Kitabı oku: «Der Secretair der Marquise Du-Deffand», sayfa 53
Neuntes Kapitel
– Kennen Sie mich, mein Herr?
– Vollkommen, Madame. Sie sind die Frau Marquise Du-Deffand, geborne von Vichy-Chamrond; dann liegt kein großes Verdienst, denn alle Welt kennt Sie.
– Sie wissen mein Alter, Sie wissen, daß ich nicht mehr lange zu leben habe. Wie viele Jahre, wenn ich fragen darf?
– Ich bestimme keine Zeit des Todes.
– Sie haben doch die einiger Personen bestimmt.
– Niemals.
– Noch eben – Seiner schwedischen Majestät.
– Ich habe kein Datum angegeben.
– Sie wissen es vielleicht nicht?
– Nein, ich weiß es.
– Habe ich denn noch lange zu leben? Es würde mir leid sein.
– Lange genug, um einen Regierungswechsel und viele andere Ereignisse zu sehen.
Darin hat er die Wahrheit gesagt. Ich habe Herrn Walpole von meinem Souper bei Gustav dem Dritten geschrieben, aber ich höbe ihm kein Wort von dem Geisterbeschwörer mitgetheilt, er würde mir Vorwürfe gemacht haben, er, der mir Vorwürfe macht, wie einem kleinen Mädchen. Er wird dieses Horoskop durch diese Memoiren erfahren, und er wird nicht sehr darüber staunen.
– Sie lesen in den Gedanken. Woran dachte ich diesem Augenblick?
– An Ihren besten Freund. Sie wünschen sein Schicksal zu erfahren.
– Wer ist dieser Freund?'
– Herr Horaz Walpole.
– Es ist wahr. Was wird ihm begegnen?
– Nichts Außerordentliches. Er wird fortfahren, sich mit den Wissenschaften zu beschäftigen, er wird die Titel seiner Familie erben, er wird verhältnismäßig glücklich sein und unter die Begünstigten des Jahrhunderts gerechnet werden, dessen Ende er nicht erleben wird.
– Wird er hierher zurückkehren?
– Ohne Zweifel.
– Liebt er mich wahrhaft?
Der Prophet zauderte.
– Er liebt Sie auf englische Weise, Madame, wie ein Mann, der nicht Ihr Landsmann ist und welcher den Spott der seinigen fürchtet. Die Engländer sind nur unter sich aufrichtig in der Freundschaft. Sie verachten die anderen Völker, und für diese stolzen Insulaner verdient Alles, was nicht englisch ist, nur einen verhältnißmäßigen Grad der Zuneigung, denn Alles ist verhältnißmäßig in diesem Lande oder berechnet.
Dies ist gewissenhaft wahr.
– Sie können in meiner Vergangenheit lesen?
– So viel es Ihnen gefällt.
– Erzählen Sie mir also die Geschichte meines
Er mischte seine Karten, ich mußte sie halten und unaufhörlich abnehmen, weiter kann ich nichts angeben. Er berührte auch seine Staude und seinen Pokal, ich hörte das Geräusch davon; die Herzogin und der König haben mir die Versicherung gegeben, daß nach den Bewegungen, die er machte, das Wasser die Farbe veränderte und die Blüthenknospen sich abwechselnd öffneten. Unglücklicherweise habe ich nichts davon gesehen.
Ich bin genöthigt zu sagen, daß er in einer Viertelstunde auf überraschende Weise mein Leben enthüllte; er vergaß nichts von dem, was mich berührt hatte, weder das Gute, noch das Schlimme, er erinnerte mich sogar an vergessene Umstände, worüber der Teufel, wie es scheint, das Register führt. Ich war bestürzt davon.
Als dies beendet war, kam mir der Gedanke, von der gegenwärtigen Zeit, von den Philosophen, von der Politik, von Rousseau, womit man uns die Ohren betäubte, zu sprechen.
– Sie werden ihn verachtet und halb wahnsinnig sterben sehen, Madame, sagte er mir von diesem; aber die Nachwelt wird ihn rächen, und er wird sich eines großen Ruhmes erfreuen.
– Und Voltaire?
– Voltaire wird nach Paris zurückkehren und dort eine kurze Zeit vor seinem Nebenbuhler sterben. Ich habe es ihm selber geschrieben, er hat mir mit kahlen Ausflüchten geantwortet.
– Und die Monarchie?
– Ah! was das betrifft, Madame, das ist anders, und Sie werden mir nicht glauben.
Er weigerte sich, zu antworten, und ich trieb ihn, zu sprechen. Ich entlockte ihm in der That unglaubliche Dinge. Ich mußte ihm schwören, wie der König, daß ich sie nicht wiederholen wolle, und in der That würde ich nicht wagen, es zu thun, erstens Viard's wegen, den dies compromittiren würde, und dann, weil ich Furcht hege, daß man meine Leiche wieder aufgraben und auf den Schindanger werfen möchte. Dieser Zauberer sollte nicht ruhig schlafen nach solchen Prophezeiungen.
Uebrigens, um mit ihm abzuschließen, habe ich ihn bis gegen Ende des letzten Jahres ziemlich oft gesehen, aber eines Tages verschwand er plötzlich, und Niemand weiß, was seitdem aus ihm geworden ist; lange suchte man ihn vergebens, und die Nachbarn behaupten, daß der Teufel ihn geholt hat; so viel ist gewiß, daß sein Haus leer und geschlossen ist.
Ich glaube, er hat zu viel gesprochen, und die Bastille konnte mehr von ihm sagen.
Einige Zeit nach diesem Souper, wobei der Beschwörer eine so große Rolle spielte, reiste ich nach Chanteloup ab, denn es war in der Mode, zu Herrn und Frau von Choiseul zu gehen, die auf ihr Landgut verbannt waren, und der Weg glich einer Procession. Man kennt meine Freundschaft für sie, das Band der Verwandtschaft, welches uns vereinte, oder wenigstens die Verbindung, die zwischen unseren Familien herrschte, denn die Verwandtschaft war nur eingebildet. Seit langer Zeit hatte ich das Verlangen, einige Tage mit meiner lieben Großmama und meinem lieben Großpapa zuzubringen. Ich weiß nicht warum, Herr Walpole wollte mich daran verhindern, ich hatte die Partie mit dem Bischof von Arras verabredet, aber zum Theil wegen meiner Rücksicht für meinen englischen Freund, zum Theil wegen meines Alters und der Langeweile und der Traurigkeit, die es mit sich führt, und wegen der Unbequemlichkeit, sich im hohen Alter wie ein Pflasterstein den Leuten an den Kopf zu werfen, hatte ich darauf verzichtet.
Eines Tages trank Frau von Mirepoix bei mir Thee, als ich den Bischof von Arras ankommen sah.
– Ah! Sie sind in Paris, hochwürdigster Herr? sagte ich zu ihm; und seit wann?
– Seit gestern Abend, Frau Marquise.
– Werden Sie lange hier bleiben?
– Je nachdem Sie befehlen.
– Wieso?
– Ich komme. Ihnen den Vorschlag zu machen, unser altes Vorhaben auszuführend
– Ich habe es aufgegeben.
– Warum denn?
Ich sagte ihm meine Gründe.
– Ah! mein Gott! welche Thorheit! versetzte er. Sie befinden sich sehr gut; also ist Ihr Gesundheitszustand kein Hinderniß; Sie werden Stärke genug haben um die Reise auszuhalten. Sie werden dreimal, viermal, fünfmal, wenn es sein muß, unterwegs übernachten. Wenn Sie Beschwerde empfinden, werden Sie Ihren Weg nicht fortsetzen und ich führe Sie in Ihre Wohnung zurück; wir werden zwei Wagen haben, der meine, welcher sehr groß ist, wird für Ihre beiden Kammerdiener und die meinigen und für Ihre Packete sein; wir bleiben nur so lange, wie Sie es für angemessen halten. Diese Reise wird in jeder Hinsicht sehr wohlthätig für Sie sein.
Die Marschallin war auch dieser Meinung, man bestimmte mich und wir reisten, der Bischof und ich, in meiner Berliner Kutsche ab; wir hielten zweimal an und kamen am dritten Tage in Chanteloup an.
Ich wurde mit offenen Armen empfangen, man kann nicht liebenswürdiger sein, als meine lieben Verwandten. Ich fand dort Frau von Brionne, das Fräulein von Lorraine, die Damen von Luxembourg, von Lauzün, du Chatelet und von Ligne, die Herren von Castellane, von Boufflers, von Bezenval und einige Schweizer, überdies den Abbé Barthelemy, der als Schloßbeamter fungirte. Die: Herzogin von Grammont, Schwester des Herrn von Choiseul, war anwesend.
Ich habe einige Worte von dieser Reise und von dieser beispiellosen Verbannung eines Ministers sagen wollen, den alle Hofleute ungeachtet seiner Ungnade besuchten, und dann gefiel mir dieses Leben in Chanteloup unendlich. Chanteloup ist ein schönes Schloß, für die Prinzessin des Urfins erbaut, die bei ihrer Rückkehr aus Spanien davon geträumt hatte, es zu einem unabhängigen Fürstenthume zu machen, und die nichts gespart hatte, wie ich versichern kann. Da war eine zahlreiche Dienerschaft, eine Menge großer Herren, prächtige Gärten, eine Bewirthung wie bei einem Finanzminister und Alles, was das Leben angenehm macht.
Am Morgen beschäftigte man sich in seinem Zimmer, wie man wollte. Um ein Uhr fand das Frühstück statt, wobei man nicht genöthigt war zu erscheinen. Frau von Choiseul hielt nachher ihren Salon und man blieb nicht da, wenn man es vorzog, anderswo zu sein. Um fünf Uhr war Jagd oder Spazierfahrt, um acht Uhr das Souper und man ging zu Nette, wenn man wollte; man spielte, man plauderte, man las mit vollständiger und unbedingter Freiheit. Man machte einander keine Complimente, man stand Niemands wegen auf, man sprach, mit wem man wollte; es waren achtzehn oder zwanzig Personen bei Tafel, man setzte sich nach Gefallen nieder, man erwartete einander nicht, und wenn man zu spät kam, wurde nicht darauf geachtet.
Man erhielt die Briefe, wenn man von der Tafel aufstand, man las sie in einem Winkel und theilte einander seine Nachrichten mit, dann spielte man mit wem man wollte oder man spielte auch nicht, was Jedem völlig freistand, wie das Uebrige.
Dann plauderte man, und zwar bis zu einer späten Stunde. Herr von Choiseul beschäftigte sich mit seiner Landwirthschaft, kaufte und verkaufte Holz und Vieh; er beschäftigte sich nicht mehr mit der Politik, als mit China. Er wäre nie so glücklich gewesen, wiederholte er vom Morgen bis zum Abend.
– Meiner Treu, Enkelin, meine Feinde haben mir einen Dienst geleistet.
Sie hatten es nicht ausdrücklich in jeder Rücksicht gethan, und er durfte ihnen nicht dafür dankbar sein. Man glaubte an eine schreckliche Trostlosigkeit von seiner Seite, und er bewies, daß er der wahre Weise sei.
Ich kehrte, nachdem ich fünf Wochen,in Chanteloup zugebracht, nach Paris zurück, und ich fand dort einen Brief von Herrn Walpole, worin er mir heftige Vorwürfe machte, immer in dem Glauben, daß man mich für verliebt in ihn halten würde, und daß ich zu zärtlich wäre.
Ich bitte ihn deshalb sehr um Verzeihung, aber das ist eine große Thorheit!
Zehntes Kapitel
Wenn sechzig Jahr' du trägst auf deinem Rücken,
Mach' zu gefallen keinen Anspruch mehr,
Sonst möchte dir das Gegentheil begegnen
Und du erregen Abscheu statt der Liebe.
Zu mildern deine tiefe Traurigkeit,
Die als Begleiterin des Alters kommt,
Gib dich behaglich jetzt der Trägheit hin
Und rechne nur auf dich.
Ich antwortete dem Herrn Walpole mit diesem Couplet, und da er vor allen Dingen das liebt, was man ihm verweigert, begann er, da er sah, daß er mich nicht anders quälen könne, seine gewöhnliche Correspondenz wieder, ohne aufzuhören, mich zu schelten, um nicht die Gewohnheit zu verlieren.
Um diese Zeit starb Frau von Talmont, bei welcher ich ein wenig verweilen werde, und ich kann nicht umhin, in dieser Hinsicht einen Brief des Herrn Walpole anzuführen, ganz voll Geist und Humor. Er vereinte ihn mit dem Portrait der Prinzessin, welches ich entworfen hatte, und ich habe Beides aufbewahrt. Hier ist er:
»Sie war in Polen geboren und mit der Königin Maria Leczinska verwandt, mit welcher sie nach Frankreich kam, wo sie einen Prinzen vom Hause Bouillon heirathete, der sie als Wittwe zurückließ. Um der guten Königin zu gefallen, spielte sie in der letzten Zeit ihres Lebens die Fromme, während sie in ihrer Jugend, um sich selber genug zu thun, die Galante gespielt hatte. Ihr letzter Liebhaber war der junge Prätendent gewesen, dessen Portrait sie auf einem Armbande trug, dessen entgegengesetzte Seite das Bild Jesu zeigte. Als Jemand fragte welche Beziehung zwischen diesen beiden Portraits herrsche, antwortete die Gräfin von Rochefort (spätere Herzogin von Nivernois):
»– Die Stelle im Evangelium: Mein Reich ist nicht von dieser Welt.
»Als ich mich im Jahre 1765 in Paris befand und den Brief an Rousseau unter dem Namen des Königs von Preußen geschrieben hatte, der so viel Aufsehen machte, bat die Prinzessin von Talmont die verwittwete Herzogin von Aiguillon, mit welcher ich sehr bekannt war, mich zu ihr führen zu dürfen.
»Wir fanden sie im Luxembourg in einem großen Saale, mit altem rothen Damast ausgeschlagen; mit einigen alten Portraits alter Könige von Frankreich, und nur von zwei Wachskerzen erleuchtet.
»Die. Dunkelheit war so groß, daß ich, als ich mich der Prinzessin näherte, die in einem zurückgezogenen Winkel des Saales auf einem kleinen Sopha, von polnischen Heiligen umgeben, saß, an den Hund, die Katze, an ein Tabouret und einen Spucknapf anstieß, und als ich endlich bis zu ihr gelangte, wußte sie mir kein Wort zu sagen. Nach einem Besuche von zwanzig Minuten bat sie mich, ihr ein weißes Windspiel zu verschaffen, gleich denen, die sie verloren hatte, und die ich nie gesehen.
»Ich versprach Alles und nahm Abschied, ohne mehr an sie, an ihre Windspiele und an mein Versprechen zu denken.
»Drei Monate später, in dem Augenblick, als ich Paris verlassen wollte, brachte mir ein schweizerischer Domestik, der mir diente, ein schlechtes Bild von einem Hunde und einer Katze in mein Ankleidezimmer.
»– Sie sind doch nicht so einfältig, zu glauben, sagte ich zu ihm, daß ich ein solches Bild würde kaufen wollen?
»– Kaufen! es ist in der That nicht zu verkaufen, mein Herr; es kommt von der Frau Prinzessin von Talmont, und hier ist ein Billet dazu.
»Sie erinnerte mich an mein Versprechen, und damit ich mich in den Abzeichen ihrer armen verstorbenen Diana nicht irren und im Stande sein möchte, ihr einen ganz genau ähnlichen Hund wieder zu verschaffen, schickte sie mir das Portrait desselben und fügte hinzu, daß ich ihr das Bild zurückschicken müsse, welches sie um die Welt nicht hergeben würde.«
Diese in ihren alten Tagen so lächerliche Prinzessin von Talmont hatte in ihrer Jugend bewundernswürdige Abenteuer gehabt. Ihr Liebesverhältniß mit Karl Eduard hatte eine Entwicklung, die ich erzählen will, denn die Thatsache ist wenig bekannt, und ich habe sie aus guter Quelle; es war in der That ihre letzte Liebe, und sie widmete derselben ihr ganzes Leben. Wir liebten nicht so in Frankreich.
Frau von Talmont hatte, wie ich nicht verschweigen kann, viele Liebhaber gehabt; sie war in der Gesellschaft wenig beliebt wegen ihrer übertriebenen Eitelkeit, und ich habe in ihrer Jugend ein Portrait von ihr entworfen, worin ich sie gehörig mißhandelte. Ich will nur diesen Satz, den wahrsten und gewissesten aufbewahren.
»Sie gefällt, sie stößt ab: man liebt sie, man haßt sie; man sucht sie, man weicht ihr aus.«
Wir waren alle mehr oder weniger eifersüchtig auf sie wegen ihrer wunderbaren Erfolge bei den Männern, die sie anbeteten. Man konnte ihr indessen eine Großmuth und einen Adel der Gesinnung nicht absprechen, was sie in ihrem ganzen Leben bewies. Sie begann die Zurückgezogenheit zu suchen; sie war dreißig, und Einige sagen sogar sechs und dreißig Jahre alt, als sie in Paris den Prinzen Karl Eduard Stuart kennen lernte, der seine Expedition nach England vorbereitete. Sie fand ihn schön, sie wurde von ihm geliebt, doch hatte sie zahlreiche berühmte und unbekannte Nebenbuhlerinnen Wie alle Helden liebte der Prinz die Frauen leidenschaftlich; es scheint, als ob der Ruhm vorzugsweise Diejenigen aufsuche, die unserem Geschlechte aufrichtige Huldigungen darbringen.
Die Prinzessin erhielt die Mittheilung seiner Plane, die unter der Hand von Frankreich, welches immer dem Hause Hannover feindlich war, unterstützt wurde. Die Königin machte ihrer Cousine einige leise Bemerkungen, als sie die neue Intrigue erfuhr, auf welche diese sich einließ.
– Alles hat ein Ende, sagte sie zu ihr, darum nehmen Sie sich in Acht! man entschuldigt Vieles bei einer Frau, über die man spottet, wenn ihre Jugend dahin ist. Dieser Prinz könnte Ihr Sohn sein, er kann Sie nicht lieben, entsagen Sie also seiner.
Sie that es nicht; im Gegentheil wurde sie nun noch leidenschaftlicher und erklärte ihrem Geliebten, wenn er Geld bedürfe, würde sie selbst ihr Hemd verkaufen und ihm den Ertrag dafür geben.
Karl Eduard nahm es nicht ausdrücklich an, doch schlug er es mit so viel Erkenntlichkeit aus, daß sie ihm im Verhältniß zu ihrem Vermögen sehr beträchtliche Summen schickte. Glücklicherweise konnte sie nicht Alles veräußern.
Als er nach England abreiste, bekam sie eine Krankheit, die sich in die Länge zog, und als sie geheilt war, entfloh sie insgeheim aus ihrem Hause, auf welches sie sich in Folge der Anordnung der Aerzte hatte beschränken müssen, Sie verkleidete sich, nahm einen polnischen Bedienten und ein polnisches Kammermädchen mit, welche beide Leibeigene waren, und ging nach Calais, wo sie schneller Nachrichten von ihrem Idol haben konnte. Ihr Entschluß war gefaßt, zu ihm zu gehen, wenn er siege, und ihn zu erwarten, wenn es ihm nicht gelinge.
Das Leben dieses jungen Prinzen ist ein Roman, sowie Alles, was damit in Verbindung steht. Man erfuhr die Siege der Partei der Stuarts; die Prinzessin wurde von ihrem Glück berauscht, verlangte ihre Sachen und bereitete sich vor, über das Meer zu gehen; plötzlich verbreitet sich das Gerücht von der Niederlage bei Culloden, die schottische Armee wird zerstreut und man weiß nicht, was aus dem Prätendenten geworden ist.
Bei dieser Nachricht war Frau von Talmont nicht unentschlossen. Anstatt zu weinen und zu seufzen, wie es eine gewöhnliche Frau gethan hätte, handelte sie. Sie hielt, wie sie es nannte, einen Nothpfennig in der Reserve: sie suchte Matrosen auf, gab ihnen, was sie verlangten, miethete ein Fahrzeug, ging nur von ihren Polen begleitet an Bord und wollte an den englischen Küsten hin und her fahren, um zu versuchen, ihn aufzunehmen. Sie hatte ihn schon vor langer Zeit benachrichtigt, daß er sie im Fall des Mißlingens auf ihrem Posten finden würde und daß er auf sie rechnen könne.
Das Meer war sehr aufgeregt und der Untergang höchst wahrscheinlich, aber nichts schreckte sie zurück, sie besaß einen Löwenmuth.
– Wir müssen umkehren, sagten die Matrosen; bei solchem Wetter wird Niemand kommen; keine Barke kann sich auf dem Meer halten und wir müssen umkommen.
Sie drohte ihnen mit den Pistolen, die sie nicht aus den Händen ließ, und zwang sie, zu bleiben, bis sie selber die Hoffnung verloren hatte. Entweder war der Prinz gefangen genommen worden, oder er hatte eine andere Gelegenheit benutzt; das Klügste war also, nach Calais zurückzukehren, um Nachrichten zu erhalten. Man sprach nur von dem Prätendenten und von der fremden Dame, die ihm nachlaufe. Alle Nachrichten stimmten überein: er war eben auf einem spanischen Fahrzeuge im Begriff, in Frankreich anzukommen, wo man ihn vielleicht sehr übel empfangen würde. Es handelte sich zuerst darum, ihn zu verbergen, und dann, den König von seiner Rückkehr in Kenntniß zu setzen, der sich nicht öffentlich in die Angelegenheiten seiner Nachbarn mischen wollte, ungeachtet des Krieges, den er seit mehreren Jahren so glänzend führte.
Der Herzog von Richelieu war in Calais und commandirte ein Armeecorps, welches dorthin geschickt worden war, um den Prätendenten zu unterstützen, zu verhindern, daß die Küsten Englands von Truppen zu entblößt würden, und ihm folglich mehr Leichtigkeit, zu handeln, zu gewähren, indem man ihn von seinen Feinden befreite. Der Zweck wurde nicht eingestanden, obwohl man ihn errieth.
Der Herzog von Richelieu suchte die Prinzessin auf, die sich verbarg, und wendete alle Mittel an, sie nach Paris zurückzuschicken, aber sie weigerte sich bestimmt.
– Ich will ihn bei seiner Ankunft empfangen, da ich nichts Besseres habe thun können. Ich werde ihn in. seinem Unglück nicht verlassen.
– Prinzessin, er hat ein Frauenzimmer bei sich.
– Das ist falsch; übrigens wird er sie verlassen desto schlimmer für sie!
– Er wird sie nicht verlassen; sie ist schön und jung und sie ist ihm überall gefolgt.
– Und ich, was bin ich denn? Was habe ich denn gethan? Ist er ein Undankbarer?
– Die Männer und besonders die Prinzen sind ein wenig diesem Fehler unterworfen, das werden Sie sich nicht verbergen, Madame.
– Mein Herr, Sie beurtheilen alle Welt nach sich.
– O nein! ich thue aller Welt diese Ehre nicht an. Er verlor dort seine Zeit; sie ging wieder in eine Fischerhütte am Ufer des Meeres, schlief weder bei Tage noch bei Nacht, beobachtete das Meer und ließ keine Nußschale vorüber, ohne sie zu untersuchen.
In einer Nacht bei einem entsetzlichen Sturme ging sie mit einer Laterne, die der Pole trug, am Ufer dahin. Der arme Mann war nicht verliebt und ertrug dies Alles, ohne sich zu beklagen; er setzte jeden Augenblick auf den Befehl seiner Herrin seinen Hals aufs Spiel.
Von Zeit zu Zeit erhob er seine Stocklaterne und schrie aus voller Kehle; nie sah man einen Polen in einer solchen Lage. Zwischen zwei Windstößen glaubten sie ein Geschrei zu hören.
– Da ist er! sagte sie; man muß ihn retten! Er muß es sein!,
Es schien wahrscheinlich, daß der Prinz auf einer Barke ankommen und das spanische Schiff ihn nicht geradezu in den Hafen führen würde! Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß er so als Abenteurer kommen würde, nichts konnte sie vom Gegentheil überzeugen, und da setzte sie alle Leute an der Küste in Bewegung und bot unermeßliche Summen an, um ein Boot aufs Meer zu setzen.
Sie fand drei Männer kühn genug, um es zu wagen. Einer von ihnen war ein Lotse. Sie wollte ihnen folgen.
– Ich werde Euch zeigen, daß Ihr Feiglinge seid sagte sie zu den Anderen; Ihr sollt sehen, was der Muth einer Frau vermag.
Sie stieg unerschrocken zuerst ein, ohne irgend eine Gegenvorstellung anhören zu wollen. Ihr Herz gab ihr Muth, Nach tausend Gefahren trafen sie eine Schaluppe, worin sich nur zwei Männer befanden, der Prätendent und ein Matrose, und der Erstere wollte insgeheim ans Land gehen, um Herrn von Richelieu zu sprechen und von ihm bestimmt die Absichten des Königs zu erfahren, ehe er öffentlich seinen Fuß auf französischen Boden setzte. Er würde umgekommen sein, wenn sie ihm nicht zu Hilfe gekommen wäre; seine Barke hatte einen Leck bekommen, und sein Begleiter hatte nicht die nöthige Erfahrung für ein Unternehmen dieser Art in Noth. und Gefahr.
Man kann sich die Ueberraschung des Prinzen vorstellen, als er Frau von Talmont unter den Kleidern einer Fischerin erkannte. Er konnte seinen Augen nicht trauen und fühlte sich in großer Verlegenheit, denn die schöne Miß war auf dem spanischen Schiffe geblieben; es war die Verlegenheit des Reichthums. Die Prinzessin trug kein Bedenken, sich ihm zu erkennen zu geben und ihn vor ihren Leuten zu umarmen; sie hatte ihn rechtmäßig gewonnen!
Man gab die Schaluppe auf und die Barke führte sie ans Land, von den Wogen hin und her geschüttelt, wie eine Pflaume am Ende eines Zweiges unter den Händen eines Gassenjungen. Das Schiff des Prinzen war zwei Seemeilen weit auf der See geblieben, und bei seinem Streiche hatte er die Rechnung ohne den Sturm gemacht; übrigens gehörte er nicht zu Denen, die sich durch ein Hinderniß aufhalten lassen, mochte es nun von den Menschen oder von Gott kommen.