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Kitabı oku: «Der Page des Herzogs von Savoyen», sayfa 3

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»So, stelle Dich hierher… leuchte unserem gelehrten Freunde Procop und rühre Dich nicht.«

»Ich werde stehen wie ein Stock!« sagte Heinrich.

Procop setzte sich und nahm ein Papier aus der Tasche, sein Tintenfaß von dem Gürtel und auch die Feder.

Wir haben ihn schreiben sehen, als wir in die Höhle von Saint-Pol-sur-Ternoise traten, in der sich zufällig so viele Personen befanden.

Wir haben angedeutet, daß es keine leichte Aufgabe war, die Arbeit, welche Procop übernommen hatte, zu Aller Zufriedenheit zwischen elf Uhr Vormittags und drei Uhr Nachmittags am 5. Mai 1555 zu Ende zu führen.

Als handle es sich um einen Gesetzentwurf, der in einer modernen Kammer discutirt werden sollte, so hatte ein Jeder nach seinem Interesse oder seinen Fähigkeiten »Amendements« und »Unteramendements« gestellt.

Die genannten Amendements und Unteramendements waren einer Abstimmung unterworfen worden und zur Ehre unserer Abenteurer müssen wir sagen, daß sie im Ganzen ziemlich richtig, dabei ruhig und unparteiisch abgestimmt hatten.

Es gibt Dummköpfe und kecke Verleumder der Gesetzgeber, der Richter und der Justiz, welche behaupten, ein Gesetzbuch, welches von Spitzbuben entworfen wäre, würde vollständiger und namentlich billiger seyn als ein von rechtlichen Männern abgefaßtes.

Wir beklagen die Verblendung dieser Unglücklichen, wie wir die Irrthümer der Calvinisten und Lutheraner beklagen, und bitten Gott, er möge beiden verzeihen.

In dem Augenblicke endlich als die Uhr Yvonnet’s ein Viertel auf Vier zeigte – so selten in jener Zeit eine Uhr war, müssen wir doch bestätigen, daß der cokette Abenteurer sich eine verschafft hatte – ein Viertel auf Vier also sah Procop auf legte die Feder hin, faßte sein Papier mit beiden Händen, sah es mit Befriedigung an und sagte: »Nun ich glaube das wäre gethan und nicht übel, – exigi monumentum

Bei dieser Meldung machte Heinrich Scharfenstein, welcher die Fackel seit beinahe vierthalb Stunden hielt, eine Bewegung, um den Arm zu strecken, der müde zu werden anfing. Yvonnet unterbrach sein Trällern, strich und drehte aber noch immer den Bart. Malemort war fertig mit dem Verbinden des Armes und steckte den Verband mit einer Nadel fest; Lactantius sprach sein letztes Ave: Maldent, welcher beide Hände auf den Tisch gestützt hatte, richtete sich empor; Pille-Trousse steckte den nun spitz genug gewordenen Dolch in die Scheide und Fracasso erwachte aus dem poetischen Träumen und Sinnen, sehr befriedigt von dem Sonett, an das er die letzte Hand gelegt, nachdem er sich einen Monat lang damit getragen hatte.

Alle traten an den Tisch, mit Ausnahme von Franz, welcher sich wegen der gemeinschaftlichen Interessen auf seinen Oheim verließ und sich, wie gesagt, etwa zwanzig Schritte von dem Eingange der Höhle Wache haltend auf den Bauch gelegt hatte, fest entschlossen nicht nur für seine Cameraden gut zu wachen, sondern auch sich selbst von Niemanden überrumpeln zu lassen, namentlich nicht von Emanuel Philibert von Savoyen, der so geschwind hängen ließ.

»Meine Herren,« sagte Procop, indem er sich, selbstzufrieden, in dem Kreise umsah, der sich um ihn her gebildet hatte und zwar so regelmäßig wie um einen Offizier, der seinen Soldaten einen Befehl ertheilt, »meine Herren, sind Alle da?«

»Ja, antworteten die Abenteurer im Chor.

»Sind auch Alle bereit, die achtzehn Artikel vorlesen zu hören, aus welchen die Urkunde besteht, die wir im Verein entworfen haben und die der Gesellschaftsvertrag heißen konnte? Eine Art Gesellschaft wollen wir doch gründen, stiften und ordnen.«

Die Antwort lautete allgemein zustimmend, wobei Heinrich Scharfenstein selbst verständlich mit für seinen Neffen sprach.

»Also hört,« fuhr Procop fort.

Er hustete, spuckte aus und sing an:

»Zwischen den Unterzeichneten… «

»Mit Verlaub,« unterbrach ihn Lactantius, »ich kann nicht unterzeichnen.«

»Das will nichts sagen,« antwortete Procop; »Du machst ein Kreuz darunter.«

»Ah,« murmelte Lactantius, »um so heiliger wird meine Verpflichtung seyn. Fahre also fort, Bruder.

Procop begann von neuem:

»Zwischen den Unterzeichneten,

»Johann Chrysostomus Procop .…«

»Nun, gar bescheiden bist Du nicht,« sagte Yvonnet; »Du setzest Dich gleich oben an…«

»Einer mußte doch anfangen,« antwortete Procop unbefangen.

»Weiter! Weiter!« drängte Maldent.

»Johann Chrysostomus Procop, ehemaliger Procurator zu Caën, auch zu Nauen, Cherbourg, Valognes…«

»Na,« fiel Pille-Trousse ein, »nun wundere ich mich nicht mehr, daß Du mit dem Schreiben drei und eine halbe Stunde zugebracht hast, wenn Du Jedem wie Dir vollständige Titel und Würden anhängtest; im Gegentheil, ich wundere mich, daß Du schon fertig bist.«

»Nein,« antworete Procop, »ich habe Euch Allen einen Titel gegeben, glaubte aber, daß bei mir, dem Concipienten der Urkunde, die Aufzählung meiner Titel nicht nur geeignet, sondern sogar durchaus nothwendig sey.«

»Das ist etwas Anderes,« sagte Pille-Trousse.

»So hört doch endlich einmal auf,« schrie Malemort; »wir werden ja nicht fertig, wenn Ihr bei jedem Worte unterbrecht.«

»Ich werde unterbrochen,« entgegnete Procop. Dann fuhr er fort:

»Zwischen den Unterzeichneten,

»Johann Chrysostomus Procop und so weiter, Honorius Joseph Maldent, Victor Felix Yvonnet, Chrillus Nepomuk Lacantius, Cäsar Hannibal Malemort, Martin Pille-Trousse, Vittorio Albani Fracasso, Heinrich und Franz Scharfenstein, sämmtlich Capitänen in Diensten des Königs Heinrich II.…«

Ein schmeichelhaftes Gemurmel unterbrach Procop und Niemand dachte mehr daran, ihm die Titel streitig zu machen, welche er sich beigelegt hatte, da ein Jeder damit beschäftigt war, durch Schärpe, Schnupftuch oder einen Lumpen den Titel »Capitän« im Dienste Frankreichs zu rechtfertigen, den er empfangen hatte.

Procop ließ dem Beifallsgemurmel Zeit, sich zu beruhigen, und fuhr fort:

»Ist beschlossen und festgesetzt worden wie folgt…«

»Halt!« rief Maldent. »Die Urkunde gilt nicht.«

»Warum gilt sie nicht?« fragte Procop.

»Du hast etwas Wichtiges darin vergessen.«

»Was.«

»Das Datum.«

»Das Datum kommt zuletzt.«

»Das ist etwas Anderes,« entgegnete Maldent; »besser wäre es aber doch, wenn es am Anfange stände.«

»Am Anfange oder am Ende, das bleibt sich gleich,« sagte Procop. »Die Institutionen Justinian’s sagen ausdrücklich: »Omne actum quo tempore scriptum sit, indicato, seu initio, seu fine, ut paciscentibus libuerit,« das heißt, jede Urkunde muß ihr Datum an sich tragen, entweder am Anfange oder am Ende, wie es den Contrahirenden beliebt.«

»Eine abscheuliche Sprache, die Advocatensprache!« sagte Fracasso. »Was für ein Unterschied zwischen diesem Latein und dem Latein Virgil’s und Horazens!«

Und er scandirte wohlgefällig die Verse aus der dritten Ecloge Virgils:

 
Malo me Galatea petit, lasciva puella:
Et fugit ad salices, et se cupit ante videri…
 

»Ruhe, Fracasso!« sagte Procop.

»Gebiete Du Ruhe so lange Du willst,« antwortete Fracasso, »es ist und bleibt doch wahr, daß ich Justinian I., ein so großer Kaiser er meinetwegen auch gewesen ist, Homer den Zweiten vorziehe und lieber die Bucolica, die Eclogen und selbst die Aeneïs verfaßt haben möchte als die Institutionen, die Pandecten und das ganze corpus juris civilis

Ueber diesen wichtigen Punkt wäre es zwischen Fracasso und Procop sicherlich zum Streite gekommen – dessen Ende und Folgen nicht abzusehen waren – aber vor der Höhle ließ sich ein unterdrückter Ruf hören, welcher die Aufmerksamkeit der Abenteurer dahin richtete.

Bald zeigte sich auch ein dunkler Schatten an dem Eingange und endlich erschien ein Wesen, dessen Art nicht zu bestimmen war, so seltsame Formen hatte es in dem Halbdunkel, von dem aus es sich in den Kreis hereinbewegte, der sich vor ihm öffnete.

Da erst und in dem Lichte der Fackel, welche die Gruppe beleuchtete, erkannte man Franz Scharfenstein, der in seinen Armen ein Mädchen trug und demselben als Knebel die breite Hand auf den Mund gelegt hatte.

Jeder wartete auf die Lösung des neuen Vorfalles.

»Cameraden,« sagte der Riese, »das Weibsbildchen schlich um den Eingang der Höhle her; ich hab sie gehascht und bringe sie. Was machen wir mit ihr?«

»Zuerst,« antwortete Pille-Trousse, »laß sie los; sie wird doch nicht uns alle Neun beißen.«

»Ah, vor dem Beißen fürcht ich mich nicht,« antwortete Franz lachend; »sie sieht selber anbeißerlich aus.«

Mitten im Kreise, wie ihm Pille-Trousse angedeutet hatte, ließ er das Mädchen los und trat dann rasch zurück.

Das Mädchen war jung und hübsch und schien der Kleidung nach der achtungswerthen Classe der Köchinnen eines guten Hauses anzugehören, sah sich ängstlich rund im Kreise um, zu erkennen, unter welcher Gesellschaft sie sich befinde, die ihr auf den ersten Blick wohl etwas gemischt vorkommen mochte.

Sie kam indeß nicht einmal rund herum in dem Kreise, als ihr Blick aus dem jüngsten und zierlichsten der Abenteurer ruhte.

»Herr Yvonnet,« rief sie, »um Gottes Willen schützet mich! vertheidigt mich!«

Zitternd umschlang sie zugleich den jungen Mann.

»Sieh, sieh,« sagte Yvonnet, »die Jungfer Gertrude!«

Er drückte das Mädchen an seine Brust, um sie zu beruhigen, und sagte:

»Nun, Ihr Herren, da werden wir ganz frische Nachrichten aus dem Schlosse Parcq erhalten, denn das schöne Kind kommt daher.«

Da die Nachrichten, welche Yvonnet durch den Mund Gertrudens ankündigte, alle Anwesenden im höchsten Grade interessierten, so gaben die Abenteurer für den Augenblick wenigstens, die Vorlesung ihres Gesellschaftsvertrages auf, traten um das junge Paar herum und warteten mit Ungeduld, daß Jungfer Gertrude sich so weit beruhigt haben werde, um sprechen zu können.

V.
Der Graf von Waldeck

Es vergingen noch einige Minuten: dann hatte sich Jungfer Gertrude durch das freundliche Zureden Yvonnet’s besänftigt und sie begann zu erzählen.

Da aber ihre Erzählung häufig bald durch einen Rest von Angst, bald durch die Fragen der Abenteurer unterbrochen wurde, so würde sie unseren Lesern keine hinreichende Deutlichkeit gewähren; wir wollen also an ihre Stelle treten und so kurz als wir es vermögen das tragische Ereigniß erzählen, welches das Mädchen gezwungen hatte, das Schloß Parcq zu verlassen und eine Zuflucht anderswo zu suchen, wobei sie unter die Abenteurer gerathen war.

Zwei Stunden nach der Entfernung Yvonnet’s, in dem Augenblicke als Jungfer Gertrude, ohne Zweifel etwas ermüdet von der nächtlichen Unterhaltung mit dem schönen Pariser, endlich sich entschloß, ihr Bett zu verlassen und zu ihrer Herrin hinunter zu gehen, die zum dritten Mal sie rufen ließ, trat der Sohn des Pächters, ein Bursche von sechzehn bis siebenzehn Jahren, Philipp mit Namen, ängstlich in das Zimmer der Dame und meldete ihr, es komme ein Haufe von vierzig oder fünfzig Mann, die den schwarzgelben Schärpen nach wohl zu dem Heere Carls V. gehören möchten, auf das Schloß zu, nachdem sie seinen Vater, der auf dem Felde gearbeitet, gefangengenommen hätten.

Philipp, der einige hundert Schritte von seinem Vater gearbeitet, hatte gesehen, wie der Anführer ihn erfaßt und dann an den Geberden der Soldaten und des Gefangenen errathen, daß von dem Schlosse die Rede sey. Er hatte sich meist kriechend bis an den Hohlweg geschlichen und weil er da nichts mehr habe sehen können, war er so schnell als möglich herbeigekommen, um der Herrin das Vorgegangene zu melden, damit sie noch Zeit habe sich zu etwas zu entschließen.

Die Frau vom Hause stand auf, trat an das Fenster und erblickte in der That die Soldaten etwa hundert Schritte von dem Schlosse; es mochten fünfzig Mann seyn, wie es Philipp gesagt hatte, mit etwa drei Anführern. Neben derer Pferde eines derselben ging der Pächter, dem die Hände auf den Rücken zusammengebunden waren; der Offizier, neben dem er ging, hielt das Ende des Strickes, damit der Mann nicht zu entfliehen suche oder, wenn er dies versuchte, damit er sogleich festgehalten werden könne.

Dieser Anblick war nichts weniger als beruhigend. Da indeß die Leute,– welche herankamen, die Reichsschärpe trugen; da ferner die drei Anführer Kronen auf dem Helmbusche und Wappen auf der Brust ihrer Harnische trugen; da der Herzog Emanuel Philibert sehr bestimmte Befehle in Bezug auf das Plündern gegeben hatte, da endlich eine Frau unmöglich durch die Flucht sich retten konnte; so war die Frau vom Hause entschlossen, die Ankommenden so gut als möglich zu empfangen. Sie verließ deshalb ihr Zimmer, ging die Treppe hinunter und erwartete sie als Zeichen der Ehre, die sie ihnen anthat, auf der ersten Stufe der Vortreppe.

Jungfer Gertrude indeß hatte sich bei dem Anblicke der Männer so sehr gefürchtet, daß sie nicht mit ihrer Herrin ging, wie es doch ihre Pflicht gewesen wäre, sondern sich an Philipp klammerte und ihn um Gottes Willen bat, ihr ein sicheres Versteck zu zeigen, in welchem sie sich so lange verborgen halten könnte, als die Soldaten im Schlosse blieben und wohin ihr Philipp von Zeit zu Zeit Nachricht von ihrer Herrin bringen möchte.

Obgleich Jungfer Gertrude an Philipp seit einiger Zeit sehr unfreundlich gehandelt hatte und dieser ihr Gleiches mit Gleichem zu vergelten sich vorgenommen hatte, wenn sie ihn brauche, weil er sich nicht erklären konnte, warum sie mit einem Male ein ganz anderes Benehmen gegen ihn angenommen hatte, war sie doch so schön, wenn sie sich fürchtete, und so verführerisch wenn sie bat, daß Philipp sich noch einmal erweichen ließ und sie in den Hof, aus dem Hof in den Garten führte und da in einer Grube versteckte, in welcher er und sein Vater das Werkzeug aufbewahrten.

Wahrscheinlich beschäftigten sich die Soldaten, welche die Absicht zu haben schienen das Schloß zu besehen, nur mit den Kellern und der Küche, suchten sie aber gewiß nicht da, wo sich höchstens etwas Wasser befand.

Gertrude hätte gewiß den Philipp gern bei sich behalten und Philipp wäre wahrscheinlich auch vorn Herzen gern bei Jungfer Gertrude geblieben, aber die Schöne war noch neugieriger als furchtsam, so daß der Wunsch, zu erfahren was verging, die Furcht allein zu bleiben überwog.

Der größeren Sicherheit wegen klappte übrigens Philipp die Thür über die Grube und schloß das Schloß daran zu, was Gertrude im Anfange gewaltig ängstigte, was sie aber nach reiflicher Ueberlegung endlich beruhigte.

Sie hielt den Athem an und horchte aufmerksam; anfangs hörte sie großes Geklirr von Waffen und Getrappel von Pferden, Geschrei und Gewieher, aber alles schien sich bald in dem Hofe zu sammeln.

Die Versteckte und Gefangene zitterte vor Ungeduld und verging fast vor Neugierde. Mehr als einmal versuchte sie die Thür aufzuheben. Wäre es ihr gelungen, so hätte sie gewiß auf die Gefahr hin, daß ihr etwas Unangenehmes dabei begegnete, zu hören versucht, was man spreche, oder zu sehen, was vorgehe.

Endlich hörte sie leise Tritte ihr näher kommen; der Schlüssel wurde in das Schloß gesteckt und die Thür langsam und bedächtig geöffnet, dann aber schnell wieder niedergelassen, nachdem Philipp hereingekommen war.

»Nun,« fragte Gertrude noch ehe die Thür ordentlich wieder zu war.

»Nun,« antwortete Philipp, des scheinen wirklich adelige Herren zu seyn, wie die gnädige Frau gleich erkannte, aber was für Herren, wenn Du sie fluchen und wettern hörtest, würdest Du sie für Heiden halten.«

»Mein Gott, was Du da sagst!« entgegnete das Mädchen ganz erschrocken.

»Es ist die reine Wahrheit, Jungfer Gertrude. Der Herr Caplan wollte ihnen Vorstellungen machen, aber sie antworteten, sie würden ihn an den Bäumen aufhängen, den Kopf nach unten und ihn hin und her zerren wie eine Glocke, die geläutet wird, und ihr Caplan scheint ein wahrer Heide zu sehn; auch trägt er einen gewaltigen Schnauzbart und flucht mit den Andern um die Wette.«

»Aber dann sind es ja keine ordentlichen adeligen Herren,« sagte Gertrude.

»Doch, doch, vom besten deutschen Adel. Sie schämten sich gar nicht ihre Namen zu sagen und das ist gewiß viel nach der Art, wie sie sich benehmen. Der Aelteste ist ein Mann von etwa fünfzig Jahren und er heißt Graf von Waldeck. Er befehligt vier tausend Reiter in dem Heere Sr. Majestät Carls V. Von den beiden Andern kann der Eine vier- bis fünfundzwanzig, der Zweite neunzehn bis zwanzig Jahre alt seyn und der Eine ist sein ehelicher, der andere ein unehelicher Sohn. Wie ich aber gesehen habe – man sagt, es wäre oft so – scheint er den ehelichen Sohn weniger zu lieben als den andern. Der erstere ist ein schöner Mann mit blassem Gesicht, großen braunen Augen und schwarzem Bart und Haar; auch glaube ich, daß sich mit dem ein verständiges Wort reden ließe. Anders ist es mit dem Bastard, der hat rothes Haar und wahre Eulenaugen Gertrude, der ist ein wahrer Teufel. Gott verhüte, daß Du dem in den Wurf kämest! Er sah die gnädige Frau an, so… mir lief’s kalt über den Rücken.«

»Wirklich?« fragte Jungfer Gertrude, die neugierig zu seyn schien, wie wohl ein Blick wäre, bei dem es Einem kalt über den Rücken läuft.

»Gewiß und wahrhaftig,« betheuerte Philipp, »da bin ich aber fortgegangen. Jetzt will ich mich wieder hinschleichen, um zu sehen was weiter geschieht; ich komme bald wieder und erzähle es Dir.«

»Ja, ja,« sagte Gertrude, »komm aber bald wieder und sieh Dich vor, daß Du kein Unglück nimmst.«

»Da kannst Du unbesorgt seyn, Gertrude,« antwortete Philipp, »ich zeige mich nicht anders als mit einer Flasche in jeder Hand und da ich weiß, wo im Keller die gute Sorte liegt, so meinen es die Spitzbuben sehr gut mit mir.«

Philipp ging wieder fort und schloß Gertrude von neuem ein, die nun reiflich darüber nachdachte, wie wohl die Augen aussehen möchten, die so schreckliche Blicke geben könnten.

Noch hatte sie sich die Sache nicht ganz erklären können, obgleich sie wohl eine Stunde darüber gesonnen, als ihr Bote und Freund von neuem erschien.

Einen Oelzweig brachte er indeß nicht mit. Der Graf von Waldeck und seine Söhne hatten durch Drohungen und Mißhandlungen die gnädige Frau gezwungen ihnen ihren Schmuck, ihr Silbergeschirr und alles Gold im Schlosse zu geben. Damit waren sie aber nicht zufrieden gewesen und die arme Frau war in dem Augenblicke, als sie die adeligen Räuber los zu seyn glaubte, ergriffen, geknebelt, an ihr Bett gelegt und in ihrem Zimmer eingesperrt worden, mit dem Versprechen, binnen zwei Stunden werde man das Schloß in Brand stecken, wenn sie bis dahin nicht zweihundert Rosenthaler aufgetrieben hätte.

Jungfer Gertrude beklagte gebührendermaßen das Schicksal ihrer Herrin, da sie aber die fraglichen zweihundert Rosenthaler nicht besaß, sie ihr also nicht leihen und damit sie nicht befreien konnte, so bemühte sie sich an etwas Anderes zu denken und fragte Philipp, was der schändliche Bastard Waldeck mit dem rothen Haar und den schrecklichen Augen mache.

Philipp antwortete, der Bastard sey eben daran sich zu betrinken, wobei ihn sein Vater getreulich unterstütze. Nur der junge Graf von Waldeck behalte unter den Schändlichkeiten so viel als möglich Kaltblütigkeit.

Jungfer Gertrude hatte sehr große Lust, mit eigenen Augen zu sehen, wie die Schändlichkeiten denn eigentlich beschaffen wären… Das Plündern kannte sie schon, denn sie hatte Thérouanne plündern sehen, aber die andern Schändlichkeiten!

Philipp erklärte ihr so gut als möglich was er meinte, nemlich daß die wilden Männer dasäßen, unmäßig tränken, äßen, schlechte Reden führten und namentlich sich ganz besonders gegen die Mädchen und Frauen benähmen, die ihnen in die Hände fielen.

Diese Schilderung erhöhte denn natürlich die Neugierde Gertrudens noch viel mehr. Sie bat deshalb Philipp, er möge sie herauslassen, nur auf zehn Minuten; dieser wiederholte aber so oft und so ernsthaft, daß sie ihr Leben aufs Spiel setze, wenn sie sich herauswage, daß sie sich endlich vornahm, doch lieber in ihrem Versteck zu bleiben und auf den dritten Besuch Philipps zu warten, um dann einen Entschluß zu fassen.

Dieser Entschluß war vor der Rückkunft Philipps gefaßt, nemlich mit Gewalt, wenn, es nicht anders gehe, aus dem Versteck zu flüchten, sich in das Schloß zu begeben, auf den geheimen Gängen hinzuschleichen und mit eigenen Augen zu sehen, was vorgehe, da denn jede Beschreibung, wie beredt sie auch seyn möge, immer hinter dem Beschriebenen zurückbleibe.

Sobald sie zum dritten Male den Schlüssel hörte, wollte sie hinauseilen, es mochte Philipps Meinung seyn oder nicht, aber als sie den jungen Mann sah, wich sie entsetzt zurück.

Philipp sah todtenbleich aus; sein Mund stammelte unzusammenhängende Worte und seine Augen hatten den stieren Ausdruck behalten, den das Entsetzen dem Blicke des Menschen gibt, welcher etwas Schauerliches, Grauenhaftes gesehen hat.

Gertrude wollte ihn fragen, aber sie fühlte sich von dem Entsetzen Philipps selbst eiskalt berührt; die Blässe Philipps ging auf ihr Gesicht über und sie wurde vor seinem Schweigen stumm.

Ohne etwas zu sagen, aber mit der Kraft des Entsetzens, dem Mancher nicht zu widerstehen versucht, ergriff er sie am Handgelenk und zog sie an die kleine Gartenthür, welche auf das Feld führte, während er stammelte:

»Todt… ermordet… erdolcht!«

Gertrude ließ sich führen; Philipp ließ sie einen Augenblick los, um die Thür des Gartens hinter ihnen zuzumachen; aber es war dies eine nutzlose Vorsicht, denn Niemand dachte, daran sie zu verfolgen.

Aber die Erschütterung, welche der arme Philipp erfahren hatte, war zu gewaltsam gewesen, als daß die Bewegung, in die sie ihn versetzt, hätte anhalten können. Nach fünf Minuten verließ ihn die Kraft, er sank athemlos nieder und murmelte rauh, wie ein Mann, den der Tod bereits erfaßt hat, die schrecklichen Worte, die einzigen, die er über die Zunge brachte:

»Todt… ermordet… erdolcht!«

Gertrude hatte sich da umgesehen, sie war nur etwa zweihundert Schritte von dem Waldsaume; sie kannte diesen Wald, sie kannte die Höhle darin, es war also ein doppelter Zufluchtsort. Uebrigens traf sie am Ende gar in der Höhle Yvonnet.

Zwar fühlte sie einigermaßen Gewissensbisse, daß sie den armen Philipp so am Rande eines Grabens in Ohnmacht liegen lasse, aber sie sah auch fünf bis sechs Reiter auf sich zukommen. Vielleicht gehörten diese zu den Leuten des Grafen Waldeck und sie hatte also gar keine Zeit zu verlieren, wenn sie ihnen entkommen wollte. Sie lief also nach dem Walde hin, ohne zurück zu sehen, sie lief wie gehetzt, bis sie das Gebüsch erreicht hatte; da erst blieb sie stehen, lehnte sich an einen Baum, um nicht zu fallen, und blickte ins Freie hinaus.

Die fünf oder sechs Reiter waren an der Stelle angekommen, wo sie den ohnmächtigen Philipp verlassen hatte. Sie hatten ihn aufgehoben, da er aber keinen Schritt gehen konnte, legte ihn einer quer vor sich über den Sattel und so jagten sie fort.

Uebrigens schienen die Leute nur gute Absichten zu haben und Gertrude fing an zu glauben, es hätte dem armen Philipp nichts Besseres geschehen können, als in solche Hände zu fallen, die so mitleidig zu seyn schienen.

Als Gertrude sich so über das Schicksal ihres Begleiters beruhigt, auch sich etwas erholt hatte und zu Athem gekommen war, lief sie weiter in der Richtung hin, in welcher sie die Höhle zu finden glaubte, aber der Kopf war ihr so wüst, daß ihre Augen nicht auf die Zeichen merkten, die sie sonst auf ihrem Gange leiteten. Sie verirrte sich also und erst nach einer Stunde kam sie zufällig oder aus Instinkt in die Nähe der Höhle, wo Franz Scharfenstein sie ergriff.

Das Uebrige erräth man: Franz streckte einen Arm aus, den er um Gertrude legte, mit der andern Hand hielt er ihr den Mund zu, dann hob er das Mädchen leicht auf, trug sie in die Höhle und setzte sie dann erschrocken mitten unter den Abenteurern nieder, denen sie, durch freundliche Worte Yvonnet’s beruhigt, das erzählte, was wir eben den Lesern mitgetheilt haben und was von den Zuhörern mit einem Schrei des Unwillens aufgenommen wurde.

Aber, man irre sich nicht, dieser Unwille hatte eine selbstsüchtige Quelle. Die Abenteurer fühlten sich keineswegs durch den Mangel an Moral empört, welchen die Plünderer in dem Schlosse Parcq bewiesen hatten; nein, sondern darüber, daß Graf Waldeck mit seinen Söhnen das Schloß früh ausgeraubt hatte, welches sie Abends hatten plündern wollen.

Dieser Unwille sprach sich in lauten Verwünschungen aus, denen dann der einmüthig gefaßte Beschluß folgte, auf Entdeckung auszugehen und zuzusehen, was draußen geschehe, sowohl nach der Seite hin, nach welcher man Philipp gebracht, als auch in der Gegend des Schlosses, in welcher das Drama gespielt, welches Gertrude mit aller Beredsamkeit und Energie der Angst beschrieben hatte.

Der Unwille schloß indeß bei den Abenteurern die Vorsicht nicht aus. So beschlossen sie denn ein Zuverlässiger und Gutwilliger solle vorher den Wald durchsuchen und dann den Andern Bericht erstatten. Je nach den Aussichten auf Sicherheit oder Unsicherheit, welche diese Musterung gäbe, wollte man handeln.

Yvonnet erbot sich die Durchsuchung des Waldes zu übernehmen. Auch war er allerdings am geeignetsten dazu, denn er kannte den Wald genau und war gewandt wie ein Reh und schlau wie ein Fuchs.

Gertrude protestirte laut dagegen, daß ihr Geliebter einen so gefährlichen Auftrag übernehme, aber man machte ihr mit sehr wenigen Worten begreiflich, daß sie die Zeit übel wähle, um Liebesbesorgnisse in einer Gesellschaft zu äußern, die an dergleichen Zartheiten und Zärtlichkeiten nicht gewöhnt sey. Sie war denn auch im Grunde ein sehr verständiges Mädchen und beruhigte sich, da sie sah, daß ihre Klagen und Thränen nicht nur nichts nützten, sondern am Ende gar für sie schlecht ablaufen könnten. Auch setzte ihr Yvonnet heimlich auseinander, die Geliebte eines Abenteurers dürfe nicht so reizbar und empfindlich seyn wie eine Romanprinzessin, dann übergab er sie den Händen seines Freundes Fracasso, unter der besondern Obhut der beiden Scharfenstein, und verließ die Höhle, um den wichtigen Auftrag auszuführen, den er übernommen hatte.

Nach zehn Minuten war er zurück.

Der Wald war vollkommen frei und schien durchaus keine Gefahr zu bieten.

Da die Neugierde der Abenteurer in der Höhle durch die Erzählung der Jungfer Gertrude fast so gereizt worden war, wie die Gertrude’s durch die Erzählung Philipps und der vielerprobte Lanzknecht schicklicherweise nicht dieselben Gründe zur Vorsicht haben konnte wie ein schönes schüchternes junges Mädchen, so verließen sie die Höhle und ließen den Gesellschaftsvertrag Procops unter der Bewachung der Erdgeister, forderten Yvonnet auf, sich an ihre Spitze zu stellen, und gingen unter seiner Führung nach dem Waldsaume zu, freilich nicht ohne daß ein Jeder sich vorher überzeugt hatte, daß sein Schwert oder Dolch in der Scheide nicht eingerostet sey.

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Litres'teki yayın tarihi:
10 aralık 2019
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