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Kitabı oku: «Die Fünf und Vierzig», sayfa 12

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Der Herzog kreuzte die Arme mit einem Zorn, in den sich Mitleid mischte, biß sich auf seinen feinen Schnurrbart und sprach, nachdem er einige Augenblicke stillschweigend nachgedacht hattet:

»Wenn Dein Vater Dich bäte, Du möchtest Dich durch Miron behandeln lassen, der ein Philosoph und zugleich ein Arzt ist…«

»So würde ich ihm antworten, ich sei nicht krank, mein Kopf sei gesund, und Miron heile keinen Liebesschmerz.«

»Man muß also Deine Art, die Sache anzusehen, adoptiren; doch warum sollte ich mich beunruhigen? Diese Frau ist eine Frau, Du bist beharrlich, nichts steht also verzweifelt, und bei meiner Rückkehr werde ich Dich munterer, freudiger und singlustiger finden, als ich bin.«

»Ja, ja,« erwiederte der junge Mann, seinem Freunde die Hände drückend, »ja, ich werde genesen, ja, ich werde glücklich sein, ja, ich werde munter sein, Dank sei Deiner Freundschaft!… Das ist mein kostbarstes Gut.«

»Nach Deiner Liebe.«

»Vor meinem Leben.«

Trotz seiner scheinbaren Frivolität tief gerührt, sagte Joyeuse, seinen Bruder ungestüm unterbrechend:

»Gehen wir? Die Fackeln sind ausgelöscht, die Instrumente auf dem Rücken der Musiker, die Pagen unter Weges.«

»Gehe, gehe, mein Bruder, ich folge Dir,« erwiederte Du Bouchage seufzend, daß er den Platz verlassen sollte.

»Ich verstehe Dich,« sprach Joyeuse, »das letzte Lebewohl an das verlassene Fenster, das ist billig! Nun auch ein Lebewohl für mich, Henri.«

Henri schlang seine Arme um den Hals seines Bruders, der sich zu ihm herabneigte.

»Nein,« sagte er, »ich werde Dich bis zu den Thoren begleiten; erwarte mich nur hundert Schritte von hier. Wenn sie die Straße verlassen glaubt, wird sie sich vielleicht zeigen.«

Anne ritt zu der Escorte, welche in einer Entfernung von hundert Schritten stille gehalten hatte.

»Vorwärts, vorwärts,« sagte er, »wir bedürfen Euer bis aus weiteren Befehl nicht mehr. Entfernt Euch.«

Die Fackeln verschwanden, das Gelächter und die Gespräche der Musiker erloschen, und eben so auch die letzten den Saiten der Violen und Lauten durch das Berühren einer verirrten Hand entlockten Seufzer.

Henri warf einen letzten Blick nach dem öden Hause, sandte ein letztes Gebet nach dessen Fenstern, und folgt langsam und beständig sich umwendend seinem Bruder, dem seine zwei Stallmeister voranritten.

Als Robert Briquet die zwei jungen Leute mit den Musikanten sich entfernen sah, dachte er, die Entwickelung dieser Scene, wenn sie überhaupt eine Entwickelung hätte, würde stattfinden.

Dem zu Folge zog er sich geräuschvoll vom Balcon zurück und schloß das Fenster.

Einige hartnäckige Neugierige blieben noch auf ihrem Posten, aber nach zehn Minuten war auch der Ausdauerndste verschwunden.

Während dieser Zeit erreichte Robert Briquet das Dach seines Hauses, welches ausgezackt war, wie das der flamändischen Häuser; er verbarg sich hinter einer dieser Zackungen und beobachtete die Fenster gegenüber.

Sobald der Lärm auf der Straße aufgehört hatte und man weder Instrumente, noch Tritte, noch Stimmen mehr vernahm, sobald endlich Alles in die gewöhnliche Ordnung zurückgekehrt war, öffnete sich geheimnißvoll eines von den oberen Fenstern dieses seltsamen Hauses und ein vorsichtiger Kopf kam daraus hervor.

»Nichts mehr,« murmelte eine Männerstimme, »folglich keine Gefahr mehr; es war eine Mystification an unsern Nachbar gerichtet; Ihr könnt Euer Versteck verlassen, gnädige Frau und in Euer Zimmer hinabgehen.«

Bei diesen Worten schloß der Mann das Fenster wieder, ließ das Feuer aus einem Stein springen, zündete eine Lampe an und reichte sie einem Arm, der sich ausstreckte, um sie zu empfangen.

Chicot schaute mit allen Kräften seines Augensternes.

Doch er hatte nicht sobald das bleiche und erhabene Antlitz der Frau erschaut, welche die Lampe in Empfang nahm, er hatte nicht sobald den sanften, traurigen Blick aufgefaßt, der zwischen dem Diener und der Gebieterin ausgetauscht wurde, als er selbst erbleichte und fühlte, wie ein eisiger Schauer seine Adern durchlief.

Die junge Frau war kaum vier und zwanzig Jahre alt. Sie stieg nun die Treppe hinab; ihr Diener folgte Ihr.

»Ah!« murmelte Chicot der mit der Hand über die Stirne fuhr, um sich den Schweiß abzuwischen, und als ob er zugleich eine furchtbare Erscheinung hätte verjagen wollen, »ah! Graf Du Bouchage, braver, schöner junger Mann, wahnsinniger Verliebter, der Du davon sprichst Du werdest freudig, munter, singlustig werden, tritt Deinen Wahlspruch Deinem Bruder ab, denn nie mehr wirst Du sagen können: hilariter.«8

Dann stieg er ebenfalls in sein Zimmer hinab… die Stirne verdüstert, wie wenn er in eine furchtbare Vergangenheit, in einen blutigen Abgrund hinabgestiegen wäre, und setzte sich in den Schatten, unterjocht, er zuletzt, aber am vollständigsten vielleicht, durch den unglaublichen Einfluß der Schwermuth, der von dem Mittelpunkte dieses Hauses ausging.

Zweites Kapitel
Die Börse von Chicot

Chicot brachte die ganze Nacht träumend in seinen Lehnstuhl zu. Träumend ist das richtige Wort, denn in der That, es waren weniger Gedanken, als Träume, was ihn beschäftigte.

Zur Vergangenheit zurückkehren, mit einem Blick eine ganze, beinahe im Gedächtniß vermischte Epoche an Feuer eines einzigen Blickes sich erhellen sehen, heißt nicht denken. Chicot wohnte die ganze Nacht in einer Welt, welche längst von ihm verlassen und mit erhabenen oder anmuthigen Schatten bevölkert war, die ihm der Blick der bleichen Frau, einer treuen Lampe ähnlich, einer nach dem andern mit seinem Gefolge von glücklichen und schrecklichen Erinnerungen an ihm vorüberziehend zeigte.

Chicot, der so sehr seinen Schlaf beklagte, da er vom Louvre zurückkam, dachte nicht einmal mehr daran, sich niederzulegen. Als die Morgendämmerung die Scheiben seinen Fenstern versilberte, sprach er:

»Die Stunde der Gespenster ist vorüber, wir müssen nun auch ein wenig an die Lebendigen denken.«

Er stand auf, gürtete sich sein langes Schwert um, warf über seine Schultern einen Oberrock von weinhefenfarbiger Wolle, von einem auch für die stärksten Regen undurchdringlichen Gewebe, und prüfte mit der stoischen Festigkeit des Weisen den Grund seiner Börse und die Sohle seiner Schuhe.

Diese erschienen Chicot würdig; einen Feldzug zu beginnen; jene verdiente eine besondere Aufmerksamkeit. Wir werden daher unsere Erzählung einen Halt machen lassen und uns Zeit nehmen, sie unseren Lesern zu beschreiben.

Chicot wie man weiß, ein Mensch von erfindungsreicher Einbildungskraft, hatte den Hauptbalken ausgehöhlt, der sein Haus von einem Ende zum andern durchzog und zugleich zur Zierrath, denn er war verschiedenfarbig bemalt, und zur Festigkeit diente, denn er hatte wenigstens achtzehn Zoll im Durchmesser.

Aus diesem Balken hatte er sich mittelst einer Aushöhlung von anderthalb Fuß Länge und sechs Zoll Breite, eine Kasse gemacht, in deren Seiten tausend Goldthaler enthalten waren.

Chicot hatte folgende Berechnung angestellt:

»Ich gebe jeden Tag den zwanzigsten Theil von einem solchen Thaler aus; ich habe also Mittel, zwanzigtausend Tage zu leben. Ich werde sie nie leben, aber ich kann die Hälfte erreichen, und dann vermehren sich, je älter ich werde meine Bedürfnisse und folglich meine Ausgaben, denn die Gemächlichkeit muß im Verhältnis der Abnahme des Lebens zunehmen.

Somit habe ich also zwanzig bis fünf und zwanzig schöne Jahre zu leben. Das ist, Gott sei Dankt genug.«

Chicot war also, mit Hilfe der Rechnung, die wir ihm nachgemacht haben, einer der reichsten Rentiers der Stadt Paris, und diese Ruhe über seine Zukunft verlieh ihm einen gewissen Stolz.

Nicht als ob Chicot geizig gewesen wäre, er war sogar lange Zeit verschwenderisch, aber er hatte eine furchtbare Angst vor der Armuth, denn er wußte, daß sie wie ein bleierner Mantel auf die Schultern fällt und die Stärksten niederbeugt.

Als er diesen Morgen seine Kasse öffnete, um sich seine Rechnung zu machen, sagte er zu sich selbst:

»Bei Gott! das Jahrhundert ist hart und die Zeiten sind nicht für die Großmuth geeignet. Ich habe kein Zartgefühl gegen Heinrich zu beobachten. Diese tausend Goldthaler kommen nicht einmal von ihm, sondern von einem Oheim, der mir sechsmal mehr versprochen hatte. Dieser Oheim war allerdings Junggeselle. Wenn es noch Nacht wäre, würde ich hundert Thaler aus der Tasche des Könige nehmen, aber es ist Tag und ich habe keine andere Quelle mehr, als bei mir selbst und … bei Gorenflot.«

Der Gedanke, von Gorenflot Geld zu beziehen, machte seinen würdigen Freund lächeln.

»Es müßte schön anzusehen sein,« fuhr er fort, »wenn Meister Gorenflot, der mir sein Glück verdankt, hundert Thaler seinem Freunde für den Dienst des Königs abschlagen würde, welcher ihn zum Prior der Jacobiner ernannt hat.

»Ah!« sprach er, »es ist nicht mehr Gorenflot.

»Ja, aber Robert Briquet ist immer noch Chicot.

»Doch der Brief des Königs, der Brief, bestimmt, Navarra in Flammen zu setzen, ich sollte ihn vor Tag holen, und der Tag ist gekommen. Ah! dieses Mittel werde ich haben, und es wird sogar einen furchtbaren Schlag auf den Schädel von Gorenflot thun, wenn mir – sein Gehirn zu hart zu überzeugen scheint.

»Vorwärts also!«

Chicot fügte das Brett wieder ein, das sein Versteck schloß, befestigte es mit vier Nägeln, und bedeckte es mit der Platte, auf die er gehörig Staub streute, um die Fugen zu verstopfen; dann schaute er, zum Aufbruch bereit, zum letzten Male dieses kleine Zimmer an, wo er seit vielen glücklichen Tagen undurchdringlich und bewacht war, wie es das Herz in der Brust ist.

Zuletzt warf er einen Blick auf das Haus gegenüber.

»In der That, diese Teufel von Joyeuse könnten wohl in einer schönen Nacht Feuer an mein Haus legen, um einen Augenblick die unsichtbare Dame an ihr Fenster zu ziehen. Ei! ei! wenn sie mein Haue verbrennen würden, machten sie zugleich eine Goldstange, aus meinen tausend Thalern. Wahrhaftig, ich glaube, ich würde wohl daran thun, die Summe zu vergraben. Nun, wenn die Herren von Joyeuse mein Haue verbrennen, so wird es mir der König bezahlen.«

So beruhigt schloß Chicot seine Thüre, deren Schlüssel er mit sich nahm; als er sodann hinaus ging, um das Ufer zu erreichen, sagte er:

»Ei! ei! dieser Nicolas Poulain könnte wohl hierher, kommen, meine Abwesenheit verdächtig finden und… Ah! diesen Morgen habe ich nur Hasengedanken. Vorwärts! vorwärts.«

Indeß Chicot seine Hausthüre nicht minder sorgfältig schloß, als er seine Zimmerthüre geschlossen hatte, bemerkte er an seinem Fenster den Diener der unbekannten Dame, der, ohne Zweifel in der Hoffnung, so früh am Morgen nicht bemerkt zu werden, Luft schöpfte.

Dieser Mann war erwähnter Maßen ganz entstellt durch eine Wunde am linken Schlaf, die sich über einen Theil der Wange erstreckte. Durch die Heftigkeit des Schlages von der Stelle gerückt, verbarg eine von seinen Augenbrauen beinahe völlig das linke in seine Höhle eingesunkene Auge.

Seltsamer Weise hatte er, bei seiner kahlen Stirne und seinem grünlichen Barte, einen lebhaften Blick und eine Jugendfrische auf der Wange, welche verschont worden war.

Beim Anblick von Robert Briquet, der seine Thürschwelle hinabstieg, bedeckte er sich den Kopf mit seiner Capuce. Er machte eine Bewegung, um zurückzutreten, doch Chicot bedeutete ihm durch eine Bewegung, er möge bleiben.

»Nachbar,« rief ihm Chicot zu, »der Gelärme gestern hat mir mein Haus entleidet; ich will einige Wochen auf meine Meierei gehen; wäret Ihr wohl so gefällig, von Zeit zu Zeit einen Blick nach dieser Seite zu werfen?«

»Ja, mein Herr, gern,« antwortete der Unbekannte.

»Und solltet Ihr Diebe bemerken…«

»Seid unbesorgt, ich habe eine gute Büchse.«

»Ich danke. Indessen hätte ich Euch noch um einen Dienst zu bitten.«

Chicot schien mit dem Auge die Entfernung die zu dem Unbekannten zu messen.

»Doch es ist zu zarter Natur, um es Euch von so ferne zuzurufen, Nachbar,« sagte er.

»Dann werde ich hinabkommen,« erwiederte der Unbekannte.

Chicot sah ihn in der That verschwinden, und als er sich während dieses Verschwindens dem Hause näherte, hörte er seine Tritte in der Hausflur schallen, dann öffnete sich die Thüre und sie standen einander gegenüber.

Diesmal hatte der Diener sein Gesicht völlig in seine Capuce gehüllt.

»Es ist diesen Morgen sehr kalt,« sagte er, um seine geheimnißvolle Vorsicht zu verbergen oder zu entschuldigten.

»Ein eisiger Nordwind, mein Nachbar,« erwiederte Chicot, der sich stellte, als schaute er den andern nicht an, um es ihm bequemer zu machen.

»Ich höre, mein Herr,« sprach der Unbekannte.

»Ich verreise,« sagte Chicot.

»Ihr habt mir schon die Ehre erwiesen, mir dies mitzuteilen.«

»Ich erinnere mich dessen vollkommen; aber indem ich abreise, lasse ich Geld zurück.«

»Desto schlimmer, mein Herr, desto schlimmer, nehmt es mit.«

»Nein, der Mensch ist schwerfälliger und minder entschlossen, wenn er seine Börse zugleich mit seinem Leben zu retten sucht. Ich lasse all mein Geld wohl verborgen hier, so wohl verborgen, daß ich nur das Unglück eines Brandes zu befürchten habe. Wenn mir das begegnete, wollt das Verbrennen eines gewissen dicken Balken beobachten, von dem Ihr dort rechts das in Gestalt eines Drachenkopfes geschnitzte Ende erblickt… beobachtet, sage ich, und sucht in der Asche.«

»In der That, mein Herr,« entgegnete der Unbekannte mit sichtbarer Unzufriedenheit, »Ihr belästigt mich ungemein. Diese vertrauliche Mittheilung wäre besser bei einem Freunde angebracht, als bei einem Mann, den Ihr gar nicht kennt, den Ihr nicht kennen könnt.«

Während er diese Worte sprach, befragte sein glänzendes Auge die häßliche Grimasse von Chicot.

»Es ist wahr,« sprach dieser, »doch ich habe großes Zutrauen zu den Physiognomien, und ich finde, daß Eure Physiognomie die eines ehrlichen Mannen ist.«

»Bedenkt, mein Herr, welche Verantwortlichkeit! Ihr mir aufbürdet. Kann nicht diese ganze Musik meiner Gebieterin eben so ärgerlich sein, als sie Euch ärgerlich gewesen ist, und können wir nicht deshalb die Wohnung verändern?«

»Nun wohl! dann ist Alles abgethan, und ich werde mich nicht an Euch halten, Nachbar.«

»Ich danke für das Vertrauen, das Ihr einem armen Unbekannten beweist,« sagte der Diener sich verbeugend, »ich werde mich desselben würdig zu zeigen suchen.«

Und er grüßte Chicot und ging wieder hinein.

Chicot grüßte ihn seinerseits liebevoll und sprach, als er sah, daß die Thüre wieder hinter ihm geschlossen war:

»Armer junger Mann, diesmal ist es ein wahres Gespenst, und ich habe ihn doch so heiter, so lebendig, so schön gesehen!«

Drittes Kapitel
Die Priorei der Jacobiner

Die Priorei, welche der König Gorenflot geschenkt hatte um ihn für seine redlichen Dienste und besonders für seine glänzende Beredtsamkeit zu belohnen, lag ungefähr zwei Büchsenschüsse jenseits der Porte Saint-Antoine.

Es war damals ein sehr vornehm besuchtes Quartier, das Quartier der Porte Saint-Antoine, der König kam häufig nach dem Schlosse von Vincennes, das man in jener Zeit Bois de Vincennes nannte.

Einige kleine Häuser von vornehmen Herren mit reizenden Gärten und prächtigen Höfen bildeten auf dem Wege dahin gleichsam eine Zugehör des Schlosses und man gab sich hier viele Rendezvous, wobei trotz der Manie, sich mit Staatsangelegenheiten zu beschäftigen, welche damals der geringste Bürger hegte, die Politik streng ausgeschlossen war.

Folge der Hin- und Herfahrten des Hofes war, daß diese Straße verhältnißmäßig die Wichtigkeit hatte, welche heut zu Tage die Champs-Elisées haben.

Man muß gestehen, es war dies eine schöne Lage für die Priorei, welche sich stolz rechts vom Wege nach Vincennes erhob.

Diese Priorei bestand aus einem Viereck von Gebäuden, das einen ungeheuren, mit Bäumen bepflanzten Hof enthielt, und es gehörten dazu außer dem Gemüsegarten, der hinter dem Viereck lag, eine Menge von Gebäulichkeiten und Gartenstücken, die der Priorei die Ausdehnung eines Dorfes gaben.

Zweihundert Jacobinermönche bewohnten die Schlafsäle, welche im Hintergrunde des Hofes parallel mit der Straße lagen.

Auf der Vorderseite verliehen vier Fenster, mit einem einzigen eisernen, an diesen Fenstern hinlaufenden Balcon, den Gemächern der Priorei Luft, Licht und Leben.

Einer Stadt ähnlich, von der man annimmt, sie könnte in Belagerungszustand versetzt werden, fand die Priorei in sich alle ihre Mittel auf den zinspflichtigen Grundgebieten von Charonne, Montreuil und Saint-Mandé. Ihre Weiden machten eine stete vollzählige Herde von fünfzig Ochsen und neun und neunzig Schafen fett; die religiösen Orden durften, war dies nun Ueberlieferung oder geschriebenes Gesetz, nichts zu hundert besitzen.

Ein eigener Palast beherbergte auch neun und neunzig Schweine von einer besonderen Gattung, welche mit Liebe und hauptsächlich mit Eigenliebe ein von Dom Gorenflot erwählter Fleischer auszog.

Diese ehrenvolle Wahl hatte der Fleischer den ausgezeichneten farcirten Ohren, den Fleischwürsten und den Blutwürsten mit Zipollen9 zu danken, welche er einst dem Gasthause zum Füllhorn lieferte. Erkenntlich für die guten Mahle, die er bei Meister Bonhomet gemacht hatte, trug Dom Modeste so die Schulden von Gorenflot ab.

Es ist nicht nöthig, von den Officen und vom Keller zu sprechen. Das Spalier der Priorei gab, gegen Osten und Süden liegend, unvergleichliche Pfirsiche, Aprikosen und Trauben; überdies wurden Conserven von diesen Früchten und Zuckerteige von einem gewissen Bruder Eusèbe bereitet, der den berühmten Confectfelsen verfertigt hatte, den das Stadthaus von Paris den beiden Königinnen bei seinem letzten Festmahl angeboten.

Den Keller hatte Gorenflot, alle die von Burgund leerend, selbst versorgt, denn er hegte die allen wahren Trinkern angeborene Vorliebe, welche sich auf ihre Behauptung gründet, der Burgunder sei derjenige Wein, den man wahrhaft Wein nennen könne.

Im Schooße dieser Priorei, einem wahren Paradies der Müßiggänger und der Wohlschmecker, in der kostbaren Wohnung, deren Balcon auf die Straße geht, finden wir Gorenflot wieder, geschmückt mit einem Kinn mehr und mit jenem ehrwürdigen Ernste, welchen die beständige Gewohnheit der Ruhe und des Wohlbehagens auch den gemeinsten Gesichtern verleiht.

In seinem schneeweißen Gewande, mit dem schwarzen Kragen, der seine breiten Schultern warm hält, hat Gorenflot nicht mehr so viel Freiheit der Bewegung, als in seinem einfachen grauen Mönchkleide, aber er hat mehr Majestät.

Breit wie eine Schöpfenkeule, stützt sich seine Hand auf einen Quartanten, den sie völlig bedeckt; seine dicken Füße drücken einen Wärmer nieder und seine Arme sind nicht mehr lang genug, um einen Gürtel für seinen Bauch zu bilden.

Es hat so eben halb acht Uhr geschlagen. Der Prior, ist zuletzt aufgestanden; er pflegt die Regel zu benützen, welche dem Obersten eine Stunde Schlaf mehr gestattet, als den Mönchen, doch er setzt seine Nacht ruhig und gemüthlich in einem Lehnstuhle mit Ohren fort, der so weich ist wie Eiderdun.

Die Ausstattung des Zimmers, worin der würdige Abt schläft, ist mehr weltlich als religiös: ein Tisch mit gedrehten Füßen und mit einem reichen Teppich bedeckt, religiöse Gemälde galanter Art, eine seltsame Mischung von Liebe und Devotion, welche man nur in jener Zeit in der Kunst findet, kostbare Gefäße für die Kirche oder die Tafel auf Schenktischen, an den Fenstern große Vorhänge von venetianischem Brokat, trotz ihres Alters glänzender, als die theuersten neuen Stoffe, dies sind im Einzelnen die Reichthümer, deren Besitzer Dom Gorenflot durch die Gnade Gottes, des Königs und besondere Chicot’s geworden war.

Der Prior schlief also in seinem Lehnstuhl, während ihm der Tag seinen gewöhnlichen Besuch machte und mit seinen silbernen Lichtern die purpurnen und perlmutterartigen Töne auf dem Gesichte des Schläfers liebkoste.

Die Stubenthüre öffnete sich sachte und zwei Mönche traten ein, ohne den Prior aufzuwecken.

Der Erste war ein Mann von dreißig bis fünf und dreißig Jahren, mager, bleich und nervös gekrümmt in seinem Jacobinergewand; er trug den Kopf hoch; wie ein Pfeil aus seinem Falkenauge schießend, befahl sein Blick, ehe er gesprochen hatte, und dennoch milderte sich dieser Blick durch das Spiel von zwei weißen Augenlidern, welche sich senkend den breiten blauen Kreis hervorheben, von dem seine Augen begränzt waren.

Glänzte aber im Gegentheil dieser schwarze Augenstern zwischen diesen Brauen und der falben Umrahmung der Augenhöhle, so hätte man glauben sollen, es springe ein Blitz aus den Falten zweier kupferner Wolken hervor.

Dieser Mönch hieß Bruder Borromée; er war seit drei Wochen Säckelmeister des Klosters.

Der Andere war ein junger Mensch von siebzehn bis achtzehn Jahren, mit lebhaften schwarzen Augen, kühner Miene, hervorspringendem Kinn, klein aber gut gewachsen, der, wenn er seine weiten Aermel zurückschlug, mit einem gewissen Stolz zwei nervige, in der Geberde behende Arme sehen ließ.

»Der Prior schläft noch, Bruder Borromée,« sagte der jüngere von den beiden München zu dem anderen, »wecken wir ihn auf?«

»Hüten wir uns wohl, Bruder Jacques,« erwiederte der Säckelmeister.

»Es ist in der That Schade, daß wir einen Prior haben, der so lange schläft,« versetzte der junge Bruder, »denn man hätte diesen Morgen die Waffen probiren können; habt Ihr gesehen, was für schöne Panzer und Büchsen darunter sind?«

»Stille, mein Bruder, man könnte Euch hören.«

»Welch ein Unglück,« sprach der kleine Mönch, indem er mit dem Fuße auf den Boden stampfte, was jedoch durch den dicken Teppich gedämpft wurde, »welch ein Unglück, das Wetter ist heute so schön, der Hof ist so trocken, welch eine schöne Uebung hätte man heute vornehmen können, Bruder Borromée!«

»Man muß warten, mein Kind,« entgenete Bruder Borromée mit einer geheuchelten Unterwürfigkeit, welche durch das Feuer seiner Blicke Lügen gestraft wurde.

»Aber warum befehlt Ihr nicht immerhin, daß die Waffen ausgetheilt werden?« sprach ungestüm Jacques, während er seine herabgefallenen Aermel wieder zurückschlug.

»Ich, befehlen?«

»Ja, Ihr.«

»Ich befehle nicht, Ihr wißt es wohl, mein Bruder,« erwiederte Borromée mit Salbung, »ist nicht der Herr da?«

»In diesem Lehnstuhl, … eingeschlafen, … während alle Welt wacht,« sagte Jacques mit einem weniger ehrfurchtsvollem als ungeduldigen Tone, »der Herr?«

Und ein Blick stolzen Verständnisses schien bis in die Tiefe des Herzens von Bruder Borromée dringen zu wollen.

»Achten wir seinen Rang und seinen Schlummer,« sprach dieser, indem er mitten in das Zimmer trat, doch so unglücklich, daß er einen Schämel auf den Boden warf.

Obgleich der Teppich das Geräusch des Schämels dämpfte, wie er das des Stampfens von Bruder Jacques gedämpft hatte, fuhr Dom Gorenflot doch bei diesem, Lärmen auf und erwachte.

»Wer ist da?« rief er mit der bebenden Stimme einer eingeschlafenen Schildwache.

»Ehrwürdiger Herr Prior,« sagte der Bruder Borromée, »verzeiht, wenn wir Eure fromme Meditation stören, aber ich komme, um Eure Befehle einzuholen.«

»Ah! guten Morgen, Bruder Borromée,« sprach Gorenflot mit einem leichten Zeichen des Kopfes.

Dann nach einem Augenblick des Nachdenkens, in welchem er offenbar alle Saiten seines Gedächtnisses angespannt hatte, fragte er, drei bis viermal mit den Augen blinzelnd:

»Welche Befehle?«

»In Beziehung auf die Waffen und Rüstungen?«

»In Beziehung auf die Waffen und Rüstungen?« wiederholte Gorenflot.

»Allerdings, Eure Herrlichkeit hat befohlen, Waffen und Rüstungen herbeizuschaffen.«

»Wem?«

»Mir.«

»Bei Euch habe ich Waffen bestellt?«

»Ganz gewiß, ehrwürdiger Herr Prior,« antwortete Borromée mit gleichem, festem Tone.

»Ich!« wiederholte Dom Modeste, im höchsten Maße erstaunt, »ich! und wann dies?«

»Vor acht Tagen?«

»Ah! vor acht Tagen… Doch wozu Waffen?«

»Ihr sagtet mir, ehrwürdiger Herr und ich will Eure eigenen Worte wiederholen, Ihr sagtet mir: »»Bruder Borromée, es wäre gut, wenn man sich Waffen verschaffen würde, um unsere Mönche und Brüder zu bewaffnen; die gymnastischen Uebungen entwickeln die Kräfte des Körpern, wie die frommen Ermahnungen die den Geistes entwickeln.«

»Ich habe das gesagt?« versetzte Gorenflot.

»Ja, ehrwürdiger Herr Prior, und ich, ein unwürdiger, gehorsamer Bruder, beeilte mich, Eure Befehle zu vollziehen, und verschaffte mir Kriegswaffen.

»Das ist seltsam,« murmelte Gorenflot, »ich erinnere mich an nichts von dem Allem.«

»Ehrwürdiger Herr Prior, Ihr fügtet sogar der lateinischen Text bei: Militat spiritu, militat gladio.«

»Ah!« rief Dom Gorenflot, die Augen übermäßig aufreißend, »ich habe den Text beigefügt!«

»Ich besitze ein treues Gedächtniß, ehrwürdiger Herr Prior,« erwiederte Borromée, die Augen niederschlagend.

»Wenn ich es gesagt habe,« versetzte Gorenflot, indem er sachte den Kopf von oben nach unten schüttelte, »so hatte ich meine Gründe, es zu sagen, Bruder Borromée. In der That, es war stets meine Ansicht, man müsse den Körper üben, und als ich noch einfacher Mönch war, kämpfte ich mit dem Wort und sogar mit dem Schwert… Militat… spiritus… Sehr gut, Bruder Borromée, das war eine Eingebung des Herrn.«

»Ich will also Eure Befehle vollendet ausführen,« sagte Borromée, indem er sich mit Jacques zurückzog, der ihn, ganz bebend vor Freude, unten an seinem Rocke zupfte.

»Geht,« sprach Gorenflot majestätisch.

»Ah! ehrwürdiger Herr Prior,« sagte Borromée, der einige Secunden nach seinem Verschwinden wieder eintrat, »ich vergaß…«

»Was?«

»Im Sprechzimmer ist ein Freund Eurer Herrlichkeit, der mit Euch zu reden wünscht.«

»Wie nennt er sich?«

»Meister Robert Briquet,«

»Meister Robert Briquet,« versetzte Gorenflot, »das ist kein Freund von mir, Bruder Borromée, sondern ein einfacher Bekannter.«

»Eure Ehrwürden wird ihn also nicht empfangen?«

»Doch, doch,« sagte mit gleichgültigem Tone Gorenflot, »dieser Mensch zerstreut mich; laßt ihn heraufkommen.«

Bruder Borromée verbeugte sich zum zweiten Male und ging hinaus. Bruder Jacques aber hatte nur einen Sprung von dem Zimmer des Priors bis in die Kammer gemacht, wo die Waffen aufbewahrt wurden.

Fünf Minuten nachher öffnete sich die Thüre wieder und Chicot erschien.

8.Joyeusement, freudig, vergnügt, die Devise von Henri von Joyeuse war, wie gesagt, das lateinische Wort: hilariter.
9.Zwiebeln

Türler ve etiketler

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06 aralık 2019
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