Kitabı oku: «Der Secretair der Marquise Du-Deffand», sayfa 50
Sie hatte noch eine andere Idee, die sie zu ihrem Unglück ausführte. Als die Nonnen sahen, daß sie von Stanislaus beschützt wurde, schlossen sie die Augen für gewisse Freiheiten, die sie sich zu nehmen versuchte; sie ließen ihr eine schlaue Dienerin, die ihr mit ihrer List durch half.
Sie brachte ihrer Herrin ein bürgerliches Kleid, verschaffte ihr Geld, und plötzlich wurde die Gräfin wieder krank; sie weigerte sich, irgend Jemand bei sich zusehen; sie ließ selbst nicht einmal Frau von Boufflers zu sich, selbst nicht den König Stanislaus. Die Aebtissin trat dennoch ein und fand sie in ihrem Bette, unfähig, sich zu bewegen, weshalb die Aufsicht eingestellt wurde. Zwei Nächte später vor der Frühmesse öffnete die Dienerin, die sich den Schlüssel zu einer kleinen Pforte zu verschaffen gewußt hatte, diese ihrer verkleideten Herrin, welche in der Stadt bei einer Schwester dieser Dienerin Männerkleider anlegte, die schon für sie bereit waren, und in einen schon angespannten Wagen stieg.
Sie machte sich auf den Weg und hatte schon die Hälfte zurückgelegt, ehe sich der Verdacht mit ihr beschäftigte. Die Kammerjungfer verhinderte zwei Tage lang, daß ihre Flucht bekannt wurde, um ihr Zeit zu gewähren, und als ihre Komödie gespielt war, versuchte sie eine andere. Sie ging am dritten Tage mit Thränen in den Augen wie eine Wahnsinnige zu der Aebtissin und erklärte, daß sie ihre Gebieterin nicht mehr finde, daß sie nicht wisse, was aus ihr geworden sei, daß sie das Unrecht begangen, in der vergangenen Nacht einzuschlafen, da sie sehr ermüdet gewesen, und daß die Gräfin gewiß ihren Schlummer benutzt habe, um sich aus dem Fenster oder in den Brunnen zu stürzen. Das Alles machte einen großen Lärm im Kloster. Es gab keinen so dunkeln Winkel, den man nicht durchforschte; man leerte die Wasserbehälter, man suchte in den entferntesten Gemächern, und natürlich ohne Erfolg. Daß Frau von Stainville entflohen sein sollte, davon war keine Spur zu finden, denn wo sollte sie hinausgekommen fein?
Man setzte den König, man setzte Herrn von Stainville in Kenntniß, man versicherte, daß der Teufel in dieser Sache fein Spiel getrieben; die starken Gitter und die hohen Mauern gestatteten nicht den geringsten Gedanken an Flucht. Niemand dachte an die kleine Pforte, oder wenn man daran dachte, schwieg man.
Während dieser Zeit kam sie in Paris als Jüngling verkleidet an, nachdem sie ihren Wagen und ihre Kleider als Bürgerin auf halbem Wege zurückgelassen hatte. Sie ging geradezu in ein Gasthaus, und von dort schrieb sie an den Herzog von Lauzün, daß ein junger Mann, der in einem wichtigen Auftrage an ihn dorthin gekommen sei und sich in seinem Hotel nicht zeigen wolle, ihn zu sehen wünsche, und fragte, wo und zu welcher Stunde er ihn treffen könne.
Herr von Lauzün bezeichnete sein kleines Haus, wo er an dem Abend mit Mädchen und Freunden souvirte. Das arme Geschöpf ließ sich davon nichts träumen; sie glaubte, er sei in Verzweiflung, und wollte ihn nur trösten, indem sie ihm eine ewige Liebe schwur.
Sie erwartete mit lebhafter Ungeduld den Augenblick der Zusammenkunft und kam eine Stunde zu früh. Die Bedienten empfingen sie, ohne sich träumen zu lassen, was geschehen werde; man sagte ihr, sie möge warten, und da sie sah, daß für eine zahlreiche Gesellschaft gedeckt war, so fragte sie, ob der Herzog Gesellschaft erwarte?
– Wenigstens ein Dutzend Personen.
Sie wurde von Schrecken ergriffen, denn es konnten unter dieser Gesellschaft Personen ihrer Bekanntschaft sein.
Sie täuschte sich nicht, denn sie kannte alle Männer. Und dann dieser Schmerz, der sich in Soupers in einem besonderen Hause zeigte, glich nicht dem ihrigen. Dieser Mann, für den sie so viel gelitten, schien ihr etwas schnell mit anderen Gegenständen, als mit seiner Liebe beschäftigt.
Sie bat, man möchte sie in ein Zimmer eintreten lassen, wo man ihr nicht gleich begegnen würde, und wo sie ohne Zeugen mit Herrn von Lauzün sprechen könne. Man führte sie in eine Art von Cabinet, welches an den Speisesaal anstieß, und von wo man sehen und hören konnte, was geschah. Hernach wurde sie von den Lakaien vergessen, die sich mit ihrem Dienste beschäftigten.
Herr von Lauzün kam mit einer heitern Gesellschaft. Sie wurde ergriffen, als sie seine Stimme erkannte, und war nicht im Stande aufzustehen. Eine Sekunde des Nachdenkens heftete sie an ihren Sitz; sie dachte, wenn sie bleibe, wo sie sei, würde sie in einer halben Stunde mehr von ihrem Geliebten erfahren, als in einem ganzen Leben der Abwesenheit und des Geheimnisses.
Die Gäste waren von toller Heiterkeit, die Frauenstimmen tönten besonders vor durch ihr Geschrei und ihr lautes Lachen. Herr von Lauzün verlangte das Souper, indem er mit der Faust auf den Tisch schlug, wie in einer Schenke, und das Geräusch der Küsse mischte sich mit dem Klirren der Gläser.
– Mein Gott! was ist das? sagte die arme Gräfin bei sich selber.
Man brachte die Schüsseln herein, die Korke flogen an die Decke, tausend heitere Aeußerungen wurden zwischen den Mädchen und ihren Liebhabern gewechselt.
Eine von ihnen, welcher Herr von Lauzün rührende Anträge machte, antwortete ihm in verächtlichem Tone:
– Gehen Sie, mein Herr! man schleppt für Sie Gräfinnen ins Kloster, ohne daß Sie sich um ihretwillen die geringste Sorge machen. Man könnte mich unter die büßenden Schwestern bringen, und Sie würden nicht einmal dorthin kommen, um mich zu besuchen.
Ein lautes Lachen des Herzogs übertönte jedes Geräusch.
– Ah! ja, versetzte er, eine Gräfin, die weinerliche, die klagende, die verzweiflungsvolle, mußte ich mich nicht zum Sterben mit ihr langweilen? Ihr Mann hat mir einen großen Dienst geleistet, indem er mich von ihr befreite. Ah! wie war sie langweilig, meine Schöne! Sie ist in Nancy und beweint ihre Fehler in ihrem Kloster. Möge sie dort bleiben; wie Du richtig bemerkt hast, werde ich sie dort nicht besuchen.
– Diese Frau war aber doch hübsch, versetzte das Mädchen.
– Fad und unbedeutend, meine Liebe, und nahm eine Miene an, wie in den englischen Romanen, so daß es Einem übel werden konnte.
– Lauzün, Du willst uns täuschen, fiel einer von seinen Freunden ein, Du stellst Frau von Stainville als Deine Geliebte dar, und ich weiß gewiß, daß sie es nicht war; sie beging nur ein Unrecht, nämlich an Deine lügenhaften Worte zu glauben und Dich wahrhaft zu lieben.
– War sie nicht meine Geliebte? Es ist möglich. Die Sache war für mich von so geringer Wichtigkeit, daß ich nicht einmal darauf geachtet habe; ich erinnere mich dessen nicht mehr; es ist möglich, daß Du Recht Hast.
Ich glaube nicht, daß die Verachtung weiter gehen konnte, und daß ein Mann verworfener sein konnte, als dieser. Die Gräfin hörte Alles. Versteinert auf ihrem Stuhle sitzend, glaubte sie zu sterben, sie fühlte nicht die Stärke in sich, eine Bewegung zu machen, sie blieb wie gelähmt bis ans Ende des Schmauses. Sie tranken die ganze Nacht, und von da begaben sie sich zu einem Wettrennen, welches der Graf von Lauraguais und Herr von Lauzün nach englischer Sitte einzurichten suchten. Sie standen auf, um abzureisen, die Gräfin erhielt ihr Bewußtsein wieder, sie erinnerte sich, was sie hatte thun wollen, und sie wollte dieses Haus nicht verlassen, ohne diesem Manne zu zeigen, daß sie ihn endlich kenne.
Sie sammelte ihren Muth, ging aus ihrem Versteck hervor, als wäre sie eingeschlafen gewesen, und bat, den Herzog zu rufen, der sie dorthin bestellt.
– Sie mußten einen recht festen Schlaf haben, sagte der Haushofmeister, denn sie haben doch einen Lärm gemacht, so daß sie die Maulwürfe hätten aufwecken können.
Man benachrichtigte den Herrn von Lauzün, der sich an das Billet von dem Morgen erinnerte. Er befahl, den jungen Mann in das Badezimmer eintreten zu lassen, welches an diesen Saal stieß.
– Weil er so geheimnißvoll ist, fügte er hinzu, soll Niemand dorthin kommen und uns stören, es ist wahrscheinlich irgend eine Liebesangelegenheit.
Er verließ die Tafel, ein wenig angetrunken, aber nicht betrunken, und ging, die Gräfin aufzusuchen, an die er am wenigsten dachte.
Als er eintrat, war er im Halbdunkel und erkannte sie nicht.
– Was wollen Sie von mir, mein Kind? Ich habe es sehr eilig. Hat man Ihnen etwas vorgesetzt? Es ist mir leid, daß man Sie vergessen hat. Sie scheinen leidend zu sein.
Er näherte sich, und kaum hatte er sie angesehen, als er drei Schritte zurückwich und laut auflachte.
– Meiner Treu! es ist die Gräfin! Ah! Sie hätten sich früher zeigen sollen. Man würde Sie besser empfangen haben.
Diese Worte, das was sie schon gehört hatte, dieser so verschiedene Empfang von dem, was sie erwartet, regten die arme Frau auf und verliehen ihr Stärke und Würde; sie zeigte sich nicht aufgebracht, sie begnügte sich, mit der Hand auf das Cabinet zu deuten, wo sie eingeschlossen gewesen war.
– Ich war dort, sagte sie, und habe Alles gehört.
– Wirklich? antwortete der Andere, ohne verlegen zu werden, es war nicht der Mühe werth, deshalb Ihr Kloster zu verlassen, nicht wahr, Frau Gräfin? Ei! ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen, indessen ohne einander anzubeten, kann man doch angenehme Augenblicke mit einander verleben, und ich und mein kleines Haus stehen ganz zu Ihren Diensten.
– Schändlicher! rief die Unglückliche mit tiefer Verachtung, ich verlange nur, mich von hier zu entfernen und Sie nie wiederzusehen. Wo ich auch sein mag, werde ich mehr in Sicherheit sein, als an diesem abscheulichen Orte.
– Nach Ihrem Gefallen, Madame, ich halte Sie nicht zurück.
Er machte ihr mit spöttischem Eifer Platz und rief seinen Bedienten zu:
– Leuchtet Der da – dem Herrn, wollte ich sagen. Und er führte sie mit ironischem Respect hinaus, aber sie begann wie wahnsinnig zu laufen und erreichte im Umsehen den Fiacre, der sie dorthin gebracht hatte und sie seit sieben oder acht Stunden erwartet hatte; der eingeschlafene Kutscher, der im Wirthshause gewesen war, hatte den Flug der Zeit nicht bemerkt.
Sie war von Sinnen, ihre Schläfen klopften; er fragte sie, wohin er sie fahren solle, sie wußte es nicht und nannte mechanisch die Adresse ihres eigenen Hauses. Er hielt also vor dem Hotel von Stainville an und stieg ab, um ihr den Wagen zu öffnen; er fand sie ohne Bewußtsein und glaubte, sie schlafe.
Er bildete sich ohne Zweifel ein, daß sie seinem Beispiel gefolgt sei und daß sie wie er erwachen würde. wenn sie ihren Schlummer beendet habe. Er wollte diesen Schlaf nicht stören, der den Trunkenbolden so lieb ist, und setzte sich wieder auf seinen Sitz, wo er dasselbe that, da er sich überzeugt hielt, benachrichtigt zu werden, wenn sein Passagier aussteigen wolle.
Als der Tag anbrach, öffnete die Gräfin ihre Augen, erkannte die Thür und wollte nur noch einmal ihre Kinder umarmen und dann sterben. Sie rief dem Kutscher zu, ihr die Thür zu öffnen, stieg aus und klopfte so lange an, bis der Schweizer aufstand, der sie nicht erkannte, und welchen sie fragte, ob Herr von Stainville im Hotel sei.
Er war auf acht Tage nach Versailles gegangen.
Dann wurde sie kühner und fragte nach einer alten Amme, welcher ihre Kinder anvertraut worden waren, man zeigte ihr das Zimmer derselben, und sie gab vor, sie habe ihr einen Brief von ihrem Sohne zu überbringen. In ihren Mantel gehüllt, ihren Hut über die Stirn gezogen, begreift man leicht, daß sie keinen Verdacht erregte, besonders, da man sie in diesem Augenblick und in diesem Kostüm nicht erwarten konnte. Der Schweizer machte ihr nur bemerklich, daß sie ein wenig später hätte kommen können.
Sie stieg die Treppe hinauf und trat bei der Amme ein, die vor Schrecken einen Schrei ausstieß; sie nannte sich und die alte Frau glaubte zu träumen.
– Schnell einen Unterrock und einen Mantel und führen Sie mich zu meinen Töchtern, ich will nicht, daß sie mich so sehen, und ich weiß, daß ich nicht viel Zeit habe, sie zu sehen. Beeilen Sie sich.
Die Amme wollte ihren Augen nicht trauen, sie stellte sich vor, daß ihre Herrin todt sei, so schrecklich blaß sah sie aus und sie wagte nicht, mit ihr zu reden.
– Mein Gott! wenn Sie nicht wollen, daß ich sterben soll, ohne meine Kinder zu sehen, so beeilen Sie sich, Amme.
Sie kleidete sich rasch an, stürzte sich in das Zimmer der beiden Kleinen, und nachdem sie sie wie wahnsinnig umarmt hatte, fiel sie am Bette nieder und konnte sich nicht mehr aufrecht halten.
Zwei Stunden später kam ihr Gemahl an; er war von einem reitenden Boten der Aebtissin abgerufen worden, welcher ihr Verschwinden ankündigte: er wollte nur dorthin kommen und dann sogleich wieder nach Nancy abreisen, Er fand sie im Fieber, im wilden Phantasiren und in der größten Gefahr. Diesmal glaubte man, daß sie nicht davonkommen würde; sie kam indessen doch davon, und Herr von Stainville zeigte ein so böses Herz, sie zu den Töchtern der heiligen Maria zurückzuschicken.
Herr von Lauzün ist einer von jenen jungen Seigneurs mit philosophischen Ideen, welche in Frankreich Alles verändern wollen; sie werden ihren Zweck erreichen, nur weiß ich nicht, was sie an die Stelle setzen wollen. Indessen haben sie von ihren Vätern nur den Namen beibehalten, und wenn sie einmal im Zuge sind, unrecht zu handeln, so übertreffen sie, wie man sieht, alle Anderen.
Er besaß indessen doch zu viel Scham, um den letzten Besuch der Gräfin zu sehr bekannt zu machen, und nur wenige Personen erfuhren etwas davon.
Viertes Kapitel
Dies ist ein seltsames Jahrhundert; es gleicht keinem anderen, und ich weiß nicht, wohin es die folgenden führen wird. Man sieht die Leute vom höchsten Range, von der Form, vom Geiste und besonders von der Neuheit verlockt, Ruthen bereiten, um sie zu peitschen, und vielleicht selbst Messer, um sie niederzustoßen.
Von der Art ist Herr von Lauzün, von dem ich eben gesprochen habe, so wie auch der junge Marquis von Lafayette, der mit einer Anzahl junger Thoren gegangen ist, um für diese Republikaner Amerika's zu fechten, von welchen Franklin uns eine Probe liefert.
Er war ein großer Gelehrter, ein sehr redlicher Mann, aber ein stolzer Bauer und ein Langweiliger ersten Ranges.
Ich werde sogleich zu Franklin und Herrn von Lafayette zurückkehren; ich weiß nicht, warum mir eine drollige Sache einfällt, die ich vorher schreiben will. Ich weiß indessen wohl, warum sie mir einfällt, es ist nämlich weil viel davon gesprochen wurde und weil sie einen großen Beschwerdegrund über den verstorbenen König abgab.
Sie wurde uns gleich am folgenden Tage bei der Gräfin von Rochefort erzählt, das heißt, bei dem Herzog von Nivernois, dessen anständige Freundin sie war. Gewisse Frauen bedecken Alles mit der Maske der Freundschaft, dies ist die Art; darum, glaube ich, hegt Herr Walpole so große Furcht, wenn er sich vorstellt, daß man ihn für meinen Liebhaber halten konnte.. Er weiß, daß die Freundschaft fast immer nur ein Vorwand ist, und er fürchtet, beschuldigt zu werden, sie bei einer Frau von achtzig Jahren als Vorwand anzuwenden.
Der König war nach dem Souper zu Madame Victoire gegangen; als er zurückkehrte, rief er einen Lakai und gab ihm einen Brief, indem er sagte:
– Jacques, bringe diesen Brief dem Herrn von Choiseul, um ihn sogleich dem Bischof von Orleans zuzustellen.
Jacques gehorchte. Herr von Choiseul war bei Herrn von Panthièvre und er ging dorthin. Herr von Choiseul empfing den Brief des Königs, und da er Cadet, den ersten Lakai der Frau von Choiseul, bei sich hatte, befahl er ihm, den Bischof überall zu suchen und schnell zurückzukehren und es ihm zu sagen, wenn er ihn gefunden.
Cadet lief überall hin. Nach Verlauf von anderthalb Stunden kehrte er zurück und behauptete, der Bischof wäre nirgends zu finden; er habe an seine Thür geklopft, so daß er sie fast zerschmettert, ohne eine Antwort zu erhalten.
Herr von Choiseul kletterte selber die hundert-achtzehn Stufen hinauf und klopfte so stark bei dem Prälaten an, daß die Bedienten im Hemd kamen, um zu öffnen,
Herr von Choiseul verlangte den Bischof im Namen des Königs zu sprechen. Er war um zehn Uhr zu Bette gegangen. Der Bischof erwachte und rief:
– Wer ist da?
– Ich bin es mit einem Briefe vom Könige.
– Mit einem Briefe vom Könige! – Mein Gott! welche Stunde ist es?
– Zwei Uhr Morgens.
– Ich kann nicht ohne Brille lesen —
– Wo ist sie?
– Ah! in meinen Beinkleidern —
Der Minister ging, die Beinkleider und die Brille zu suchen, und brachte Beides.
– Was mag dieser Brief enthalten? Sollte der Erzbischof von Paris gestorben sein? Was ist es?
Sie waren Beide gleich unruhig und der Bischof nahm den Brief, um ihn zu lesen.
– Soll ich Ihnen die Mühe abnehmen? sagte Herr von Choiseul.
Der Bischof hielt es für klüger, ihn selber zu lesen, aber er konnte nicht damit zu Stande kommen und gab das Papier dem Minister zurück, welcher laut las:
»Herr Bischof von Orleans,
»Meine Töchter wünschen Quittenbrod zu haben; aber sie wünschen es in sehr kleinen Schachteln: schicken Sie ihnen welches. Wenn Sie keins haben, bitte ich Sie —«
Dann kam eine sehr gut gezeichnete Sänfte, und unter der Sänfte fuhr der König fort:
»– auf der Stelle in Ihre bischöfliche Stadt zu schicken und von dort bringen zu lassen, doch muß es, wie gesagt, in sehr kleinen Schachteln sein. Demnach, Herr Bischof von Orleans, wolle Sie Gott in seinen heiligen Schutz nehmen.«
Unterzeichnet: Ludwig.
Weiter unten stand geschrieben:
»Die Sänfte hat nichts zu bedeuten; meine Töchter haben sie auf dieses Blatt gezeichnet, welches mir in die Hände gekommen.«
Sie sahen einander bestürzt an, und darauf brach der Herr von Choiseul in ein lautes Lachen aus. Der Bischof dagegen war nicht bezaubert, daß man ihn wegen einer solchen Sache geweckt hatte.
Man schickte auf der Stelle einen Boten zu Pferde ab und das Quittenbrod kam am folgenden Tage an, aber jetzt war den Damen nichts mehr daran gelegen.
Der König erzählte das Abenteuer mit vielem Lachen selber, und es währte nicht lange, bis sie die Reise um die Welt gemacht; Gott weiß, was man davon sagte. Die Philosophen stimmten ein zorniges Nachteulengeschrei an; es ist mir berichtet worden, daß das Fräulein von Lespinasse und ihr Zirkel vierzehn Tage lang alle ihre Galle darüber ausgeschüttet.
Dies Alles führt mich auf Franklin und Lafayette, die Apostel und Schüler der neuen Lehren, zurück. Herr Franklin nahm eine Stellung an wie ein Mann, der sich malen lassen will. Er trug einen braunrothen Sammetrock und weiße Strümpfe; seine Haare hingen nieder und waren ohne Puder. Dabei hatte er eine Brille auf der Nase und einen weißen Hut unter dem Arme; dies war seine Galla- und Hofkleidung. Der weiße Hut war anscheinend das Symbol der Freiheit. Er hielt seine Reden abgesondert und im Verborgenen, und ich hätte viel darum gegeben, bei seiner Scene mit Voltaire zugegen gewesen zu sein, als er diesen bat, sein Kind zu segnen, und der Patriarch der Spötter aufstand, seine Hände über den Kopf des kleinen Kobold ausstreckte und seine berühmten Worte aussprach. Ich bin gewiß, daß er bei sich selber sehr darüber lachte und sich über Beide aufhielt.
Mit dem Marquis von Lafayette war es anders, und ich kann mir den Beweggrund zu seinen tollen Streichen nicht vorstellen. Was zum Teufel ging ihn Amerika an? wie d'Argental sagte. Er bringt einen bestrittenen Ruhm zurück, wenigstens für den Zweck, dies kann dieser Monarchie, die so schon genug gequält ist, nur Unruhe bringen. Als er kaum vor zwei Monaten zurückkehrte, kam er in Versailles bei dem Fürsten von Poiz an, welcher einen Ball gab, aber er erschien dort nicht und begab sich zur Ruhe. Er hatte nicht gleich Anfangs die Erlaubniß, den König zu sehen, und man verbot ihm dagegen, andere Personen, als seine Verwandten, zu empfangen. Freilich war fast alle Welt mit ihm verwandt. Er ging zum Souper zu dem Idol, wo ich ihn von seinen Triumphen erzählen hörte. Er ist darum nicht weniger bescheiden. Man hält ihn für einen Mann von Muth, aber sonst für einen sehr gewöhnlichen Menschen, und ich glaube, daß man Recht hat.
Uebrigens blieb er sichtbar verborgen, nach Pont-de-Veyle's Ausdruck in dem bestraften Thoren.
Wie viele Leute im gegenwärtigen Jahrhundert haben nur das Verdienst, Alles zur rechten Zeit zu thun, und einen gewissen glücklichen Ausdruck, der Alles ersetzt! So war der verstorbene Cardinal von Estrées kein Adler, und doch wußte er sich durch gewisse Worte, die gerade dahin gelangten, wohin sie gelangen sollten, einen Ruf zu verschaffen, als wenn er geistreich wäre.
Frau von Courcillon war schön und geziert, wie eine Frau es nur sein konnte; sie hatte es nicht einmal der Verleumdung gestattet, ihren Ruf zu entblättern, und sie hielt sich, allen Männern gegenüber, steif und starr wie Holz. Sie sprach eines Tages mit dem erwähnten Cardinal, der wenigstens neunzig Jahre alt war; er fühlte sich von ihren Reizen erheitert und sagte es ihr mit allem Anstande; er versuchte sogar, ihr die Hand zu küssen, doch zog sie sie zurück, nahm ihre stolze Miene an. und behandelte den Greis sehr übermüthig.
– Ah! Madame, Madame, antwortete er, hüten Sie sich, Ihre Strenge zu verschwenden.
Sie verstand es nicht, denn sie war sehr einfältig.
Man muß einfältig sein, um ein geziertes Wesen anzunehmen, wenn man die Schönheit einer Göttin besitzt, wie diese.
Derselbe Cardinal erzählte uns eine drollige Geschichte von einem Dorfpfarrer, den er gekannt.
Der gute Pfarrer erzog einen kleinen Bauerknaben und hatte ihm den Namen Raymond gegeben. Wenn er mit ihm zufrieden war und ihm schmeicheln wollte, nannte er ihn Raymonet.
Nun war Raymond naschhaft, selbst als er noch Raymonet war; er aß das Obst des Gartens, und der Pfarrer schalt sehr darüber, um ihn daran zu verhindern.
Eines Morgens vor der Messe ging der Pfarrer spazieren, um sich zu sammeln, und erblickte Raymond auf einem Gitter seiner Muskatellertrauben, wovon er nach Herzenslust aß. Der Pfarrer, der ihn auf der That ertappte, peitschte ihn derb und befahl ihm, in die Pfarrwohnung zu kommen, um seine Messe zu sagen und ihm dabei aufzuwarten.
Raymond war in Wuth, gehorchte aber doch, behielt sich aber die Rache vor. Der Pfarrer begann die Messe.
– Dominus vobiscum.
Keine Antwort.
– Dominus vobiscum, wiederholte der Pfarrer ungeduldig. Antworte, Raymond!
Dasselbe Schweigen.
– Dominus vobiscum. – Antworte doch, Raymonet.
– Et cum spiritu tuo, elender Schmeichler.
Und das sagte er ganz laut.
Der Cardinal erzählte das vortrefflich und brachte uns alle zum Lachen. Ich habe bemerkt, daß die Männer der Kirche vortrefflich erzählen, wenn sie alt sind, wenn sie Geist besitzen und sich viel in der Welt bewegt haben. Es bleibt ihnen dann eine Milde und Nachsicht, die ihnen eigenthümlich ist, und die Alles entschuldigt.
Ich habe dagegen nie schlechter erzählen hören, als eine gewisse Engländerin, welche die Hälfte der Erde gesehen und aus jedem Lande einen Vorrath übertriebener Anmaßungen mitgebracht hat, Sie heißt Lady Montague, sie ist lange in Constantinopel gewesen, und wenn man sie auf dieses Kapitel bringt, möchte man vor Langeweile sterben, und man hält sich den Mund zu, um nicht zu gähnen. Die Pest über die Pedantin! Sie war gerade das Gegentheil von Madame Geoffrin, die wußte nichts, aber sie erzählte zum Entzücken. Ihre Tochter, Frau von La Ferté-Imbault, ist in dem Genre der Montague; wenn sie auch weniger gelehrt ist, ziert sie sich doch ebenso. Sie konnte nicht über die Geschenke und Ausgaben ihrer Mutter für die Philosophen schweigen.
– Ach! sagte sie, es kostet mir mehr als hundert tausend Thaler von meinem Vermögen, die Encyclopädie und ihre Mitarbeiter zu unterhalten. Meine Mutter hätte ihnen Alles gegeben, wenn sie am Leben wäre.
Es ist gewiß,, daß sie zur Undankbarkeit veranlaßt hat. Indessen war es nicht der König von Polen, Poniatowsky, den sie ernährte und versorgte, da er als armer Cavalier hier lebte, und der sie an seinen Hof kommen ließ, sobald er seinen Thron bestiegen hatte, um sie seinerseits auch zu empfangen? Es war ein seltsames Schauspiel, diese ziemlich gemeine Bürgerin die Schöngeister und selbst gekrönte Häupter beschützen zu sehen. Man steht Alles in diesem Jahrhundert.
Ich habe gewiß gekannt, was man die Welt zu nennen übereingekommen – den ganzen Hof, obgleich ich nicht dorthin gehe – die ganze Stadt, die Leute, die man sah und die man noch sieht – die Literaten und die Künstler, und ich habe große Lust, mit ihnen zu Ende zu kommen und heute meine Rechnung abzuschließen, um dann schneller fortzukommen, da die Zeit drängt, und in meinem Alter ist man des folgenden Tages nicht gewiß.
So habe ich selbst Piron sehen wollen, von dem ich so viel hatte reden hören, und den ich so originell fand, allein gegen ein ganzes Jahrhundert zu behaupten, daß Herr von Voltaire ein mittelmäßiger Mensch sei. Dieser hatte Furcht vor ihm und floh ihn; es ist freilich wahr, daß Niemand ein Epigramm abzuschießen verstand, wie dieser Apothekerssohn. Er verfolgte die Philosophie und die Academie damit. Die letztere hatte ihn wegen seiner berühmten Ode ausgeschlossen; die »Metromanie« hatte ihm die Thüren dazu geöffnet, unglücklicherweise weigerte sich der König, die Ernennung zu bestätigen.
Ueber diesen Gegenstand sagte Piron eines Tages bei mir etwas, was ich behalten habe.
Anstatt der schönen Redensarten, die der Aufzunehmende verschwendet, sollte er nur sagen:
– Schönen Dank.
Worauf der Andere antworten sollte:
– Keine Ursache.
So würden wir viele langweilige Reden weniger haben, und das wäre eine Wohlthat der Vorsehung.
Piron war blind wie ich, und wir theilten einander unsere Betrachtungen und Beobachtungen in dieser Hinsicht mit. Er kam nur selten, und wenn er mich allein wußte: er verabscheute besonders die hohe Gesellschaft, vor welcher er sich geniren mußte. Seine Unterhaltung war ein beständiges Feuer von schönen Redensarten, Epigrammen und selbst unverstellten Bosheiten. Als man ihm dieses Feuer der Bosheit vorhielt, antwortete er:
– Ich kann nicht anders, ich muß beißen.
Selbst Voltaire glänzte nicht neben ihm. Auch liebte er ihn nicht, und war selbst ungerecht gegen diesen Mann von noch funkelnderem Geiste, wenn auch nicht so umfangreich wie der seine. Man beurtheile also, was dazu gehörte, um sich glänzender zu zeigen, als Voltaire.
Piron ist im Jahre 1773 gestorben. – Er hat mir einen Stock hinterlassen, den er in den Gehölzen seines Vaterlandes geschnitten und den er die »Reitgerte für die Esel« nannte. Er bediente sich dessen beständig und that bei jedem Epigramm, als ob er zuschlagen wollte. Er schrieb um denselben, als er ihn zu mir schickte:
– Nach mir, wenn noch davon übrig ist.