Kitabı oku: «Der Secretair der Marquise Du-Deffand», sayfa 47
Dies Alles ist von unbestreitbarer Wahrheit. Es ist mir unerklärlich, wie man mit dieser Leichtigkeit und Eleganz in einer fremden Sprache schreiben kann. Wir Franzosen machen es nicht so gut, wir sind so sehr gewohnt, unsere Sprache als einen allgemeinen Hauptschlüssel anzusehen, und wollen keinen andern. Ich sagte neulich, sie wäre in dem Thurm zu Babel erfunden, uni die Völker in Übereinstimmung zu bringen, wenn sie einander nicht mehr verständen. Seit der Zeit hat sie fortgefahren, und es giebt keinen Winkel, wo sie nicht verstanden wird.
Dreizehntes Kapitel
Wenn ich an Schlaflosigkeit leide und die ganzen Nächte außer dem Bette zubringe, plaudere ich mit Viard; wir erinnern uns, und ich lasse ihn die Aufzeichnungen machen, woraus dieser Bericht besteht. Wir haben noch mehr gethan; seitdem mir der Einfall gekommen, schreiben wir jeden Tag nieder, was mir begegnet, was ich höre und welche Personen ich sehe. Mit diesem Tagebuche werden wir diese Memoiren fortsetzen; wir werden die Neuigkeiten aus der Stadt und die Bewegung der Schöngeister darin finden; mit dem Hofe beschäftige ich mich nicht, es giebt so Viele, die es ohne mich thun werden.
Nicht als hätte ich nicht Vieles von dort gehört und wie die anderen Frauen vom Stande seit vielen Jahren dort eine Stellung einnehmen können, aber der Hof hat mich nie angezogen. Ich hatte die Ehre, die Königin Maria Leczinska zu besuchen, und sie empfing mich ziemlich oft. Der Präsident Henault, Oberintendant ihrer Hofhaltung, hatte sie zu diesem Wunsche veranlaßt; sie war gut und einnehmend. Um die anderen hohen Personen,, Könige, Prinzen und Günstlinge werde ich mich nicht kümmern; ich habe sie nicht genug gekannt, um mit ihnen zu reden, und ich werde mich wohl hüten, zu sagen, was ich nicht weiß.
In Versailles hatte ich als meine Verbündeten ersten Ranges den Herzog und die Herzogin von Choiseul. Der Herzog war Minister, ein Mann von Geist und Fähigkeit, der das Vergnügen liebte, aber vollkommen rechtschaffen und redlich war. Seine Frau ist die personificirte Güte und Anmuth. Obgleich sie viele Jahre jünger ist, als ich, nenne ich sie doch meine Großmutter, weil die letzte Herzogin von Choiseul, ihre Vorgängerin, wie man weiß, in der That meine Großmutter war; sie hatte in zweiter Ehe den Herzog von Choiseul geheirathet, und meine Mutter war aus ihrer ersten Che mit dem Präsidenten Brulard. Der Herzog und die Herzogin hören nicht auf, mich mit Freundlichkeiten zu überhäufen, und ich liebe sie zärtlich. Von ihnen erfahre ich die Geheimnisse des Hofes, aber ich will nicht wagen, sie zu compromittiren. In meinem Alter ist jeder Tag eine Gnade, und wenn ich Plötzlich stürbe, bin ich wenigstens gewiß, was ich hinter mir zurücklasse.
Eine der liebenswürdigsten unter meinen Freundinnen ist die Marschallin von Luxembourg. Sie ist Anfangs Herzogin von Boufflers gewesen, und Gott weiß, welches Leben und welche Jugend sie geführt hat. Ich glaube nicht, daß man sich besser amüsiren könnte. Ich begegne ihr seit vierzig Jahren; sie ist also nicht mehr jung. Man könnte ein Buch aus ihren Abenteuern machen und jeder kennt sie aus dem Grunde.:
Es giebt indessen eins, welches man nicht kennt, denn sie hat es nicht bekannt gemacht, und doch ist es eins der hübschesten. Ich war darin verwickelt und ich habe mich dessen nicht gerühmt, was man leicht begreifen wird, wenn man meinen Charakter richtig gewürdigt hat. Es war folgendes.
Die Herzogin von Boufflers war schön, wie ein Engel: wenn ein Künstler sie geformt, hätte es ihm nicht besser gelingen können. Schönheit, Geist, Anmuth, nichts fehlte ihr. Nur war sie nicht gut; man durfte ihr nicht mißfallen, sie nicht beleidigen, nicht unter ihre Hände kommen. Dann schonte sie nichts und that sich in ihren Handlungen und Aeußerungen keinen Zwang an. Ihr Mann ließ ihr völlige Freiheit und sie liebte besonders die Plötzlich ersonnenen Ausflüge, die Wanderungen, die man verkleidet bei Nacht durch die Straßen von Paris unternahm. Sie hätte gern mit den jungen Herren sich mit den Nachtwächtern geschlagen und den Parisern tausend Streiche gespielt, worüber sie wie ein kleines Mädchen lachte.
Herr von Luxembourg war lange vor dem Tode des Herzogs von Boufflers ihr Geliebter gewesen, und ich habe diesen Geschmack nie begriffen, aber doch hatte sie ihn. Sie verbarg nicht, daß sie ihm Nebenbuhler gebe, und er beunruhigte sich nicht darüber, wenn er nur während der Abende, die sie mit einander zubrachten, der Herr war.
– Was geschieht, wenn ich nicht da bin, geht mich nicht an, sagte er zu den Angebern und Rathgebern.
Es war bequemer. Viele Männer und selbst Frauen waren in jener Zeit so: man nahm das Leben von der guten Seite.
Eines Abends war ich sehr ermüdet: ich war in der Nacht zuvor auf einem Balle gewesen und hatte mich den ganzen Tag mit Formont gezankt, der nicht so zufrieden war, wie der Herr von Luxembourg. Ich hatte ihn gelangweilt; ich war traurig darüber und legte mich zur Ruhe. Um halb zwölf Uhr hörte ich Geräusch in meinem Vorzimmer; ich war weinend eingeschlafen, wie die kleinen Kinder; ich wurde ungeduldig über dieses Geräusch, welches mich erweckte, und hoffte Anfangs, daß es Formont sei, der zur Versöhnung gekommen. Ich war stolz und glücklich darüber und entschlossen, daß er seine Verzeihung sehr theuer erkaufen solle, als meine Thür aufging und ich eine Frau und drei Männer eintreten sah, die Wachskerzen trugen, wohl verkappt waren und unter ihren Mänteln zum Ersticken lachten.
– Was ist dies? sagte ich; es sind Gespenster!
– Ja, Gespenster, welche kommen, um Sie abzuholen und Sie in das Reich der Schatten zu führen; Sie müssen aufstehen und ihnen folgen.
– Ich habe nicht Lust, zu Minas zu gehen, antwortete ich, ich bin noch nicht gestimmt, ihm zu antworten.
– Wir wollen ihm für Sie antworten, meine schöne Marquise, und es soll Ihnen später freistehen, uns Lügen zu strafen; kommen Sie nur immer.
– Ich hatte die Stimme der Herzogin und die des Herrn von Luxembourg erkannt; die beiden anderen Männer waren der Herr von Beauveau und ein junger Gardeofficier, sein Verwandter, den er den Chevalier von Fravacourt nannte. Man verwechselte ihn oft mit dem Herrn von Flavacourt; er vertheidigte sich dagegen., indem er bescheiden sagte:
– Ich habe nicht die Ehre – getäuscht zu werden.
Man mußte seine Miene sehen! Es war eine wahre Posse.
Diese Herren traten in mein Boudoir; ich ließ mich gleich der Herzogin als Grisette ankleiden und trug ein Kleid von Zitz, eine Schürze von grünem lasset und eine Schmetterlingshaube. Ich nahm einen Mantel und eine Kapuze und dann fuhren wir alle fünf im Fiacre ab, lachten aus voller Kehle, sahen in die Luft, um Abenteuer zu suchen, und hielten vor allen erleuchteten Häusern an. Es gab keine Abenteuer mehr zu dieser Stunde, doch waren die Kutscher zu dem allen geeignet und dienten uns als Spürhunde.
Wir kamen in der Rue Simon-le-Franc an, welches ein wahres Gäßchen war, worin sich viele kleine Häuser von Arbeitern und blinde Thüren befanden, die ganz zu der Unterhaltung, die wir suchten, geeignet waren.
– Ach! sagte Herr von Luxembourg, man soupirt also diesen Abend nirgends? Wir würden genöthigt sein, uns in die Rue Cadet zu begeben, was sehr einförmig sein würde.
Er hatte in der Rue Ladet ein kleines köstliches Haus, wo man wunderbar gut soupirte und wo man sich oft vereinigte, um zu lachen und sich zu unterhalten. Ich weiß nicht, was in den anderen Tagen hier vorging, oder vielmehr, ich weiß es wohl und man erräth es.
In der Mitte dieses Gäßchens Simon-le-Franc hielt der Kutscher an, stieg ab, näherte sich dem Schlage und sagte, indem er auf. ein kleines Licht hinter einer Glasscheibe deutete:
– Sehen Sie, meine Herren, ich finde nichts Besseres, als dies.
Der Fürst sah dorthin und antwortete sehr ernsthaft:
– Man muß damit zufrieden sein; ich übernehme es.
Da kletterte er auf den Sitz und von dort auf die Imperiale des Wagens, was ihm gestattete, nach Gefallen in das Innere des Zimmers zu blicken, welches weder Vorhänge noch Fensterladen hatte. Er erblickte zwei Personen, einen jungen Mann und ein junges Mädchen, die tête-à-tête an einem gut besetzten Tische zu Abend speisten. Das junge Mädchen war schön und schien ganz einfach eine Grisette zu sein; der junge Mann schien verkleidet, wie er selber; er hatte das Ansehen eines Edelmannes unter seinen bescheidenen Kleidern. Das Haus war eng und schmutzig, aber das Abendessen war ausgesucht, was ihn noch mehr in seiner Meinung bestärkte. Die Schwierigkeit war, dort einzutreten. Diese Herren waren wegen einer solchen Kleinigkeit nicht verlegen. Der Fürst klopfte an das Fenster, die jungen Leute wurden aufmerksam und der Cavalier suchte mit einer gewohnten Bewegung seinen abwesenden Degen.
– Gut! sagte unser Muthwilliger, es ist ein Mann von Stande, davon hielt ich mich überzeugt.
Er klopfte von Neuem; das Fenster öffnete sich und eine wenig einladende Miene zeigte sich.
– Was wollen Sie? fragte der Unbekannte.
– Beistand für meine Schwester die sich übel befindet, und zu essen für mich und meine Begleiter.
Der Andere zauderte.
– Wo ist denn Ihre Schwester?
– In diesem Fiacre vor der Thür Ihres Hauses; öffnen Sie uns, ich beschwöre Sie. Sie leidet sehr.
Wir hörten sehr gut das Gespräch.
– Meine Königin, sagte ich zu der Herzogin, Sie werden die kranke Schwester vorstellen, was mich betrifft ich bin unfähig dazu, ich würde nicht ernsthaft bleiben können, und dann sterbe ich vor Hunger.
– Ich auch, sagte sie, und der Fürst hat da einen schlechten Einfall gehabt. Ah! bah! das Wesentliche ist, einzutreten, ich werde bald hergestellt sein.
Während dieser Zeit dauerten die Unterhandlungen fort.
– Aber wenn Sie Diebe sein sollten, sagte endlich unser gehoffter Wirth; wer steht mir für Ihre Redlichkeit ein?
– Die Diebe kommen nicht im Fiacre. Uebrigens, was zum Teufel sollten wir Ihnen nehmen, es sind nicht für zwanzig Livres Möbeln, oder Geschirre dort drinnen. Beeilen Sie sich, meine Schwester klagt immer mehr und mehr.
Die Liebenden sprachen einen Augenblick leise; endlich nimmt der junge Mann das Licht und kommt herunter. Herr von Beauveau thut seinerseits dasselbe. Der Wagenschlag öffnet sich, die Herzogin schließt die Äugen und läßt sich forttragen; ich folgte, die Augen gesenkt, um nicht zu lachen, und der Chevalier schloß den Zug. Wir stiegen eine abscheuliche hölzerne Treppe hinauf, wovon jede Stufe beschädigt war, wir traten in das Zimmer, wo eine junge und schöne Person uns erwartete, und wir fanden ein gutes Feuer, einige Strohstühle, einen Tisch, worauf eine Pastete, ein schöner Fisch und einige gute Flaschen Champagner, Bordeaux und Madeira standen. Außerdem befanden sich dort Obst, Liqueure, Creme, und nichts fehlte.
Als der Chevalier und der Herr der Wohnung einander ansahen, machte der Chevalier eine kleine Bewegung, die er sogleich unterdrückte; der Andere regte sich nicht. Er richtete einige geschraubte Redensarten an uns und bemühte sich um die Herzogin, die auf wunderbare Weise ohnmächtig wurde, so daß man nicht an der Wahrheit zweifeln konnte. Herr von Luxembourg verschwendete die zärtlichste Sorgfalt an sie und nannte sie sein Hühnchen und sein Kätzchen; ich wagte nicht, mich ihr zu nähern, ich erstickte vor Lachen. Die Grisette ging sogleich darauf los und rieb sie bis in die Augen mit Weinessig ein, um sie schneller zu erwecken.
– Sie haben das Ansehen wackerer junger Leute, sagte Herr von Beauveau, wir wollen Ihnen die Wahrheit anvertrauen. Dieses junge Mädchen ist nicht meine Schwester, sondern die Geliebte meines Freundes dort; wir haben ihm Beistand geleistet, um sie zu entführen, weil ihre Eltern sie nicht mit ihm verheirathen wollen. Sie hat freilich eingewilligt, doch als sie das väterliche Haus verlassen, hat sie eine Gemüthsbewegung empfunden, die Sie leicht begreifen werden. Wir kommen von Belleville und haben große Umwege gemacht, um der Verfolgung zu entgehen. In der Vorstadt Saint-Martin haben wir eben jetzt die Landdragoner zu sehen geglaubt, das Fräulein hat einen großen Schreck empfunden, und daher dieser neue Anfall. Wir haben uns Hierher geflüchtet, um einen Zufluchtsort zu suchen, um den wir Sie bitten, so wie auch um die Erlaubniß, dieses gute Souper theilen zu dürfen, denn seit drei oder vier Stunden, die wir unterwegs zugebracht, sterben wir fast vor Hunger.
– Gewiß, mein Herr —
– Sie sind verliebt. Sie sind jung, Sie müssen also mitleidig sein – haben Sie Mitgefühl mit diesen armen jungen Leuten, welche eine barbarische Familie zwingt, um Mitternacht auf den Straßen umherzulaufen.
Diese Fabel wurde mit einer Ruhe und Gleichgültigkeit aufgenommen, die Preville selber beschämt hätte, wenn er damals schon das Entzücken der Komödie gewesen wäre. Sobald man von der Entführung sprach, sahen unsere Wirthe einander lächelnd und erröthend an; sie schienen sich zu verstehen.
– Wir wollen Sie nicht in der Verlegenheit lassen, sagten sie; dieses schöne Fräulein kommt wieder zu sich; wir wollen alle in Gesellschaft soupiren und auf unsere Liebe trinken. Nur schicken Sie Ihren Fiacre an das andere Ende der Straße, man weiß nicht, was geschehen könnte, und er würde die Blicke hierher lenken.
Wir bemerkten, daß man nicht nach unseren Namen fragte. Es war indessen das Erste, was man hätte thun sollen, aber man hatte ohne Zweifel Gründe dazu. Diese Herren stiegen hinunter, um dem Kutscher den Befehl zu geben, zu einer bezeichneten Nummer in der Vorstadt Saint-Martin zu fahren. Er war nicht unruhig, er kannte uns wohl.
Man ordnete heiter die Tafel. Die Herzogin kam völlig wieder zu sich und versicherte, daß sie sich wohl befinde. Es war reizend in diesem kleinen Zimmer: man steckte Kerzen in leere Flaschen, weil es an Leuchtern fehlte; man kann sich vorstellen, ob wir uns unterhielten, und ob das Lachen erregte!
Die Herzogin war entzückt, sie liebte das Lachen so sehr! Sie behauptete, sie habe sich nie so gut unterhalten, und sie befinde sich dort besser, als unter vergoldetem Täfelwerk. Nach der vierten Flasche erzählte jeder seine Geschichte. Die unserer jungen Leute war in der That die von dem Fürsten erfundene: sie hatten sich dort seit acht Tagen verborgen, und sie wußten, daß man sie suche.
Der Liebhaber war in der That ein Unterofficier von der französischen Garde; der Chevalier hatte ihn an demselben Morgen bei seinem Obersten gesehen, ohne von ihm bemerkt zu werden. Er gehörte einer sehr reichen bürgerlichen Familie an, welche nicht zugeben wollte, daß er ein Mädchen ohne Vermögen heirathe, und welche geschworen hatte, sie überall zu verfolgen. Sie glaubten sich wohl verborgen in dieser Höhle. Der Liebende kam nur in der Nacht und verkleidet dorthin.
Da er Geld hatte und das gute Leben liebte, so brachte er diese Lebensmittel mit. Er hatte mehrere Jahre die Vollendung seines fünfundzwanzigsten Jahres erwartet; aber weder er noch seine Geliebte hatten es für möglich gehalten, vorher ihren Sinn zu ändern.
Ach! wie jung waren sie noch!
Vierzehntes Kapitel
Wir waren ganz bezaubert und unterhielten uns so sehr, in unserer Rolle zu bleiben, daß wir alles Uebrige vergaßen. Wir machten so viel Lärm, wie sieben junge Köpfe nur machen können, die frei sind und sich ihrer Laune hingeben. Ein Geräusch von der Straße her machte, daß unsere Verliebten, welche wirklich Furcht empfanden und uns durch eine Geberde zum Schweigen aufforderten, die Ohren spitzten.
– Was ist denn das, mein Gott? sagte die schöne Madelon, denn Madelon hieß sie.
– Bah! versetzte der Herzog von Luxembourg, es sind Leute, welche vorübergehen; beschäftigen wir uns nicht mit ihnen, sondern lassen Sie uns trinken.
– Nicht so, nicht so! man spricht leise unter dem Fenster, und es sind unsere Feinde, oder vielleicht auch die Ihrigen. Lassen Sie uns das Licht auslöschen und schweigen.
Wir waren alle drei fast gleich gekleidet; der kurze Rock, die Schuhe mit Schnallen, die Zwickelstrümpfe, die grüne Schürze, der Zitz mit weißem Grunde, der Haarzopf, die kleine runde Schmetterlingshaube, Alles war nach der feinsten Mode der Grisetten. Die Herzogin hatte den Rücken nach der Thür, das junge Mädchen saß am Ende des Tisches und ich ihr gegenüber. Diese Erklärung ist zu dem Folgenden nöthig.
Man sprach leise auf der Straße, so viel war gewiß unser Wirth ging, um nachzusehen, Alles war dunkel; er kehrte an seinen Platz zurück und bat uns leise, kein Wort zu sprechen, denn sie würden ohne, Zweifel Vorübergehen. Das Geräusch verstummte nicht; die Herzogin sagte zu mir, indem sie sich über den Tisch neigte:
– Ein Abenteuer fehlte nur noch, um das Vergnügen vollständig zu machen.
Kaum hatte sie aufgehört zu sprechen, als das Fenster sich vermöge eines kräftigen Faustschlages weit öffnete und drei Soldaten, von einem Bürger geführt, sich ins Zimmer stürzten und riefen:
– Im Namen des Königs!
Unsere Wirthe, die, wie gesagt, am Ende der Tafel saßen, entflohen in das Nebenzimmer, da sie die Localität kannten; die Herzogin suchte die Treppe hinter ihr, ich war ganz betäubt und hatte mir nicht einmal so viel Zeit genommen, mich von der Stelle zu bewegen. Ich befand mich allein auf dieser Seite mit unseren Wirthen, unsere Cavaliere auf der anderen, und die erste Bewegung, die jeder machte, war, aufzustehen, ohne zu wissen, wohin sie gingen, außer der Frau von Boufflers, die, wie ich gesagt habe, die Treppe hinuntertappte.
Die Belagerer waren im Begriff, Feuer anzuschlagen, während der Herzog, der Fürst und der Chevalier, die sich von ihrer Ueberraschung erholten, ihnen entgegen gingen und nach der Veranlassung eines so plötzlichen Einbruchs fragten.
– Im Namen des Königs, keinen Widerstand, sagte eine Stimme, wir sind beauftragt, eine gewisse Madelon Chaine zu verhaften und sie zu den Madelonnetten zurückzuführen.
– Das ist sehr hart, meine Herren, versetzte Herr von Beauveau, welcher einzuschreiten versuchte, ohne sich zu erkennen zu geben, und es sich vorbehielt, am folgenden Tage unter seinem wahren Namen aufzutreten, wenn er durch seine Verkleidung nichts erlangen sollte.
– Widersetzen Sie sich unsern Befehlen nicht, mein Herr, lassen Sie uns das Licht anzünden, um sehen zu können, was wir thun. Wir sind sehr ruhig, unsere Vorkehrungen sind getroffen und sie wird uns nicht entgehen.
In diesem Augenblick kam noch ein vierter Soldat die Leiter heraufgeklettert und zeigte sich im Fenster, ohne hereinzukommen.
– He! sagte er, die Sache ist geschehen, bemüht Euch nicht weiter, wir haben sie.
– Seid Ihr dessen gewiß?
– Zum Henker, ja, ich habe sie ans der Treppe erwischt, vermöge unserer klugen Maßregel, zugleich durch das Fenster und die Thür einzutreten.
– Wo habt Ihr sie hingebracht?
– Hört Ihr sie nicht schreien? Man bringt sie zu einem Fiacre, dessen Kutscher wir in der Rue Saint-Martin eingeschlafen gefunden, und den wir im Namen des Königs in Beschlag genommen. Er hat das Seine gethan und wir das Unsere auch, und wir wollen uns packen.
– Was! der Geliebte hat sich nicht widersetzt?
– Er war gar nicht da. Komm schnell, ich sage Dir, es ist Alles beendet.
Die Soldaten stiegen hinunter, ihr Führer war schon fort.
– Meiner Treu! ich erwartete etwas Besseres von dem Unterofficier, sagte der Herzog, und da er seine Schöne nicht vertheidigt, so sehe ich nicht ein, warum wir uns ihretwegen mit der Nachtwache schlagen sollten. Geht, meine wackeren Leute, und brecht Euch nicht den Hals, Ihr unüberwindlichen Krieger, es Ware Schade um Euch.
Die Soldaten ließen es sich nicht zweimal sagen, und traten ihren Weg durch die Luft wieder an; wir sahen sie verschwinden, und während dieser Zeit blies der Fürst eine Kohle an, um das Licht wieder anzuzünden.
– Ich weiß nicht, wie ich diesen Unterofficier für einen tapfern Mann halten konnte, versetzte der Chevalier; man läßt sich nicht so ruhig ein hübsches Mädchen entführen. Aber wo zum Teufel sind diese Damen? Sind sie denn diesmal wirklich verschwunden?
– Ich bin hier, versetzte ich noch ganz erschrocken.
– Und die Herzogin?
– Herzogin!
– Herzogin, wo sind Sie?
Sie antwortete nicht und das Licht war angezündet. Der Fürst erhob es, um besser zu leuchten; er bemerkte nur den Herzog, den Chevalier und mich.
– Ah! wo ist die Herzogin? fragte der Herzog von Luxembourg ernstlich beunruhigt,
– Sie wird sich irgendwo mit dem Unterofficier verborgen haben, während man die Kleine wegführt, sagte mir der Chevalier ins Ohr.
Der Herzog suchte in den Winkeln, unter dem Tische und überall. Dieses Ereigniß war sehr plötzlich vor sich gegangen; gewiß hatte es nicht so lange gewährt, wie ich gebraucht habe, um es zu erzählen; wir waren im vollen Sinne des Worts überrascht worden. Diese Herren suchten und riefen, aber vergebens. Wir öffneten die Thür zu dem anstoßenden Zimmer und traten ein; da war ein Bett mit Vorhängen, zwei Stühle und eine Kiste. Man öffnete die Kiste, man rüttelte an dem Bett und sah unter dasselbe, fand aber nichts! Indessen glaubte ich zu bemerken, wie die Vorhänge sich bewegten, und ich machte Herrn von Luxembourg darauf aufmerksam.
– Beim Himmel! es ist wahr. Ich wette, sie liegt zitternd dahinter und hält uns für Räuber.
Man schob dieses Monument in die Mitte des Zimmers, man erhob die Vorhänge und dahinter in einer Art von Nische entdeckte man den Unterofficier, der ein schluchzendes Frauenzimmer in seinen Armen hielt und mit Donnerstimme rief:
– Kommen Sie nicht näher! Sie sollen sie nicht haben, ich vertheidige sie mit meinem Leben!
– Es ist, wie ich Ihnen sagte, murmelte der Chevalier.
– Pest! die Leidenschaften dieses Herrn sind plötzlich, fuhr der Prinz fort; da zeigt er sich nun wie ein Löwe.
Der Herzog kam jetzt, ein Licht in der Hand, wie ein Tiger näher; sie sahen einander wüthend an, bis der junge Mann ihn erkannte und zu seiner erschrockenen Gefährtin sagte:
– Ah! es sind unsere Freunde, Du darfst jetzt nicht mehr zittern.
Sie erhob den Kopf und wir erblickten Madelon Chaine, die noch nicht an ihre Rettung zu glauben wagte.
– Himmel! rief ich, und die Herzogin?
– Wo ist die Herzogin, Elender? was haben Sie mit der Herzogin von Boufflers angefangen? rief der Herzog von Luxembourg, den Arm des jungen Mannes ergreifend, als wollte er ihn zerbrechen.
– Aber, mein Herr, ich weiß nicht, was Sie sagen wollen, ich kenne diese Dame nicht, ich habe sie nie gesehen.
– Ist es möglich! diese Frau, welche die Wache fortgeführt hat, versetzte der Chevalier, unwillkürlich lachend, sie ist es, sie ist es!
– Nein, das ist unmöglich! sie ist im Hause verborgen, sie hätte sich nicht so entführen lassen, sie würde uns zu Hilfe gerufen haben. Lassen Sie uns suchen, lassen Sie uns suchen! Zeigen Sie uns den Weg! fuhr der Herzog von Luxembourg fort, unsere Wirthe vor sich her schiebend.
Da liefen wir alle und durchsuchten ohne Erfolg die ganze Baracke vom Keller bis zum Boden, aber ohne Erfolg. Wir hatten die Hausthür offen gefunden und auf der letzten Stufe hob ich einen Damenhandschuh auf.
Es blieb kein Zweifel mehr übrig, die Herzogin von Boufflers war zu den Madelonnetten geführt worden! Herr von Luxembourg nahm die Sache ernsthaft, die beiden Andern lachten verstohlen, wozu ich auch große Lust hatte, denn der Spaß war zu köstlich.
Die Liebenden konnten sich nicht genug wundern über das, was sie hörten, und über den glücklichen Zufall, der sie gerettet und eine große Dame anstatt Madelon's in die Klauen der Häscher gebracht hatte.
Wie sollte man ihr nacheilen? Wo war sie? Was hatte man mit ihr angefangen? Sie hatten uns gewiß unseren Fiacre genommen, man mußte also zu dieser Stunde zu Fuß nach Hause zurückkehren, und ich noch dazu, die ich so weit entfernt wohnte! Ich lachte nicht mehr über diesen Gedanken. Indessen mußten wir uns entfernen. Der ungeduldige Herzog sprach davon, zu gehen und den Polizeilieutenant zu wecken, um uns die Herzogin von Boufflers herausgeben zu lassen.
– Ohne Zweifel, sagte der Fürst, aber lassen Sie uns vorher unser Kostüm wechseln, sonst dürften wir ohne Vortheil für sie oder für uns ihre Gefangenschaft theilen müssen.
Er versicherte in zwei Worten die jungen Leute seines Schutzes, sagte ihnen seinen Namen und befahl dem Unterofficier, am folgenden Tage zu ihm zu kommen, indem er hinzufügte, er würde mit ihm zufrieden sein.
In der That gab der vortreffliche Herr von Beauveau Madelon eine Mitgift, besänftigte die Familie und verschaffte ihm eine vortreffliche Anstellung beim Salzmagazin, was sein Einkommen verdoppelte. Die jungen Leute waren sehr glücklich und erkenntlich, wie es scheint. ES ist selten!
Wir folgten dem Herzog von Luxembourg, Er lief sich fast außer Athem; die Rue Cadet war viel näher, als unsere Häuser; wir traten alle dort ein und man berieth, was zu thun sei. Der Herzog warf seine Verkleidung ab, er hatte ein ganzes Kleidermagazin; der Fürst legte einen andern Anzug an; man ließ anspannen, und wir fuhren zu dem Hotel des Polizeilieutenants, Es wurde verabredet, daß ich mich nicht zeigen sollte, denn wir waren schon genug compromittirt. Es mußten sich ihnen alle Thüren öffnen. Ich erinnere mich nicht mehr, wer zu jener Zeit Polizeilieutenant war, aber als er diesen Bericht horte, konnte er einen Scherz nicht unterdrücken, was ihn aber nicht verhinderte, einen Polizeiagenten sogleich zu Pferde zu den Madelonnetten abzuschicken, um die Gefangene zurückzufordern. Wir folgten ihm, indessen mußte er vor uns ankommen.
Ich hätte nicht geglaubt, daß der Herzog von Luxembourg ein so tiefes Gefühl für die Frau hege, die er später heirathen sollte, und die ihn sein ganzes Lebenlang beherrscht hat. Er benahm sich wirklich wie ein Thor, und als die Herzogin uns wiedergegeben wurde, warf er sich im Wagen zu ihren Füßen nieder und brach in Thränen aus.
Sie dagegen warf sich halb lachend halb weinend mir um den Hals.
– Ich wollte ein Abenteuer, sagte sie, und ich bin erhört worden.
Und dann erzählte sie uns, was sich zugetragen hatte, und die Ursache von dem allen.
Frau von Boufflers hatte eine schreckliche Furcht vor Räubern; es war eine Grille, die sie nicht beherrschen konnte; als sie das Fenster aufreißen sah, dachte sie nur daran, sich zu retten, und die Thür hinter ihr schien ihr der beste Ausweg zu sein, den sie erwählen könne; sie hatte sich übrigens überzeugt gehalten, daß wir dasselbe thun würden, um weder mit der Nachtwache, noch mit den Räubern, was sie auch sein möchten, in Berührung zu kommen.
Während sie Furcht hegte, entwarf sie ihren Rettungsplan. Sie wollte nämlich bis zu dem Fiacre laufen, der in der Rue Saint-Martin hielt, sich hineinwerfen und uns erwarten. Sie war die Treppe noch nicht halb hinunter gestiegen, als sie unten Geräusch hörte; man erbrach die Thür ebenso leicht wie das Fenster, denn in, dieser Baracke war nichts fest. Sie war zwischen zwei Feuern; sie versuchte wieder hinaufzusteigen und fiel; man kam mit Licht hinter ihr her, sie verlor den Kopf und fing an zu schreien, was vereint mit ihrem Kostüm den ehrlichen Soldaten keinen Zweifel ließ, daß sie die gesuchte Person sei. Um sie zum Schweigen zu bringen, verband man ihr den Mund; ein großer Kerl faßte sie um und trug sie laufend fort, als wäre sie eine Feder gewesen.
– Pest! sagte er, dieses Mädchen gibt sich das Ansehen einer großen Dame, sie würde eine ganze Hauptwache parfümiren.
Man setzte sie in unseren eigenen Fiacre und rief dem Kutscher zu:
– Vorwärts, im Namen des Königs, zu den Madelonnetten.
Man kann sich ihre Aufregung denken. Sie nahmen ihr die Binde ab; sie war so erbittert, daß sie sich nannte, indem sie ihnen Berge und Wunder versprach, wenn sie sie nach Hause führen wollten, was sie nicht annahmen, und zwar, weil sie ihr nicht glaubten. Sie spotteten ihrer im Gegentheil und wiesen ihr Anerbieten zurück.
– Endlich aber haben sie es nicht an Respect fehlen lassen, fügte sie mit heroischer Miene hinzu, und wären nicht die Madelonnetten, so würde ich mich nicht über sie zu beklagen haben. Auch glaube ich, würde ich mich dort nicht ganz übel befunden haben.