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Kitabı oku: «Der Secretair der Marquise Du-Deffand», sayfa 51

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Fünftes Kapitel

Ein Anderer von ganz entgegengesetzter Art war Herr Dorat, der Vater der lauwarmen Poesie, der kleine parfümirte Verse schrieb, worüber der Chevalier de Boufflers mit so viel Geist spottete. Mir war er unausstehlich und ich fand mich mit ihm in ein Abenteuer verwickelt, wozu Folgendes die Veranlassung war.

Herr Dorat war ein ganz hübscher junger Mann; er ist jetzt sehr verändert, und man sagt, er ist krank. Er gefiel den Frauen und sie verbargen es ihm nicht.

Eine junge Dame, die ich oft sah, und der ich versprochen, ihren Namen zu verschweigen, wenn ich dieses Abenteuer erzählen würde, verliebte sich in diesen Dichter, erzählte mir ihr Märtyrthum der Liebe und fragte mich, was sie in einem solchen Falle zu thun habe, da der Galant die Miene annehme, als kümmere er sich nicht um sie, oder als wage er vielmehr nicht seine Augen zu den ihrigen zu erheben. Ich redete ihr dringend zu, ihre Liebe zu überwinden und sich ruhig zu verhalten, da ich nicht wünschte, daß sie Herrn Dorat zum Geliebten haben möchte.

Sie stellte mir Madame du Chatelet und Voltaire entgegen, worauf ich erwiederte, Herr Dorat wäre noch viel weniger Voltaire, als sie Madame du Chatelet.

Sie entfernte sich unzufrieden, wie ich wohl bemerkte. Indessen sagte sie mir nichts mehr von dieser schönen Leidenschaft; ich vermuthete, daß sie sich einer anderen hingegeben, und dachte nicht mehr daran.

Im folgenden Sommer führte mich ihre Schwiegermutter mit sich auf ihr Landgut, wo wir unerwartet ankamen, und Madame D. gerieth bei unserer Ankunft mit ihren Complimenten in Verlegenheit, und ich errieth, daß unsere Gegenwart ihr nicht gefiel, worin ich mich auch nicht irrte.

Ich sah ein, daß man beobachten müsse, und es machte mir nicht viel Mühe, als ich am folgenden Tage Herrn Dorat mit allem Eifer eines Neuverlobten ankommen sah. Bei seinen ersten Worten, an dem Tone seiner Stimme errieth ich, daß sie noch bei Hoffnungen und Ueberraschungen standen, und ich nahm mir vor, daß es nicht weiter gehen solle, doch mußte man sich beeilen, denn die kleine Dame schien es eilig zu haben.

Ich forderte zuerst Pont-de-Veyle auf, der uns begleitet hatte, den Ort unter keinem Vorwande zu verlassen und sie keine Minute allein zu lassen.

Er versprach es mir und hielt Wort. Uebrigens konnte man leicht ihre Spur verfolgen, denn Herr Dorat duftete seiner Gewohnheit nach von allen Wohlgerüchen Arabiens.

Ich führte meine alte Freundin, die Schwiegermutter, in die Tiefe des Gartens und ging dort ohne Umschweife auf die Sache ein.

– Meine Königin, sagte ich zu ihr, gefällt es Ihnen, daß Ihr Herr Sohn von der Hand des Herrn Dorat gekrönt wird? Man hat ihn zu keinem anderen Zwecke gerufen, und deshalb ist er hier.

Meine Freundin wurde von Ueberraschung ergriffen.

– Es ist so, und wenn Sie keine Ordnung halten, wird morgen früh Alles geschehen sein. Was mich betrifft, ich werde mich nicht trösten, daß die Blüthe des Adels von einem solchen Dichterchen mit Füßen getreten wird, und ich biete Ihnen meine Dienste an.

– Mein Sohn hatte es sehr eilig, nach England zu gehen und uns in dieser Verlegenheit zurückzulassen. Was sollen wir gegenwärtig anfangen? Tag und Nacht auf der Wache stehen, uns zum Cerberus auswerfen? Ei! meine Königin, erinnern Sie sich unserer Jugend, wenn sie einander zu sehen Lust haben, werden sie sich uns zum Trotz dennoch sehen.

– Auch will ich sie nicht verhindern, einander zu sehen.

– Was denn —

– Nun meine Liebe, man muß sie besonders verhindern, einander zu lieben, und wenn Sie mir glauben wollen, so wird nichts leichter sein.

– Wie?

– Das will ich Ihnen sagen, ich habe schon meinen Plan entworfen. Ich stehe Ihnen dafür, daß morgen früh der Dichter entflohen und Ihre Frau Schwiegertochter auf immer geheilt sein wird.

– Bewirken Sie dieses Wunder, und Sie werden der erste Arzt sein.

Wir ordneten leicht unsere Sache, dann traten wir wieder in den Salon, wo Dorat noch immer duftete und die Madrigale zu Dutzenden verschwendete. Pont-de-Veyle hörte zu und verstand ihn nicht immer. Diese Scene, und was darauf folgte, gehörte zu den Nachahmungen, wovon Herr Walpole gesprochen hat, es war eine der unterhaltendsten, und er sang sie nur im vertraulichen Zirkel.

Ehe man sich zur Tafel setzte/brachte der Haushofmeister eine Flasche Wein von den Azoren, welcher damals berühmt war, und reichte davon herum, um den Appetit zu vermehren. Die junge Frau trank niemals davon, mein Freund Pont-de-Veyle und ich entschuldigten uns, Dorat wollte dasselbe thun, aber die Herrin des Hauses bestand so sehr darauf, daß er nicht umhin konnte, davon zu kosten, um sie nicht zu beleidigen.

– Ist es nicht ein ausgesuchter Wein? sagte sie. Er kommt von den Besitzungen meiner Familie in der Umgebung von Madeira. Wenn Sie wollen, stellt man bei Tafel diesen Wein in Ihre Nähe und Sie dürfen keinen anderen trinken.

Dorat fand den Wein in der That gut, doch hatte er einen ungewöhnlichen Geschmack. Frau von D. behauptete, es wäre vom Boden, und dann liege sein Verdienst. Er wollte es nicht leugnen,

Man setzte sich zu Tische, er plauderte, er recitirte Verse und trank dabei, ohne es selber zu bemerken. Man servirte das Souper ziemlich schnell, und unter dem Vorwande der Ermüdung trennten wir uns fast auf der Stelle zur großen Freude der Verliebten.

Wir waren noch keine zehn Minuten in unserem Zimmer und überall herrschte tiefe Stille; eine Viertelstunde später ließen sich leise Schritte im Corridor hören eine wohl geölte Thür drehte sich ohne Geräusch in ihren Angeln, die Schäferstunde hatte geschlagen und Dorat war auf seinem Platze.

Gleich darauf ging die Schwiegermutter mit ihrem Hauptschlüssel, ebenso eingeölt, wie die Thürangeln, hinter ihnen her und drehte das Schloß zweimal um, so daß kein Mittel zum Hinauskommen vorhanden war. Gerade zu derselben Zeit stellt sich ein bewaffneter Bedienter als Schildwache unter den Fenstern der jungen Herzogin auf. Die Blokade war vollständig.

Indessen war die Schöne bei ihrem ersten Fehler, und so sehr sie sich dazu getrieben fühlte, empfand sie diesen Augenblick der Ueberraschung und Scham, wovon man sich nicht so schnell frei macht, wie man glaubt. Der Liebende sprach auf den Knien von seiner Flamme, von seiner Treue, rühmte sein Glück, seinen Wahnsinn, kurz er sagte Alles, was in solchen Fällen gesagt wird, so lange die Welt steht, und was man bis ans Ende aller Zeiten sagen wird.

Gleich darauf machte er eine unwillkürliche Grimasse, der unverschämteste Schmerz zeigte sich im ungelegensten Augenblick bei ihm, die Herzogin sah ihn erblassen und wurde unruhig.

– Was ist? was fehlt Ihnen? fragte sie.

– Nichts, die Gemüthsbewegung, die Freude, mein zurückgehaltenes Entzücken, ich leide am Herzen, das begegnet mir oft.

– Ah! man muß für Sie Sorge tragen.

– Ohne Zweifel.

– Geht es besser?

– Nein, im Gegentheil.

Man konnte sich nicht mehr täuschen über das, was er empfand; eine entsetzliche Kolik zog krampfhaft seine Eingeweide zusammen und drohte mit noch schrecklicheren Folgen, er sah einen Abgrund vor sich. Er erblaßte, er litt bis zum Sterben und bald mußte er sich in einer entsetzlichen Lage befinden.

– Ach! Madame, sagte er, da er nur einen Gedanken hegte, nämlich fortzugehen, ich sehe mich genöthigt, in mein Zimmer zurückzukehren, ich kann diese Qual nicht länger ertragen. Verzeihen Sie mir, ich will versuchen, mich zu erholen, lassen Sie mich hoffen, daß wir morgen —

– O! ja morgen; aber kehren Sie in ihr Zimmer zurück, ruhen Sie sich aus. Ihr Gesicht ist schrecklich entstellt.

Er küßte ihr in der Eile die Hand, stotterte Entschuldigungen und lief zur Thür, nicht wissend, ob er Zeit haben würde, dorthin zu gelangen. Er greift nach dem Riegel, zieht ihn auf und will öffnen, aber nein, das Schloß leistet vollständigen Widerstand und der Schlüssel war nicht da! Die Dame eilt herbei und versucht es auch, aber sie ist nicht geschickter.

– Mein Gott! was ist zu thun? wir sind eingeschlossen.

– Und ich kann nicht hier bleiben, ich muß fort.

– Ich will nicht, daß Sie hier bleiben, sagte sie, denn sie empfand schon Schrecken vor dem Scandal und vor ihrer Schwiegermutter. Was soll man morgen sagen?

– Und bis dahin, mein Gott! Madame, ich kann nicht länger an mich halten; es ist um wahnsinnig zu werden. Ah! das Fenster,

Er lief dorthin; es war in der ersten Etage eines Schlosses, über einem sehr hohen Parterre; die Höhe war beträchtlich, aber das Schlimmste war, eine Schildwache ging ruhig auf und ab, und der Lauf der Muskete glänzte im Mondlicht. Dort hinaus war kein Fluchtversuch möglich. Nichts! nichts! sie waren zusammen eingeschlossen und der Unglückliche den Göttern der Unterwelt geweiht.

Er versuchte es mit der Thür eines Cabinets, indem er einen Ausgang oder wenigstens in einem Winkel eine Erleichterung in der Einsamkeit zu finden hoffte. Aber da war kein Ausgang, kein Recipient und kein Mittel, sich in diesem kleinen Winkel einzuschließen. Endlich begann die Herzogin zu errathen, an welcher Unbequemlichkeit ihr Dichter litt. Bald war es nicht mehr nöthig zu errathen, denn es trat ein Augenblick ein, wo die Natur zu stark wurde und alle Schranken durchbrach.

Der junge Mann wurde ohnmächtig vor Schmerzen und Scham; sie hatte sich an das entfernteste Fenster geflüchtet, hielt sich ein Riechfläschchen vor die Nase und schwur, man solle sie nicht wieder in eine solche Verlegenheit bringen.

So blieb Dorat am Boden liegen, parfümirt und Düfte aushauchend, die im Stande waren, eine ganze Procession Kapuziner umzuwerfen. Sie sagten kein Wort zu einander, sie sahen einander nicht an, sie hätten Beide hundert Fuß unter der Erde sein mögen. Die Schwiegermutter ging, den Schlüssel ganz leise umzudrehen, um den Käfig zu öffnen, und eilte dann wieder in ihr Zimmer. Sie hörten sie nicht; indessen mußte man sich zu etwas entschließen. Dorat stand auf und wendete sich zu dieser unheilvollen Thür, die sich diesmal von selber öffnete. Er verlangte nicht zu bleiben, sondern kehrte sogleich in sein Zimmer zurück. Die Herzogin kümmerte sich so wenig um ihn, daß sie ihn nicht gehen hörte. Sie legte sich keine Rechenschaft von dem ab, was sich zugetragen hatte, von diesen plötzlichen Hindernissen und dieser unzeitigen Krankheit. Sie rief ihre Mädchen, um das angerichtete Unheil wieder gut zu machen, und sagte ihnen. sie wäre krank gewesen, was sie auch gern glaubten, da sie keinen Grund hatten, das Gegentheil zu vermuthen,

Beim Frühstück übergab man der Herzogin ein Billet von Herrn von Dorat, der seine Entschuldigungen und sein Bedauern aussprach. Ein an dem Morgen angekommener Brief habe ihn nach Paris zurückgerufen und ihn genöthigt, auf der Stelle abzureisen.

– Es thut mir leid, sagte die Schwiegermutter, es würde mich gefreut haben, einige Tage mit ihm zuzubringen. Es ist ein charmanter Mann; finden Sie es nicht auch, meine Tochter?

– Nun, Madame, ich weiß nicht – ich meine – ich habe nicht darauf geachtet.

Und weiter wurde nicht von ihm gesprochen.

Dorat und die Herzogin sahen einander von dem Augenblick an nicht wieder. Wenn sie sich begegneten, gingen sie einander aus dem Wege und schienen sich nicht zu kennen. Das Beste war, daß die Herzogin seit der Zeit einen Widerwillen gegen die Liebe gefaßt hat und daher die anständigste Frau am Hofe geblieben ist. Seitdem sie nicht mehr jung ist, zeigt sie sich sehr erkenntlich und dankte mir noch kürzlich dafür.

Ob Herr Dorat mich seines Mißgeschicks beschuldigt hat, weiß ich nicht, aber er ist nicht wieder bei mir erschienen.

Sechstes Kapitel

Die Philosophen gleichen den Beichtvätern mit weiten Aermeln. So erschöpfen sich Herr Diderot und Consorten, die Freiheit zu besingen, den Haß gegen die Tyrannen zu verkünden, die Republik zu predigen, worin sie die Erfüllung aller ihrer Wünsche finden. Als indessen die Kaiserin von Rußland zu verschiedenen Zeiten die Bibliothek Diderot's um beinahe vierzigtausend Livres angekauft und ihm die besondere Bedingung gestellt hatte, daß er bis an seinen Tod die Sorge dafür übernehme, nahm er ihre Wohlthaten sehr gut auf, verherrlichte diese große Katharina und nannte sie, ohne Zweifel um seinem Gewissen genug zu thun, eine Philosophin.

Er hat seine Nachgiebigkeit sogar so weit getrieben, die kleinen Fehler der Czarin zu vergessen, welche entsetzliche Vergehen geworden wären, wenn eine andere Herrscherin sich nur den Gedanken daran erlaubt hätte, und die ganze Seite rief Hosianna! Ich habe oft mit Voltaire davon gesprochen, der sich begnügte zu lächeln und mir zu antworten:

– Was wollen Sie sagen, Madame? man muß doch der menschlichen Natur etwas nachsehen.

Sein Lächeln allein sprach und sagte mir seine Gedanken. Man sah nie ein feineres und beredteres. Als er jung war, hatte seine Physiognomie einen Zauber, den ich nicht beschreiben kann. Man versichert mir, daß die Statue von Pigale es gut wiedergiebt. Ach! ich werde nicht darüber urtheilen können.

Er unterhielt indessen seine Livree so gut, wie seine Börse und seine Güte es vermochte. So ließ er la Harve mit seiner Frau, seinen Kindern und seiner ganzen Haushaltung nach Ferney kommen, weil dieser in Paris nur mit Mühe leben konnte. Zum Dank dafür stahl ihm la Harve einen Gesang von seinem »Kriege von Genfer, den er noch nicht bekannt haben wollte, und verbreitete ihn überall mit seinen Bemerkungen. Tausend Unannehmlichkeiten entstanden daraus für den Patriarchen; er zieht Erkundigungen ein und erfährt, ohne daran zweifeln zu können, woher ihm diese Verrätherei kommt.

Mit Recht erbittert, machte er Bemerkungen und erhob seine Klagen. Sein Gast antwortete ihm von seinem Zimmer in Ferney aus in sehr unhöflichen und unangenehmen Briefen, und vier Seiten waren mit Unverschämtheiten angefüllt.

Herr von Voltaire ertrug es nicht; er jagte den Undankbaren fort, der ihn verkannte, so daß das Gerücht von diesem schlechten Zuge sich unter den Philosophen verbreitete. Indem er diesem Eleven zu schaden fürchtete, leugnete er sein Unrecht und berief sich auf die Umstände, die er nicht erklärte.

Es gibt nichts so Bitteres, so Schlangenartiges, wie dieser la Harpe. Ein Findling, und von seinen Rettern nach der Straße benannt, wo er auf dem Pflaster lag, konnte er der Gesellschaft diesen Makel seiner Geburt nicht verzeihen. Er möchte überall der Erste sein, hält sich für ein Genie und läßt keine andere Entscheidung zu, als die seine.

Eines Tages kam er bei mir an; ich kannte ihn noch nicht, er sagte, er komme von Voltaire, um mit mir vom Tancred zu sprechen. Nun frage ich, warum er mit mir vom Tancred sprechen wollte, und wir werden es sehen.

– Madame, haben Sie den Tancred gesehen?

– Ja, mein Herr, antwortete ich ganz erstaunt.

– Ist es nicht wahr, daß es etwas Erhabenes ist?

– Ja, es ist erhaben! es ist erhaben, in Wahrheit. Und was weiter?

– Nun, Madame, ich war neulich mit Herrn von Argental dort. Neben uns befand sich im Parterre ein Fremder, welcher schrie, weinte und applaudirte. Ich wendete mich zu ihm und sagte:

– Ist es nicht wahr, daß dieser Voltaire ein großer Mann ist?

Der Tropf antwortete mir gerade heraus:

– Ja, mein Herr, das ist gewiß sehr hübsch.

– Was sagen Sie dazu, Madame?

Ich sah in dem Allen nicht den Vorwand eines Besuches bei einer Dame, die er nicht kannte. Da ich nicht antwortete, fuhr er fort:

– Ah. Madame, gibt es etwas Seltsameres, als das, was heutiges Tages geschieht? Kennen Sie den Arzt, welcher auflöst, den Arzt, welcher Alles heilt, indem er auflöst?

– Nein, mein Herr.

– Lassen Sie ihn aufsuchen, er wird Ihnen die Augen auflösen und Sie werden klar sehen. Alle Krankheiten rühren vom Pulse her, und die gestörten Nerven dringen das ganze Uebel hervor. Er verursacht Ihnen einen schrecklichen Schmerz, Sie geben ihm eine Handvoll Thaler, und Sie tanzen dann einen lustigen Tanz. O!, Moliere, wo bist Du? Ist es nicht eine unaussprechliche Lächerlichkeit?

– Ja, mein Herr, aber —

– Und diese andere Art von Kaffeegesellschaften – kennen Sie sie?

– Nein, nein, mein Herr, ich möchte wissen —

– Was es damit ist? Sehr gern. Jede elegante Dame hält jetzt Kaffeegesellschaften, und dies ist die Art, sich dabei zu benehmen. Man wählt einen Tag und stellt in einen großen Saal kleine Tische mit höchstens vier Sitzen; sie sind mit Spielmarken, mit Karten und Allem versehen, was man zum Spielen bedarf. Auf andere Tische stellt man Wein, Kaffee, Limonade u. s. w. Die Herrin des Hauses befindet sich hinter einer Art von Comptoir, Orangen und Kuchen vor sich; sie ist nach englischer Mode gekleidet und trägt ein kurzes Kleid, eine Schürze von Muslin, ein Halstuch mit Franzen und einen kleinen Hut. Die Getränke stehen auf der Kaminplatte; die Lakaien in weißer Weste und weißer Mütze nennt man Garcons. Die Herrin des Hauses steht nicht auf, man geht zu ihr, um mit ihr zu sprechen; und in dem Speisesaal hat man auch kleine nummerirte Tische aufgestellt, die man nach dem Loose vertheilt, um jeden Streit zu verhindern. Man darf nur ein Huhn mit Reis, ein einziges Vorgericht und ein Zwischengericht essen: zuweilen ein gutes Stück Braten; das ist ökonomisch, aber es gleicht auch den Kindern, welche spielend ihre Mahlzeiten halten; finden Sie es nicht?

Ich sah jetzt, was an diesem Menschen war, und daß er endlich heraussagen würde, was er in der Tiefe seines Sackes hatte, und ich hörte ihn wie eine Zeitung an. Alle diese Leute, von welchen er mir da sprach, waren nicht meine Gesellschaft, aber ich unterrichtete mich, indem ich zuhörte.

– Giebt es keine andern Neuigkeiten? begann ich, um ihn zu bewegen, weiter zu sprechen.

– O ja! es giebt deren. Zum Kaffee fügt man Sprichwörter hinzu; man spielt deren überall. Ich war neulich bei einer seltsamen Scene dieser Art bei Madame Thelusson zugegen. Hume, wie Sie wissen, der englische Geschichtschreiber, der Freund Rousseau's, dieser große und wohlbeleibte Mann war in der Absicht gekommen, eine Rolle zu spielen. Man gab ihm die eines Sultans zwischen zwei Sultaninnen; er sollte seine Beredtsamkeit anwenden, um sich beliebt zu machen, und sie in angeblichem Kummer trösten Er setzte sich auf ein Sopha, man wählte ihm die hübschesten Frauen in Paris aus, er begann sie abwechselnd anzusehen, dann klopfte er sich auf den Bauch, auf die Schenkel und sagte mit verlegener Miene:

– Nun, meine Fräulein, nun, da sind Sie also – nun, da sind Sie hier?

Und so ging eine Viertelstunde weiter. Eine von den Sklavinnen wurde ungeduldig, stand auf und rief, indem sie auf ihren Platz zurückkehrte:

– Ich hatte es doch gedacht, dieser Mann versteht nur Kalbfleisch zu essen.

Sie können sich vorstellen, daß die Frage und die Antwort ein lautes Lachen erregten.

– Ich verstehe, es war in der That sehr drollig, und Herr Hume scheint mir sehr verliebt gewesen zu sein.

– Ah! Madame, wissen Sie nicht, was dem Polizeilieutenant begegnet ist? Ich will es Ihnen auch erzählen. Er sollte zu einer großen Mittagstafel gehen, und er bedurfte durchaus einer Perücke. Diese zu dieser Gelegenheit wiederholt bestellte Perücke kam indessen nicht. Ein Kammerdiener geht, um sie zu holen. Der Perückenmacher entschuldigt sich, seine Frau war niedergekommen und das Kind todt, aber die Perücke war fertig; bei all dieser Unruhe hatte man vergessen, sie zu bringen: sie war bereit und in einer Schachtel, die der Kammerdiener forttragen sollte.

– Sehen Sie sie erst an, Sie werden finden, daß sie vollkommen gerathen ist.

Man öffnete die Schachtel und fand darin die Leiche des am Abend vorher gestorbenen Kindes.

– Ach! mein Gott! rief der unglückliche Vater, die Priester haben sich getäuscht, sie haben die Perücke begraben.

– Der Herr Polizeilieutenant mußte ohne neue Perücke zu der Ceremonie gehen, und was noch schlimmer war, es bedurfte eines Befehls vom Erzbischof, einer Gerichtsverhandlung und unendlicher Schreibereien, um das Kind zu begraben und die Perücke wieder aufzugraben.

Er hielt inne. Es war mir leid. Er unterhielt mich, obgleich ich ihn höchst seltsam fand.

– Es ist also zu Ende, mein Herr, es gibt für diesmal nichts weiter.

– Nein, es ist nicht zu Ende, Madame, ich habe noch nichts von dem Proceß der Marquise von Saint-Vincent erzählt. Sie hat einem Abbé Beinkleider machen lassen und will sie jetzt nicht bezahlen, da sie vertragen sind; der Abbé ist nicht im Stande dazu, so daß der Schneider klagt und sie ohne Zweifel verurtheilt werden wird. Es gibt ein Sprichwort: Wer die Gläser zerbricht, muß sie zahlen.

– Ich danke Ihnen tausendmal für Ihre Mittheilungen, dessenungeachtet sind wir von Herrn von Voltaire abgekommen. Sie kamen von ihm?

– Ja, das heißt, bis zu einem Punkte. Er hatte mir so oft von Ihnen, von Ihrem Geiste, von Ihrer köstlichen Unterhaltung gesprochen; ich habe selber darüber urtheilen wollen: ich finde, daß er hinter der Wahrheit zurückgeblieben ist.

– Mein Herr, Sie sind sehr ehrlich. Ich höre in der That sehr gut; man hat es mir immer gesagt.

Er sah mich mit seinen Augen an, die wie Kohlen glühten, und verstand es. Er verstand sich auf Epigramme.

– Habe ich Sie gelangweilt, Madame?

– Nein, gewiß nicht, im Gegentheil.

– Nun also —

Jedes Genre ist gut, nur nicht was langweilig ist.

sagt Boileau, unser aller Meister. Ah! verzeihen Sie, Madame, ist es wahr, daß man Ihnen Verse auf Ihre Tonne gemacht hat, und daß Sie darauf geantwortet haben?

– Nichts ist wahrer, mein Herr.

– Könnte man nicht damit bekannt werden?

– Gewiß, Ich bin Ihnen wohl etwas schuldig für Ihre Neuigkeiten.

– Madame, ich liebe die Neuigkeiten bis zur Leidenschaft, ich möchte Zeitungsschreiber sein.

– Es ist Ihnen nicht schwer, es zu werden.

– Ich werde daran denken.

Auch wurde er es für die Rechnung des Czar oder der Czarin, ich weiß es nicht genau.

Um diese Verse zu verstehen, muß man wissen, daß ich mir statt des Lehnsessels eine Art von wohl ausgepolsterter Tonne, wie die Näherinnen haben, machen lassen, und die mich gegen alle Winde schützte. Die Tonne gab beständig zu Versen Veranlassung; ich hatte diese ohne Namen zur Post erhalten, aber sie waren von der Frau von Forcalquier, die wir la Bellissima nannten.

 
Nicht wenn man reift, empfindet man Vergnügen;
Am Ufer nur erfüllt sich unser Wunsch,
Mag man in Schiffen durch die Wogen segeln.
Zu allen Enden dieses Erdballs steuern,
Gleicht doch auf Erden Ihrer Tonne nichts.
 

Diese Verse waren mittelmäßig, indessen antwortete ich darauf:

 
In ihrer Tonne sieht man die Sibylle,
In ihrer Tonne ganz verschrumpft und alt;
Sie fastet nie und liest in ihrer Tonne
Gar selten nur das Evangelium.
 

– Madame, Ihre Verse sind besser, als die Saint-Lambert's in seinen »Jahreszeiten«. Kennen Sie die »Jahreszeiten«?

– Ja, mein Herr.

– Was halten Sie davon?

– Ich halte davon, was einer meiner Freunde auch davon hält: sie sind encyclopädisch; man sieht darin Hirten, das Dictionnaire in der Hand, den Artikel »Donner« suchend, um zu hören, was sie selber von einem Gewitter sagen.

– Ah! Madame, das ist reizend! das ist so viel werth wie das ganze Gedicht.

– Ich habe es nicht gesagt, mein Herr, sondern Herr Walpole.

– Der, welcher den Brief des Königs von Preußen an Rousseau geschrieben hat?

– Derselbe.

– Er hat viel Geist.

– Es freut mich, daß Sie das finden, mein Herr.

– Ich verstehe mich darauf, Madame, Sie können es ihm von mir schreiben. Es wird spät, ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen. Ich bin hoch erfreut, Sie gesehen und besonders gehört zu haben, daß Sie das Evangelium nicht lesen und daß Sie nicht fasten.

Er ist nie wiedergekommen.

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06 aralık 2019
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