklich werde.«

»Bitten Sie den Herrn, der allein das Dasein der Menschen in seinen Händen hält, er möge den Tod von ihm entfernen, das Übrige sei meine Sorge.«

»Ich danke, Edmond.«

»Doch Sie, Mercedes?«

»Ich brauche nichts, ich lebe zwischen zwei Gräbern; das eine ist das von Edmund Dantes, der vor langer Zeit gestorben; ich liebte ihn! dieses Wort steht nicht mehr zu meiner verwelkten Lippe, doch mein Herz erinnert sich noch desselben, und um keinen Preis der Welt möchte ich dieses Andenken meines Herzens verlieren. Das andere ist das eines Menschen, den Edmond Dantes getötet hat, ich billige die Tat, aber ich muß für den Toten beten.«

»Ihr Sohn wird glücklich werden, Madame, wiederholte der Graf,

»Dann werde ich so glücklich sein, als ich sein kann.«

»Doch was gedenken Sie . . . am Ende . . . zu tun?«

Mercedes lächelte traurig.

»Wollte ich Ihnen sagen, ich werde in dieser Gegend leben, wie die Mercedes von ehemals, das heißt arbeiten, so würden Sie mir nicht glauben: ich vermag nur noch zu beten, doch ich bedarf der Arbeit nicht; der von Ihnen vergrabene kleine Schatz hat sich an dem bezeichneten Orte gefunden; man wird forschen, wer ich bin, man wird fragen, was ich mache, man wird nicht wissen, wovon ich lebe: was liegt daran? das ist eine Angelegenheit zwischen Gott, Ihnen und mir.«

»Mercedes,« sprach der Graf, »ich mache Ihnen keinen Vorwurf, doch Sie haben das Opfer übertrieben, indem Sie das ganze von Herrn von Morcerf angehäufte Vermögen Fremden überließen, während die Hälfte von Rechts wegen Ihrer Sparsamkeit und Wachsamkeit zukam.«

»Ich sehe. was Sie mir vorschlagen wollen. doch ich kann es nicht annehmen, Edmond, mein Sohn würde es mir verbieten.«

»Ich werde mich auch wohl hüten, etwas für Sie zu tun, was nicht die Billigung von Herrn Albert von Morcerf hätte. Ich werde seine Ansichten erforschen und mich denselben unterwerfen. Doch machen Sie sich anheischig, wenn er das, was ich tun will, annimmt, ihn ohne Widerstreben nachzuahmen?«

»Sie wissen, Edmond, daß ich kein denkendes Geschöpf mehr bin: ich habe keine Entschließung, wenn nicht die, mich nie mehr zu entschließen. Gott schüttelte mich dergestalt in seinen Stürmen, daß ich den Willen verloren habe. Ich bin wie ein Sperling in den Klauen des Adlers. Gott will nicht, daß ich sterbe, da ich lebe. Schickt er mir Hilfe, so wird er dies wollen, und ich werde sie annehmen.«

»Seien Sie, aus Ihrer Hut, Madame,« sprach Monte Christo, »so betet man Gott nicht an! Gott will, daß man ihn verstehe und sich seine Macht erörtere: deshalb hat er uns den freien Willen gegeben.«

»Unglücklicher!« rief Mercedes, »sprechen Sie nicht so zu mir: wenn ich glaubte, Gott hätte mir den freien Willen gegeben, was bliebe mir, um mich vor der Verzweiflung zu retten?«

Monte Christo erbleichte leicht und neigte das Haupt, niedergebeugt durch die Heftigkeit des Schmerzes.

»Wollen Sie mir nicht aus Wiedersehen sagen?« sprach er, ihr die Hand reichend.

»Im Gegenteile, ich sage Ihnen auf Wiedersehen und beweise damit, daß ich noch hoffe,« antwortete Mercedes, feierlich aus den Himmel deutend.

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10 aralık 2019
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