Kitabı oku: «Der Graf von Moret», sayfa 66
Solche maßlose Willkürlichkeiten und Ungerechtigkeiten wirkten sogar auf das Gemüth der Feinde des unglücklichen Grandiers, so daß viele nunmehr zu seinen Gunsten einschritten und ihre Aussagen widerrufen oder abändern wollten. Aber Laubardemont drohte jedem mit einem Processe wegen falscher Zeugenschaft und es wurde überdies eine Kundmachung angeschlagen, welche bei hoher Geldbuße und körperlicher Züchtigung untersagte, den Richtern, dem Proceßverfahren, den Exorcisten (Teufelsbannern) und den besessenen Nonnen irgend etwas Uebles nachzureden.
Endlich erschien der Urtheilsspruch. Er lautete, daß Urbain Grandier zuerst gehängt und dann sein Leichnam verbrannt werden solle. Ungeachtet der Bitten und Drohungen Laubardemonts ungeachtet der grausamsten Tortur hatte Grandier sich nicht für schuldig bekannt.
Der Haß, welchen die Mitglieder des h. Officiums gegen Grandier hegten, fand die oben erwähnte Strafe viel zu milde, denn Grandier hatte in ihren Augen ein noch weit größeres Verbrechen begangen, als mit dem Teufel eine Liaison anzuknüpfen; es fand sich nämlich unter seinen Papieren eine von ihm verfaßte Abhandlung gegen das Cölibat der Priester. Für eine solche Missethat mußte er, obgleich er diese Abhandlung nie veröffentlicht oder auch nur Jemanden mitgetheilt hatte, besonders bestraft werden und man veranstaltete daher ganz unter der Hand eine Strafverschärfung.
Als der Henker die Schlinge zuziehen wollte, um Urbain Grandier zu erdrosseln, während bereits der Holzstoß am Fuße des Pfahles angezündet worden war, fand sich ein Knoten im Stricke vor. – Da das Feuer rasch um sich griff, mußte der Henker, um sich selbst zu retten, seinen Delinquenten, der nun lebendig verbrannte, im Stiche lassen. Als Urheber dieser Grausamkeit bezeichnen die Geschichtschreiber einstimmig den mehrgenannten Pater Lactance.
Wer den schauderhaften Proceß und das Ende des ungeachtet seiner vielen Fehler höchst bedauernswürdigen Urbain Grandier des Näheren kennen lernen und die Ueberzeugung sich verschaffen will, daß wir auch hier uns nur an die strengste, unzweifelhaft constatirte Wahrheit in all' und jedem gehalten haben, verabsäume nicht, die Einsicht in das mit großer Unparteilichkeit und Sachkenntniß von einem französischen Flüchtlinge geschriebene Werk, welches den Titel führt: »Histoire des Diables de Loudun ou de la possession des Religieuses Urselines et de la condamnation et supplice d'Urbain Grandier, Curé de la- même ville. A Amsterdam, Abraham Wolfgang 1694 – 1 vol. 12.«
Noch auf seinem letzten Gange hatte Grandier fortwährend seine Unschuld betheuert und die Strafe des Himmels auf alle Jene, die wider ihn falsche Zeugenaussagen abgelegt, herabbeschworen.
Merkwürdiger Weise starben wirklich alle diese Personen binnen Jahresfrist. Manche wollen diesen gleichfalls geschichtlich erwiesenen Umstand aus eine ganz natürliche Art erklären, nämlich, daß man von einer gewissen Seite her Sorge getragen habe, alle Leute, welche späterhin als Zeugen möglicher Weise unangenehm werden konnten, bei Zeiten stumm zu machen.
Auch die fünfzehn Richter, welche die Specialcommission gebildet hatten, sahen sich in ihren Hoffnungen auf die Dankbarkeit des Cardinals sehr getäuscht.
Richelieu tadelte officiell die Willkürlichkeit und Ungerechtigkeit der Richter, entzog denselben ohne alle Umstände Amt und Gehalt und ein eigener königlicher Erlaß untersagte auf das strengste die Wiederaufnahme von Hexenprocessen, zu welchen die Fanatiker, durch den glücklichen Erfolg in Loudun angeregt, an allen Ecken und Enden Frankreichs plötzlich Lust und Material bekamen.
Der Zweck des Cardinals war erreicht; Grandier hatte für seine Satyre mit dem Leben gebüßt; aber die Scheiterhaufen der Inquisition aufzurichten, einen Religionskrieg von Neuem zu entzünden und dem Aberglauben Vorschub zu leisten, das paßte keineswegs in seine weitblickende und hochstrebende Politik, die nicht blos darauf abzielte, Erfolge im Auslande zu erzielen, sondern Frankreich auch im Innern groß und mächtig machen wollte. Und Letzteres, dies sah sein heller, Alles durchdringender und umfassender Geist klar ein, war nur durch innern Frieden, durch die Herrschaft des Gesetzes, durch eine mit der Aufklärung Hand in Hand gehende Industrie und Landescultur möglich, nicht aber durch eine systematische Verdummung der Massen, die noch immer die Unterordnung der heiligsten Interessen der Staaten und der Völker unter eine Schaar beutegieriger und herrschsüchtiger Fanatiker als eine naturgemäße Nothwendigkeit zur Folge gehabt hat.
IX.
Die Verschwörung von Amiens
Wie wir im Verlaufe unserer Erzählung schon öfters wahrzunehmen die Gelegenheit hatten, beherrschte den König Ludwig XIII. eine bei seinem egoistischen, mißtrauischen und rachsüchtigen Charakter geradezu unerklärliche Nachsicht gegen seinen Bruder Gaston von Orleans, von welchem ihm doch schon hundertfache Beweise geworden waren, daß er nicht nur nach der Krone trachte, sondern sogar mit Ungeduld auf seinen Tod warte.
Diese Schwäche Ludwigs XIII. war so groß, daß sich ihr sogar der Cardinal Richelieu, welcher zur Stunde doch im Gipfel seines Einflusses stand, kluger Weise fügte und ganz im Stillen seine Einleitungen traf, um die Rückkehr Monsieurs nach Frankreich anzubahnen.
Gaston von Orleans griff mit beiden Händen nach der ihm von Richelieu dargebotenen Gelegenheit, zumal auch sein Günstling Puy-Laurent, vielleicht der einzige Mensch, dem er je in seinem Leben zugethan war, dabei sehr gut wegkam.
Am 24. October 1634 entwischte Monsieur von Brüssel, seine Mutter, seine Gemalin Margaretha von Lothringen und seine übrigen Anhänger, mit Ausnahme von Puy-Laurent, im Stiche lassend. Drei Tage später langte er in St. Germain an, wo ihn der König außerordentlich wohlwollend aufnahm und den Cardinal ihm mit den Worten vorstellte:
»Ich bitte Euch, Richelieu zu lieben.«
»Ich werde ihn wie mich selbst lieben,« erwiderte Gaston rasch, dabei Richelieus Hand ergreifend, »und ich bin entschlossen, in Zukunft seinen Rathschlägen zu folgen.«
Folgenden Tags veranstaltete der Cardinal Monsieur zu Ehren auf seiner Besitzung Ruelle nächst Paris ein glänzendes Fest. – Unmittelbar nach demselben reiste Gaston nach Blois ab, welches ihm der König zum Aufenthalte angewiesen hatte.
Puy-Laurent, die verwitwete Prinzessin von der Pfalz, welche ihn innigst liebte und seinetwegen eine ebenso romantische als gefährliche Flucht aus Nancy gewagt hatte, treulos verlassend, heiratete Gaston Fräulein Ponte-Chateau, Cousine des Cardinals Richelieu, erhielt ein Herzogthum, die Pairswürde und sechsmalhunderttausend Thaler Rente, für die damalige Zeit ein wahrhaft königliches Einkommen.
Richelieu hegte von Puy-Laurent eine sehr gute Meinung und legte hohen Werth darauf, ihn für sich zu gewinnen, denn mit ihm hatte er auch Monsieur gewonnen, und wie wir sahen, brachte der Cardinal dieser seiner Absicht die schwerwiegendsten Opfer.
Schon seit langer Zeit pflegte Richelieu, wenn von Puy-Laurent im Kreise seiner Vertrauten die Rede war, stets zu sagen: »Avec le temps, j'aurai de 1'âge,« auf den eigentlichen Familiennamen von Puy-Laurent, der Antoine de Laage hieß, anspielend.5
Der Königin-Mutter welche nun in Brüssel verwaister und ohnmächtiger als je dastand, that nun gleichfalls Schritte, um nach Frankreich zurückzukehren.
Spanien, welches jetzt nur mehr sehr geringe Aussicht hatte, auf ihre fernere Anwesenheit in Brüssel erfolgreiche Pläne wider Frankreich zu bauen, zeigte sich bereits des kostspieligen Geistes ziemlich überdrüssig und Maria von Medicis, welche bisher offenen Credit besaß, sah ihre Geldquellen eine nach der anderen immer mehr versiegen.
Mit tausend Freuden hätte sie jetzt die glänzenden Bedingungen acceptirt, welche ihr nach der Catastrophe von Compiègne gestellt, von ihr aber mit unverzeihlichem Hochmuthe zurückgewiesen wurden. Geizig zeigte sich Richelieu in seinen Gegenvorschlägen auch nun nicht, aber nur unter der Bedingung, daß sie nach Florenz zurückkehre. An diesem Punkte, hinsichtlich dessen auch der König keine Nachgiebigkeit zeigte, zerschlugen sich die Unterhandlungen.
Als Revanche für diesen letzten und unzeitigen Trotz machte Richelieu durch geschickte Intriguen ihre Stellung in Brüssel noch unhaltbarer und veruneinigte sie schließlich sogar mit ihrem Schwiegersohne Carl I. von England derart, daß sie darauf verzichten mußte, im äußersten Falle über dem Canale eine Zufluchtsstätte zu finden.
Das gute Einvernehmen Richelieus mit Monsieur und dessen Factotum Puy-Laurent dauerte indessen nicht über zwei Monate.
Gaston von Orleans führte nämlich in Blois ein Leben von so geheimnißvoller Zurückgezogenheit, daß Richelieu darüber ernstlich besorgt wurde.
Er sendete mehrere seiner vertrautesten Leute nach Blois, um Puy-Laurent zu bewegen, daß er ihm über das Treiben Monsieurs und der Personen, mit denen er auf eine so mysteriöse Weise verkehrte, genau und regelmäßig Bericht erstatte. Er ließ ihm als Belohnung hierfür Gouvernementsstellen, den Marschallsstab und das Commondo einer Armee anbieten.
Ferner stellte der Cardinal an Puy-Laurent das Ansinnen, den Herrn Coudrai-Montpensier und einige andere ihm mißliebige und verdächtige Cavaliere aus der Nähe des Herzogs von Orleans zu entfernen.
Am meisten verstimmte es aber Richelieu, daß Puy- Laurent sein feierliches Versprechen, Monsieur zur Lösung seiner Ehe mit Margaretha von Lothringen, welche vom Parlamente zu Paris, als der Einwilligung des Königs entbehrend, für null und nichtig erklärt morden war, zu bewegen, fortwährend zu umgehen suchte.
Endlich gelang es den Spionen des Cardinals in Erfahrung zu bringen, daß in Blois häufig spanische Agenten eintrafen und zwischen dort und Brüssel ein lebhafter schriftlicher Verkehr stattfand.
Richelieu lieferte hierfür dem Könige die schlagendsten Beweise und dieser sah endlich ein, daß Pay-Laurent ein falsches Spiel spiele, dessen Consequenzen mit Rücksicht auf den nahe bevorstehenden Krieg gar nicht abzusehen wären. Pay-Laurent erschien als Hochverräther, und der König beschloß aus Richelieus Anrathen mit dem Undankbaren kurzen Proceß zu machen.
Es handelte sich aber darum, Puy-Laurent von Blois, wo er unfaßbar schien, weil er im Momente der Arretirung höchst wahrscheinlich entflohen wäre, wegzulocken.
Der Carneval des Jahres 1635 bot hierzu die Gelegenheit. Der König ließ große Festlichkeiten veranstalten, zu denen Monsieur und Puy-Laurent auf die cordialste Weise nach Paris geladen wurden.
Am l. Februar Nachmittags, als Puy-Laurent, der einer der besten Tänzer seiner Zeit war, im Louvre erschien, um eine Ballprobe zu leiten, wurde er von den königlichen Garden arretirt und nach Vincennes abgeführt. Mehrere seiner Freunde theilten dasselbe Loos.
Monsieur war über diesen Staatsstreich wie vom Donner gerührt. Seine viel erprobte Erbärmlichkeit zeigte sich auch diesmal. Schuldbewußt, wie er war, ließ er dem Könige augenblicklich sagen, es falle ihm gar nicht ein, für seine Leute um Gnade zu bitten, wenn sie schuldig wären, und reiste nach Blois zurück.
Puy-Laurent überlebte nicht lange seinen Sturz. Bereits im Monate Juli desselben Jahres, nämlich 1635, starb er vor Gram im Kerker. Nicht bald wurde ein Mensch mehr vom Glücke begünstigt, wie er, und nicht bald trieb Jemand damit größeren Mißbrauch, als er. Er verdiente wirklich das Loos und das Ende, welches ihm seine große Undankbarkeit gegen den König und den Cardinal zugezogen hatte.
Richelieu, der nie seinen Vortheil übersah, benutzte Monsieurs momentanen Zustand der Verzagtheit und der Furcht und octroyirte ihm einen neuen Hofstaat, der fast ausschließlich aus seinen Creaturen bestand. Gaston von Orleans wurde auf diese Weise zum Gefangenen im eigenen Hause gemacht.
Inzwischen hatte Frankreich an Spanien und sämmtliche mit demselben alliirte Fürsten den Krieg erklärt, einen Krieg, welcher mit wenigen Unterbrechungen durch volle fünfundzwanzig Jahre währte und anfangs für Frankreich keineswegs günstige Erfolge mit sich brachte.
Richelieu glaubte seine Einleitungen, an welchen er bereits seit zwei Jahren im Stillen arbeitete, auf das Beste getroffen zu haben, um den Krieg vom Herzen Frankreichs ferne zu halten, denn die französischen Armeen standen in Savoyen, in Navarra, in Lothringen und Elsaß. Ferner schmeichelte er sich, durch kühne Diversionen in Deutschland die österreichische Macht auf eigenem Grund und Boden vollauf zu beschäftigen.
Die Spanier waren aber diesmal klüger und vorsichtiger als gewöhnlich. Auch sie hatten in aller Stille mächtig gerüstet und namentlich in Belgien große Massen von Cavallerie zusammengezogen, welche schon der Qualität nach, abgesehen von ihrer Mehrzahl, der französischen weit überlegen war.
Auf einmal und ganz unvermuthet brachen die Spanier in der Picardie ein. Mehrere kleine Festungen fielen dabei in ihre Hände Die spanische Reiterei überschwemmte und verwüstete nicht blos die Picardie, sondern auch die Champagne.
Die französische Armee, welche das nördliche Frankreich und Paris zu decken hatte, stand unter dem Befehl des Grafen Soissons. Richelieu sendete ihm seinen Schwager, den Marschall von Brezé, mit allen Truppen, die er in der Eile auszutreiben vermochte, zu Hilfe.
Der Graf von Soissons, dessen Kenntnisse und militärische Talente nicht weit her waren, betrachtete diesen Succurs mit scheelen Augen, denn er glaubte, daß Brezé die geheime Ordre habe, ihn zu beobachten und ihm bei günstiger Gelegenheit überdies die Palme des Sieges zu entreißen. Er that deshalb gar nichts, um die Spanier an der Belagerung und Wegnahme von Corbie, der letzten Schutzwehr zwischen Flandern und der Seine, zu verhindern.
Bestürzung und panischer Schrecken befielen die Pariser, welche nun en Masse die Flucht über die Loire ergriffen. Die Stimmung gegen den Cardinal, welchen man des Mangels an Umsicht beschuldigte, wurde eine sehr gereizte. Seine Feinde erhoben wieder das Haupt und verbreiteten unter dem Volke die Ansicht, daß der König durch die Verbannung seiner Mutter die Rache des Himmels heraufbeschworen habe.
Ludwig XIII., schwachsinnig und abergläubisch, wie er war, erschloß sich, durch seinen Beichtvater insgeheim bearbeitet, allmälig derselben Ansicht und fing an Richelieus Begabung zu bezweifeln.
Der Cardinal, dem der König täglich unfreundlicher begegnete, dachte eine Weile daran, seine Stelle niederzulegen; bald jedoch kam er von dieser kleinmüthigen Idee wieder ab und suchte nun persönlich auf die Gemüther beruhigend und ermuthigend einzuwirken.
Er zeigte sich ohne Garden in den Straßen von Paris, stellte ein höchst zuversichtliches Aeßeres zur Schau, und sein Benehmen war überhaupt derart, daß die guten Pariser in ihrer Meinung plötzlich umschlugen und von nun an steif und fest behaupteten, der Cardinal habe irgend einen feinen aber geheimen Plan zum Verderben des Feindes ausgeheckt, der nur deshalb bis vor die Mauern von Paris gelockt wurde, um hier seine totale Niederlage zu finden.
Richelieus Genie bewährte sich auch in dieser für ihn nach allen Seiten hin so kritischen Lage auf das Glänzendste. Ehe vierzehn Tage vergingen, hatte er in Paris eine kleine Armee zusammengebracht, zumeist aus Parisern selbst bestehend. Die Mannschaft, obwohl schlecht equipirt und mangelhaft ausgerüstet, war jedoch vom besten Geiste beseelt und zog, von Kampfbegierde brennend, dem Feinde entgegen, welcher nach der Einnahme von Corbie sich einer verfrühten Siegesfreude hingab und statt auf Paris mit seiner ganzen Macht loszumarschiren, schwelgte und praßte.
Die nachfolgenden Operationen des Cardinals waren so wohl eingeleitet und so rasch, daß die Spanier, welche ihre Macht auf vierzig Meilen in der Runde zerstreut hatten, zum Behufe ihrer Concentrirung über Hals und Kopf trachten mußten, wieder die belgische Grenze zu erreichen und Corbie, in welchem sie eine starke Garnison zurückließen, der Belagerung preiszugeben.
Die ganze-Verantwortung für die stattgehabte und durch Richelieu glücklich wieder beseitigte Invasion wurde nun dem Grafen von Soissons in die Schuhe geschoben, der was den Fall von Corbie anbelangt, in der That bitteren Tadel verdiente.
Der König, welchen die Erfolge des Cardinals wieder ganz und gar in dessen Hände überliefert hatten, gab dem Grafen von Soissons sein Mißfallen unverhohlen zu erkennen.
Der Graf, wüthend hierüber und mit Richelieu ohnehin nur zum Scheine versöhnt, verband sich nun mit Gaston von Orleans, der Schanden halber sich auch zum Dienste in der Armee gemeldet hatte und sich in Amiens befand,wo selbst der Cardinal sammt dem Staatsrathe seinen Sitz aufschlug, um dem Kriegstheater mehr in der Nähe zu sein und den Gang der Belagerung von Corbie persönlich zu leiten.
Der Graf von Soissons und Monsieur beschlossen, sich des Cardinals zu entledigen. Zwei Edelleute aus dem Gefolge des Grafen Namens Montresor und Saint-Ibal, zeigten sich bereit, in dieser Affaire die Rolle der Meuchelmörder zu übernehmen.
Nach der nächsten Staatsrathssitzung und zwar am 18. December 1636, sollte Richelieu als Opfer fallen.
Montresor und Saint-Ibal trafen ihre Vorbereitungen. Die Sitzung war zu Ende, die Prinzen und die Minister gaben dem Könige, der sich gleichfalls in Amiens aufhielt, das Geleite bis zum Wagen. Als dieser sich in Bewegung setzt, harrt St.-Ibal, der dicht hinter Richelieu steht, auf das verabredete Zeichen, um zuzustoßen. Mehrere der übrigen Verschwornen umzingeln den Cardinal ganz unbemerkt. Aber Gaston, der das verhängnißvolle Zeichen geben soll, wird plötzlich blaß, fängt zu zittern an, schüttelt heftig verneinend sein Haupt und tritt über die Stiege einen fluchtähnlichen Rückzug an. – Erstaunen und Verwirrung ergreift die Verschwörer. Der Wagen Richelieus fährt vor, nimmt ihn auf – und er ist der größten Lebensgefahr, die ihm ohne daß er das Mindeste hiervon ahnte, je gedroht, wie durch ein Wunder entgangen.
Erst geraume Zeit nach diesem verhängnißvollen Augenblicke erfuhr der Cardinal von dieser merkwürdigen Verschwörung.
Monsieur und der Graf von Soissons waren später ganz zufrieden, daß der Mord nicht stattfand, denn das Gehässige eines solchen Mittels, um sich des Cardinals zu entledigen, wäre über kurz oder lang doch auf sie selbst zurückgefallen. Diese Betrachtung hinderte sie jedoch keineswegs, sofort auf Mittel zu denken, Richelieu nunmehr auf eine andere Art beizukommen und diese beiden Herren sannen auf nichts Geringeres, als eine allgemeine und große Empörung des Adels von Frankreich herbeizuführen, wobei sie insbesonders auf die Mithilfe des alten Herzogs von Epernon rechneten.
Man hoffte, daß derselbe, um sich für seine tiefe Demüthigung zu rächen, die Guyenne, wo er sehr großen Anhang besaß, aufwiegeln werde. Diesem Beispiele würden dann zuverlässig die unzufriedene Languedoc und viele andere Gegenden des südlichen Frankreichs gefolgt sein. Gleichzeitig sollten die Spanier in Navarra und in der Picardie einfallen und auch in Lothringen eine Bewegung zu Gunsten des seither vertriebenen Herzogs stattfinden. Man erwartete, daß die Belagerung von Corbie sich so weit in die Länge ziehen würde, bis die angedeuteten Aufstände und Invasionen vor sich gingen. Auf diese Weise hoffte man Frankreich, respektive den Cardinal derart in die Enge zu treiben, daß Ludwig XIII. mit seinen Feinden einen schimpflichen Frieden schließen mußte.
Die Schlußfolgerung, die sich an letzteres knüpfte, nämlich, daß ein solcher Friede Richelieu's Sturz unfehlbar mit sich bringen werde, war, richtig, aber die übrigen Prämissen litten an reeler Basis.
Die Spanier wurden überall geschlagen, wo sie sich nur zeigten. Corbie wurde mit Sturm genommen und der alte- Epernon begnügte sich auf das wiederholte Ansinnen die Fahne des Aufruhrs aufzupflanzen, mit der Erinnerung an Marillacs und Montmorencys Ende zu erwidern; ja er ließ sogar durch Montresor dem Herzoge von Orleans und dem Grafen von Soisson, den guten Rath ertheilen sich selbst je eher je lieber in Sicherheit zu bringen. Der Graf von Soissons folgte diesem Rath zuerst, indem er sich nach Sedan zurückzog, von wo er die Grenze nach Belgien in einer Viertelstunde erreichen konnte; Monsieur folgte bald seinem Beispiele und begab sich nach Blois, wo er entmuthigt und verstimmt der weiteren Dinge harrte, die da kommen würden.
Der Cardinal ging also größer und mächtiger denn je aus allen Wirren und Gefahren hervor, mit welchen ihn die politische Lage der Welt, im Vereine mit seinen persönlichen Feinden, umstrickt hatte.
Richelieu benöthigte aber jetzt wirklich etwas Ruhe von den kleinlichen Zwistigkeiten des Hoflebens, sollte seine »große« Politik nicht Schiffbruch leiden, denn die Schlacht von Nördlingen in welcher das Uebergewicht seiner Hauptbundesgenossen der Schweden, in Deutschland einen tödtlichen Stoß erlitt und die neuerlichen Anstrengungen, welche Spanien im Jahres 1637 nicht ohne Erfolg machte, um seine früheren Niederlagen auszugleichen, erforderten die ganze Energie des außerordentlichen Mannes, welcher Frankreichs Geschicke lenkte und gegen den nunmehr halb Europa in Waffen stand.