Kitabı oku: «Der Secretair der Marquise Du-Deffand», sayfa 54
Elftes Kapitel
Bei seiner Ankunft verlangte der Prinz, zum Herzog von Richelieu geführt zu werden; Frau von Talmont meinte es nicht so; sie wollte zuerst berücksichtigt sein und die ernsten Angelegenheiten bis morgen aufgeschoben sehen! Sie hatte Alles vorausgesehen; ein Zimmer, welches man fast elegant nennen konnte, war in Bereitschaft und ein Souper servirt. Sie hielt ihn zuerst durch das Souper, dann durch ihre Lockungen zurück, so daß er erst am folgenden Morgen zum Herzog kam.
Dieser begriff sehr wohl diese Verzögerung. Die Folge davon war, daß er Karl Eduard nach seinen gewöhnlichen Scherzen die Versicherung gab, daß man ihn aufs Beste empfangen werde, Der Prinz verlangte nicht mehr für den Augenblick und legte seine Trauer an um sein Königreich. Er war ein Mann von Geist und sah deutlich, daß Alles verloren war. Die Prinzessin fing den Ball auf und antwortete leichtfertig:
– Nun gut! wir wollen abreisen, es ist nicht mehr nöthig, mich zu verbergen.
– Das kann nicht gerade so geschehen, Madame, versetzte Karl Eduard: ich werde zu dem spanischen Fahrzeuge zurückkehren, ich werde dann allein nach Paris gehen, wenn Sie es erlauben. Es würde nicht angemessen sein! Bedenken Sie, wenn man uns zusammen ankommen sähe!
– Was liegt mir daran?
– Mir aber liegt viel daran, Madame, ich habe Rücksichten zu nehmen, ich bin keine unbekannte Person und Sie auch nicht.
– Wie! nach Allem, was ich gelitten, nach Allem, was ich gethan habe?
– Nun, Madame, hören Sie den Grund, sagte Herr von Richelieu, man muß an die Königin denken, und was man davon sagen wird.
– Man mag davon sagen, was man will, mein Herr, ich kümmere mich nicht darum.
Was sie auch sagen mochte, sie mußte nachgeben und sich in ihre Wohnung zurückziehen; der Prinz ließ es sich von ihr versprechen und benahm sich geschickt dabei, sie sah die Engländerin nicht, wenn sie ihre Gegenwart auch argwöhnte. Diese schöne Leidenschaft dauerte noch einige Zeit, so lange Karl Eduard in Paris war. Er vergaß sie nie, er blieb bis zu ihrem Tode mit ihr in Correspondenz; sie liebte ihn mit dauernder Liebe, sie war sterblich in ihn verliebt, ohne daß sie ihn seit zwanzig Jahren gesehen hatte, und beging tausend Uebertriebenheiten. Wie oft habe ich sie weinen sehen, wenn sie von ihm sprach!
Im Augenblick ihres Todes wollte sie nicht enden, wie alle Welt, Sie rief ihren Beichtvater, ihre Krankenwärter und ihren Intendanten an ihr Bett und sagte zu ihren Aerzten:
– Meine Herren, Sie haben mich getödtet, aber es ist nach Ihren Grundsätzen und Regeln geschehen. Was Sie betrifft, mein Beichtvater, Sie haben Ihre Pflicht gethan, indem Sie mir eine heilsame Furcht verursacht, und Sie, mein Intendant, Sie befinden sich hier in Folge der Aufforderung meiner Leute, welche verlangen, daß ich meinen letzten Willen niederschreiben lasse; Sie spielen alle Ihre Rolle sehr gut, und gestehen Sie, daß ich die meine nicht übel gespielt habe.
Dann beichtete und cummunicirte sie, fügte noch ein Codicill zu ihrem Testament hinzu und versicherte, daß sie bereit sei, wann der gute Gott sie abrufen werde. Sie hatte sich ein blaues Sterbekleid mit Silber und eine sehr schöne Spitzenhaube machen lassen. Der Erzbischof willigte nicht ein, daß sie damit begraben werde. Man verkaufte das Kleid und die Haube und gab den Ertrag den Armen, Man sprach sechs Monate lang von dieser Toilette unter dem Volk.
Ich habe so eben Herrn von Richelieu genannt; dieser Mann hat während seines ganzen Lebens Lärm gemacht, er macht noch Lärm in seinem Alter, und sein letztes Abenteuer ist nicht am wenigsten pikant, ohne seine Verheirathung zu rechnen, die dem Ganzen die Krone aufsetzte. Von diesem Abenteuer hat die ganze Welt gesprochen, doch sind nur Wenige genau damit bekannt, aber ich habe es von einem Richter gehört, der die Acten gesehen hat, und hier ist es:
Herr von Richelieu war zu seinem Gouvernement von Guienne gegangen; immer galant, zählte er sechs und siebzig Jahre, und die jungen Frauen sahen ihn nicht viel mehr an, ungeachtet seines Ruhmes und seiner Würden. Er liebte nicht die Provinz und die Bewohner der Provinz, obgleich er sich in seiner Umgebung und von seinen Hofleuten als König behandeln ließ. Ludwig der Fünfzehnte wußte es und lachte darüber.
– Sire, ich repräsentire Eure Majestät, versetzte der Herzog, als der König eine scherzhafte Bemerkung darüber machte.
Er entdeckte in einem Kloster von Rouergue eine Frau von Saint-Vincent, die Frau eines Parlamentspräsidenten von Aix., die sich von ihrem Manne getrennt hatte um sich besser zu unterhalten, und die sich für ein Opfer ausgab. Sie war älter als vierzig Jahre, aber sie war noch sehr jung im Vergleich zu dem alten Marschall. Er fand sie schön; sie war es gewesen und zeigte noch die Spuren davon. Er sagte es ihr, sie glaubte es, und sie bewiesen einander gegenseitig, daß sie Grund hatten, einander zu glauben.
Wie man denken kann, liebte die Präsidentin diesen alten Affen nicht; sie war entzückt, sich seiner zu bedienen, ihr Kloster ohne die Erlaubniß ihrer Familie zu verlassen und unter seiner Aegide nach Paris zu kommen. Er war bezaubert von ihr und zeigte sie überall, und man lachte darüber, Sie war übrigens von Stande, denn sie war eine geborne von Villeneuve, aber sie hatte weder Gold noch Sachen, denn sie hatte Alles mit ihren Liebhabern verzehrt und Herr von Vincent wollte nicht mehr zahlen.
Herr von Richelieu ist geizig, er gibt Niemanden etwas, aber er macht unermeßliche Ausgaben für sich selber. Die Präsidentin versuchte, ihm zu verstehen zu geben, daß sie Bedürfnisse habe, aber er stellte sich taub, sie beharrte und er zog sich durch einen Scherz aus der Sache.
– Gehen Sie mir, Madame, in unserem Alter! es ist gut für die jungen Leute, die Liebe zu bezahlen; wahrhaftig wir würden Beide bestohlen sein.
Sie hielt sich noch nicht für geschlagen, oder sie errichtete vielmehr eine neue Batterie, um ihn in seinen Verschanzungen zu überrumpeln. Hier beginnt die Dunkelheit, man weiß nicht genau, auf welcher Seite das Unrecht ist; mein Richter meint, daß sie alle Beide nicht ohne Schuld sind, ich bin der Meinung meines Richters, und sie waren wohl dazu fähig.
Eines schönen Morgens kam die Präsidentin aufgeregt und in Verzweiflung zu ihrem Geliebten und sagte ihm, sie sei verloren, wenn er ihr nicht zu Hilfe komme, man wolle ihr Alles nehmen, was sie besitze, und sie ins Gefängniß werfen.
Der Marschall lächelte mit seinem ironischen Lächeln, welches er schon im sechzehnten Jahre an sich hatte, und sagte ihr, er habe nichts, er sei selber in Verlegenheit, und die gewöhnlichen Redensarten.
– Sie haben Credit, wenden Sie ihn an.
– Wie denn?
– Ihre Unterschrift genügt.
– Meine Unterschrift! sie läuft davon, erhaschen Sie sie. Mein Intendant hat wohl einige Wechsel von miux, nehmen Sie sie.
Sie ging schnell, sie zu holen, der Intendant gab sie ihr lächelnd, wie sein Herr; sie nahm sie, es waren für zweihundert tausend Livres. Sie rief einen gewissen abgesetzten Procurator zu Hilfe, sie entschieden, das dies nicht ausreichend sei; sie studirten die Unterschrift und fabricirten andere für dieselbe, ja für eine noch höhere Summe, wie der Proceß sagt, und das Ganze wurde, in Umlauf gesetzt. Die Saint-Vincent erhielt das Geld, und Alles ging ganz gut bis zum Verfalltage. Als sie den ersten Wechsel präsentirte, lachten der Marschall und sein Intendant sehr, sie wußten, daß er falsch war, und regten sich nicht, um ihn zurückzuhalten. Der alte Marschall erfreute sich an dem Gesicht seiner Infantin, wenn sie entdecken würde, mit welchem Gelde man ihre Gunst bezahlt habe. Während dieser Zeit ließ sein Notar ihn um eine augenblickliche Audienz bitten, und er empfing ihn.
– Herr Marschall, Sie haben also Geld nöthig gehabt? Warum haben Sie es nicht von mir verlangt, anstatt Ihre Unterschrift am Orte coursiren zu lassen?
– Ich habe keine Unterschrift in meinen Angelegenheiten in Umlauf gesetzt, mein Herr,
– Wie kommt es denn, daß ich gestern Abend für fünfhunderttausend Livres Wechsel, von Ihnen unterzeichnet, in den Händen eines Juden gesehen habe?
– Fünfhunderttausend Livres! Das ist unmöglich,
– Ich bitte Sie um Verzeihung, gnädigster Herr, und mit dem Namen der Frau von Saint-Vincent unterschrieben.
– Ich habe ihr nicht einen einzigen unterschrieben.
– Da sind sie also falsch, denn ich habe sie gesehen, wie ich Ihnen zu wiederholen die Ehre habe.
– Und was thut mir das? Ich werde sie nicht bezahlen!
– Ich bitte Sie um Verzeihung, gnädigster Herr, Sie werden sie bezahlen müssen, wenn Sie nicht die Falschheit der Unterschrift beweisen, wozu ich Sie auffordere, wenn Sie die Mittel dazu haben. Dazu müssen Sie alle Rücksichten unter die Füße treten und eine Anklage wegen Fälschung gegen Frau von Saint-Vincent erheben.
– Das ist sehr ernsthaft.
– Es ist unvermeidlich, sonst müssen Sie zahlen und schweigen. Wenn ich die Ehre hatte, der Herr Marschall Herzog von Richelieu zu sein, würde ich die Lehre theuer finden, aber ich würde sie schweigend annehmen, um etwas Schlimmeres zu vermeiden.
– Gehen Sie mir, mein Herr, Sie sind ein Thor! ich sollte der alten Saint-Vincent fünfhunderttausend Franken zahlen, während die Schönsten und Vornehmsten nichts von mir verlangen! Ich würde lieber alle Gerichte des Königreichs in Bewegung setzen.
– Wie es Ihnen gefällt, gnädigster Herr, ich habe Ihnen meinen Rath ertheilen müssen.
Der Marschall wurde unruhig, wie man leicht denken kann, suchte Advocaten auf und die Berathungen waren einstimmig: er mußte die Fälschung beweisen oder bezahlen. Er war nicht unentschlossen, und Frau von Saint-Vincent wurde verhaftet, so wie auch der Procurator und zwei oder drei Andere. Man führte sie in die Bastille, und das Ansehen des Herrn von Richelieu bewirkte, daß man mit der äußersten Strenge gegen sie verfuhr.
Der Herzog war nicht beliebt, er hatte viele Neider, da waren viele Frauen, die er verlassen und verrathen hatte, viele Leute, die durch seine Gewaltthätigkeit gemißhandelt worden, diese alle empörten sich gegen ihn und erhoben ein Zetergeschrei. Er kümmerte sich nicht mehr darum, als um den Regen, der die rothsammetne Decke seiner Carrosse benetzte.
Die Saint-Vincent schrie so laut, daß sie das Volk für sich zum Aufstande bewog. Es ist gewiß, daß man willkürlich gegen sie verfuhr, obgleich sie eine Betrügerin und Fälscherin war. Man ließ sie foltern, so daß sie fast wahnsinnig wurde, ohne ihr Geschlecht oder ihren Stand zu beachten, während der Marschall, noch strafbarer als sie, denn er hatte keine Entschuldigung, spazieren fuhr und sich seiner Würden erfreute.
Ich kann nicht sagen, daß er geachtet wurde; es ist im Gegentheil schwierig, sich einer tieferen Verachtung zu erfreuen, als man in allen Classen der Gesellschaft gegen ihn hegte. Als die Sache im Parlamente verhandelt wurde, bewarfen ihn die Advocaten so mit Koth, daß der Prinz von Conti sie unterbrach und hinzufügte, obgleich er nicht sein Freund sei, würde er doch kein Wort mehr anhören, und man wäre versammelt, nicht um Herrn von Richelieu beleidigen zu hören, sondern um zu erfahren, ob die Wechsel acht oder falsch wären.
Das Urtheil, gegen welches man sich laut aussprach, scheint mir im Gegentheil sehr gerecht. Es erklärte die Wechsel für falsch, und sie waren es in der That; aber Herr von Richelieu wußte sehr wohl, daß er hinsichtlich eines Theils derselben diesen Fehler selber begangen oder hatte begehen lassen. Zu welchem Zwecke? Das ist es, was man nicht weiß und auch nie erfahren wird. Wenn man Frau von Saint-Vincent verurtheilt hätte, hätte man ihn mit ihr verurtheilen müssen, und man konnte es nicht. Man begnügte sich damit, ihn zu beschimpfen.
Die Präsidentin und ihre Mitschuldigen erhielten keine Strafe, man ließ sie frei, indem man ihrem Verbrechen Beifall klatschte, und das Pikante von der Sache war, daß Richelieu zuerst die Kosten und dann die Entschädigungen und Zinsen zu zahlen hatte. Das Urtheil war klar für Den, der die Sache kannte, es konnte nicht anders sein. Seine Saint-Vincent wurde zu Grunde gerichtet und genöthigt, sich zu verbergen; sie ging in einen dunklen Winkel und man hörte nicht mehr von ihr reden. Die Gläubiger mußten verlieren, Richelieu zahlte nicht, und wie leicht einzusehen ist, die Saint-Vincent noch weniger.
Der Marschall verlor keinen Zoll von seinem Wuchs und seiner Unverschämtheit, Er ging überall hin mit aufgerichtetem Kopfe und scherzte mit Frechheit über diese schmachvolle Geschichte. Einer von den Gründen seines Vertheidigers war folgender:
– Alle Welt weiß, daß der Herzog von Richelieu keiner von Denen ist, die ihr Geld an die Frauen verschwenden,, er würde nimmermehr fünfhunderttausend Franken, selbst für die Schönste gegeben haben. Sein Charakter in dieser Hinsicht ist wohl bekannt.
Er fühlte diesen Satz noch weiter aus und hüllte sich in seinen Geiz; ich kann den Abscheu nicht beschreiben, den er einflößte, und man wiederholte es überall.
Dann bekam er einen Einfall, und dieser Einfall konnte nur von ihm kommen. Wir waren eines Abends bei Herrn Necker zum Souper, das ist wieder Einer, von dem ich nicht sprechen will, der Boden glüht, ich könnte nicht sagen, was ich denke, und ich will nicht sagen, was ich nicht denke.
Der Marschall war dort, sowie auch eine Frau von Roothe, Wittwe eines Herrn von Roothe, eines naturalisirten Irländers und Dircctors der Compagnie des französischen Indien.
Frau von Roothe war beinahe vierzig Jahre alt, sie war nicht schön, aber sehr geistreich, kurz sie war eine völlig verblühte Person, sehr geeignet, die Gesellschafterin eines Greises wie dieser zu sein. Er bemerkte es auf der Stelle, wendete sich zu Madame Necker und sagte lachend zu ihr:
– Sie kennen Frau von Roothe?
– Ohne Zweifel, Herr Marschall.
– Wissen Sie, daß sie eine reizende Frau ist?
– Ebenso gut wie tugendhaft, ich habe nie daran gezweifelt.
– Wie wäre es, wenn ich sie heirathete?
– Sie würden ein gutes Werk thun für sich und für sie.
– Sie ist nicht reich?
– Nein.
– Würde sie einen Greis von achtzig Jahren wollen?
– Ich bin dessen gewiß, wenn der Greis Herr von Richelieu heißt.
– Ei, ei! Viele könnte die Aufschrift des Sackes täuschen, es würde wenigstens ein großes Unrecht sein.
Er hat in dieser Hinsicht Ansprüche, die er rechtfertigt, wie er versichert.
Der Antrag wurde gemacht, und Frau von Roothe, die nichts besaß, schlug diese glänzende Partie nicht aus. Sie war eine geborene de la Vaulx, aus einer guten lothringischen Familie, war Stiftsfräulein eines Kapitels dieses Landes gewesen und heirathete Herrn von Roothe erst ziemlich spät. Die Hochzeit wurde gefeiert und machte viel Aufsehen. Am folgenden Tage besuchte Herr von Richelieu seinen Sohn, den Herzog von Fronsac, den das Podagra an sein Bett fesselte.
– Ei, mein Herr, sagte er zu ihm, Sie sind also wirklich krank, ich glaubte, es wäre nur ein Vorwand, um Frau von Richelieu nicht zu besuchen.
– Ich habe das Podagra in meinem Fuße, Herr Marschall, und kann nicht aufstehen.
– Sie haben wenig Erfindungsgabe, mein Herr. Es begegnet mir auch zuweilen, daß ich das Podagra in einem Fuße habe, dann stehe ich auf dem andern. Sehen Sie zum Beispiel.
Und er stand länger als eine Minute auf einem Fuße. Der Herzog von Fronsac machte eine abscheuliche Grimasse
– Meine Heirath ist Ihnen ärgerlich, nicht wahr? Sein Sie ruhig, wenn ich einen Sohn bekomme, will ich ihn zum Cardinal machen, sie haben unserer Familie kein Unglück gebracht. Was halten Sie davon?
Und sich wie zur Zeit seiner Jugend auf den Fersen herumdrehend, verließ er ihn.
Der Marschall hat neulich seine Frau zu mir geführt. Wir sind von gleichem Alter, aber er wird älter werden, als ich. Er hat keine Altersschwächen, außer daß er ein wenig schwer hört. Wir sprachen von den drei Regierungen, die wir erlebt.
– Ach, Madame, es ist wohl wahr, daß wir drei erlebt haben, ohne zu rechnen, daß sie einander nicht gleichen. Unter der ersten Regierung schwieg man, unter der zweiten sprach man ganz leise und unter dieser spricht man zu laut.
Da hatte er in wenigen Worten die wahre Lage dargestellt.
Ich schreibe jetzt nur noch in Zwischenräumen, und je nach dem, was mir begegnet. Hier ist ein Ereigniß, welches die Gegenwart sehr beschäftigt hat, und welches ich drohend für die Zukunft finde. Am Weihnachtsfeste gingen zwei junge Soldaten in ein Wirthshaus, nahmen dort ein Zimmer und schlossen sich ein. Dort schrieben sie vierzehn Briefe, man weiß nicht an wen. Einer von ihnen trug sie auf die Post und kehrte dann zurück, während dieser Zeit setzte der Andere ein Testament und einen letzten Brief auf, der zurückbleiben sollte und der an die ganze Menschheit gerichtet war.
Er erklärte, daß er und sein Kamerad, überzeugt, daß es keinen Gott und kein künftiges Leben gebe, und dieses gegenwärtigen überdrüssig, sich entschlossen hätten, freiwillig aus demselben zu scheiden.
Dieses Leben wäre ihr Eigenthum, und sie könnten nach Gefallen darüber verfügen, da sie jenseits des Grabes Niemanden darüber Rechenschaft abzulegen hätten. Sie wünschten ihren Kameraden und allen Denen, die sich auf der Erde langweilten, den Muth, sie zu verlassen und ihnen nachzuahmen.
Dieser Tod macht mehr Eindruck, als alle Schriften von Voltaire, von Helvetius und von allen den Herren Atheisten. Es sind die ersten Märtyrer ihrer Systeme, und es ist nicht unmöglich, daß sie noch mehr Proselyten machen. O! wie reich ist die Zeit, die dieser folgen wird, an Ereignissen und an Unglück!1
Es ist nichts darauf zu antworten, wie mir scheint: die Thatsachen sind beredt und sprechen für sich selber.
Zwölftes Kapitel
Ich habe gestern eine Unterredung mit einem Manne gehabt, von dem man in diesem Augenblick viel spricht und der viel besser ist, als sein Ruf, wie er in einem Stücke sagt, welches er mir vorgelesen hat, und welches Stück, meiner Meinung nach, eine auf uns gerichtete Kanone ist, die wir selber abbrennen, denn man reißt sich darum, und es hat schon fast ebenso viele Abenteuer gehabt, wie sein Verfasser, was nicht wenig gesagt ist. Man wird sogleich sehen, daß ich von Caron de Beaumarchais sprechen will. Man mag von ihm sagen, was man will, ich schwärme für ihn. Er wirft mit vollen Händen Unverschämtheiten um uns her; ich kann ihn seines Muthes wegen nicht tadeln, denn ich finde, daß seine Unverschämtheiten wohl verdient sind; nur hat er zu viel Geist, daher ist alle Welt über ihn aufgebracht. Man verfolgt ihn, oder man vergöttert ihn, es gibt keinen Mittelzustand, Voltaire hat mir von ihm gesagt:
– Er hat ebenso viel Geist wie ich, aber er hat mehr Kühnheit, und daher seine Unverschämtheit. Wenn ich Alles sagte, was ich denke, so würden wir unserer Zwei zu diesem Spiele sein.
Ich glaube, daß er Recht hat. Indessen hat Beaumarchais mehr Feuer, als Voltaire je gehabt hat, selbst in seiner Jugend. Er liebt wirklich leidenschaftlich, er ist vielleicht mehr Mann, da er eine kräftige Gesundheit hat, während der Patriarch immer nur halb gelebt hat.
Ich komme zu Beaumarchais zurück.
Ich hatte große Lust, ihn kennen zu lernen, ich wußte nicht, wie ich es anfangen sollte, da in meiner Umgebung so viel gegen ihn geschrien wurde. Man beschuldigte ihn alles dessen, was ein Mensch mir thun kann, Es war ein Giftmischer, ein Räuber, ein Duellant, ein Frecher, ein Lügner, ein Verleumder, das ganze Wörterbuch von Benennungen dieser Art wurde auf ihn angewendet, und Jeder war bemüht, ihn am stärksten zu brandmarken. Ich war also genöthigt, auf geheimen Wegen zu ihm zu gelangen, damit meine Umgebung sich nicht darüber empören möchte.
Ich schickte Viard auf die Expedition aus: er ist zu den Damen gegangen, wo Beaumarchais wohl empfangen wird, und Plaudernd, ich weiß nicht wovon, hat er ihn dahin gebracht, den Wunsch auszusprechen, mich zu besuchen. Er hat sich bedenklich gezeigt, als wahrer Secretair einer alten Frau, was er auch ist. Endlich hat er nachgegeben und Tag und Stunde bestimmt, wo ich Niemand bei mir habe.
Er ist gekommen. Seine Stimme gefiel mir gleich Anfangs; ich wollte sein Gesicht berühren und fand, daß er schöne regelmäßige Züge hatte, und wenn sein Auge das Feuer seiner Worte hat, muß es von großem Ausdruck sein.
Ich habe ihn sogleich mit seinem »Barbier von Sevilla« angegriffen, den ich gesehen habe, mit seiner »Hochzeit des Figaro«, welche zu kennen ich lebhaft wünschte; mit seinen Processen und den Urtheilen, welchen man ihn unterworfen hat, endlich mit dem, was man Uebles von ihm sagt, und mit den Feinden, die er hat. Er ist so geistreich, so offen, so kühn gewesen, wie seine Memoiren gegen Goesmann. Ich konnte nichts mehr sagen
– Mein Herr, ich möchte Ihre »Hochzeit des Figaro« sehr gern kennen. Man versichert, daß man sie nicht aufführen lassen wird. Andere behaupten dagegen, daß Sie im Begriff sind, die Hindernisse hinwegzuräumen. Alle stimmen darin überein, daß Sie sie besser lesen, als die Schauspieler sie würden spielen können.
– Indessen, Madame, haben wir sehr gute.
– Ich weiß es wohl, aber was hilft es, wenn Sie besser vortragen. Sie begreifen wohl, daß dies Alles nur auf eine Vorlesung abzielt; würden Sie sie wohl einer armen alten Frau, wie ich bin, bewilligen?
– Madame, ich weiß, wie viel Geist Sie haben, ich weiß, daß man Ihnen Alles sagen kann, und Ihr Wunsch ehrt mich unendlich. Ich werde Ihnen die »Hochzeit des Figaro« vorlesen, und ich werde sie lesen, wie Sie es wünschen.
– Ich verstehe nicht.
– Sie werden mich sogleich verstehen: ich weiß. von welcher Art Ihr Zirkel ist, ich kenne die Vorurtheile, die man gegen mich hegt, ich bin gewiß, daß Sie mich ohne Wissen dieser schönen Damen empfangen, welche Rousseau verzogen haben, der, unter uns gesagt, ein philosophischer Thor ist, aber ein erhabener Thor, wenn er seine Feder in der Hand hat, ein bäurischer Thor in seinen Handlungen. Sie haben ihm Alles verziehen, ich weiß den Grund nicht davon, denn er war nicht unterhaltend; mir würden sie nichts hingehen lassen, ich bin eine Vogelscheuche, warum? Ich habe es nie erfahren. Sie haben in ihren Gatten, in ihren Geliebten Männer, die noch viel verderbter sind, als ich, und sie beten sie an. Ist es, weil ich der Sohn eines Uhrmachers bin? War Rousseau etwas Besseres? Ist es, weil ich die Memoiren gegen Goesmann geschrieben habe? Hat nicht Rousseau seine »Bekenntnisse« geschrieben? Ist seine Julie so viel werth wie meine Rosine und meine Susanne? Sie ist übertrieben weinerlich, und meine Mädchen sind wenigstens heiter, wenn sie auch Liebhaber haben. In dem Allen hatte er Recht.
– Nun, mein Herr? entgegnete ich, als ich bemerkte, daß er inne hielt.
– Nun, Madame, diese Leute würden nicht kommen, um mich bei Ihnen zu sehen, und Ihnen nicht verzeihen, daß Sie mich empfangen; Sie würden verlegen sein, es mir zu sagen, aus Furcht, mich zu verletzen, und ich will es Ihnen lieber selber sagen, um Ihnen zu beweisen, daß dies mich durchaus nicht verletzt. Wir werden »die Hochzeit des Figaro« tète-à-tète lesen, wenn es Ihnen gefällig ist.
Ich war entzückt darüber und gestand ihm, daß er mich in der That von einer großen Verlegenheit befreie. Wir lachten mit einander darüber, und wenn meine Freunde mich gehört hätten, würden sie ihr altes Lied über meine unüberwindliche Vorliebe für die Papierkratzer angestimmt haben. Ich bin genöthigt, es zu gestehen, diese Leute gefallen mir im höchsten Grade.
Beaumarchais erzählte mir seine Lebensgeschichte; sie ist sehr interessant und eigenthümlich. Sein Talent für die Musik und sein Geist, vereint mit seinen physischen Vorzügen, trieben ihn aus der Werkstatt seines Vaters, wo er indessen eine große Geschicklichkeit gezeigt, da er eine neue Art von Hemmung erfunden bat, welche man beibehalten. Er wurde den Prinzessinnen von Frankreich vorgestellt, die von ihm bezaubert waren und Unterricht bei ihm haben wollten. Er unterrichtete sie im Harfenspiel und unterwies sie im Singen; doch profitirten sie nicht viel, besonders Madame Victoire nicht, welche die schlechteste Stimme und das schwächste musikalische Gehör im Königreiche hat. Diese Damen sprachen mit der Königin von ihm, und die Königin ließ ihn kommen, um ihr auf dem Clavier vorzuspielen. Er gefiel ihr und sie empfing ihn auf vertrauliche Weise. Die Intrigue mischte sich ein, man setzt Himmel und Erde in Bewegung, man bewirkte, daß er fortgeschickt wurde. Er hatte viel Kummer davon und sprach nur mit dem größten Respect von der Königin. Es ist eine Eifersucht der Hofleute, die ihn entfernt hat; er sagte mir indessen nichts über ihre Person und begnügte sich damit, zu lächeln, als ich einige Namen aussprach.
Ich habe also diese »Hochzeit des Figaro« gehört, und ich könnte viel darüber sagen, es ist ein Feuerwerk des Geistes, es ist glänzend und blendend, es ist eine Verwickelung, die nur sich selber gleicht, und die man nicht definiren kann, die man kennen muß. Dem Grundsätze nach ist es verwerflich; wenn ich der König wäre, so sollte dieses Stück nie aufgeführt werden. Man wird sehen, daß die Edelleute darauf dringen werden, daß man es aufführt, sie werden über sich selber lachen. Ich kenne sie wohl.
– Herr von Beaumarchais, Sie sind ein Mann von seltenem Geiste, und ich bin von einer Sache sehr überzeugt, nämlich, wenn Sie der Herzog von Aumont oder der Herzog von Choiseul wären, würden Sie dieses Stück nicht geschrieben haben.
– Und ich bitte Sie, zu glauben, wenn ich die Ehre hätte, der Herzog von Aumont oder der Herzog von Richelieu zu sein, würde es nie aufgeführt werden.
– Ich glaube es wohl, versetzte ich, sonst würde Herr von Beaumarchais dieses gute Jahrhundert nicht so vollkommen gekannt haben mit seinen Mißbrauchen und Lächerlichkeiten.
– Madame, wir gehen einer Revolution entgegen, und wenn der Adel es wollte, wäre es noch Zeit, es zu verhindern.
– Sein Sie ruhig, mein Herr, er wird es nicht verhindern. Er wird geben, was man nicht von ihm verlangt, und verweigern, was er bewilligen sollte. Die jungen Edelleute haben sich an der Philosophie und den englischen Ideen überfüllt und wohlgemerkt überall das Schlechte herausgesucht.
– Ah! Madame, sie können nicht anders. Erlauben Sie mir eine Bemerkung: Sie setzen mich sehr in Erstaunen, ich hielt Sie für eine Philosophin.
– Mein Herr, ich habe die Philosophen zu sehr in der Nähe gesehen, um mich den Ansichten dieser Leute hinzugeben. Jeder Geist, der sie kennt, wie ich, muß so handeln. Welches Geschlecht! Frankreich muß sich von ihnen an der Nase herumführen lassen.
– Sie sind indessen doch die Freundin des Herrn von Voltaire?
– Voltaire ist kein Philosoph nach Art dieser Herren, ich versichere Ihnen, daß er über sie spottet, und man glaubt es nicht.
Beaumarchais blieb bis zu dem Augenblick bei mir, wo unsere Gäste zum Souper ankamen. Wir hörten eine Carrosse im Hofe.
– Madame, sagte er lachend zu mir, ist in dieser Wohnung nicht eine kleine Thür oder eine Hintertreppe?
– Wie, mein Herr, Sie wollen unentdeckt von mir gehen! Wenn Herr Walpole Sie hörte, würde er spotten und sagen, daß ich romanhaft sei. Viard wird Sie unter einer Bedingung führen, nämlich, daß Sie bald wiederkommen.
Er hat mir es versprochen, und ich glaube, daß er Wort halten wird, denn wir haben gegenseitig Gefallen an einander gefunden. Was man auch sagen möge, dieser Mann ist gut für die, welche er liebt. Er hat Galle gegen seine Feinde, was kein Verbrechen ist. Sein Leben ist ein Kampf und er bedient sich seiner Waffen, thut er Unrecht? Ich glaube es nicht.
Ich habe ihm einen Brief an Voltaire gegeben, welcher eifersüchtig ist und ihn nicht behandelt, wie er es sollte.
Die großen Männer haben ihre Kleinheiten.