Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Die Dame von Monsoreau», sayfa 19

Yazı tipi:

Fünf Minuten, welche Chicot sehr lang vorkamen, vergingen, ohne dass irgend Etwas dieses Stillschweigen und diese Dunkelheit störte.

»Gut,« sagte der Gascogner, »diesmal ist wirklich Alles zu Ende, wie es scheint, die drei Akte sind gespielt und die Schauspieler sind abgegangen. Wir wollen ihnen zu folgen suchen; ich habe genug Komödie für eine Nacht.«

Chicot, der von seinem Gedanken, den Tag in der Kirche abzuwarten, zurückgekommen war, seitdem er die Gräber beweglich und die Beichtstühle bewohnt sah, hob sachte die Klinke auf, öffnete vorsichtig die Türe und setzte den Fuß hinaus.

Während des Umhergehens des Chorknaben hatte Chicot in einer Ecke eine Leiter gesehen, welche dazu bestimmt war, die Reliquienkasten von gefärbtem Glase zu reinigen. Er verlor keine Zeit. Die Hände ausgestreckt, mit den Füßen behutsam vorrückend, gelangte er geräuschlos bis in die Ecke, legte die Hand an die Leiter und setzte dieselbe, sich so gut als möglich orientierend, an ein Fenster.

Beim Scheine des Mondes bemerkte Chicot, dass er sich in seinen Vorhersehungen nicht getäuscht hatte: das Fenster ging auf den Kirchhof des Klosters, der selbst an die Rue Bordelle stieß.

Chicot öffnete das Fenster und setzte sich rittlings darauf, zog die Leiter mit jener Kraft und Geschicklichkeit, welche beinahe immer die Freude oder die Furcht verleihen, an sich und ließ sie von Innen nach Außen übergehen.

Sobald er wieder hinabgestiegen war, verbarg er die Leiter in einer unten an die Mauer gepflanzten Eibenhecke, schlüpfte von Grab zu Grab bis zur letzten Einfriedung, die ihn von der Straße trennte, und kletterte sodann auch über diese, jedoch nicht ohne einige Steine loszumachen, welche mit ihm auf die Straße hinabsanken.

Hier nahm sich Chicot Zeit, mit voller Brust zu atmen.

Er war mit ein paar Schrammen einem Wespenneste entkommen, wo er mehr als ein Mal fühlte, dass es sich um sein Leben handelte.

Als die Luft wieder freier in seiner Lunge spielte, nahm er rasch seinen Lauf nach der Rue Saint-Jacques und blieb erst an dem Gasthaus zum Füllhorn stehen, an das er, ohne sich zu besinnen, klopfte.

Meister Claude Bouhomet öffnete in Person. Der gute Mann wusste, dass jede Störung sich bezahlt, und rechnete mehr darauf, sein Glück bei den außerordentlichen Gästen, als bei den ordentlichen zu machen.

Er erkannte Chicot auf den ersten Blick, obgleich Chicot als Kavalier weggegangen war und als Mönch zurückkehrte.

»Ah! Ihr seid es, mein edler Herr,« sagte er, »seid willkommen.«

Chicot gab ihm einen Thaler.

»Und Bruder Gorenflot?« fragte er.

Ein breites Lächeln beleuchtete das Antlitz von Meister Bonhomet; er ging auf das Kabinett zu, stieß die Türe auf und sprach:

»Seht hier!«

Bruder Gorenflot schnarchte auf derselben Stelle, wo ihn Chicot gelassen hatte.

»Gottes Tod! mein ehrwürdiger Freund,« sagte der Gascogner, »Du hast, ohne es zu vermuten, einen tüchtigen Alp gehabt.«

Viertes Kapitel
Wie Herr und Frau von Saint-Luc neben einander reisten und wie ein Reisegefährte sie einholte

Am andern Morgen, ungefähr um die Stunde, wo Bruder Gorenflot warm eingepackt in seine Kutte erwachte, hätte unser Leser, wenn er auf der Straße von Paris nach Angers gereist wäre, zwischen Chartres und Nogent zwei Reiter, einen Edelmann und seinen Pagen, sehen können, deren Rosse neben einander marschierten, während sie sich gegenseitig mit den Nüstern liebkosten und ein Gespräch durch Wiehern und Schnaufen führten, wie ehrliche Tiere, welche, obgleich des Wortes beraubt, nichtsdestoweniger Mittel, gegenseitig ihre Gedanken auszudrücken, gefunden haben.

Die Reiter waren Tags zuvor, ungefähr zur selben Stunde, auf rauchenden Rennern mit schaumbedecktem Maule in Chartres angekommen; einer von diesen Rennern war sogar auf dem Platze der Kathedrale gestürzt, und da dies in dem Augenblicke geschah, wo die Gläubigen sich zur Messe begaben, so bot er kein uninteressantes Schauspiel für die Bürger von Chartres, dieser herrliche, vor Ermattung hin sterbende Renner, um den sich seine Eigentümer nicht mehr zu bekümmern schienen, als wenn es eine einfache Mähre gewesen wäre.

Einige hatten bemerkt (die Bürger von Chartres waren jederzeit große Beobachter), einige hatten bemerkt, sagen wir, dass der größere von den zwei Reitern einen Thaler in die Hand eines ehrlichen Jungen drückte, der ihn und seinen Gefährten zu einer nahen Herberge führte, und dass durch die Hinterpforte dieser Herberge, welche auf die Ebene ging, die zwei Reisenden eine halbe Stunde nachher auf zwei frischen Pferden mit jenem leuchtenden Kolorit der Wangen weg ritten, das zu Gunsten eines Glases warmen Weins spricht, den man getrunken hat.

Sobald man sich im freien Felde befand, das zwar noch kahl und kalt, aber bereits mit den bläulichen Tönen, den Vorläufern des Frühlings, geschmückt war, näherte sich der größere von den zwei Reitern dem kleineren und sprach, die Arme öffnend:

»Liebes Frauchen, küsse mich in aller Ruhe, denn zu dieser Stunde haben wir nichts mehr zu befürchten.«

Da beugte sich Frau von Saint-Luc, sie war es, anmutig vor, öffnete den dicken Mantel, in den sie gehüllt war, stützte ihre beiden Arme auf die Schultern des jungen Mannes und gab ihm, unablässig ihre Augen in seinen Blick tauchend, den langen, zärtlichen Kuss, den er von ihr verlangte.

Folge der Versicherung, welche Saint-Luc seiner Frau gegeben, und vielleicht auch des Kusses, den Frau von Saint-Luc ihrem Manne gereicht hatte, war, dass man an diesem Tage in einem kleinen Gasthaus des nur vier Stunden von Chartres liegenden Dorfes Courville anhielt, welches Gasthaus durch seine Vereinzelung, durch seine doppelten Türen und eine Menge anderer Vorteile den zwei liebenden Gatten jede Garantie der Sicherheit bot.

Hier blieben sie den ganzen Tag und die ganze Nacht, sehr geheimnisvoll verborgen in ihrem kleinen Zimmer, wo sie sich, nachdem sie hatten ein Frühstück auftragen lassen, einschlossen, dem Wirte befehlend, in Betracht des langen Weges, den sie zurückgelegt, und der dadurch verursachten Müdigkeit, sie nicht vor dem andern Morgen bei Tagesanbruch zu stören, ein Befehl, der sehr pünktlich befolgt wurde.

Am Morgen dieses Tages finden wir also Herrn und Frau von Saint-Luc wieder auf der Straße von Chartres nach Nogent. Da sie aber an diesem Tage noch viel ruhiger waren, als am vorhergehenden, so reisten sie nicht mehr wie Flüchtlinge, auch nicht mehr wie Verliebte, sondern wie Schüler, die sich jeden Augenblick vom Wege abwenden, um sich einander auf irgend einem kleinen Hügel wie eine Reiterstatue auf ihrem Pferde bewundern zu lassen, rissen die ersten Knospen ab, suchten die ersten Moose auf, pflückten die ersten Blumen, diese Schildwachen des Frühlings, welche den Schnee durchdringen, der zu verschwinden bereit ist, und freuten sich unendlich über den Reflex eines Sonnenstrahls, der im Gefieder der Enten spielte, oder über einen durch die Ebene hin fliehenden Hasen.

»Morbleu!« rief plötzlich Saint-Luc, »wie schön ist es doch, frei zu sein! Bist Du je frei gewesen, Jeanne?«

»Ich,« antwortete die junge Frau mit freudiger Stimme, »nie; es ist das erste Mal, dass ich von Luft und Raum nehme, was mir beliebt. Mein Vater war argwöhnisch. Meine Mutter war eine Stubenhockerin. Ich ging nie ohne eine Gouvernante, zwei Kammerfrauen und einen großen Lackei aus, so dass ich mich nicht erinnere, über eine Wiese gelaufen zu sein, seitdem ich, ein tolles, lachendes Kind, im Walde von Méridor mit meiner guten Diana umhersprang, mit der ich durch Dick und Dünn so lange um die Wette rannte, bis wir uns einander am Ende gar nicht mehr fanden. Da hielten wir wohl zuweilen zitternd bei dem Geräusche einer Hirschkuh, eines Dambockes oder eines Rehes an, das erschrocken aus seinem Schlupfwinkel hervorbrach;… und wenn es dann wieder still war, fragten wir mit einem gewissen Schauer die Stimme des Gehölzes, wohin wir geraten wären. Doch Du, mein viel geliebter Saint-Luc, Du warst wenigstens frei?«

»Ich, frei?«

»Allerdings, ein Mann.«

»Ah! ja wohl, niemals. Mit dem Herzog von Anjou erzogen, von ihm nach Polen fortgeführt, von ihm nach Paris zurückgebracht, und durch die beständige Beobachtung der Gesetze der Etiquette verurteilt, ihn nie zu verlassen, verfolgt, sobald ich mich entfernte, durch die klägliche Stimme, die mir unablässig zurief: ›Saint-Luc, mein Freund, ich langweile mich, komm und langweile Dich mit mir.‹ Frei! Oh, ja wohl! Und dieses Korsett, das mir den Magen einzwängte, und diese gestärkte Krause, welche mir den Hals schändete, und diese mit Gummi frisierten Haare, die sich bei der Feuchtigkeit vermengten und beim Staube beschmutzten, und endlich die mit Nadeln an meinen Kopf befestigte Haube … Oh! nein, nein, meine gute Jeanne, ich glaube, ich war weniger frei, als Du … Du siehst auch, ich benütze meine Freiheit, es ist eine herrliche Sache und ich weiß nicht, warum man sich derselben beraubt, wenn man es anders machen kann.«

»Und wenn man uns wieder einholt, Saint-Luc,« sprach die junge Frau, einen unruhigen Blick hinter sich werfend, »wenn man uns in die Bastille bringt?«

»Schließt man uns mit einander ein, meine kleine Jeanne, so ist es nur ein halbes Uebel; mir scheint, während des ganzen gestrigen Tages sind wir nicht mehr und nicht minder eingeschlossen geblieben, als wenn wir Staatsgefangene wären, und wir haben uns dennoch nicht zu sehr gelangweilt.«

»Saint-Luc, traue dem nicht,« sagte Jeanne mit einem Lächeln voll Bosheit und Heiterkeit, »wenn man uns wieder erwischt, so glaube ich nicht, dass man uns zusammensetzt.«

Und die reizende Frau errötete, da sie so viel hatte sagen wollen, während sie so wenig sagte.

»So verbergen wir uns gut,« sagte Saint-Luc.

»Oh! sei unbesorgt,« antwortete Jeanne, »in dieser Hinsicht haben wir nichts zu befürchten, und wir werden wohl verborgen sein. Wenn Du Méridor kennen würdest und seine großen Eichen, welche Säulen eines Tempels zu sein scheinen, dessen Gewölbe der Himmel ist, und seine endlosen Gebüsche und seine trägen Flüsse, die im Sommer unter düsteren Bogen von Laubwerk und im Winter unter Lagern von dürren Blättern hinfließen; dann die großen Teiche, die Kornfelder, die Blumenbeete, die Rasen ohne Ende und die kleinen Türmchen, aus denen unablässig Tausende von Tauben, flatternd und summend wie die Bienen um einen Korb, hervorkommen; und dann, und dann, das ist noch nicht Alles, Saint-Luc, mitten unter Allem dem die Königin dieses kleinen Reiches, die Zauberin dieser Gärten Armida's, die schöne, die gute, die unvergleichliche Diana, ein diamantenes Herz in einer goldenen Fassung, kurz, Du wirst sie lieben, Saint-Luc.«

»Ich liebe sie bereits, denn sie hat Dich geliebt.«

»Oh! ich bin fest überzeugt, sie liebt mich noch und wird mich immer lieben. Diana wechselt nicht launenhaft in ihren Freundschaften. Kannst Du Dir das glückliche Leben einbilden, das wir in diesem Neste von Blumen und Moosen führen werden, das der Frühling wieder mit seinem Grün zu schmücken anfängt! Diana hat die Regierung im Hause ihres Vaters, des alten Barons, übernommen; wir haben uns also nicht um ihn zu bekümmern. Er ist ein Krieger aus der Zeit von Franz I., ebenso schwach und harmlos geworden, als er einst stark und mutig war; er hat nur noch eine Erinnerung aus der Vergangenheit, den Sieger von Marignan und den Besiegten von Pavia, nur noch eine Liebe in der Gegenwart und eine Hoffnung auf die Zukunft, seine teure Diana. Wir können in Méridor wohnen, ohne dass er es weiß oder nur bemerkt. Und wenn er es weiß? Oh! wir haben dann nichts Anderes zu tun, als ihm zu sagen, seine Diana sei das schönste Mädchen der Welt und der König Franz I. der größte Feldherr aller Zeiten.«

»Ah! das ist reizend,« sagte Saint-Luc, »doch ich sehe große Streitigkeiten voraus.«

»Wie so?«

»Zwischen dem Baron und mir.«

»Worüber? Etwa über Franz I.?«

»Nein. Ich lasse ihm seinen ersten Feldherrn hingehen; aber wegen des schönsten Mädchens der Welt.«

»Ich zähle nicht mehr, da ich Deine Frau bin.«

»Ah! das ist richtig,« sprach Saint-Luc.

»Kannst Du Dir dieses Leben vorstellen, mein Geliebter?« fuhr Jeanne fort. »Schon am Morgen in den Wald durch die kleine Türe des Pavillon, den sie uns zur Wohnung geben wird. Ich kenne diesen Pavillon, zwei Türmchen, verbunden durch ein Mittelgebäude aus der Zeit von Ludwig XII., eine bewunderungswürdige Architektur, die Du anbeten wirst, Du, der Du die Blumen und die Spitzen liebst. Und von den Fenstern eine ruhige, düstere Aussicht auf die großen Waldungen, die sich, so weit das Auge reicht, ausdehnen, und in deren Alleen man in der Ferne irgend einen Damhirsch oder ein bei dem geringsten Geräusch den Kopf erhebendes Reh äsen sieht, dann auf der entgegengesetzten Seite eine offene Perspektive auf goldene Ebenen, auf Dörfer mit roten Dächern und weißen Mauern, auf die im Sonnenschein spiegelnde und ganz mit kleinen Schiffen bedeckte Loire. Dann haben wir, drei Meilen entfernt, einen See mit einer Barke im Schilfrohr, unsere Pferde, unsere Hunde, mit denen wir den Hirsch in den großen Waldungen hetzen, während der Baron, der nichts von seinen Gästen weiß, auf das entfernte Gebell horchen und sagen wird: ›Diana, höre doch, man sollte glauben Asträa und Phlegeton jagen.‹

›Und wenn sie jagen, guter Vater,‹ spricht Diana, ›so lass sie immerhin jagen,‹

»Vorwärts, Jeanne,« sagte Saint-Luc, »wie gern möchte ich bereits in Méridor sein.«

Und Beide spornten ihre Pferde, welche ein paar Stunden lang rasch den Raum durchmaßen, aber dann plötzlich anhielten, um ihren Gebietern Muße zu lassen, ein unterbrochenes Gespräch wieder aufzunehmen, oder einen schlecht gegebenen Kuß zu verbessern.

So machte man den Weg von Chartres nach Le Mans, wo die zwei Gatten ziemlich beruhigt sich einen Tag aufhielten; am Morgen nach diesem Tage, der abermals eine glückliche Station auf diesem glücklichen Wege bildete, den sie verfolgten, drangen sie mit dem festen Willen, am Abend Méridor zu erreichen, in die sandigen Waldungen, welche sich zu jener Zeit von Guécelard nach Ecomoy erstreckten.

Hier angelangt, betrachtete sich Saint-Luc als außer aller Gefahr, denn er kannte die abwechselnd tobende und träge Laune des Königs, der, je nach der Stimmung seines Geistes, im Augenblick der Abreise von Saint-Luc diesem zwanzig Couriere und hundert Garden mit dem Befehle, die Flüchtlinge todt oder lebendig zurückzubringen, nachgeschickt, oder sich damit begnügt hatte, einen großen Seufzer auszustoßen, den Arm um einen Zoll länger als gewöhnlich aus dem Bette zu strecken und zu murmeln:

»Oh! Verräter Saint-Luc, warum habe ich Dich nicht früher gekannt!«

Da nun aber die Flüchtlinge von keinem Courier eingeholt worden waren, da sie keinen Mann von der Leibwache des Königs erblickt, so unterlag es kaum einem Zweifel, dass sich der König, statt in seiner tobenden Laune, in seiner trägen befunden hatte.

Das sagte sich Saint-Luc, während er zuweilen einen Blick hinter sich auf die einsame Straße warf, auf der nicht der geringste Verfolger erschien.

»Gut,« dachte er, »der Sturm wird auf den armen Chicot zurückgefallen sein, der, obgleich ein Narr, und gerade vielleicht, weil er ein Narr ist, mir einen so guten Rat gegeben hat. Ich werde dies höchstens mit einem mehr oder minder witzigen Anagramm zu büßen haben.«

Hierbei erinnerte sich Saint-Luc eines furchtbaren Anagramms, das Chicot am Tage seiner Gunst auf ihn gemacht hatte.

Plötzlich fühlte Saint-Luc, dass die Hand seiner Frau auf seinem Arme ruhte.

Er bebte. Das war keine Liebkosung.

»Was gibt es denn?« fragte er.

»Schau,« sagte Jeanne.

Saint-Luc wandte sich um und sah am Horizont einen Reiter, der dieselbe Straße verfolgte wie sie und sein Pferd stark anzutreiben schien.

Der Reiter war auf der Höhe des Weges; er hob sich kräftig von dem matten Himmel ab und schien durch jene Wirkung der Perspektive, welche unsere Leser wohl zuweilen wahrgenommen haben, größer, als er von Natur war.

Diese Erscheinung dünkte Saint-Luc ein schlimmes Vorzeichen, sei es in Folge der Stimmung seines Geistes, weiche die Wirklichkeit Lügen zu strafen schien, sei es, dass er trotz der Ruhe, die er heuchelte, irgend einen launenhaften Umschlag von König Heinrich III. befürchtete.

»Ja, in der Tat,« sprach er unwillkürlich erbleichend, »dort kommt ein Reiter.«

»Fliehen wir,« sagte Jeanne, indem sie ihrem Pferde den Sporn gab.,

»Nein,« entgegnete Saint-Luc, dem seine Furcht die Kaltblütigkeit nicht benehmen konnte, »nein, dieser Reiter ist allein, so viel ich beurteilen kann, und wir dürfen nicht vor einem einzigen Menschen fliehen. Reiten wir etwas bei Seite und lassen wir ihn vorüber, und sobald er vorüber ist, setzen wir unsern Weg fort.«

»Doch wenn er anhält?«

»Wenn er anhält, so werden wir sehen, mit wem wir es zu tun haben, und dem gemäß handeln.«

»Du hast Recht und ich hatte Unrecht, mich zu fürchten, da mein Saint-Luc bei mir ist, um mich zu verteidigen.«

»Gleichviel, fliehen wir immerhin,« sprach Saint-Luc, einen letzten Blick auf den Unbekannten werfend, der, als er sie gewahrte, sein Pferd in Galopp setzte, »denn sich, es ist eine Feder auf jenem Hut, und unter dem Hut eine Krause, die mich einigermaßen beunruhigt.«

»Oh mein Gott! wie können Dich eine Feder und eine Krause beunruhigen?« sagte Jeanne ihrem Gatten folgend, der ihr Pferd am Zügel genommen hatte und mit sich in den Wald zog.

»Weil die Feder eine Farbe hat, welche in diesem Augenblick bei Hofe sehr in der Mode ist, und weil mir die Krause von einem ganz neuen Schnitte zu sein scheint; solche Federn aber würden zum Färben zu viel Geld und solche Krausen zum Stärken zu viel Mühe für Edelleute aus der Gegend von Le Mans kosten, als dass wir es mit einem Landsmann der schönen Poularden, welche Chicot so sehr schätzt, zu tun haben sollten. Vorwärts! vorwärts, Jeanne, dieser Reiter kommt mir ganz vor wie ein Abgesandter des Königs, meines erhabenen Herrn.«

»Vorwärts,« sagte die junge Frau, zitternd wie Laub bei dem Gedanken, sie könnte von ihrem Gatten getrennt werden.

Doch dies ließ sich leichter sagen, als ausführen.

Die Fichten waren sehr dicht gepflanzt und bildeten eine wahre Mauer von Zweigen, und dabei sanken die Pferde bis an den Brustknochen in den sandigen Boden. Während dieser Zeit näherte sich der Reiter wie ein Blitz, und man hörte den Galopp seines Rosses auf dem Bergabhang.

»Mein Jesus und Herr!« rief die junge Frau, »es ist allerdings auf uns abgesehen.«

»Meiner Treue,« sprach Saint-Luc anhaltend, »gilt es uns, so wollen wir doch sehen, was er im Schilde führt, denn wenn er absteigt, wird er uns immerhin einholen.«

»Er hält an,« sagte die junge Frau.

»Er steigt sogar ab und kommt in das Gehölze,« versetzte Saint-Luc.

»Ah! meiner Treue, ich gehe ihm entgegen, und wenn es der Teufel in Person wäre.«

»Warte,« sagte Jeanne, ihren Gatten zurückhaltend.

»Warte, mir scheint, er ruft.«

Der Unbekannte trat wirklich in den Wald, nachdem er sein Pferd an eine von den Fichten am Saume angebunden hatte, und rief:

»He! mein Herr, he! entflieht nicht, tausend Teufel! Ich bringe Euch etwas, was Ihr verloren habt.«

»Was sagt er?« fragte die Gräfin.

»Meiner Treue! er sagt, wir hätten etwas verloren.«

»He! mein Herr,« fuhr der Unbekannte fort, »kleiner Herr, Ihr habt Eure Armspange im Gasthause von Courville vergessen. Was Teufels! ein Frauenportrait verliert man nicht und besonders nicht das Portrait der ehrwürdigen Frau von Cossé. Der teuren Mama zu Liebe lasst mich nicht so furchtbar laufen.«

»Diese Stimme ist mir bekannt,« rief Saint-Luc.

»Und dann spricht er von meiner Mutter.«

»Hast Du denn Deine Armspange verloren, mein Kindchen?«

»Ei, mein Gott! ja, ich bemerkte es erst diesen Morgen und konnte mich nicht erinnern, wo ich sie hatte liegen lassen.«

»Es ist Bussy,« rief plötzlich Saint-Luc.

»Der Graf von Bussy, unser Freund?« versetzte Jeanne ganz bewegt.

»Gewiss, unser Freund,« sprach Saint-Luc, dem Grafen mit derselben Eile entgegenlaufend, mit der er ihm vorher zu entgehen gesucht hatte.

»Saint-Luc! ich täuschte mich nicht,« sprach die wohlklingende, freudige Stimme von Bussy, der mit einem Sprung bei dem jungen Ehepaare war. »Guten Morgen, Madame,« fuhr er laut lachend fort, während er der Gräfin das Portrait darreichte, das sie wirklich in dem Gasthaus von Courvilie, wo die Reisenden, wie man sich erinnert, eine Nacht zubrachten, vergessen hatte.

»Kommt Ihr, um uns im Namen des Königs zu verhaften, Herr von Bussy?« fragte Jeanne lächelnd.

»Ich? meiner Treue, nein; ich gehöre nicht so sehr zu den Freunden Seiner Majestät, dass sie mir Vertrauenssendungen übertragen sollte. Nein, ich fand Eure Armspange in Courville; dies verkündigte mir, dass Ihr mir vorausreistet. Da trieb ich mein Pferd an, erblickte Euch, vermutete, Ihr wäret es, und verfolgte Euch, ohne es zu wollen. Entschuldigt mich deshalb.«

»Also …« sagte Saint-Luc mit einer letzten Wolke des Argwohns, »also ist es der Zufall, der Euch denselben Weg machen lässt, den wir machen?«

»Der Zufall,« antwortete Bussy, »und nun, da ich Euch getroffen habe, werde ich sagen die Vorsehung.«

Und Alles, was an Zweifel im Innern von Saint-Luc übrig geblieben war, verschwand vor dem so glänzenden Auge und dem so aufrichtigen Lächeln des schönen Edelmanns.

»Ihr reist also?« sagte Jeanne.

»Ich reise,« antwortete Bussy, wieder zu Pferde steigend.

»Doch nicht, wie wir.«

»Leider, nein.«

»Nicht wegen einer Ungnade, wollte ich sagen.«

»Meiner Treue, es fehlt nicht viel.«

»Und Ihr geht?«

»Ich gehe in die Gegend von Angers. Und Ihr?«

»Wir auch.«

»Ja, ich begreife, Brissac liegt etwa zwölf Stunden von hier, zwischen Angers und Saumur. Ihr werdet wie die verfolgten Tauben eine Zufluchtsstätte im väterlichen Hause suchen; das ist reizend, und ich würde Euer Glück beneiden, wenn der Neid nicht ein gemeines Laster wäre.«

»Ei! Herr von Bussy,« sagte Jeanne mit einem Blicke voll Dankbarkeit, »heiratet und Ihr werdet so glücklich sein, als wir es sind; ich schwöre Euch, das Glück ist etwas sehr Leichtes, wenn man sich liebt.«

Und sie schaute Saint-Luc lächelnd an, als wollte sie sich auf sein Zeugnis berufen.

»Madame,« sagte Bussy, »ich misstraue diesem Glücke; es hat nicht Jedermann das Los, sich wie Ihr mit dem Privilegium des Königs zu heiraten.«

»Geht doch, Ihr, der überall geliebte Mann.«

»Wenn man überall geliebt wird, Madame,« versetzte Bussy seufzend, »so ist es, als ob man nirgends geliebt wäre.«

»Nun!« sprach Jeanne, ihrem Gatten einen Blick des Einverständnisses zuwerfend, »lasst mich Euch verheiraten; einmal wird dies sehr vielen eifersüchtigen Ehemännern, die ich kenne, die Ruhe verleihen, und dann verspreche ich Euch, Ihr sollt das Glück finden, dessen Dasein Ihr leugnet.«

»Ich leugne das Dasein des Glückes nicht, Madame,« erwiderte Bussy mit einem Seufzer, »ich leugne nur, dass dieses Glück für mich gemacht ist.«

»Soll ich Euch verheiraten?« wiederholte Frau von Saint-Luc.

»Verheiratet Ihr mich nach Eurem Geschmacke, nein; verheiratet Ihr mich nach meinem Geschmacke, ja.«

»Ihr sagt das wie ein Mensch, der Junggeselle zu bleiben entschlossen ist.«

»Vielleicht.«

»Ihr seid also in eine Frau verliebt, die Ihr nicht heiraten könnt?«

»Graf,« sagte Bussy, »habt die Gnade, bittet Frau von Saint-Luc, mir nicht tausend Dolche in das Herz zu stoßen.«

»Ah! nehmt Euch in Acht, Bussy, Ihr könntet mich am Ende glauben machen, Ihr wäret in meine Frau verliebt.«

»In diesem Falle werdet Ihr wenigstens zugestehen, dass ich ein Liebhaber voll Zartheit bin, und dass die Ehemänner sehr Unrecht hätten, wenn sie auf mich eifersüchtig wären.«

»Ah! das ist wahr,« sprach Saint-Luc, der sich erinnerte, dass Bussy seine Frau zu ihm in den Louvre geführt hatte.

»Doch gleichviel, gesteht, dass Euer Herz irgendwo gefangen ist.«

»Ich gestehe es.«

»Durch eine Liebe oder durch eine Laune?« fragte Jeanne.,

»Durch eine Leidenschaft, Madame.«

»Ich werde sie heilen.«

»Ich glaube es nicht.«

»Ich werde Euch verheiraten.«

»Ich bezweifle es.«

»Und ich werde Euch so glücklich machen, als Ihr zu sein verdient.«

»Ach! Madame, mein einziges Glück ist nunmehr, unglücklich zu sein.«

»Ich bin sehr halsstarrig, das sage ich Euch zum Voraus,« rief Jeanne.

»Und ich auch,« sprach Bussy.

»Graf, Ihr werdet nachgeben.«

»Hört, Madame,« sagte der junge Mann, »wir wollen als Freunde reisen. Verlassen wir zuerst diese Sandgrube, wenn es Euch gefällig ist, dann erreichen wir zum Nachtquartier jenes reizende Dorf, das dort in der Sonne glänzt.«

»Dieses oder ein anderes.«

»Ich gebe keinem den Vorzug.«

»Ihr werdet uns also begleiten?«

»Bis zu dem Orte, wohin ich gehe, wenn ich Euch dadurch nicht lästig werde.«

»Im Gegenteil. Doch tut etwas Besseres, kommt mit mir an den Ort, nach welchem wir gehen.«

»Und wohin geht Ihr?«

»Nach dem Schlosse Méridor.«

Das Blut stieg Bussy in das Gesicht und floss wieder zu seinem Herzen zurück. Er wurde sogar so bleich, dass es um sein Geheimnis geschehen gewesen wäre, wenn nicht Jeanne in diesem Augenblick ihren Gatten lächelnd angeschaut hätte.

Bussy hatte also Zeit, sich zu erholen, während die zwei jungen Eheleute oder vielmehr die zwei Liebenden mit den Augen mit einander sprachen, und der jungen Frau Bosheit durch Bosheit zurückzugeben; nur bestand seine Bosheit in einem tiefen Stillschweigen über seine Absichten.

»Nach dem Schlosse Méridor, Madame,« sagte er, nachdem er wieder hinreichend Kraft gewonnen hatte, um diesen Namen auszusprechen. »Ich bitte Euch, was ist das?«

»Das Gut von einer meiner Freundinnen,« antwortete Jeanne.

»Das Gut von einer Eurer Freundinnen … und,« fuhr Bussy fort, »und sie ist auf ihrem Gute?«

»Allerdings,« antwortete Frau von Saint-Luc, denn sie wusste durchaus nichts von den Ereignissen, welche seit zwei Monaten in Méridor vorgefallen waren, »habt Ihr nie von dem Baron von Méridor, einem der reichsten poitevinischen Barone, sprechen hören, und …«

»Und,« wiederholte Bussy, als er sah, dass Jeanne inne hielt.

»Und von seiner Tochter, Diana von Méridor, dem schönsten Mädchen, das man je gesehen hat.«

»Nein, Madame,« erwiderte Bussy, beinahe erstickt durch die furchtbare Gemütserschütterung.

Während Jeanne hiernach ihren Gatten abermals mit einem seltsamen Ausdrucke anschaute, fragte sich der junge Edelmann ganz leise, durch welches seltsame Glück er auf dieser Straße ohne einen notwendigen Zusammenhang Leute träfe, die mit ihm von Diana von Méridor sprächen, um das Echo des einzigen Gedankens zu bilden, den er im Herzen hatte.

War es eine Überraschung? dies ließ sich nicht als wahrscheinlich annehmen; oder eine Falle? das war unmöglich. Saint-Luc befand sich bereits nicht mehr in Paris, als er Eintritt bei Frau von Monsoreau gefunden und erfahren hatte, dass Frau von Monsoreau Diana von Méridor hieß.

»Und ist dieses Schloss noch sehr fern von hier, Madame?« fragte Bussy.

»Sieben Stunden, glaube ich, und ich wollte wetten, dass wir dort und nicht in Eurem kleinen, in der Sonne glänzenden Dorfe, zu dem ich übrigens, wie Ihr sehen konntet, kein Vertrauen habe, diesen Abend Quartier nehmen werden.«

»Ihr kommt doch mit nicht wahr?«

»Ja, Madame.«

»Vorwärts,« sagte Jeanne, »das ist bereits ein Schritt zu dem Glücke, welches ich Euch vorschlug.«

Bussy verbeugte sich und ritt fortwährend neben den zwei jungen Eheleuten, welche in Folge der Verbindlichkeiten, die sie gegen ihn hatten, die freundlichsten Gesichter machten. Eine Zeit lang schwieg Jedes. Endlich getraute sich Bussy, der noch mancherlei Dinge zu erfahren hatte, Fragen zu machen. Es war dies das Vorrecht seiner Stellung, die er zu benützen entschlossen schien.

»Und der Baron von Méridor, von dem wir sprachen, der reichste Poitevin, was für ein Mann ist es?«

»Ein vollkommener Edelmann, ein Tapferer aus den alten Zeiten, ein Ritter, der, wenn er in den Tagen von König Arthur gelebt hätte, sicherlich einen Platz an der Tafelrunde bekommen haben würde.«

»Und an wen,« fragte Bussy, seine Gesichtsmuskeln und die Aufregung seiner Stimme bewältigend, »und an wen hat er seine Tochter verheiratet?«,

»Seine Tochter verheiratet?«

»Das frage ich.«

»Diana verheiratet?«

»Was wäre dabei Außerordentliches?«

»Nichts; doch Diana ist nicht verheiratet, man hätte mich sicherlich zuerst hiervon benachrichtigt.«

»Also ist Fräulein von Méridor auf dem Schlosse bei ihrem Vater?«

»Wir hoffen es,« erwiderte Saint-Luc, auf diese Antwort einen Nachdruck legend, um seiner Frau zu zeigen, er habe sie begriffen und er teile ihre Ansichten und verbinde sich mit ihren Plänen.

Es trat ein kurzes Stillschweigen ein, während dessen Jedes seine Gedanken verfolgte.

»Ah!« rief plötzlich Jeanne, sich auf ihren Steigbügeln erhebend, »dort sind die Türmchen des Schlosses. Seht, seht, Herr von Bussy, mitten unter jenen großen Bäumen ohne Blätter, welche jedoch in einem Monat so schön sein werden. Seht Ihr das Schieferdach?«

»Ah! ja, gewiss,« sagte Bussy mit einer Erschütterung, über welche dieses brave, bis jetzt etwas wild gebliebene Herz selbst staunte, »ja, ich sehe es; das ist also das Schloss Méridor?«

Und durch eine natürliche Gegenwirkung des Geistes erinnerte er sich bei dem Anblick dieser selbst in der Trauerzeit der Natur so schönen und reichen Landschaft, bei dem Anblick dieses stattlichen Herrenhauses der in dem Nebel von Paris und in dem erstickenden Winkel der Rue Saint-Antoine vergrabenen armen Gefangenen.

Auch diesmal seufzte er, doch nicht mehr ganz allein vor Schmerz. Dadurch, dass sie ihm wiederholt Glück versprochen, hatte ihm Frau von Saint-Luc Hoffnung verliehen.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
Hacim:
1081 s. 3 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 3,8, 4 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre