Kitabı oku: «Die beiden Dianen», sayfa 60
XXVII.
Ein Glaubensakt
Obgleich die Verschworenen in das Manifest, das man unter den Papieren von la Renaudie fand, die ausdrückliche Erklärung, sie werden weder gegen die Majestät des Königs, noch gegen die Prinzen von Geblüt, noch gegen den Stand des Reiches etwas versuchen, einfügten, hatte man sie doch in offenem Aufruhr ergriffen, und sie mußten des Schicksals der Besiegten bei den Bürgerkriegen gewärtig sein.
Die Art und Weise, wie die Religionsgenossen behandelt worden waren, als sie sich als friedfertige und getreue Unterthanen benahmen, mußte ihnen wenig Hoffnung auf Begnadigung lassen.
Der Cardinal von Lothringen betrieb in der That ihre Verurtheilung mit einer ganz kirchlichen, wenn auch nicht ganz christlichen Leidenschaftlichkeit.
Er beauftragte mit dem Prozeß der in diese traurige Angelegenheit verwickelten adeligen Herren das Parlament von Paris und den Kanzler Olivier. Die Sache ging auch in raschem Zug. Die Verhöre wurden mit aller Eile geführt und die Sprüche noch viel rascher gefällt.
Man überhob sich sogar der leeren Förmlichkeiten für die kleinen Frevler der Rebellion, Leute ohne Gewicht, welche man in Amboise jeden Tag räderte oder aufhenkte, ohne das Parlament damit belästigen zu wollen. Die Ehre und die Mühewaltungen eines gerichtlichen Verfahrens wurden nur den Leuten von Stand und von einigem Ruf gegönnt.
Durch den frommen Eifer von Carl von Lothringen war auch für diese in weniger als drei Wochen Alles beendigt.
Der 15. April wurde zur öffentlichen Hinrichtung in Amboise von siebenundzwanzig Baronen, eilf Grafen und sieben Marquis, im Ganzen von fünfzig Edelleuten und Häuptern der Reformierten, anberaumt.
Man versäumte nichts, um dieser seltsamen religiösen Feierlichkeit allen Glanz und alles wünschenswerthe Gepränge zu geben. Ungeheure Vorbereitungen wurden getroffen. Von Paris bis Nantes stachelte man die allgemeine Neugierde durch die Mittel der Veröffentlichung an, welche in jener Zeit gebräuchlich waren, nämlich dadurch, daß die Hinrichtung von der Kanzel durch die Prediger und Pfarrer verkündigt wurde.
Am genannten Tag wurden drei zierliche Tribünen, von denen die in der Mitte, die kostbarste. der königlichen Familie vorbehalten war, an der Plattform des Schlosses angebracht, unter dem die blutige Vorstellung stattfinden sollte.
Um den Platz her waren aus Brettern aufgeschlagene Gerüste von allen den Gläubigen der Umgegend besetzt, die man gutwillig oder mit Gewalt zusammenbringen konnte. Die Bürger und Bauern, die einen Widerwillen gegen dieses Schauspiel hätten haben können, wurden durch Drohung oder Bestechung demselben beizuwohnen gezwungen. Man erließ den Einen ihre Geldbußen, man machte Miene, den Andern ihre Plätze, ihre Meisterrechte und ihre Privilegien zu nehmen. Alle diese Beweggründe führten, verbunden mit der Neugierde einerseits und mit dem Fanatismus andererseits, einen solchen Zufluß von Menschen nach Amboise, daß am Vorabend des unseligen Tages mehr als zehntausend Personen in der Umgegend auf dem Felde lagern mußten.
Am Morgen des 15. April waren die Dächer der Stadt mit Volk belastet, und die Fenster, welche nach dem Platz gingen, wurden bis um zehn Thaler, eine für jene Zeit ungeheure Summe, vermiethet.
Ein großes, mit schwarzem Tuch bedecktes, Schaffot war mitten auf dem Platz errichtet. Man stellte darauf den Chouquet oder Block, auf den jeder Verurtheilte niederknieend seinen Kopf legen mußte. Ein schwarz behängter Lehnstuhl, der ebenfalls auf dem Blutgerüste stand, war für den Gerichtsschreiber bestimmt, der hinter einander die Edelleute aufzurufen und mit lauter Stimme ihren Spruch zu verlesen hatte.
Der Platz wurde von der schottischen Compagnie und von den Gendarmen des Königs bewacht.
Nach einer feierlichen Messe in der Florentins-Kapelle führte man die Verurtheilten zum Fuß des Schaffots. Mönche standen ihnen bei und suchten sie zur Verzichtleistung auf ihre religiösen Grundsätze zu bewegen; doch nicht einer von den Hugenotten willigte zu diesem Abfall vor dem Tod ein; Alle weigerten sich, den Mönchen zu antworten, unter denen sie Spione des Cardinals von Lothringen vermutheten.
Indessen füllten sich die Tribünen des Hofes, mit Ausnahme der mittleren. Der König und die Königin, denen man beinahe ihre Einwilligung, der Hinrichtung beizuwohnen, entreißen mußte, hatten wenigstens das erlangt, daß sie erst gegen das Ende und nur der Todesstrafe der vornehmsten Anführer beiwohnen durften. Doch sie mußten kommen, und das war Alles, was der Cardinal verlangte. Arme königliche Kinder! arme gekrönte Sklaven! auch ihnen hatte man in Beziehung auf ihre Stellen und Privilegien bange gemacht.
Um die Mittagsstunde begann die Hinrichtung.
Als der erste von den Reformierten die Stufen des Schaffots bestieg, stimmten seine Gefährten einen französischen Psalm, übersetzt von Element Marot, an, sowohl um demjenigen welchen man hinrichtete, einen letzten Trost zuzusenden, als um ihre Beharrlichkeit ihren Feinden und dem Tod gegenüber darzuthun.
Sie sangen am Fuße des Schaffots:
Der Herr sei milde uns und gnädig,
Was er verheißt, bleib’ ewig wahr,
Barmherzig sei der Herr und gütig,
Sein Antlitz leucht’ uns immerdar.
Ein Vers begleitete jedes fallende Haupt. Doch jedes Haupt, das fiel, bildete eine Stimme weniger im Chor:
Um ein Uhr waren nur noch zwölf Edelleute, die vornehmsten Führer der Verschwörung, übrig.
Da trat eine Pause ein; die zwei Henker waren müde und der König kam.
Franz II. war nicht mehr bleich, er war leichenfarbig. Maria Stuart nahm ihren Platz zu seiner Rechten, die Königin Mutter, Catharina von Medicis, zu seiner Linken.
Der Cardinal von Lothringen stellte sich neben die Königin Mutter und man brachte den Prinzen von Condé an die Seite der jungen Königin.
Als der Prinz, beinahe ebenso bleich als der König, auf der Estrade erschien, begrüßten ihn die zwölf Verurtheilten.
Ernst erwiderte er diesen Gruß.
»Ich habe mich stets vor dem Tode geneigt,« sagte laut.
Der König wurde übrigens, so zu sagen, mit weniger Ehrerbietung aufgenommen, als der Prinz von Condé. Kein Zuruf erhob sich Anfangs bei seiner Erscheinung. Er bemerkte es wohl und sagte die Stirne faltend:
»Ah! ich bin Euch gram, Herr Cardinal, daß Ihr mich hierherzukommen veranlaßt habt.«
Carl von Lothringen erhob indessen die Hand, um das Ergebenheitssignal zu machen, und einige zerstreute Stimmen riefen in der Menge:
»Es lebe der König!«
»Hört Ihr, Sire?« sagte der Cardinal.
»Ja,« antwortete der König, traurig den Kopf schüttelnd, »ich höre einige Ungeschickte, die das allgemeine Stillschweigen nur um so bemerkbarer machen.«
Mittlerweile füllte sich der übrige Theil der königlichen Tribüne. Die Brüder des Königs, der päpstliche Nuntius, die Herzogin von Guise waren nach und nach eingetreten.
Dann kam der Herzog von Nemours, ebenfalls sehr angegriffen und wie von einer Reue erschüttert.
Endlich stellten sich im Hintergrund zwei Männer auf, deren Gegenwart an diesem Ort und in diesem Augenblick nicht minder seltsam war, als die des Prinzen von Condé.
Diese zwei Männer waren Ambroise Paré und der Graf von Montgommery. Ganz verschiedene Pflichten führten diese Beiden hierher.
Ambroise Paré war vor einigen Tagen vom Herzog von Guise, den die Gesundheit seines königlichen Neffen beunruhigte, nach Amboise berufen worden, und nicht weniger unruhig als ihr Oheim, bat Maria Stuart, als sie Franz schon bei dem Gedanken an das Auto da fe so niedergeschlagen sah, den Arzt, sich in der Nähe aufzuhalten und dem König im Fall einer Ohnmacht beizustehen.
Was Gabriel betrifft, so wollte er noch einen äußersten Versuch machen, wenigstens einen der Verurtheilten zu retten, den das Beil zuletzt treffen sollte. Dies war der junge und brave Castelnau von Chalosses, den er durch seinen Rath unwillkürlich in diese gräßliche Lage gebracht zu haben sich vorwarf.
Castelnau hatte sich, wie man sich erinnern wird, nur auf das geschriebene und unterzeichnete Wort des Herzogs von Nemours, der ihm Freiheit und Leben gesichert ergeben.
Doch sogleich nach seiner Ankunft in Amboise hatte man ihn in einen Kerker geworfen, und heute sollte er zuletzt, als der Schuldigste, enthauptet werden.
Man muß indessen gegen den Herzog von Nemours gerecht sein. Als er seine Unterschrift so mißachtet sah, gerieth er ganz außer sich vor Zorn und Verzweiflung und seit drei Wochen ging er vom Cardinal von Lothringen zum Herzog von Guise, und von Maria Stuart zum König, die Freiheit seines Ehrengläubigers fordernd, erbittend, erflehend. Doch der Kanzler Olivier, zu dem man ihn schickte, erklärte ihm, wie Herr von Vieilleville sagt: »ein König sei durchaus nicht gebunden durch sein Wort gegen einen rebellischen Unterthan, noch durch irgend ein Versprechen, das in seinem Namen geleistet worden.« Was ein großes Herzeleid dem Herzog von Nemours bereitete, welcher sich, fügt der Chronikschreiber naiver Weise bei, »nur wegen seiner Unterschrift quälte, denn was sein Wort betrifft, so würde er Jedermann Lügen gestraft haben, wer es ihm hätte vorwerfen sollen, ohne alle Ausnahme, abgesehen von Seiner Majestät allein, ein so tapferer und hochherziger Prinz war er!«
Wie Gabriel, war der Herzog von Nemours zu dem Schauspiel der Hinrichtung, das für ihn noch viel furchtbarer, als für jeden Andern sein mußte, durch eine geheime Hoffnung, Castelnau noch in der letzten Minute zu retten, geführt worden.
Doch mit seinen Kapitänen, unten an der Tribune zu Pferde, machte der Herzog von Guise den Scharfrichtern ein Zeichen, und einen Augenblick unterbrochen, begannen die Enthauptungen und das Singen der Psalmen wieder.
In weniger als einer Viertelstunde fielen acht Köpfe.
Die junge Königin war einer Ohnmacht nahe. Es blieben am Fuße des Schaffots nur noch vier Verurtheilte.
Der Gerichtsschreiber rief mit lauter Stimme:
»Albert Edmund Roger, Graf von Mazères, schuldig der Ketzerei, des Verbrechens der Majestätsbeleidigung und des Angriffs mit gewaffneter Hand gegen die Person des Königs.«
»Das ist falsch!« rief auf dem Schaffot der Graf von Mazères.
Dann dem Volk seine geschwärzten Arme und seine durch die Folter eingedrückte Brust zeigend, fügte er bei:
»Seht, in diesen Zustand hat man mich im Namen des Königs versetzt. Aber ich weiß, daß ihm dies unbekannt ist, und rufe nichtsdestoweniger. Es lebe der König!«
Sein Haupt fiel:
Die drei letzten Reformierten, welche am Fuß des Schaffots warteten, wiederholten den ersten Vers des Psalmen:
Der Herr sei milde uns und gnädig,
Was er verheißt, bleib’ ewig wahr,
Barmherzig sei der Herr und gütig,
Sein Antlitz leucht’ uns immerdar.
Der Gerichtsschreiber fuhr fort:
»Jean Louis Alberic Baron von Raunay, schuldig der Ketzerei, des Verbrechens der Majestätsbeleidigung und des Angriffs mit gewaffneter Hand gegen die Person des Königs.«
»Du und Dein Cardinal, Ihr lügt wie zwei armselige Schufte,« sagte Raunay, »gegen ihn und seinen Bruder allein haben wir uns bewaffnet. Ich wünsche Ihnen, daß sie Beide so ruhig und rein sterben mögen als ich.«
Dann legte er sein Haupt auf den Block.
Die zwei letzten Verurtheilten sangen:
Gott setzet uns auf heiße Probe,
Wie Silber in des Feuers Gluth,
Und läutert uns zu seinem Lobe,
Und was er thut, ist ewig gut.
Der Gerichtsschreiber fuhr in seinem blutigen Aufruf fort:
»Robert Jean René Briquemaut, Graf von Villemongis, schuldig der Ketzerei, des Verbrechens der Majestätsbeleidigung und des Attentats auf die Person des Königs.«
Villemongis tauchte seine Hände in das Blut von Raunay, erhob sie zum Himmel und rief:
»Himmlischer Vater, das ist das Blut Deiner Kinder! Du wirst Rache dafür nehmen.«
Und er sank todt nieder.
Castelnau blieb allein und sang:
Du ließest uns vom Feind umschlingen
Mit Netz und Banden, Garn und Strick,
Doch mein Gebet wird zu Dir dringen,
Es lächelt mir Dein Gnadenblick.
In der Hoffnung, Castelnau zu retten, hatte der Herzog von Nemours Gold ausgestreut. Der Gerichtsschreiber und selbst die Henker waren bei seiner Rettung betheiligt. Der erste Henker erklärte sich für erschöpft, der zweite nahm seine Stelle ein. Es entstand nothwendig eine Unterbrechung.
Gabriel benützte diese, um den Herzog zu neuen Bemühungen aufzufordern.
Jacob von Savoyen neigte sich zu der Herzogin von Guise herab, mit der er, wie man sagte, in einem sehr vertrauten Verhältniß stand, und flüsterte ihr ein Wort ins Ohr. Die Herzogin hatte viel Einfluß auf den Geist der jungen Königin.
Sie erhob sich alsbald, als könnte sie dieses Schauspiel nicht mehr ertragen, und sagte laut genug, um von Maria gehört zu werden:
»Ah! das ist zu gräßlich für Frauen! Seht Ihr, es wird der Königin übel. Entfernen wir uns.«
Doch der Cardinal von Lotbringen heftete seinen strengen Blick auf seine Schwägerin und sprach mit hartem Tone:
»Etwas mehr Festigkeit, Madame. Bedenkt, daß Ihr vom Blut der Este und die Frau des Herzogs von Guise seid.«
»Ei! das ist es gerade, was mir so große Pein macht!« entgegnete die Herzogin, »Nie hatte eine Mutter mehr Grund, sich zu betrüben. All dieses Blut und all dieser Haß werden auf unsere Kinder zurückfallen.«
»Wie furchtsam sind doch diese Weiber!« murmelte der Cardinal, der feig war.
»Man braucht kein Weib zu sein, um von einem so unseligen Schauspiel erschüttert zu werden,« sprach der Herzog von Nemours. »Ihr selbst, Prinz,« sagte er zu Herrn von Condé, »seid Ihr nicht auch erschüttert?«
»Oh!« entgegnete der Cardinal, »der Prinz ist ein Soldat und gewohnt, den Tod von Nahem zu sehen.«
»Ja, in den Schlachten,« erwiderte muthig der Prinz, »aber auf dem Schaffot, aber mit kaltem Blute, nein!«
»Hat ein Prinz von Geblüt so viel Mitleid für Rebellen?« sagte abermals Carl von Lothringen.
»Ich habe Mitleid,« antwortete der Prinz von Condé, »ich habe Mitleid mit tapferen Officieren, die stets dem König und Frankreich würdig dienten.«
Doch was konnte in seiner Lage der Prinz, der selbst beargwohnt war, mehr sagen und thun? Der Herzog von Nemours begriff dies, wandte sich an die Königin Mutter und sagte, ohne Castelnau zu nennen:
»Madame, es bleibt nur noch ein Einziger übrig. Könnte man nicht wenigstens diesen retten?«
»Ich vermag nichts,« erwiderte Catharina von Medicis und wandte den Kopf ab.
Mittlerweile stieg der unglückliche Castelnau die Stufen der Treppe hinauf und sang:
Der Herr sei milde mir und gnädig,
Was er verheißt, bleib’ ewig wahr,
Barmherzig sei der Herr und gütig,
Sein Antlitz leucht’ mir immerdar.
Tief erschüttert, vergaß das Volk die Furcht, die ihm die Spione und Mouchards einflößten, und schrie einstimmig:
»Gnade! Gnade!«
Der Herzog von Nemours bemühte sich in diesem Augenblick, den jungen Herzog von Orléans zu rühren.
»Monseigneur,« sagte er zu diesem, »vergeßt Ihr, daß es Castelnau ist, der in dieser Stadt Amboise dem seligen Herzog von Orléans, als es in großer Gefahr stand, das Leben rettete?«
»Ich werde thun, was meine Mutter entscheidet,« erwiderte der Herzog von Orléans.
»Aber wenn Ihr Euch an den König wenden würdet?« fragte flehend der Herzog von Nemours. »Ein einziges Wort von Euch . . .«
»Ich wiederhole Euch, daß ich die Befehle meiner Mutter erwarte,« antwortete trocken der junge Prinz.
»Ah! Prinz!« sprach im Ton des Vorwurfs der Herzog von Nemours.
Und er machte Gabriel eine Gebärde der Entmuthigung, des Verzweifelns.
Der Gerichtsschreiber aber las langsam:
»Michel Jean Louis, Baron von Castelnau Chalosses angeklagt und überwiesen des Verbrechens der Majestätsbeleidigung, der Ketzerei und des Attentats auf die Person des Königs.«
Castelnau erhob die Stimme und sprach:
»Ich rufe meine Richter selbst zu Zeugen auf, daß die Aussage falsch ist, wenn es nicht etwa ein Verbrechen der Majestätsbeleidigung sein soll, daß ich mich mit allen meinen Kräften der Tyrannei der Guisen widersetzt habe. Ist die Sache so verstanden, so müßte man damit angefangen haben, daß man sie zu Königen erklärt hätte. Vielleicht wird es noch dahin kommen, doch das ist die Sache derer, welche mich überleben werden.«
Und sich sich an den Scharfrichter wendend, fügte er mit fester Stimme bei:
»Thue nun, was Deines Amtes ist.«
Doch der Scharfrichter, der eine Bewegung auf den Tribünen wahrnahm, stellte sich, um Zeit zu gewinnen, als hätte er an seinem Beil etwas zurechtzurichten, und sagte ganz leise zu Castelnau:
»Dieses Beil ist abgestumpft, Herr Baron, und Ihr seid würdig, wenigstens mit einem Streich zu sterben . . . und wer weiß, ob nicht sogar ein Augenblick mehr? – Mir scheint, es geht dort etwas Gutes für Euch vor.«
Abermals schrie alles Volk:
»Gnade! Gnade!«
Gabriel, der in dieser äußersten Minute jede Zurückhaltung von sich warf, wagte es, Maria Stuart ganz laut zuzurufen:
»Gnade! Frau Königin!«
Maria wandte sich um, sah den schmerzlichen Blick, begriff den verzweifelten Schrei von Gabriel, bog ein Knie vor dem König und sprach:
»Sire, begnadigt wenigstens diesen, aus den Knieen sehe ich Euch an.«
»Sire,« rief der Herzog von Nemours, »ist nicht schon genug Blut geflossen? Und Ihr wißt doch, des Königs Antlitz bringt Gnade.«
Franz, der an allen Gliedern zitterte, schien betroffen von diesen Worten. Er nahm die Hand der Königin.
»Erinnert Euch, Sire,« sprach mit ernstem Ton der Nuntius, um ihn zur Strenge zurückzurufen, »erinnert Euch, daß Ihr der allerchristlichste König seid.«
»Ja, ich erinnere mich dessen,« erwiderte fest König Franz II. »Der Baron von Castelnau ist hiermit begnadigt!«
Aber der Cardinal von Loihringen, der sich stellte, als täuschte er sich in dem Sinn der ersten Königs, hatte schon dem Scharfrichter ein gebietendes Zeichen gemacht.
In dem Augenblick, wo Franz das Wort begnadigt! aussprach, rollte der Kopf von, Castelnau auf die Bretter des Schaffots.
Am andern Tag reiste der Prinz von Condé nach Navarra ab.
XXVIII.
Ein anderes Muster von Politik
Seit dieser unseligen Hinrichtung ging es mit der wankenden Gesundheit von Franz II. immer schlimmer.
Sieben Monate später (am Ende des Novembers 1560), als sich der Hof in Orléans befand wo der Herzog von Guise die Stände zusammenberufen hatte, sah sich der arme siebenzehnjährige König genöthigt, sich zu Bette zu legen.
An diesem Schmerzenslager, wo Maria Stuart betete, wachte und weinte, erwartete das ergreifendste Drama seine Entwicklung durch den Tod oder das Leben des Sohnes von Heinrich II.
Obgleich von anderen Personen erhoben, schwebte doch die Frage ganz zwischen einer bleichen Frau und einem finsteren Mann, welche in der Nacht vom 4. December einige Schritte von dem entschlummerten Kranken und von Maria, die in Thränen zu seinen Häupten weilte, neben einander saßen.
Der Mann war Carl von Lothringen und die Frau Catharina von Medicis.
Die rachsüchtige Königin Mutter, welche Anfangs die Todte gespielt hatte, war seit acht Monaten, seit dem Tumult von Amboise, wohl wieder erwacht.
Man höre mit zwei Worten, was sie in ihrer stets zunehmenden Erbitterung gegen die Guisen gethan hatte:
Sie hatte sich insgeheim mit dem Prinzen von Condé und mit Anton von Bourbon verbunden; sie hatte sich insgeheim mit dem alten Connétable von Montmorency ausgesöhnt. Nur der Haß konnte sie den Haß vergessen machen.
Von ihr angetrieben, hatten ihre neuen und seltsamen Freunde in verschiedenen Provinzen den Gährungsstoff zu Empörungen ausgebreitet, das Dauphiné mit Montbrun, die Provence mit den Brüdern Mouvans aufgewiegelt und durch Maligny ein Angriff auf Lyon versucht.
Die Guisen waren ihrerseits nicht eingeschlafen. Sie hatten in Orléans die Stände zusammengerufen und eine ergebene Majorität für sich gewonnen.
Dann hatten sie zu diesen Ständen, wie es ihr Recht war, den König von Navarra und den Prinzen von Condé gerufen.
Catharina von Medicis sandte den Prinzen Warnung auf Warnung zu und rieth ihnen fortwährend ab, sich ihren Feinden in die Hände zu geben. Doch ihre Pflicht rief sie, und der Cardinal von Lothringen verpfändete ihnen das Wort des Königs für ihre Sicherheit.
Sie kamen nach Orléans.
Am Tage ihrer Ankunft wurde Anton von Bourbon in ein Haus der Stadt verwiesen, wo man ihn aufs Schärfste bewachte, und der Prinz von Condé wurde in ein Gefängniß geworfen.
Dann machte eine außerordentliche Commission dem Prinzen den Prozeß und verurtheilte auf Antrag der Guisen in Orléans denjenigen zum Tod, für dessen Unschuld sich in Amboise der Herzog von Guise auf sein Schwert verbürgt hatte.
Zum Vollzug des Spruches fehlten nur noch ein paar Unterschriften, welche der Kanzler l’Hospital zurückhielt.
So standen am Abend des 4. December die Dinge für die Partei der Guisen, deren Arm der Balafré, deren Kopf der Cardinal und für die Partei der Bourbonen, deren geheime Seele Catharina von Medicis war.
Alles hing für die Einen und für die Andern vom verscheidenden Hauche des gekrönten Jünglings ab.
Konnte Franz II. nur noch einige Tage leben, so war der Prinz von Condé hingerichtet, der König von Navarra durch Zufall in irgend einem Streit getödtet und Catharina von Medicis nach Florenz verbannt. Durch die Stände waren die Guisen Herren und im Nothfall Könige.
Starb im Gegentheil der junge König, ehe sich seine Oheime ihrer Feinde entledigt hatten, so begann der Kampf wieder mit eher ungleichen, als günstigen Chancen für sie.
Was also Catharina von Medicis und Carl von Lothringen voll Angst in dieser kalten Nacht des 4. December in dem Zimmer des Amthauses von Orléans erwarteten und bekannten, war nicht sowohl das Leben oder der Tod ihres königlichen Sohnes und Neffen, als der Sieg oder die Niederlage ihrer Sache.
Maria allein wachte bei ihrem jugendlichen Gemahl, ohne zu bedenken, welchen Verlust für sie sein Tod herbeiführen konnte.
Man darf übrigens nicht glauben, die dumpfe Feindschaft der Königin Mutter und des Cardinals habe sich nach Außen durch ihre Manieren oder durch ihre Reden verrathen. Im Gegentheil, sie hatten sich nie vertrauensvoller gegen einander gezeigt.
Noch in diesem Augenblick unterhielten sie sich, den Schlummer von Franz benützend, in der allerbesten Freundschaft über ihre geheimsten Interessen und ihre innersten Gedanken.
Um sich Beide mit dieser italienischen Weise, Politik zu traiben, in Einklang zu setzen, von der wir schon Muster gesehen haben, hatte Catharina von Medicis stets ihre geheimen Wege verkleidet und Carl von Lothringen hatte sich stets den Anschein gegeben, als bemerkte er nichts davon. So sprachen sie unablässig als Freunde und Verbündete mit einander. Sie waren wie zwei Spieler, die jeder seinerseits gehörig betrügen und sich offen einander mit falschen Würfeln bedienen würden.
»Ja, Madame,« sagte der Cardinal, »ja, dieser hartnäckige Kanzler l’Hospital weigert sich fortwährend, das Todesurtheil des Prinzen zu unterzeichnen. Ah, wie hattet Ihr Recht, Madame, vor sechs Monaten, Euch offen zu widersetzen, daß er der Nachfolger von Olivier wurde! Warum habe ich Euch nicht begriffen?«
»Wie! kann man denn seinen Widerstand durchaus nicht besiegen?« sagte Catharina, welche diesen Widerstand dictirt hatte.
»Ich habe Schmeicheleien und Drohungen angewendet, und ihn unbeugsam gefunden,« erwiderte Carl von Lothringen.
»Aber wenn es der Herzog ebenfalls versuchte?«
»Nichts vermöchte dieses auvergnische Maulthier zu bewegen,« sprach der Cardinal. »Mein Bruder hat übrigens erklärt, er wolle sich in keiner Hinsicht in diese Angelegenheit mischen.«
»Das wird sehr ärgerlich,« sagte Catharina von Medicis entzückt.
»Es gibt indessen ein Mittel, durch das wir uns aller Kanzler der Welt überheben könnten,« sprach der Cardinal.
»Ist es möglich! welches Mittel ist das?« rief die Königin Mutter unruhig.
»Wenn wir den Spruch durch den König unterzeichnen ließen,« erwiderte der Cardinal.«
»Durch den König!« wiederholte Catharina. »Könnte das sein? Hat der König dieses Recht?«
»Ja,« sprach der Cardinal, »wir haben es schon einmal so gemacht, und zwar in derselben Angelegenheit, auf den Rath der besten Gesetzkundigen, als man erklärte, es würde ungeachtet der Weigerung des Prinzen, zu antworten, zum Urtheil geschritten werden.«
»Aber was wird der Kanzler sagen?« rief Catharina wahrhaft beängstigt.
»Er wird murren wie gewöhnlich,« antwortete ruhig Carl von Lothringen, »er wird die Siegel zurückzugeben drohen . . .«
»Und wenn er sie wirklich zurückgibt?«
»Ein doppelter Vortheil! Wir werden von dem unbequemsten Tadler befreit sein,« sagte der Cardinal.
»Und wann sollte dieser Spruch nach Eurem Wunsch unterzeichnet werden?« fragte Catharina nach einer Pause.
»In dieser Nacht, Madame.«
»Und wann würdet Ihr ihn vollstrecken lassen?«
»Morgen.«
Diesmal bebte die Königin.
»In dieser Nacht! morgen! Ihr denkt nicht daran!« sagte sie. »Der König ist zu krank, zu schwach, sein Geist ist nicht frei genug, um nur zu verstehen, was Ihr von ihm verlangen würdet.«
»Er braucht es nicht zu verstehen, wenn er nur unterzeichnet,« sagte der Cardinal.
»Aber seine Hand ist nicht einmal stark genug, um eine Feder zu halten.«
»Man wird sie ihm führen,« erwiderte Carl von Lothringen, glücklich über den Schrecken, den er in den Blicken seiner theuren Feindin wahrnahm.
»Hört,« sprach Catharina ernst. »Ich bin Euch hier eine Kunde und einen Rath schuldig. Das Ende meines armen Sohnes ist näher, als Ihr glaubt. Wißt Ihr, was mir Chapelain, der erste Arzt, gesagt hat? wenn nicht ein Wunder geschehe, glaube er nicht, daß der König morgen Abend noch leben werde.«
»Ein Grund mehr, daß wir eilen,« erwiderte kalt der Priester.
»Ja, aber wenn Franz II. morgen nicht mehr lebt, so regiert Karl IX., ist der König von Navarra vielleicht Regent. Welche furchtbare Rechenschaft wird er nicht von Euch für die entehrende Bestrafung seines Bruders fordern? Werdet Ihr nicht ebenfalls gerichtet, verurtheilt werden?
»Ei! Madame, wer nichts wagt, gewinnt nichts!« rief mit Wärme der trotzige Cardinal. »Was beweist übrigens, daß Anton von Navarra zum Regenten ernannt werden wird? was beweist, daß sich dieser Chapelain nicht täuscht? Der König seht noch! . . .«
»Leiser! leiser, mein Oheim,« sprach Maria, die sich erschrocken erhob. »Ihr werdet den König aufwecken! Ah! Ihr habt ihn schon aufgeweckt!«
»Maria . . . wo bist Du?" fragte in der That die schwache Stimme des Königs.
»Hier, ganz nahe bei Euch, mein süßer Sire,« antwortete Maria.
»Oh! ich leide,« sagte Franz, »Mein Kopf ist wie ein Feuer! dieser Ohrenschmerz wie, ein ewiger Dolchstich! Ich habe nur noch leidend geschlafen. Ah! es ist vorbei mit mir, es ist vorbei!«
»Sagt das nicht! sagt das nicht!« erwiderte Maria, ihre Thränen bemeisternd.
»Das Gedächtniß entgeht mir,« sprach Franz. »Habe ich die heiligen Sacramente empfangen? Ich will sie so bald als möglich haben.«
»Quält Euch nicht, theurer Sir, alle Eure Pflichten sind erfüllt.«
»Ich will meinen Beichtvater, Herrn von Brichanteau, sehen.«
»Sogleich wird er bei Euch sein.«
»Spricht man wenigstens Gebete für mich?« fragte der König.
»Ich habe seit gestern morgen beinahe nicht aufgehört.«
»Arme, liebe Maria. Und wo ist Chapelain?«
»Hier im nächsten Zimmer, bereit, auf Euren Ruf zu erscheinen. Eure Mutter und mein Oheim der Cardinal sind auch da: wollt Ihr sie sehen?«
»Nein, nein, Du allein sollst bei mir sein, Maria!« sprach der Sterbende. »Wende Dich ein wenig auf diese Seite . . . daß ich Dich noch einmal sehe.«
»Muth gefaßt!« sagte Maria Stuart. »Gott ist so gut, und ich bete so innig zu ihm!«
»Ich leide. Ich sehe nicht mehr, ich höre kaum mehr. Deine Hand, Maria.«
»Hier! stützt Euch auf mich,« sprach Maria, indem sie den kleinen bleichen Kopf ihres Gatten auf ihre Schulter legte.
»Meine Seele Gott! mein Herz Dir, Maria! Immer! Ach! ach! mit, siebenzehn Jahren sterben!«
»Nein! nein! Ihr werdet nicht sterben!« rief Maria. »Was haben wir dem Himmel gethan, daß er uns bestrafen sollte!«
»Weine nicht, Maria! Oben werden wir wiedervereinigt sein. Ich beklage auf dieser Welt nur Deinen Verlust. Wenn ich Dich mit mir nähme, würde ich glücklich sterben. Die Reise nach dem Himmel ist noch schöner, als die nach Italien. Und dann kommt es mir vor, als würdest Du ohne mich keine Freude mehr haben. Sie werden Dich leiden lassen. Du wirst frieren, Du wirst allein sein, sie werden Dich tödten, meine arme Seele! Das betrübt mich noch mehr als der Tod!«
Erschöpft fiel der König auf sein Kopfkissen zurück und versank in ein düsteres Stillschweigen.
»Aber Ihr werdet nicht sterben! Ihr werdet nicht sterben, Sire!« rief Maria. »Hört, ich habe große Hoffnung. Eines, worauf ich baue, bleibt uns noch!«
»Was ist das?« unterbrach sie Catharina, die sich erstaunt näherte.
»Ja,« erwiderte Maria Stuart, »der König kann noch gerettet werden und wird gerettet werden. Etwas in meinem Innern rief mir zu, alle diese Aerzte, die ihn umgeben und entkräften, seien unwissend und blind. Aber es gibt einen geschickten, gelehrten und berühmten Mann, der in Calais meinem Oheim das Leben erhalten hat . . .«
»Meister Ambroise Paré?« fragte der Cardinal.
»Meister Ambroise Paré!« wiederholte Maria. »Man sagte, dieser Mann sollte nicht, wollte selbst nicht das königliche Leben in seinen Händen haben, es wäre ein Ketzer und ein Verfluchter, und sogar wenn er die Verantwortlichkeit für eine solche Kur übernehmen würde, könnte man sie ihm nicht anvertrauen.«
»Das ist gewiß,« sprach mit einer verächtlichen Miene die Königin Mutter.
»Nun! wenn ich sie ihm aber anvertraue!« rief Maria. »Kann ein Mann von Genie ein Verräther sein? Wenn man groß ist, Madame, ist man gut.«
»Mein Bruder hat nicht bis auf diesen Tag gewartet, um an Ambroise Paré zu denken,« sagte der Cardinal. »Man hat ihn schon ausforschen lassen.«
»Und wen hat man zu ihm geschickt?« versetzte Maria. »Gleichgültige, vielleicht Feinde. Ich habe einen sichern Freund zu ihm geschickt, und er wird kommen.«
»Er braucht Zeit, um nach Paris zu kommen,« entgegnete Catharina.
»Er ist unter Weges, er muß sogar schon angelangt sein,« sagte die junge Königin. »Der Freund, den ich meine, hat ihn heute hierherzuführen versprochen.«
»Und wer ist denn dieser Freund?« fragte die Königin Mutter.
»Der Graf Gabriel von Montgommery, Madame.«
Ehe Catharina Zeit gehabt hatte, einen Ausruf von sich zu geben, trat Dayelle, die erste Kammerfrau von Maria Stuart, ein und sagte zu ihrer Gebieterin:
»Der Graf Gabriel von Montgommery ist da und wartet auf die Befehle von Madame.«
»Oh! er trete ein! er trete ein!« rief Maria lebhaft.