Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 11
»Gewiß will ich es.«
»Ich erwarte Deine Befehle, huldreicher Fürst.«
Hierbei nahm Chicot dieselbe Stellung, welche Joyeuse genommen hatte, und wartete.
»Aber Du weißt nicht, ob die Sendung Dir zusagen wird,« sprach der König.
»Sobald ich Dich darum bitte…«
»Siehst Du, Chicot, ich habe gewisse Pläne einer Entzweiung zwischen Margot und ihrem Gemahl.«
»Trennen um zu herrschen,« sagte Chicot, »das war schon vor hundert Jahren das A B C der Politik.«
»Es widerstrebt Dir also nicht?«
»Geht das mich etwas an?« erwiederte Chicot, »Du wirst thun, was Dir beliebt, großer Fürst. Ich bin nur Botschafter; Du hast mir keine Rechenschaft abzulegen, und vorausgesetzt, daß ich unverletzlich bin… Ah! was das betrifft, Du begreifst, darauf halte ich.«
»Aber Du mußt auch wissen, was Du meinem Schwager zu sagen hast.«
»Ich, etwas sagen, nein, nein, nein!«
»Wie, nein, nein, nein?«
»Ich werde gehen, wohin Du willst, aber ich werde durchaus nichts sagen. Es gibt ein gewisses Sprichwort hierüber. Viel Katzen…«
»Du weigerst Dich also?«
»Derjenige, welcher das Wort führt, hat immer eine Verantwortlichkeit; derjenige welcher ein Schreiben überreicht, wird stets erst von zweiter Hand angepackt.«
»Gut, es sei, ich werde Dir einen Brief geben; das schlägt in die Politik ein.«
»Sieh ein wenig, wie sich das findet… gib.«
»Was sagst Du?«
»Ich sage: gib.«
« Und er streckte die Hand aus.
»Ah! bilde Dir nicht ein, ein solcher Brief lasse sich auf der Stelle schreiben. Er muß combinirt, überlegt, abgewogen werden.«
»Nun so wäge ab, überlege, combinire. Ich werde morgen bei Tagesanbruch vorüberkommen oder ihn abholen lassen.«
»Warum willst Du nicht hier schlafen?«
»Hier?«
»Ja, in diesem Lehnstuhl.««
»Wetter! das ist vorbei. Ich werde nicht mehr im Louvre schlafen. Ein Gespenst, das man in einem Fauteuil schlafen sehen würde, welche Albernheit!«
»Aber Du sollst doch wenigstens meine Absichten in Beziehung auf Margot und ihren Gemahl wissen,« rief Heinrich. »Du bist ein Gascogner, mein Brief wird Lärmen am Hof von Navarra machen. Man wird Dich befragen, Du mußt antworten können. Was Teufels! Du repräsentierst mich. Du sollst nicht aussehen wie ein Dummkopf.«
»Mein Gott!« erwiederte Chicot die Achseln zuckend, »wie stumpf ist Dein Geist, großer König. Wie, Du meinst, ich werde einen Brief in eine Entfernung von zwei hundert und fünfzig Meilen tragen, ohne zu wissen, was darin steht! Alle Wetter! sei unbesorgt, an der nächsten Straßenecke, unter dem nächsten Baume, wo ich anhalte, öffne ich Deinen Brief. Wie, Du schickst seit zehn Jahren Botschafter nach allen Enden der Welt, und Du weißt das nicht besser! Auf, lege Deinen Körper und Deinen Geist zur Ruhe, ich kehre in meine Einsamkeit zurück.«
»Wo ist sie, Deine Einsamkeit?«
»Auf dem Cimetière des Innocens6, großer Fürst.«
Heinrich schaute Chicot mit jenem Erstaunen an, das er seit den zwei Stunden, die er ihn wiedergesehen, noch nicht ganz aus seinem Blicke hatte verbannen können.
»Nicht wahr, das hast Du nicht Alles erwartet?« sagte Chicot, indem er seinen Hut und seinen Mantel nahm. »So ist es indessen, wenn man in Verbindung mit Leuten aus der andern Welt steht. Es ist abgemacht, morgen ich oder mein Bote.«
»Es sei, doch Dein Bote muß auch ein Losungswort haben, damit man weiß, daß er von Dir kommt und damit man ihm die Thüren öffnet.«
»Vortrefflich! Bin ich es, so komme ich von mir; ist es mein Bote, so kommt er vom Schatten.«
Nach diesen Worten verschwand er so leicht, daß der abergläubische Geist von Heinrich im Zweifel stand, ob ein Körper oder ein Schatten durch die Thüre, ohne sie krachen zu machen, unter dem Vorhange durch gegangen sei, ohne eine seiner Falten in Bewegung zu setzen.
Sechzehntes Kapitel
Wie und aus welcher Ursache Chicot gestorben war
Chicot ein wirklicher Körper, – es mißfalle dies denjenigen Lesern nicht, welche genugsam Freunde des Wunderbaren wären, um zu glauben, wir haben die Kühnheit gehabt, einen Schatten in unsere Geschichte einzuführen – Chicot war weggegangen, nachdem er dem König unter der Form des Spottes seiner Gewohnheit gemäß, alle Wahrheiten gesagt, die er ihm zu sagen hatte.
Man höre, was geschehen war.
Nach dem Tode der Freunde des Königs, seit den von den Guisen angesponnenen Unruhen und Verschwörungen, hatte Chicot nachgedacht. Brav, wie man weiß, und sorglos, war ihm doch sehr viel am Leben gelegen, das ihn ergötzte, wie alle Leute der Elite. Nur die Albernen langweilen sich in dieser Weit und suchen Zerstreuung in der anderen.
Das Resultat der bezeichneten Ueberlegung war, daß ihm die Rache von Herrn von Mayenne furchtbarer vorkam, als die Protection des Königs wirksam sein konnte, und er sagte sich mit jener praktischen Philosophie, die ihn auszeichnete, daß in dieser Welt nichts ungeschehen zu machen sei, was einmal geschehen, und daß alle Hellebarden und alle Gerichtshöfe des Königs von Frankreich eine gewisse Oeffnung, die das Messer von Herrn von Mayenne dem Wammse von Chicot beigebracht, so wenig sichtbar sie auch sein dürfte, nicht wieder schließen würden.
Er faßte also seinen Entschluß als ein Mann, der überdies der Rolle des Spaßmachers, die er jede Minute in eine ernste Rolle zu verwandeln vor Begierde brannte, und der königlichen Vertraulichkeiten müde war, die ihn, in diesen Zeitläufen gerade zum Verderben führten.
Chicot fing also damit an, daß er zwischen das Schwert von Herrn von Mayenne und die Haut von Chicot eine möglichst große Entfernung setzte. Zu diesem Behufe reiste er nach Beaune ab, in der dreifachen Absicht, Paris zu verlassen, seinen Freund Gorenflot zu umarmen, und den berühmten Wein von 1550 zu kosten, von dem so viel die Rede war in dem bekannten Briefe, der unsere Erzählung von der D a m e v o n M o n s o r e a u endigt.
Die Tröstung war in der That wirksam: nach Verlauf von zwei Monaten bemerkte Chicot, daß er augenscheinlich stärker wurde, was seine Absicht, sich zu verstellen, wunderbar unterstützen würde, aber er bemerkte auch, daß er, stärker werdend, sich Gorenflot mehr näherte, als es für einen Mann von Geist schicklich war. Der Geist trug den Sieg über die Materie davon. Nachdem Chicot einige hundert Flaschen von dem berühmten 1550er getrunken, und die zwei und zwanzig Bände verschlungen hatte, aus denen die Bibliothek der Priorei bestand, und worin vom Prior das Axiom: bonum vinum laetificat cor hominis, aufgefunden worden war, fühlte Chicot ein großes Gewicht im Magen und eine gewaltige Leere im Hirn.
»Ich würde wohl Mönch werden,« dachte er, »aber bei Gorenflot wäre ich zu sehr Meister und in einer andern Abtei wäre ich es nicht genug. Die Kutte würde mich allerdings für immer in den Augen von Herrn von Mayenne verbergen. aber bei allen Teufeln, es gibt andere Mittel, als die gewöhnlichen: suchen wir. Ich habe in einem Buche gelesen, – es ist wahr, dieses trifft man nicht in der Bibliothek von Gorenflot: Quaere et invenies.7.« Chicot suchte also und fand Folgendes. Für jene Zeit war es ziemlich neu.
Er eröffnete sich Gorenflot und bat ihn, dem König unter seinem Dictate zu schreiben.
Gorenflot schrieb schwer, es ist nicht zu leugnen, doch er schrieb. Chicot habe sich in die Priorei zurückgezogen, der Kummer darüber, daß er sich habe genöthigt gesehen, sich von seinem Herrn zu trennen, als dieser sich mit Herrn von Mayenne ausgesöhnt, sei sehr nachtheilig für seine Gesundheit gewesen, er habe durch Zerstreuung dagegen zu kämpfen gesucht, doch der Schmerz sei stärker gewesen und er sei am Ende unterlegen.
Chicot schrieb seinerseits selbst einen Brief an den König. Dieser Brief, datirt vom Jahr 1580, war in fünf, Paragraphen abgetheilt.
Jeder von diesen Paragraphen war, wie man glauben mußte, an einem von dem andern entfernten Tag und gemäß der Fortschritte der Krankheit geschrieben.
Der erste Paragraph war mit einer ziemlich festen Hand geschrieben und unterzeichnet.
Der zweite zeugte von einer minder sicheren Hand, und die Unterschrift war, wenn auch leserlich, doch schon zitternd.
Unten an den dritten schrieb er nur Chic…
An das Ende des vierten Ch…
An das Ende des fünften machte er ein C mit einem Tintenklecks.
Dieser Tintenklecks eines Sterbenden brachte die schmerzliche Wirkung auf den König hervor.
Dies erklärt, warum er Chicot für ein Gespenst und einen Schatten gehalten hatte.
Wir würden wohl den Brief von Chicot hier citiren, aber Chicot war, wie man heut zu Tage sagen würde, ein sehr excentrischer Mensch, und da der Styl der Mensch ist, so war besonders sein Briefstyl so excentrisch, daß wir es nicht wagen, diesen Brief hier zu wiederholen, welche Wirkung wir auch damit hervorbringen dürften.
Unten an diesem Brief, und um das Interesse von Heinrich für seine Person nicht erkalten zu lassen, fügte Gorenflot bei, seit dem Tode seines Freundes sei ihm die Priorei Beaune verhaßt geworden und er würde Paris vorziehen.
Chicot hatte besonders viel Mühe, diese Nachschrift mit dem Ende der Finger von Gorenflot zu schreiben. Gorenflot befand sich im Gegentheil vortrefflich in Beaune und Panurgos auch. Er bemerkte Chicot mit kläglichem Tone, der Wein sei immer verfälscht, wenn man ihn nicht an Ort und Stelle auswähle. Chicot aber versprach, jedes Jahr in Person seine Einkäufe an Romanée, Volnay und Chambertin zu machen, und da Gorenflot in diesem Punkt wie in so vielen andern die Ueberlegenheit von Chicot anerkannte, so gab er am Ende dem Begehren seines Freundes nach.
In Antwort auf den Brief von Gorenflot und die letzten Abschiedsworte von Chicot schrieb der König eigenhändig:
»Mein Herr Prior, Ihr werdet ein frommes und poetisches Begräbniß unserem armen Chicot geben, den ich von ganzer Seele beklage, denn er war nicht nur ein treu ergebener Freund, sondern auch ein ziemlich guter Edelmann, obgleich er selbst in seiner Genealogie nie über seinen Urältervater hinaussehen konnte. Ihr werdet ihn mit Blumen umgeben und es so machen, daß er in der Sonne ruht, die er sehr liebte, da er von Süden war. Was Euch betrifft, dessen Traurigkeit ich in gleichem Maße ehre und theile, so werdet Ihr nach dem Wunsche, den Ihr gegen mich aussprecht, die Priorei Beaune verlassen. Ich bedarf in Paris zu sehr ergebener Männer und guter Geistlicher, um Euch entfernt zu halten. Dem zu Folge ernenne ich Euch zum Prior der Jakobiner, wonach Ihr vor der Porte Saint-Antoine wohnen werdet, ein Quartier, dem unser armer Freund ganz besonders zugethan war.
»Euer wohlgewogener Heinrich, der Euch bittet, ihn in Euren Gebeten nicht zu vergessen.«
Man kann sich denken, wie der Prior bei diesem ganz eigenhändig vom König geschriebenen Briefe große Augen machte, die Macht des Genies von Chicot bewunderte und sich beeilte, seinen Flug gegen die ehrenvolle Stellung zu nehmen, die ihn erwartete.
Denn der Ehrgeiz hatte, wie man sich erinnert, schon früher eines von den haltbaren Wurzelreisern in dem Herzen von Gorenflot getrieben, – von Gorenflot, dessen Vorname stets Modeste gewesen, und der sich, schon seitdem er Prior von Beaune war, Dom Modeste Gorenflot nannte.
Alles ging zugleich nach den Wünschen des Königs und von Chicot. Ein Bündel Dorne, bestimmt physisch und allegorisch den Leichnam darzustellen, wurde in der Sonne, inmitten von Blumen, unter einer schönen Weinrebe begraben; und sobald Chicot todt und in effigie beerdigt war, half er Gorenflot bei seinem Umzuge.
Modeste nahm mit großem Gepränge Besitz von seiner Priorei der Jacobiner. Chicot wählte die Nacht, um in Paris einzuschlüpfen. Er kaufte bei der Porte Bussy ein kleines Haus, das ihn drei hundert Thaler kostete, und wenn er Gorenflot besuchen wollte, so hatte er drei Wege: den durch die Stadt, der der kürzere, den am Strande des Wassers, der der poetischere, und den längs den Mauern, der der sicherste war.
Aber Chicot, ein Träumer, wählte beinahe immer den an der Seine, und da der Fluß in jener Zeit noch nicht zwischen steinerne Mauern eingeschachtet war, so leckte das Wasser, wie der Dichter sagt, seine Ufer, an denen die Bewohner der Cité mehr als einmal die lange Silhouette von Chicot bei schönem Mondschein sich hervorheben sehen konnten.
Nachdem Chicot eingezogen war und seinen Namen verändert hatte, war er bemüht. auch sein Gesicht zu verändern; er nannte sich Robert Briquet und ging leicht vorwärts gebeugt; dann hatte ihn die beständige Unruhe und der Verlauf der letzten sechs Jahre beinahe kahl gemacht, so daß sein sonst krauses schwarzes Haar sich, wie das Meer bei der Ebbe, von seiner Stirne gegen sein Genick zurückgezogen.
Ueberdies trieb er, wie gesagt, die den alten Mimen so theure Kunst, welche darin bestand, daß man durch geschicktes Zusammenziehen das natürliche Spiel der Muskeln und das gewöhnliche Spiel der Physiognomie veränderte.
Folge von diesem anhaltenden Studium war, daß Chicot am hellen Tag gesehen, wenn er sich die Mühe geben wollte, als ein wahrhafter Robert Briquet, das heißt, als ein Mensch erschien, dessen Mund von einem Ohr zum andern ging, dessen Kinn die Nase berührte und dessen Augen schielten, daß man bange bekam: Alles ohne Grimassen, aber nicht ohne einen gewissen Reiz für Liebhaber von Verwandlungen, weil sein Gesicht, sonst lang, fein und eckig, breit, aufgedunsen und stumpf wurde.
Nur seine langen Arme und seine ungeheuren Beine konnte Chicot nicht verkürzen; da er aber sehr erfindungsreich war, so bog er, wie gesagt, seinen Rücken, so daß seine Arme beinahe so lang waren, als seine Beine.
Mit diesen physiognomischen Uebungen verband er die Vorsicht, daß er mit Niemand eine Bekanntschaft anknüpfte. So ausgerenkt Chicot auch war, so konnte er doch nicht ewig dieselbe Postur behalten. Wie kann man buckelig um zwölf Uhr erscheinen, wenn man um zehn Uhr gerade gewesen war, und welchen Vorwand soll man einem Freund angeben, der uns plötzlich das Gesicht verändern sieht, weil uns, während wir mit ihm spazieren gehen zufällig eine verdächtige Person begegnet?
Robert Briquet führte also ein Klausnerleben, was übrigens seinem Geschmacke entsprach; seine ganze Zerstreuung bestand darin, daß er Gorenflot besuchte, mit dem er vollends den ausgezeichneten 1550er trank, welchen in den Kellern von Beaune zu lassen der würdige Prior sich wohl gehütet hatte.
Doch die gemeinen Geister sind Veränderungen unterworfen, wie die großen Geister. Gorenflot veränderte sich, Gott sei Dank nicht physisch, aber moralisch.
Er sah denjenigen, welcher bisher sein Geschick in seinen Händen hatte, in seiner Macht und seiner Diskretion anheimgegeben. Chicot, der zum Mittagessen in die Priorei kam, erschien ihm als ein Chicot-Sklave, und Gorenflot hielt von diesem Augenblick an zu viel von sich und nicht genug von Chicot.
Chicot sah, ohne sich dadurch beleidigt zu fühlen, die Veränderung seines Freundes. Er hatte sich durch ähnliche Erfahrungen bei König Heinrich zu einer solchen Philosophie gebildet. Er beobachtete sich mehr, und das war Alles. Statt alle zwei Tage in die Priorei zu gehen, ging er nur noch einmal in der Woche, dann alle vierzehn Tage, dann alle Monate dahin. Gorenflot war so aufgeblasen, daß er es gar nicht bemerkte.
Chicot war zu sehr Philosoph, um empfindlich zu sein; er lachte im Stillen über die Undankbarkeit von Gorenflot und kratzte sich nach seiner Gewohnheit an der Nase und am Kinn.
»Das Wasser und die Zeit,« sagte er, »sind die zwei mächtigsten auflösenden Mittel, die ich kenne. Das eine löst den Stein auf und das andere die Eitelkeit. Warten wir.« Und er wartete.
Er war in diesem Warten begriffen, als die von uns erzählten Ereignisse eintraten, unter denen einige von den neuen Elementen aufzutauchen schienen, welche große politische Katastrophen weissagen. Da nun sein König, den er immer noch liebte, obgleich er gestorben war, ihm unter diesen zukünftigen Ereignissen einigen Gefahren, denen ähnlich, vor welchen er ihn bewahrt hatte, preisgegeben zu sein schien, so entschloß er sich, ihm im Zustande eines Gespenstes zu erscheinen und ihm in dieser Absicht allein die Zukunft vorherzusagen. Wir haben gesehen, wie Chicot durch die in die Entlassung von Joyeuse eingewickelte Ankündigung der nahe bevorstehenden Ankunft von Herrn von Mayenne, eine Ankündigung, welche Chicot im Grunde ihrer Hülle herausgefunden, wie Chicot, sagen wir vom Zustande eines Gespenstes zur Lage eines Lebendigen, und von der Stellung eines Propheten zu der eines Botschafters überging.
Nun, da Alles, was in unserer Erzählung dunkel erscheinen könnte, erklärt ist, werden wir, wenn es unsere Leser erlauben, Chicot bei seinem Ausgang aus dem Louvre wiederaufnehmen und ihm bis zu seinem kleinen Hause im Carrefour Bussy folgen.
4tes – 7tes Bändchen
Erstes Kapitel
Die Serenade
Um vom Louvre nach Hause zu kommen, hatte Chicot keinen weiten Weg zu gehen.
Er stieg an dem steilen Ufer hinab und fing an über den Fluß mit einem kleinen Schiffe zu fahren, das er selbst lenkte und von der Rive de Nesle an den verlassenen Quai des Louvre gebracht hatte.
»Es ist seltsam,« sagte er zu sich selbst, indem er ruderte, und während er ruderte, nach den Fenstern des Pallastes schaute, von denen ein einziges das des Königs trotz der vorgerückten Nacht erleuchtet bliebe, »es ist seltsam, nach vielen Jahren ist Heinrich immer noch derselbe, die Einen sind groß geworden. Andere haben sich erniedrigt und wieder Andere sind gestorben, er hat ein paar Falten im Gesicht und im Herzen bekommen und mehr nicht, es ist immer derselbe schwache und erhabene phantastische und politische Geist; es ist ewig diese selbstsüchtige Seele, welche stets mehr verlangt, als man ihr geben kann, – die Freundschaft bei der Gleichgültigkeit, die Liebe bei der Freundschaft, die Ergebenheit bei der Liebe – und ein unglücklicher König, ein armer König, traurig bei Alledem mehr als ein Mensch seines Reiches. Ich glaube, ich habe diese seltsame Mischung von Ueppigkeit und von Reue, von Gottlosigkeit und Aberglauben ergründet; wie nur ich allein den Louvre kenne, durch dessen Gemächer so viele Günstlinge gezogen sind, um in das Grab, die Verbannung oder in die Vergessenheit zu gehen; auch nur ich allein ohne Gefahr mit dieser Krone spiele, welche einstweilen den Geist von so vielen Leuten verbrennt, da sie ihnen auch die Finger verbrennen wird.
Chicot stieß einen mehr philosophischen als trauriger Seufzer aus und drückte kräftig auf seine Ruder.
»Ah!« sagte er plötzlich, »hat mir der König nicht von Reisegeld gesprochen? dieses Vertrauen ehrt mich, den es beweist mir, daß ich immer noch sein Freund bin.«
Dabei lachte Chicot im Stillen, wie es seine Gewohnheit war, und warf dann mit einem letzten Ruderschlag sein Schiff auf den feinen Sand, wo es sitzen blieb.
Er band das Vordertheil mit einem Knoten, dessen Geheimniß er kannte, und der in jenen, vergleichungsweise unschuldigen Zeiten hinreichende Sicherheit bot, an einem Pfahl an und wandte sich sofort nach seiner, wie man weiß nur zwei Büchsenschüsse von dem Ufer der Seine entfernt liegenden Wohnung.
Als er in die Rue des Augustins kam, war er sehr erstaunt, da er Stimmen und Instrumente ertönen hörte, welche das in so vorgerückter Stunde sonst so friedliche Quartier mit Harmonie erfüllten.
»Es ist also hier eine Hochzeit,« dachte er Anfangs, »alle Wetter! ich hatte nur fünf Stunden zu schlafen, und werde genöthigt sein, zu wachen, ich, der ich nicht Hochzeit halte.«
Während er sich näherte, sah er einen großen Lichtschein in den Fensterscheiben der wenigen Häuser tanzen, die sich in dieser Straße fanden; dieser Schein wurde durch Dutzend Fackeln hervorgebracht, welche Pagen und Lackeien trugen, indeß vier und zwanzig Musiker unter Befehlen eines besessenen Italieners aus Leibeskräften mit ihren Violen, Psaltern, Geigen, Zithern, Trompeten und Trommeln aufspielten.
Dieses Heer von Lärmmachern war in schöner Ordnung vor einem Hause aufgestellt, in welchem Chicot zu seiner Verwunderung das seinige erkannte.
Der unsichtbare General, der das Manoeuvre leitete, hatte Musiker und Pagen so geordnet, daß alle, das Gesicht gegen die Wohnung von Robert Briquet gewendet, das Auge auf die Fenster geheftet, nur für diese Betrachtung zu athmen zu leben und sich zu beleben schienen.
Chicot schaute einen Augenblick erstaunt diese Evolution an und horchte auf das ganze Getöse.
Dann schlug er mit seinen knochigen Händen auf seine Schenkel und sprach:
»Das ist ein Irrthum; es ist nicht möglich, daß man für mich einen solchen Lärmen macht.«
Hierauf trat er näher hinzu, vermischte sich mit den Neugierigen, welche die Serenade herbeigezogen hatte, und versicherte sich, aufmerksam umherschauend, daß alles Licht der Fackeln sich an seinem Hause abspiegelte, wie die ganze Harmonie an dieses anprallte, und daß Niemand in der Menge sich im Geringsten um das Haus gegenüber oder um die benachbarten Häuser bekümmerte.
»In der That,« sagte Chicot zu sich selbst, »es ist für mich: sollte sich zufällig eine unbekannte Prinzessin in mich verliebt haben?«
Diese Annahme, so schmeichelhaft sie auch war, schien indessen Chicot keines Wegs zu überzeugen.
Er wandte sich nach dem Hause um, das dem seinigen gegenüber stand.
Nur zwei Fenster dieses Hauses, die zwei einzigen, welche keine Läden hatten, fingen zuweilen Lichtblitze auf; doch dies geschah nur zum Vergnügen des armen Hauses selbst, das alles Lebens beraubt, von jedem menschlichen Antlitz verlassen zu sein schien.
»Man muß einen sehr harten Schlaf in diesem Hause haben,« sagte Chicot, »alle Teufel! ein solches Bacchanal müßte Todte erwecken.«
Während aller dieser Fragen und Antworten, welche Chicot an sich selbst richtete, setzte das Orchester seine Symphonie fort, als ob es vor einer Versammlung von Königen und Kaisern gespielt hätte.
»Verzeiht Freund,« fragte Chicot, sich an einen Fackelträger wendend, »könntet Ihr mir nicht sagen, für wen diese ganze Musik?«
»Für den Bürger, der hier wohnt,« antwortete der Diener, indem er Chicot das Haus von Robert Briquet bezeichnete.
»Es ist für mich, entschieden für mich,« dachte Chicot.
Chicot drang durch die Menge, um die Erklärung des Räthsels auf dem Aermel und der Brust der Pagen zu lesen, aber jedes Wappen war sorgfältig unter einer Art von mauerfarbigem Ueberwurf verborgen.
»Wem gehört Ihr, mein Freund?« fragte Chicot einen Tamburinschläger, der seine Finger mit dem Athen erwärmte, weil er in diesem Augenblick gerade nichts zu trommeln hatte.
»Dem Bürger, der hier wohnt,« antwortete der Musiker, indem er mit seinem Stäbchen die Wohnung von Robert Briquet bezeichnete.
»Ah! ah!« sagte Chicot, »sie sind nicht nur meinetwegen hier, sondern sie gehören sogar mir. Es kommt immer besser; wir werden wohl am Ende sehen.«
Er bewaffnete sein Gesicht mit der schwierigsten Grimasse, die er finden konnte, stieß rechts und links Pagen, Lackeien, Musiker, um die Thüre zu erreichen, ein Manoeuvre, das er nicht ohne Schwierigkeit durchführte, zog hier, sichtbar und glänzend in dem von den Fackelträgern gebildeten Kreis, den Schlüssel aus der Tasche öffnete die Thüre, trat ein, stieß die Thüre wieder zu und schob den Riegel vor.
Dann stieg er auf seinen Balkon, stellte auf den Vorsprung einen metallenen Stuhl, setzte sich bequem darauf, stützte das Kinn auf das Geländer und sprach, ohne daß er das Gelächter zu bemerken schien, das seine Person empfing:
»Meine Herren, täuscht Ihr Euch nicht, sind Eure Triller, Cadenzen und Rouladen wirklich an mich gerichtet?«
»Ihr seid Meister Robert Briquet?« fragte der Director des ganzen Orchesters.
»In Person.«
»Wohl, wir sind ganz zu Euren Diensten, mein Herr,« erwiederte der Italiener mit einer Bewegung seines Stabes, welche einen neuen Melodiesturm hervorrief.
»Das ist wahrhaftig nicht zu verstehen,« sagte Chicot zu sich selbst, indem er seine scharfen Augen auf der ganzen Menge und an allen Häusern der Nachbarschaft umherlaufen ließ.
Alle Bewohner waren an ihren Fenstern, auf der Schwelle ihres Hauses oder mit den Gruppen vermischt, die vor der Thüre standen.
Meister Fournichon, seine Frau und das ganze Gefolge der Fünf und Vierzig bevölkerten die Oeffnungen des Gasthauses zum Schwert des kühnen Ritters.
Nur das Haus gegenüber war stumm, düster wie ein Grab.
Chicot suchte fortwährend mit den Augen den Schlüssel zu diesem unerklärlichen Räthsel, als er plötzlich unter dem Weiterdach seines Hauses, durch die Spalten des Bodens vom Balken, einen ganz in einen dunkelfarbigen Mantel gehüllten Mann erblickte, der einen schwarzen Hut mit rother Feder und einen langen Degen trug und, da er nicht gesehen zu sein glaubte, mit seiner ganzen Seele nach dem gegenüber liegenden öden, stummen, todten Haus schaute.
Von Zeit zu Zeit verließ der Director des Orchesters seinen Posten, um leise mit diesem Mann zu sprechen.
Chicot errieth bald, daß das ganze Interesse der Scene hier war, und daß dieser schwarze Hut das Gesicht eines Edelmanns verbarg.
Von diesem Augenblick an war seine ganze Aufmerksamkeit dem Unbekannten zugewendet. Die Rolle des Beobachtens war ihm leicht, seine Stellung am Geländer erlaubte seinem Blicke aus der Straße und unter dem Wetterdache zu unterscheiden; es gelang ihm, jeder Bewegung des geheimnißvollen Unbekannten zu folgen, dessen Züge ihm seine erste Unvorsichtigkeit unfehlbar enthüllen mußte.
Plötzlich, und während Chicot ganz in seine Beobachtungen vertieft war, erschien ein Cavalier, gefolgt von zwei Stallmeistern, an der Ecke der Straße und vertrieb energisch mit Gertenhieben die Neugierigen, welche hartnäckig Gallerie für die Musiker bildeten.
»Herr Joyeuse,« murmelte Chicot, der in dem Cavalier den aus Befehl des Königs gestiefelten und gespornten Großadmiral von Frankreich erkannte.
Sobald die Neugierigen zerstreut waren, schwieg das Orchester.
Ohne Zweifel hatte ihm ein Wink des Gebieters Stillschweigen auferlegt.
Der Cavalier näherte sich dem unter dem Wetterdache verborgenen Edelmann und fragte:
»Nun, Henri, was gibt es Neues?«
»Nichts, mein Bruder, nichts.«
»Nichts!«
»Neins sie ist nicht einmal erschienen.«
»Diese Bursche haben also keinen Lärmen gemacht?«
»Sie haben das ganze Quartier betäubt.«
»Sie haben also nicht gerufen, wie es ihnen empfohlen war, sie spielen zu Ehren dieses Bürgers?«
»Sie haben es so laut gerufen, daß er in Person auf seinem Balcon sitzt und der Serenade zuhört.
»Sie ist nicht erschienen?«
»Weder sie, noch sonst Jemand.«
»Der Gedanke war doch geistreich,« sagte Joyeuse gereizt, »denn sie könnte es am Ende, ohne sich zu compromittiren, machen wie alle diese guten Bürgersleute und die ihrem Nachbar gegebene Musik benütze.«
Henri schüttelte den Kopf.
»Ah! man sieht wohl, daß Du sie nicht kennst, Bruder,« sagte er.
»Doch, doch, ich kenne sie; das heißt, ich kenne alle Frauen, und da sie in dieser Zahl inbegriffen ist, so wollen wir den Muth nicht sinken lassen.«
»Oh! mein Gott! Bruder, Du sagst mir das mit einem ganz entmuthigten Tone.«
»Durchaus nicht; nur muß der Bürger von heute an jedem Abend seine Serenade bekommen.«
»Sie wird ausziehen.«
»Warum, wenn Du nichts sagst, wenn Du sie nicht bezeichnest, wenn Du stets verborgen bleibst? Sprach der Bürger, als man ihm diese Artigkeit erwies?«
»Er hat eine Rede an das Orchester gehalten… Ah! sieh, Bruder, er will in der That noch einmal sprechen.«
Entschlossen, in der Sache ins Klare zu kommen, stand Briquet wirklich auf, um zum zweiten Male den Direktor des Orchesters zu befragen.
»Schweigt da oben und geht hinein,« rief Anne in seiner üblen Laune, »was Teufels, da Euch Eure Serenade zu Theil geworden ist, so habt Ihr nichts zu sagen, haltet Euch also ruhig.«
»Meine Serenade. meine Serenade,« erwiederte Chicot mit der freundlichsten Miene, »ich will wenigstens wissen, an wen meine Serenade gerichtet ist.«
»An Eure Tochter, Dummkopf.«
»Verzeiht, Herr, ich habe keine Tochter.«
»An Eure Frau also.«
»Ich bin, Gott sei Dank! nicht verheirathet.«
»An Euch, an Euch persönlich.«
»Ja, an Dich und wenn Du nicht hineingehst…«
Joyeuse verband die That mit der Drohung und sprengte sein Pferd gegen den Balcon von Chicot, und zwar mitten durch die Instrumentisten.
»Alle Wetter!« rief Chicot, »wer wirft hier die Musiker nieder, wenn die Musik für mich ist?«
»Alter Narr,« brummte Joyeuse das Haupt erhebend, »wenn Du Dein häßliches Gesicht nicht in Deinem Rabennest verbirgst, so werden Dir die Musiker alle ihre Instrumente auf dem Genick zerbrechen.«
»Laß diesen armen Menschen,« sprach Du Bouchage, »er muß sich in der That sehr wundern!«
»Und warum wundert er sich, beim Teufel! Uebrigens siehst Du wohl, daß wir, wenn wir einen Streit anfangen, Jemand an das Fenster ziehen werden; prügeln wir also den Bürger, stecken wir sein Haus in Brand, wenn es sein muß, aber rühren wir uns, rühren wir uns.«
»Ich bitte, mein Bruder,« entgegnete Heinrich, »erpressen wir nicht die Aufmerksamkeit dieser Frau, wir sind besiegt, ergeben wir uns!«
Briquet verlor kein Wort von diesem Zwiegespräch, das helles Licht in seine noch verworrenen Ideen brachte; er traf im Geiste seine Anstalten zur Vertheidigung, denn er kannte die Laune desjenigen, welcher ihn angriff.
Doch Joyeuse ergab sich den Vernunftgründen seines Bruders, ging nicht weiter und entließ Pagen, Diener, Musiker und Maestro.
Er zog sodann seinen Bruder bei Seite und sprach zu ihm:
»Du siehst mich in Verzweiflung, Alles ist gegen uns verschworen.«
»Was willst Du damit sagen?«
»Es gebricht mir an Zeit, Dir zu helfen.«
»Du bist in der That in Reisekleidern; ich hatte das nicht bemerkt.«
»Ich reise heute Nacht mit einer Sendung des Königs nach Antwerpen ab.«
»Wann hat er Dir sie übertragen?«
»Diesen Abend.«
»Mein Gott!«
»Komm mit mir, ich bitte Dich.«
Erbleichend bei dem Gedanken an diese Abreise, ließ Henri die Arme sinken und fragte:
»Befiehlst Du es mir, mein Bruder?«
Joyeuse machte eine Bewegung.
»Wenn Du es mir befiehlst, Bruder, werde ich Dir gehorchen.«
»Ich bitte Dich nur darum, Du Bouchage.«
»Ich danke, mein Bruder.«
Joyeuse zuckte die Achseln.
»So lange Du willst, Joyeuse; aber siehst Du, wenn ich darauf verzichten müßte, meine Nächte in dieser Straße zuzubringen, wenn ich aufhören müßte, nach diesem Fenster zu schauen…«
»Nun?«
»So würde ich sterben.«
»Armer Narr!«
»Mein Herz ist dort,« sagte Henri, indem er die Hand nach dem Fenster ausstreckte, »mein Leben ist dort; fordere nicht, daß ich lebe, wenn Du mir das Herz aus der Brust reißest.«