Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Der Page des Herzogs von Savoyen», sayfa 2

Yazı tipi:

Der Hagere, der in einem Winkel kniet und betet, heißt Lactantius. Er ist ein eifriger Katholik und duldet kaum die Nähe der beiden Scharfenstein, von deren Ketzerei er besudelt zu werden fürchtete. Da er sich gegen seine Brüder in Christus schlagen und so viele derselben als möglich umbringen muß, so legt er sich alle erdenklichen Bußen auf, um jener grausamen Nothwendigkeit das Gleichgewicht zu halten. Das Tuchgewand, das er trägt und zwar, ohne Weste und Hemd auf der Haut, ist mit einem Panzerhemd gefüttert, wenn nicht das Tuch das Futter des Panzerhemdes ist. Im Kampfe trägt er jedenfalls das Panzerhemd nach außen; nach dem Kampfe wendet er sein Gewand um, damit das Panzerhemd nach innen kommt. Uebrigens ist es offenbar ein Gewinn von ihm getödtet zu werden, wenigstens kann der, welcher von den Händen des frommen Mannes stirbt, sicher seyn, daß viel für ihn gebetet wird. In dem letzten Gefechte hat er zwei Spanier und einen Engländer getödtet, und da er ihretwegen im Rückstande ist, namentlich wegen der Ketzerei des Engländers, der sich nicht wohl mit dem gewöhnlichen de profundis begnügen kann, betet er, wie wir gesehen haben, eifrig viele Pater und ave und überläßt es seinen Gefährten sich mit den weltlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Hat er seine Rechnung mit dem Himmel geschlossen, so wird er auf die Erde herabsteigen und seine Bemerkungen gegen Procop machen.

Der, welcher beide Hände auf den Tisch stützt und ganz das Gegentheil von Lactantius, mit ausdauernder Aufmerksamkeit jedem Federzuge Procops folgte, heißt Maldent. Er, ist in Noyon geboren, hat eine tolle, verschwenderische Jugend durchgemacht, will in reiferem Alter die verlorene Zeit einholen und für »sein Bestes« sorgen. Er hat eine Menge Abenteuer gehabt, die er in ganz hübscher naiver Weise erzählt, welche aber sofort und gänzlich schwindet, wenn er mit Procop in einen juridischen Streit geräth. Uebrigens ertheilt und empfängt Maldent tüchtig Säbelhiebe, und wenn er auch nicht die Kraft der Brüder Scharfenstein, nicht den Muth Yvonnet’s, nicht den Ungestüm Malemort’s besitzt, ist er doch im Nothfalle ein Genosse, auf den man rechnen kann und der sicherlich keinen Freund im Stiche läßt.

Der Schleifer, welcher den Dolch spitzig zu machen sucht und die Spitze auf dem Fingernagel probirt, heißt Pille-Trousse. Er ist ein Vollblutsoldat und diente abwechselnd den Spaniern und den Engländern, aber die Engländer handeln zu viel und die Spanier bezahlen nicht viel. Deshalb entschloß er sich für eigene Rechnung zu arbeiten. Pille-Trousse treibt sich auf den Landstraßen umher; namentlich in der Nacht gibt es Räuber aller Nationen auf den Landstraßen: Pille-Trousse beraubt die Räuber und schont nur die Franzosen, seine halben Landsleute – er ist ein Provençale; er hat auch ein gutes Herz, wenn sie arm sind, hilft er ihnen; sind sie schwach, so unterstützt er sie; sind sie krank, so pflegt er sie, – trifft er aber einen wirklichen Landsmann, das heißt Einen, der zwischen dem Berge Viso und der Rhône geboren ist, so kann derselbe über Pille-Trousse ganz und gar, über Leib und Leben, Blut und Geld verfügen und Pille-Trousse wird ihm noch Dank schuldig zu seyn glauben.

Der Neunte und Letzte endlich, der an der Wand lehnt, die Arme hängen läßt und nach der Decke sieht, heißt Fracasso. Er ist, wie wir gesagt haben, ein Träumer und Dichter; weit entfernt, Yvonnet zu gleichen, welchem das Dunkel zuwider ist, liebt er die schönen sternenhellen Nächte, die blumengeschmückten Flußufer und den Strand des Meeres. Da er leider dem französischen Heere folgen muß, wohin es zieht – denn, obgleich Italiener, hat er doch sein Schwert der Sache Heinrichs II. gewidmet – so kann er seiner Neigung zum Umherschweifen nicht folgen, aber gleichviel: für den Dichter wird alles Begeisterung, für den Träumer alles Traum, nur ist den Dichtern und Träumern Zerstreutheit eigen und diese ist in der Laufbahn, die Fracasso gewählt hat, sehr verderblich. So bleibt denn Fracasso oftmals mitten im Schlachtgedränge mit erhobenem Schwerte stehen, um auf eine Trompete zu hören, nach einer vorüberziehenden Wolke zu sehen oder eine schöne Waffenthat in seiner Nähe zu bewundern. Da benutzt der Feind Fracasso gegenüber diese Zerstreutheit, um ihm in aller Bequemlichkeit einen fürchterlichen Hieb zu versetzen, welcher den Träumer weckt. Aber wehe auch diesem Feinde, wenn er trotz der Bequemlichkeit nicht recht gezielt oder getroffen und Fracasso nicht betäubt hat! Fracasso wird Vergeltung üben, nicht um sich für den empfangenen Hieb zu rächen, sondern um den Störer zu züchtigen, der ihn aus dem siebenten Himmel zurückzerrte, in dem er sich auf den bunten Fittigen der Phantasie wiegte.

Nachdem wir so unsere Abenteuerer vorgeführt haben – von denen einige den Lesern der »zwei Dianen« und »Ascanio« nicht ganz unbekannt seyn werden, werden wir erzählen, welcher Zufall sie in der Höhle zusammenbrachte und was sie so bedächtig niederschrieben.

III.
Der Leser macht weitere Bekanntschaft mit den Helden, die wir ihm vorgestellt haben

Am Morgen desselben Tages, 5. Mai 1555, hatte eine Gesellschaft von vier Männern – welche zu der Besatzung von Doulens zu gehören schienen – die Stadt verlassen, indem sie sich durch das Thor schlichen, sobald dasselbe nur halb aufgemacht war.

Diese vier Männer, welche in große Mäntel gehüllt waren, die eben so wohl dazu dienen konnten ihre Waffen zu verbergen, als sie gegen die Morgenkühle zu schützen, waren unter jeder möglichen Vorsicht am Ufer des kleinen Flusses hin nach der Quelle desselben hingegangen. Von da hatten sie die Hügelkette erreicht, von der wir bereits mehrmals gesprochen haben, und waren, immer gleich vorsichtig, an dem westlichen Abhange hingegangen. Nach zweistündigem Marsche betten sie endlich den Saum des Waldes von Saint-Pol-sur-Ternoise erreicht. Hier hatte der Eine, welcher in der Gegend am bekanntesten zu seyn schien, die Leitung der kleinen Schaar übernommen und war ohne langes Zögern an den Eingang der Höhle gelangt, in die wir selbst unsere Leser im Anfange des vorigen Kapitels geführt haben.

Hier hatte er den Andern gewinkt, einen Augenblick zu warten, mit einiger Besorgniß auf das Gras gesehen, das erst kürzlich niedergetreten zu seyn schien, sich platt auf den Bauch gelegt und war wie eine Schlange in, die Höhle hineingekrochen. Bald hatten seine außen zurückgebliebenen Cameraden seine Stimme gehört, aber diese Stimme klang nicht beunruhigend. Er hatte die Höhle durchsucht und darin gerufen und da er nichts Verdächtiges darin vernommen, so erschien er bald wieder am Eingange, um den Cameraden zu sagen, daß sie ihm folgen könnten.

Sie folgten ihm und befanden sich nach Ueberwindung einiger unbedeutender Schwierigkeiten mitten darin.

»Ah,« sagte der, welcher sie so gut geführt hatte, freudig aufathmend, »tandem ad terminum eamus.«

»Was heißt das?« fragte Einer der drei Andern.

»Das heißt, lieber Maldent, daß mir dem Ziele unserer Wanderung nahe oder vielmehr eben bei ihm sind.«

»Wie war das?« fragte ein Anderer. »Hast Du’s verstanden, Heinrich?«

»Ich habe gar nichts verstanden.«

»Warum wollet Ihr deutlicher es verstehen,« – die beiden Scharfenstein hatten zuletzt gesprochen – »wenn Maldent und ich uns nur verstehen, ist das nicht genug?«

»Unsertwegen!« antworteten die beiden Scharfenstein. »Es mag gehen wie’s will, wenn’s nur gut geht.«

»Also,« sagte Procop, »setzen wir uns, essen wir einen Bissen und trinken wir einen Schluck um die Zeit zu vertreiben; beim Essen und Trinken will ich Euch meinen Plan erklären.

»Ja, ein paar Bissen wollen wir essen und ein paar tüchtige Schluck wollen wir nehmen,« meinte Franz Scharfenstein.

Die Abenteurer sahen sich um und da ihre Augen allmälig sich an das Dunkel gewöhnten, das übrigens in der Nähe des Eingangs der Höhle nicht so bedeutend war als in der Tiefe, so erblickten sie drei Steine, die sie aneinander rückten, um traulicher plaudern zu können.

Da ein vierter fehlte, so bot Scharfenstein den seinigen höflich Procop an, der keinen hatte, Procop dankte aber ebenso höflich, legte seinen Mantel an den Boden und streckte sich darauf aus.

Dann nahm man aus den Säcken, welche die beiden Riesen getragen hatten, Brot, kaltes Fleisch und Wein und legte alles in die Mitte des Halbkreises, dessen Bogen die da sitzenden Abenteurer bildeten, Procop aber die Sehne, und dann machte sich ein Jeder mit einem Eifer an das Frühstück, welcher bewies, daß der Morgenspazirgang trefflich auf den Appetit gewirkt hatte.

Etwa zehn Minuten lang hätte man nichts als das Knirschen der Kinnladen, die mit Maschinenregelmäßigkeit das Brot, das Fleisch und selbst die Knochen der Hühner zermalmten, welche man von den benachbarten Landgütern »mitgenommen« hatte.

Maldent fand zuerst das Wort wieder.

»Du sagtest also, mein lieber Procop, daß Du beim Essen uns deinen Plan mittheilen wolltest. Der erste Appetit könnte nun wohl gestillt seyn, fange also mit deiner Mittheilung an.

»Wir essen,« sagte Franz Scharfenstein; »aber hören können wir doch dabei.«

»Die Sache ist die… ecce res judicanda, wie man vor Gericht sagt.«

»Die Scharfensteins sollen still seyn, man hört kein Wort!« sagte Maldent.

»Ich habe ja kein Sterbenswörtchen gesagt,« entgegnete Franz verlegen.

»Ich, mein Seel, auch nicht,« betheuerte Heinrich.

»Mir war’s, als räsonnirtet Ihr inwendig…« sagte Maldent.

»Das bin ich, mein Seel’, nicht gewesen. Vielleicht raschelt was.«

»Die Sache ist also die,« wiederholte Procop. »Eine Viertelstunde von hier liegt ein hübsches Gütchen.«

»Ein Schloß hattest Du uns versprochen,« fiel Maldent ein.

»Mein Gott, Maldent, wenn Du nur das Sylbenstechen lassen wolltest!« entgegnete Procop. »Meinetwegen als ein hübsches Schlößchen…«

»Mein Seel’,« fiel Heinrich Scharfenstein ein, »mir ist’s einerlei, ob Gütchen oder Schlößchen, wenn nur brav daraus zu holen ist!«

»Das ist einmal vernünftig gesprochen, so gefällst Du mir, Scharfenstein; der Maldent hat immer Einwendungen,« sagte Procop.

»Nur weiter!«

»Also ein Viertelstündchen von hier liegt ein hübsches Landhäuschen, das nur von dem Besitzer, einem Diener und einer Magd bewohnt wird. Im Dorfe freilich wohnt der Pächter mit seinen Leuten.«

»Wie viel sind’s zusammengerechnet?« fragte Heinrich Scharfenstein.

»Etwa Zehn,« antwortete Procop.

»Zehn nur? Ein Dutzend übernehmen wir, Franz und ich, nicht wahr?«

»Ein Dutzend,« bestätigte Franz lakonisch.

»Die Sache ist also – so,« fuhr Procop fort. »Wir essen hier, trinken, erzählen Geschichten und warten so die Nacht ab.«

»Wenn wir essen und trinken, vergeht schon die Zeit,« sagte Heinrich Scharfenstein.

»Ist’s Nacht,« sprach Procop weiter, »so schleichen wir still fort von hier, wie wir hergekommen sind, bis an den Waldsaum, von da in einem Hohlwege, den ich kenne, bis an die Mauer. An der Mauer steigt Franz auf die Achsel seines Onkels oder der Onkel auf die Achseln des Neffen, das bleibt sich gleich, der Scharfenstein aber, der auf den Achseln des Andern steht, klettert über die, Mauer und macht uns die Thür auf. Ist die Thür auf – verstehst Du, Maldent? – ist die Thür auf – Ihr begreift mich doch alle? – ist also die Thür auf, so – gehen wir hinein.«

»Hoffentlich nicht ohne uns,« sagte etwa zwei Schritte hinter den Abenteurern eine Stimme in so entschiedenem Tone, daß nicht blos Procop, nicht blos Maldent erschrak, sondern selbst die beiden deutschen Riesen.

»Verrath!« rief Procop, indem er aufsprang und einen Schritt zurücktrat.

»Verrath!« rief Maldent, indem er durch das Dunkel zu blicken suchte, aber auf seinem Platze blieb.

»Verflucht!« riefen die beiden Scharfenstein, indem sie die Degen zogen und einen Schritt vortraten.

»Kampf wollt Ihr?« sprach die Stimme wieder. »Ihr sollt ihn haben! Drauf, Lactantius! Drauf, Fracasso! Drauf, Malemort!«

Die drei Aufgerufenen antworteten in der Tiefe der Höhle kampfbereit.

»Einen Augenblick, Pille-Trousse!« sagte Procop, der nun die Stimme erkannte. »Wir sind ja keine Türken und Heiden, daß wir einander im Finstern die Hälse brechen sollten, ehe wir versuchten uns unter einander zu verständigen.«

»Erst Licht auf beiden Seiten und sehen wir einander ins Auge, damit wir wissen, wen wir vor uns haben.« Können wir uns vergleichen, gut; können wir’s nicht, dann drauf!«

»Erst drauf!« rief eine schauerliche Stimme aus dem Dunkel hervor wie aus der Hölle herauf.

»Ruhig, Malemort!« sagte Pille-Trousse; »Procop scheint mir einen ganz annehmlichen Vorschlag gemacht zu haben. Was meinst Du, Lactantius und Du, Fracasso?«

»Wenn der Vorschlag einem unserer Brüder das Leben retten kann, so nehme ich ihn an,« antwortete Lactantius.

»Es wäre aber doch poetisch gewesen, in einer Höhle zu kämpfen, die dann gleich das Grab der Erschlagenen geblieben, da man aber die materiellen Interessen der Poesie nicht aufopfern soll,« fuhr Fracasso schwermüthig fort, »so trete ich der Meinung Pille-Trousse’s und Lactantius bei.«

»Und ich will mich schlagen!« schrie Malemort.

»Verbinde dann deinen Arm, und laß uns in Ruhe,« sagte Pille-Trousse.

»Wir sind Drei gegen Dich, und Procop, der’s versteht, wird Dir sagen, daß Drei gegen Einen immer Recht haben.«

Malemort seufzte laut bedauernd, daß ihm eine so schöne Gelegenheit entging eine neue Wunde zu erhalten, aber er gab nach.

Unterdeß hatten Lactantius auf der einen und Maldent auf der andern Seite Feuer angeschlagen und da beide sich Parteien sich für den Fall, daß sie Licht brauchen würden, in Voraus mit Kienfackeln versehen hatten, so leuchteten bald zwei derselben und ließen ihr grelles Licht auf die Personen in der Höhle fallen.

Wir kennen bereits die Höhle und die Personen, die darin waren; nur die gegenseitige Stellung der Letzteren haben wir zu beschreiben.

Am Ende der Höhle befanden sich Pille-Trousse, Malemort, Lactantius und Fracasso, mehr nach dem Eingange zu die beiden Scharfenstein, Maldent und Procop.

Pille-Trousse stand von der hintern Gruppe am weitesten vor; hinter ihm kaute Malemort vor Wuth an den Nägeln, neben ihm stand Lactantius mit der Fackel und suchte seine kampflustigen Cameraden zu beruhigen; Fracasso kniete und befestigte etwas an seiner Fußbekleidung.

Auf der entgegengesetzten Seite bildeten, wie erwähnt, die beiden Scharfenstein die Avantgarde, einen Schritt hinter ihnen stand Maldent und hinter diesem Procop.

Die beiden Fackeln beleuchteten die ganze runde Höhle, nur eine Vertiefung in der Nähe des Einganges, in welchem ein Haufen dürren Farnkrautes lag, blieb im Halbschatten.

Das Ganze sah wild und schauerlich genug aus.

Die Abenteurer kannten einander bereits meist und hatten sich gegenseitig auf dem Schlachtfelde thätig gegen den gemeinschaftlichen Feind gesehen.

Procop trat setzt einen Schritt vor, aber nicht über die beiden Scharfenstein hinaus.

»Meine Herren,« sagte er, »wir hatten gegenseitig den Wunsch einander zu sehen und nun sehen wir einander, das ist schon etwas. Wir sind Vier gegen Vier, wir auf unserer Seite haben aber die Beiden da (und er zeigte auf die Scharfenstein), was mich fast berechtiget zu sagen, wir sind Acht gegen Vier.

Auf diese unkluge Prahlerei flogen nicht blos trotzige Worte über die Lippen Pille-Trousse’s, Malemort’s, Lactantius und Fracasso’s, sondern auch deren Schwerter aus den Scheiden.

Procop bemerkte, daß er gegen seine gewöhnliche Klugheit gesündigt hatte und sich auf falschem Wege befinde. Er versuchte also umzukehren.

»Meine Herren,« sagte er, »ich behaupte damit nicht, daß uns der Sieg nun auch gewiß wäre, da die vier Gegner Pille-Trousse, Malemort, Lactantius und Fracasso heißen.«

Dieser Nachsatz schien die Gemüther wieder etwas zu beruhigen, nur Malemort brummte noch.

»Zur Sache!« rief Pille-Trousse.

»Ja,« antwortete Procop, »ad eventum festina. Ich sagte also, daß wir den innern zufälligen und ungewissen Eingang eines Kampfes bei Seite lassen und uns zu verständigen suchen müßten. Es schwebt gewissermaßen ein Prozeß zwischen uns, jacens sub judice lis est; wie werden wir den Prozeß beendigen? Zuerst durch eine klare und einfache Auseinandersetzung der Lage, aus welcher unser Recht hervorgehen wird. Wer hat gestern den Gedanken gehabt, in nächster Nacht das Gütchen oder Schlößchen Parcq zu überfallen? Ich und die Herren da. Wer ist heute Früh von Doulens fortgegangen, um den Plan auszuführen? Ich und die Herren da. Wer hat sich in diese Höhle begeben, um da Position für die Nacht zu nehmen? Wiederum ich und die Herren da. Wer hat endlich den Plan zur Reife gebracht, vor Euch entwickelt und so den Wunsch in Euch erregt, Euch an der Sache zu betheiligen? Immer ich und die Herren da. Antworte darauf, Pille-Trousse, und sage selbst, ob nicht die Leitung eines Unternehmens ungehindert denen gehört, welche zuerst den Gedanken dazu gehabt und den Plan entworfen haben. Dixi

Pille-Trousse lachte; Fracasso zuckte die Achseln; Lactantius schüttelte die Fackel und Malemort brummte von »Dreinschlagen!«

»Worüber lachst Du, Pille-Trousse?« fragte Procop ernsthaft und würdevoll.

»Ich lache, lieber Procop,« antwortete der Abenteurer, an den die Frage gerichtet worden war, »über das gewaltige Vertrauen, mit dem Du dein Recht und deine Ansprüche auseinandergesetzt hast und darüber, daß Du gleich geschlagen bist, wenn wir gelten lassen, was Du sagst. Ja, die Leitung eines Unternehmens gehört denen, welche zuerst den Gedanken daran gehabt und den Plan entworfen haben.«

»Also!« fiel Procop triumphirend ein.

»Ja, aber ich fahre nun fort,« sagte Pille-Trousse; »gestern seyd Ihr aus den Gedanken gekommen, das Gütchen oder Schlößchen Parcq zu überfallen? Wir haben den Gedanken schon vorgestern gehabt. Ihr seyd heute Früh von Doulens aufgebrochen, um den Plan auszuführen? Wir sind in derselben Absicht schon gestern Abend von Montreuil hergekommen. Ihr seyd seit einer Stunde in der Höhle? Wir waren schon da, als Ihr kamt. Ihr habt den Plan vor uns entwickelt? Wir hatten ihn schon vorher zur Reife gebracht und entwickelt. Ihr gedachtet das Schlößchen in der Nacht anzugreifen? Wir wollten es gegen Abend thun. Wir haben also den Gedanken und den Plan vor Euch gehabt und so kommt uns die Leitung des Unternehmens zu. Dixi!« setzte er in der Art Procops hinzu.

»Aber,« fragte Procop, den diese Beweisführung einigermaßen in Verlegenheit brachte, »wer bürgt mir dafür, daß Du die Wahrheit sagst?«

»Mein Wort, mein Ehrenwort!« sagte Pille-Trousse.

»Eine andere Bürgschaft wäre mir lieber.«

»Hm!« machte Procop unvorsichtig.

Die Gemüther waren gereizt, der Zweifel an Pille-Trousse’s Wort erbitterte, und Fracasso und Lactantius riefen gleichzeitig :

»Kampf!«

»Ja dreinschlagen, dreinschlagen!«

»Kampf denn, wenn Ihr nicht anders wollt,« sagte Procop.

»Kampf, da es kein anderes Mittel zur Verständigung gibt.«

»Kommt nur heran!« riefen die Scharfenstein, die schon hauen wollten.

Jeder zog Schwert oder Dolch, suchte sich einen Gegner und schickte sich an auf denselben sich zu stürzen.

Mit einem Male bewegte es sich aus dem Farnkrauthaufen in der Vertiefung der Höhle; ein zierlich gekleideter junger Mann erhob sich, trat aus dem Dunkel heraus und in das Licht, breitete die Arme aus und rief :

»Die Waffen nieder, Cameraden! Ich übernehme es, die Sache auszugleichen.«

Aller Augen wendeten sich aus den, welcher so unerwartet erschien und Alle riefen:

»Yvonnet!«

»Wo, zum Teufel! kommst Du her?« fragte Pille-Trousse und Procop.

»Das sollt Ihr hören,« antwortete Yvonnet, »zuerst die Degen und Dolche eingesteckt! Der Anblick solcher bloßer Dinger greift meine Nerven an.«

Alle gehorchten bis aus Malemort.

»Nun, Camerad,« sagte Yvonnet zu ihm, »was soll’s?«

»Ach!« jammerte Malemort mit tiefem Seufzer, »soll man denn niemals in Ruhe einen Stich geben oder nehmen können?«

Er stieß mit höchst ärgerlicher und verdrießlicher Geberde den Degen in die Scheide.

IV.
Der Gesellschaftsvertrag

Yvonnet sah sich um und da er erkannte, daß wenigstens die Schwerter in die Scheide zurückgekehrt wären, wenn auch der Zorn noch nicht ganz aus den Herzen geschwunden, so wendete er sich bald an Pille-Trousse, bald an Procop, welche bekanntlich beide die Frage an ihn gerichtet hatten.

»Woher ich komme?« wiederholte er. »Wahrhaftig eine schöne Frage! Von dem Farnkrauthaufen komme ich, wo ich mich versteckte, als ich zuerst Pille-Trousse, Lactantius, Malemort und Fracasso angekommen sah und den ich auch nicht verließ, als dann Procop, Maldent und die beiden Scharfenstein erschienen.«

»Aber was thatest Du zu solcher Zeit in dieser Höhle? Wir kamen ja au als es noch nicht Tag geworden war.«

»Das ist mein Geheimniß,« antwortete Yvonnet, »aber ich werde es Euch sagen; wenn Ihr vernünftig seyd. Zuerst von dem Dringendsten!«

Gegen Pille-Trousse gewendet fuhr er fort: »Ihr waret also in der Absicht gekommen, einen Besuch in Parcq, in dem Gütchen oder Schlößchen, wie man es nennen will, zu machen?«

»Ja,« antwortete Pille-Trousse.

»Und Ihr auch?« fragte Yvonnet Procop.

»Wir auch,« antwortete Procop.

»Und Ihr wolltet einander in die Haare fahren, um herauszubringen, wer zuerst den klugen Gedanken gehabt?«

»Das sollte geschehen,« sagten Procop und Pille-Trousse.

»Pfui!« entgegnete Yvonnet, »Cameraden, Franzosen oder doch wenigstens Leute, die Frankreich dienen!«

»Wir konnten nicht anders, da die Herren da von ihrer Behauptung nicht abgehen wollten,« sagte Procop.

»Wir konnten nicht anders, weil die Herren da uns den Vortritt nicht lassen wollten.«

»Ihr konntet nicht anders?« wiederholte Yvonnet, welcher es den beiden Sprechern nachmachte. »Ihr mußtet Euch untereinander massacriren, nicht wahr? Ihr konntet nichts anders als Euch die Hälse brechen? Und Ihr waret da, Lactantius, habt die Vorbereitungen zu dem Blutvergießen mit angesehen und euer christliches Gemüth wehklagte nicht?«

»Es hat gejammert, laut gejammert,« sagte Lactantius.

»Und zu weiterem hat es Euer frommer Glaube nicht gebracht?«

»Nach dem Kampfe,« antwortete Lactantius, durch die Vorwürfe von Yvonnets etwas beschämt, »würde ich für die Todten gebetet haben.«

»Sieh! Sieh!«

»Was hätte ich sonst thun sollen, Yvonnet?«

»Was ich thue, und ich bin kein Frommer, kein Augenverdreher, kein Betbruder. Ihr hättet Euch zwischen die Schwerter und Degen stürzen sollen, inter gladios et enses, um mit unserem Advocaten Procop zu reden; Ihr hättet mit der salbungsvollen Miene, die Euch so wohl ansteht, zu euern verirrten Brüdern sagen sollen, wie ich sage: »Cameraden, wenn es etwas für Vier ist, so ist’s auch für Acht; wenn das Erste, was wir unternehmen wollen, nicht genug einbringt, so versuchen wir es anderswo. Die Menschen sind dazu da, daß sie einander auf den rauhen Pfaden des Lebens unterstützen, nicht aber um ihnen Steine und Knüppel vor die Beine zu werfen auf Wegen, die so schon so beschwerlich sind. Wir wollen uns nicht trennen, sondern zusammen treten; was Vier nur unter großen Wagnissen ausführen können, hat für Acht gar keine Gefahr. Behalten wir unsern Haß, unsere Dolche, unsere Degen für unsere Feinde, während wir für einander nur freundliche Worte und Dienste haben. Gott, der Frankreich schützt, wenn er nichts Nöthigeres zu thun hat, wird zu unserem Bunde lachen und ihm seinen Segen geben!« So hättet Ihr reden sollen, Lactantius, Ihr habt es aber nicht gethan.«

»Allerdings,« antwortete Lactantius, indem er an seine Brust schlug: »mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa!«

Er löschte seine Fackel aus, da man sie nicht gerade brauchte, kniete nieder und betete andächtig.

»Nun,« fuhr Yvonnet fort, »so will ich es an eurer Stelle sagen, und setze hinzu, den göttlichen Segen, den Euch Lactantius verheißen haben würde, bringe ich gleich mit.«

»Du, Yvonnet?« fragte Procop zweifelnd.

»Ja, ich… ich habe denselben Gedanken gehabt, und früher.«

»Wie, Du hättest auch den Gedanken gehabt, in das Schloß zu dringen, das wir im Auge haben?«

»Ich habe nicht blos den Gedanken gehabt,« antwortete Yvonnet, »sondern ihn sogar ausgeführt.«

»Ah!« riefen alle Anwesenden und sie horchten mit neuer Aufmerksamkeit auf Yvonnet.

»Ja,« ich habe gute Freunde in dem Hause,« fuhr dieser fort, »ein allerliebstes Kammerkätzchen, Gertrude,« sagte er, den Schnurrbart drehend, »die bereit ist, um meinetwillen Vater und Mutter, Gebieter und Gebieterin zu verläugnen, – eine Seele, die ich dem Teufel zuführe.«

Lactantius seufzte tief.

»Und Du bist in dem Schlosse gewesen?«

»In voriger Nacht kam ich heraus, aber Ihr wisset, wie zuwider mir Gänge im Dunkel sind, besonders allein. Ehe ich drei Stunden bis Doulens, oder sechs bis Abbeville ging, wanderte ich eine Viertelstunde bis hierher in die Grotte, die mir bekannt und lieb ist, weil ich mit meiner Schönen darin zuerst zusammen gekommen bin. Ich fand tappend dies Lager, das ich eben auch schon kannte, und schlief mit dem Gedanken ein, dem ersten besten unter Euch, den ich sehen würde, das Unternehmen anzutragen, als Pille-Trousse mit den Seinen und dann Procop mit den Seinen kam. Beide Theile kamen um einer und derselben Sache willen; das Streben nach einer und derselben Sache führte den Zank herbei, und dieser hätte ohne Zweifel einen tragischen Ausgang genommen, als ich es für Zeit hielt einzuschreiten und wirklich einschritt. – Jetzt sage ich Euch: Wollen wir zusammentreten, statt einander die Hälse zu brechen? Wollt Ihr durch List in das Haus kommen, statt mit Gewalt? Wollt Ihr, daß man Euch die Thüren öffne, statt daß Ihr sie mit Gewalt öffnen müßt? Wollt Ihr nicht erst lange nach dem Golde, den Juwelen, dem Silberzeuge suchen, sondern geradenwegs dahin geführt werden? Schlagt ein, dazu bin ich der Mann, und um mit dem guten Beispiele der Uneigennützigkeit voranzugehen, verlange ich nur denselben Theil wie die Andern trotz dem wichtigen Dienste, den ich dabei leiste. Wer nun etwas Besseres zu sagen weiß, der komme und rede, – ich trete ihm das Wort ab und höre.«

Ein Murmeln der Bewunderung verbreitete sich in der Versammlung Lactantius unterbrach sein Gebet, trat zu Yvonnet und küßte ihm demüthig den Saum des Mantels. Procop, Pille-Trousse, Maldent und Fracasso drückten ihm die Hand und die beiden Scharfenstein erdrückten ihn beinahe in ihren Armen. Nur Malemort brummte in einem Winkel:

»Ihr werdet sehen, daß es nicht den kleinsten Hieb oder Stich giebt; es ist eine Erbärmlichkeit.«

»Nun also,« sagte Yvonnet, der schon lange an eine solche Verbrüderung gedacht hatte und da das Glück so nahe an ihn heran kam, die Gelegenheit nicht vorüber lassen wollte, dasselbe zu fassen, »nun also, keinen Augenblick verloren! Wir sind hier neun Kerls beisammen, die weder Gott noch den Teufel fürchten.«

»Ei, ei,« fiel Lactantius sich bekreuzend ein, »Gott fürchten wir wohl.«

»Nun ja, freilich, Lactantius, es ist so eine Redensart. Ich sagte also, der Zufall habe hier neun Männer zusammengeführt.«

»Die Vorsehung, Yvonnet, die Vorsehung!« fiel Lactantius wiederum ein.

»Nun ja, die Vorsehung, meinetwegen. Zum Glück haben wir da Procop unter uns, einen Gesetzkundigen; zum Glücke trägt dieser Gesetzkundige Dinte und Feder am Gürtel und in der Tasche hat er, ich wollte wetten, Papier mit dem Stempel unseres guten Königs Heinrichs II.«

»So ist’s« antwortete Procop, »ich habe das bei mir, und es ist ein Glück, wie Yvonnet mit Recht sagt.«

»Demnach rasch ans Werk! Einen Tisch zurecht gemacht und unsern Gesellschaftsvertrag entworfen, während Einer von uns im Walde draußen, in der Nähe der Höhle Wache hält, damit wir nicht gestört werden.«

»Ich,« fiel Malemort ein, »werde mich als Schildwache hinausstellen und so viel Spanier, Engländer und Deutsche sich in dem Walde zeigen, so viele Todte gibt es.«

»Nein, nein, lieber Malemort, das darf gar nicht seyn,« antwortete Yvonnet. »In unserer Lage, das heißt kaum zweihundert Schritte von dem Lager Sr. Majestät Carls V. und unter einem Manne, der ein so feines Gehör und ein so geübtes Auge hat wie der Herr Emanuel Philibert von Savoyen, dürfen wir Niemanden ums Leben, bringen, außer wo es gar nicht zu umgehen ist, weil man nicht immer den Tod gibt, wie sicher man auch seines Stoßes ist… Auf das Hilfegeschrei der Verwundeten würde man aber herbeikommen, und wenn einmal der Wald besetzt ist, dann weiß Gott, was aus uns werden könnte. Nein, mein lieber Malemort, Du bleibst hier und Einer der beiden Scharfenstein bezieht die Wache; sie sind beide Deutsche; wenn der Wachehaltende entdeckt wird, kann er sich für einen Lanzknecht des Herzogs von Aremberg oder für einen Reiter des Grafen von Waldeck ausgeben.

»Ich will lieber der Graf von Waldeck seyn,« sagte Heinrich Scharfenstein.

»Dieser Riese ist außerordentlich geschickt,« entgegnete Yvonnet.

»Ja, Du sollst der Graf Waldeck seyn, weil der Graf Waldeck auch gern mitnimmt. Das meintest Du doch auch, Scharfenstein?«

»Ganz eben dasselbige.«

»Und weil man sich nicht wundern würde, Einen von den Leuten dieses Grafen im Walde versteckt zu finden.«

»Das wollte ich sagen.«

»Nur möge der wachhaltende Scharfenstein sich versehen, als Beutelustiger von dem Grafen Waldeck nicht in die Hände des Herzogs von Savoyen zu fallen. Er versteht in solchen Dingen keinen Spaß.«

»Leider Gottes,« antwortete Heinrich Scharfenstein; »gestern hat er zwei Soldaten aufknüpfen lassen.«

»Drei!« sagte Franz.

»Nun, welcher von Euch übernimmt die Wache??«

»Ich,« antworteten Onkel und Neffe Scharfenstein zusammen.

»Lieben Freunde, diese Aufopferung wird von uns nach Verdienst gewürdigt,« sagte Yvonnet, »aber eine Schildwache ist vollkommen genug. Loset Ihr! Für den, welcher hier bleibt, findet sich ein Ehrenposten.«

Die beiden Scharfenstein beriethen sich einen Augenblick mit einander.

»Franz,« sagte Heinrich, »hat gute Augen und tüchtige Ohren; er wird Schildwache stehen.«

»Gut,« sagte Yvonnet, »so gehe Franz auf seinen Posten.«

Franz ging mit seiner gewöhnlichen Ruhe nach dem Ausgange der Höhle zu.

»Hörst Du, Franz,« sagte Yvonnet, »wenn Du die Andern fangen lässest, so hat das nicht gerade viel zu bedeuten, wenn Du aber von dem Herzoge von Savoyen gefangen wirst, mußt Du baumeln.«

»Ah, unbesorgt! Ich lasse mich von Niemanden fangen,« antwortete Franz.

Er verließ die Höhle, um sich aus seinen Posten zu begeben.

»Und mein Ehrenposten?« fragte nun Heinrich Scharfenstein.

Yvonnet nahm die Fackel aus der Hand Maldent’s, reichte sie dem Scharfenstein und sagte: